(III Vollst\212ndigkeit und Kompakt)

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Math. Logik III.14
Kap. III : Vollständigkeit und Kompaktheit
§14 Erweiterungen von Theorien, Widerspruchsfreiheit
14.1 Definition
Eine Sprache
L´ heißt Erweiterung der Sprache
L (L ⊆ L´) gdw jedes (nicht-logische)
Symbol von L auch Symbol von L´ ist.
Eine Theorie T´ der Sprache L´ heißt Erweiterung der Theorie T der Sprache L (T ⊆ T´)
gdw
(i)
L´ Erweiterung der Sprache L ist und
( i i ) für alle Formeln ϕ der Sprache L gilt: T |− ϕ ⇒ T´ |− ϕ .
Gilt statt in (ii) die Äquivalenz, also
( i i i ) für alle Formeln ϕ der Sprache L gilt: T |− ϕ ⇔ T´ |− ϕ ,
so heißt T´ konservative Erweiterung von T .
Gelten sowohl T ⊆ T´ als auch T´ ⊆ T , so heißt T äquivalent zu T´ (und dann wird oft T mit
T´ identifiziert, da sie sich in diesem Fall (möglicherweise) nur durch ihre Axiomatisierung,
nicht aber in ihren Konsequenzen voneinander unterscheiden). Beachte, dass äquivalente
Theorien in derselben Sprache formuliert sind und dass eine konservative Erweiterung T´ von
T
zwar nur dieselben Aussagen der (kleineren) Sprache von T abzuleiten gestattet, darüber
hinaus jedoch möglicherweise weitere Aussagen über die erweiterte Sprache zuläßt.
So ist zum Beispiel die
Theorie der Körper TK (in der Sprache mit Individuenkonstanten 0, 1 sowie 2-stelligen
Funktionszeichen + und * und 1-stelligen Funktionszeichen - und -1 ) eine Erweiterung der
Theorie der (Abelschen) Gruppen TAG (in der Sprache mit der Individuenkonstanten O
sowie 2-stelligen Funktionszeichen + und 1-stelligem Funktionszeichen - ).
Ist L ⊆ L´, A eine L-Struktur und A´ eine L´-Struktur, so heißt A ´ Expansion von A
gdw |A| = |A´| und sA = sA´ für alle nicht-logischen Symbole s von L. Man schreibt dann
auch A = A´ Á L ( A eingeschränkt auf die Sprache L ).
14.2 Satz (Rein sprachliche Erweiterungen von Theorien)
T und T´ seien Theorien der Sprache L bzw. L´ , wobei L ⊆ L´ . Haben T und T´
dieselben Axiome (T´ heißt dann rein sprachliche Erweiterung von T), so ist T´ konservative
Erweiterung von T:
für alle Formeln ϕ der Sprache L gilt: T |− ϕ ⇔ T´ |− ϕ .
Vorbemerkung: Der Teil der Behauptung:
für alle Formeln ϕ der Sprache L gilt: T |− ϕ ⇒ T´ |− ϕ
III.50
Math. Logik III.14
ist trivial (da jedes Axiom von T auch Axiom von T´ ist, ist jeder Beweis von ϕ aus T auch
ein Beweis von ϕ aus T´), aber die Umkehrung ist keineswegs trivial, da ein Beweis von ϕ aus
T´ logische Axiome (bzw. Regeln) für Formeln der erweiterten Sprache benutzen kann (auch
wenn die zusätzlichen Symbole der Sprache
L´ in ϕ selbst nicht mehr vorkommen). Ein
semantischer Beweis (für ª statt |− ) ist jedoch einfach: ist A´ |= T´ , so ist die Einschränkung
A = A´ Á L ein Modell von T.
Beweis von 14.2: Für eine Formel ψ der Sprache L´ und eine Variable y sei
ψ y die Formel
der Sprache L , die aus ψ entsteht, indem man in ψ
Rt 1 . . . tn
Ft 1 . . . tn
(falls R nicht in L) durch y = y ,
c
(falls c nicht in L) durch y ersetzt.
(falls F nicht in L) durch y ,
Wir zeigen nun:
(*) für alle Formeln
ψ
der Sprache
Ausnahmen
L´
gilt für alle Variablen
y
bis auf endlich-viele
T´ |− ψ ⇒ T |− ψy .
(Da für Formeln ψ in L offenbar ψ y = ψ ist, so folgt hieraus dann die Behauptung.)
(*) beweisen wir durch Induktion über die Länge eines Beweises von
1. Fall: ψ ist nicht-logisches Axiom von T´. Dann ist auch ψ
T´ |− ψ :
(nicht-logisches) Axiom von T,
also T |− ψ und dann auch T |− ψ y für alle Variablen y (da hier ψ y = ψ ).
2. Fall: ψ ist logisches Axiom von T´.
2.1 ψ = ¬ θ ∨ θ . Dann ist ψ y = ¬ θ y ∨ θ y für jedes y und T |− ψ y für alle Variablen y .
2.2 ψ = θ [t/x] → ∃ x θ . Dann ist ψ y = θ y [t o /x] → ∃ x θ y für alle y , die in θ nicht
vorkommen und für einen Term t o von L . Somit T |− ψ y für alle Variablen y bis auf
endlich-viele.
2.3
2.4
ψ = (x=x) . Dann ist ψ y = (x=x) .
ψ ist eines der Gleichheitsaxiome. Dann ist
ψ y = ψ oder von der Form
θ → y=y ,
jedenfalls T |− ψ y für alle Variablen y .
3. Fall (Induktionsschritt): ψ ist Konklusion einer Regel mit den Prämissen ψ 1 , . . , ψ n
(n =1,2), wobei nach Induktionsvoraussetzung T |− (ψ i) y für i ≤ n und alle Variablen y bis
auf endlich-viele gilt.
3.1 Im Falle einer aussagenlogischen Regel ist ψ tautologische Folgerung aus ψ 1 , . . , ψ n ,
dann aber auch ψ y tautologische Folgerung aus (ψ 1)y , . . , (ψ n )y , und somit T |− ψ y .
III.51
Math. Logik III.14
3.2 Im Falle der vorderen Partikularisierung ist n=1 und
ψ = ∃ x ϕ → θ und ψ = ϕ → θ mit x nicht frei in θ . Dann ist
1
ψ y = ∃ x ϕ y → θ y und (ψ ) y = ϕ y → θy mit x nicht frei in θ für y ≠ x. Also
1
T |− ψ y für jedes y ≠ x mit T |− (ψ ) y und damit T |− ψ y für alle y bis auf endlich1
viele.
14.3 Korollar
T sei eine Theorie der Sprache L , c eine neue Konstante, die in L nicht vorkommt. Dann gilt:
für jede Variable y bis auf endlich-viele: T |− ϕ[c/x] ⇔ T |− ϕ[y/x] .
14.4 Reduktionssatz
T sei eine Theorie der Sprache L , Γ sei eine Menge von L- Formeln, ϕ
eine L- Formel.
Dann gilt:
T[Γ ] |− ϕ ⇔ es gibt endlich-viele
ϕ 1 , . . , ϕ n , welche universelle Abschlüsse von
Formeln ψ1, . . , ψn aus Γ sind, so dass T |− ϕ1 ∧ . . ∧ ϕn → ϕ .
Beweis von "⇐ ": Nach dem Abschlusssatz (II.10.6) gilt:
T[ Γ ] |− ϕ1 , . . , ϕ n , nach Vor. auch
Tautologiesatz:
T[Γ ] |− ϕ1 ∧ . . ∧ ϕ n → ϕ
und somit nach dem
T[Γ ] |− ϕ .
Beweis von "⇒ ": Es gelte T[Γ ] |− ϕ . In einem Beweis können nur endlich-viele Formeln
ψ 1 , . . , ψ n als nicht-logische Axiome aus Γ vorkommen; es gilt also
T[ ψ 1 , . . , ψ n ] |− ϕ für endlich viele
ψ 1 , . . , ψ n aus Γ .
Ist ϕ i der universelle Abschluss von ψ i , so gilt nach dem Abschlusssatz wieder
T[ ϕ 1 , . . , ϕ n ] |− ψi und somit
T[ϕ1, . . , ϕn] |− ϕ . Nach dem Tautologiesatz: T[ϕ1 ∧ . . ∧ ϕ n ] |− ϕi
und somit auch
T[ϕ 1 ∧ . . ∧ ϕ n ] |− ϕ , woraus mittels Deduktionstheorems die Beh.
T |− ϕ1 ∧ . . ∧ ϕ n → ϕ folgt.
Bereits früher (im Rahmen des AK, I.5.10) hatten wir die Widerspruchsfreiheit einer
Aussagenmenge definiert. Jetzt definieren wir analog:
T widerspruchsvoll (inkonsistent): ⇔ für alle Sätze ϕ der Sprache von T gilt: T |− ϕ ,
T widerspruchsfrei (konsistent): ⇔ es gibt einen Satz ϕ der Sprache von T mit: T º ϕ .
Diese Definition hat den Vorzug, dass sie auch für Sprachen ohne das ¬-Zeichen sinnvoll ist;
hier ergibt sich für unsere Sprachen die Äquivalenz mit der erwarteten Charakterisierung:
14.5 Lemma
T konsistent ⇔ es gibt keinen Satz ϕ der Sprache von T mit: T |− ϕ und T |− ¬ ϕ .
III.52
Math. Logik III.14
Beweis von "⇒": Falls T |− ϕ und T |− ¬ ϕ für einen Satz ϕ , so nach dem Tautologiesatz
T |− ϕ ∧
¬ ϕ und somit T |− ψ für alle Sätze ψ .
Beweis von "⇐ ": Wähle für ϕ den Satz ∀ x (x = x); dann gilt T |− ϕ , also nach Vor. T
º¬ϕ
,
und damit ist mindestens ein Satz aus T nicht beweisbar.
Bemerkungen:
Ist T´ Erweiterung von T und ist T´ konsistent, so auch T .
Ist T´ konservative Erweiterung von T, so gilt: T konsistent gdw T´ konsistent.
14.6 Reduktionssatz über die Widerspruchsfreiheit
T sei eine Theorie der Sprache L , Γ sei eine Menge von L- Formeln. Dann ist
T[ Γ ] widerspruchsvoll gdw es einen L-Satz ϕ gibt mit T |− ϕ , ϕ = ¬ ϕ 1 ∨ . . . ∨ ¬ ϕ n ,
wobei ϕ i universeller Abschluß eines ψ i ∈ Γ , ψ 1, . . , ψ n paarweise verschieden.
Beweis von "⇒ ": Falls T[Γ ]
widerspruchsvoll, so existiert ein Satz
ϕ mit T[Γ ] |− ϕ ∧ ¬ ϕ .
Nach dem Reduktionssatz gibt es Sätze ϕi = universeller Abschluss einer Formel ψ i ∈ Γ ,
ψ 1, . . , ψ n paarweise verschieden, mit T |− ϕ1 ∧ . . ∧ ϕn → ϕ ∧ ¬ ϕ .
Nach dem Tautologiesatz gilt dann:
T |− ¬ ϕ1 ∨ . . . ∨ ¬ ϕn .
Beweis von "⇐": Es sei T |− ¬ ϕ1 ∨ . . . ∨ ¬ ϕn . Da nach dem Abschlusssatz
T[ Γ ] |− ϕ i , also T[Γ ] |− ϕ 1 ∧ . . ∧ ϕ n , während zugleich T[Γ ]|− ¬ ϕ 1 ∨ . . . ∨ ¬ ϕ n , ist also
T[ Γ ] widerspruchsvoll.
14.7 Korollar
Es gilt, wenn ϕ * der universelle Abschluss von ϕ ist:
T |− ϕ ⇔
T
º
ϕ ⇔
T[¬ ϕ *]
widerspruchsvoll,
T[¬ ϕ *]
widerspruchsfrei.
(Direkter) Beweis von " ⇒ ": Falls
T |− ϕ , so auch T |− ϕ*
Andererseits gilt aber natürlich auch
T[¬ ϕ *] |− ¬ ϕ* . Somit ist T[¬ ϕ *]
und damit
T[¬ ϕ *] |− ϕ* .
widerspruchsvoll.
Beweis von "⇐ ": Es sei T[¬ ϕ *] widerspruchsvoll. Dann ist alles beweisbar, insbesondere
T[¬ ϕ *] |− ϕ * . Nach dem Deduktionstheorem:
T |− ¬ ϕ* → ϕ * , also T |− ϕ * und damit auch
T |− ϕ .
Dieses Ergebnis, welches Beweisbarkeit mit Konsistenz verknüpft, werden wir (wie im AK)
zum Beweis des Vollständigkeitssatzes benutzen.
III.53
Math. Logik III.15
§15 Termmodelle
T sei eine Theorie der Sprache L . Um ein Modell A von T zu finden, muss man wenigstens den
Individuenkonstanten der Sprache Werte zuordnen; unter günstigen Voraussetzungen erhält man
dann durch geeignete Festlegungen der Interpretation der Relations- und Funktionssymbole
bereits ein Modell. So findet man z.B. im Falle der Gruppentheorie (und ähnlich im Falle der
Theorie der Körper) das einfachste Modell:
Wähle ein Element e als (Interpretation des) neutrales Element und setze
e ° e = e, e-1 = e : G =({e}, ° ,-1 ) ist eine (kommutative) Gruppe!
Im allgemeinen Fall wird dieses Verfahren jedoch nicht funktionieren; als ersten Ansatz werden
wir die Idee jedoch weiterverfolgen: Setze
K : = {t| t konstanter (d.h. variablenfreier) L-Term} .
Die Elemente von K müssen in jedem Modell A von T als Elemente von |A| interpretiert
werden, wobei zu beachten ist, dass aus den Axiome der Theorie T möglicherweise folgen kann,
dass (formal, d.h. syntaktisch) verschiedene Terme gleich sein sollen (z.B. 0+1 = 1+(0* 1) in
der Körpertheorie). Daher werden wir Terme identifizieren, wenn die Theorie es erfordert:
s ∼ t : ⇔ T |− s = t
für s, t ∈ K .
Diese Relation ist (wegen der Gleichheitsaxiome! - s. z.B. 12.5) eine Äquivalenzrelation auf K,
s := {t ∈ K| s ∼ t }
zugehörige Äquivalenzklasse.
A : = {s | s ∈ K }
Menge der Äquivalenzklassen
wird der Individuenbereich der gesuchten Struktur sein, in dem
tA = t für alle t ∈ K gelten
wird. Dazu legen wir die Interpretation der weiteren nicht-logischen Zeichen wie folgt fest:
cA = c
F A (t 1 , . . , t m ) = F(t 1 , . . , tm )
R A (t 1 , . . , t n ) ⇔ T |− R(t1 , . . , tn )
für jede Individuenkonstante c von L
für jedes m-stellige Funktionszeichen F von L
für jedes n-stellige Relationszeichen F von L .
Dass diese Definitionen "wohldefiniert" sind (d.h. nicht von der Wahl der Repräsentanten der
jeweiligen Äquivalenzklassen abhängen) folgt wiederum aus den Gleichheitsaxiomen (Prinzip
der Nichtunterscheidbarkeit - s. 7.4 bzw. 12.6). Damit ist (für K ≠ Ø ) nun eine L-Struktur
A = A T = (A, RA , . . FA , . . cA , . . ) definiert, die kanonische Struktur der Theorie T .
Eine Struktur bzw. ein Modell, dessen Elemente alle Interpretationen von konstanten Termen
sind (wie die obige kanonische Struktur) nennt man auch eine Termstruktur bzw. ein TermModell.
III.54
Math. Logik III.15
15.1 Satz
Für alle atomaren Sätze ϕ gilt:
A T ª ϕ ⇔ T |− ϕ .
(*)
Beweis: Zeige zunächst durch Induktion über den Termaufbau:
(1)
tA = t für alle t ∈ K .
(*) beweist man dann durch Induktion über die Formellänge:
( 2 ) ist
ϕ = R(t1 , . . . , tn ) , so
A T ª ϕ..⇔ RA (t1 A , . . , tn A )
⇔ RA (t 1 , . . , t n )
nach Def. von ª
nach (1)
nach Def. von RA .
⇔ T |− R(t1 , . . , tn )
( 3 ) ist ϕ der Satz s=t , so
A T ª ϕ ⇔ sA = tA
nach Def. von ª
⇔ s=t
nach (1)
⇔ T |− s=t
nach Def. von t .
Damit die Aussage (*) für alle Sätze gilt (woraus insbesondere folgen würde, dass
Modell von
T
A T ein
ist, was jedoch i.a. nicht der Fall zu sein braucht), müsste man den
Induktionsbeweis weiterführen können. Dazu sollte (entsprechend der Wahrheitsdefinition)
insbesondere für die Fälle einer Existenzformel bzw. die Negation einer Formel gelten:
(a)
Analog zu
A T ª ∃x ϕ ⇔ es ex. ein t ∈ K mit A T ª ϕ[t /x]
:
T |− ∃x ϕ ⇔ es ex. ein t ∈ K mit T |− ϕ(t) .
(Diese Eigenschaften werden gerade die HENKIN-Theorien aufweisen - s. §16.)
( b ) Analog zu
AT ª ¬ ϕ ⇔ AT Ω ϕ
T |− ¬ ϕ ⇔ T | º ϕ.
(Diese Eigenschaften charakterisiert gerade die konsistenten und vollständigen Theorien s.§17.)
Zeigt man schließlich noch, dass
jede konsistente Theorie besitzt eine konsistente und vollständige HENKINTheorie
so hat man damit den Vollständigkeitsbeweis in der Form bewiesen:
Jede konsistente Theorie besitzt ein Modell.
III.55
Math. Logik III.16
§16 HENKIN-Theorien
16.1 Definition
(i)
Eine Theorie T der Sprache L heißt vollständig gdw für jeden L-Satz ϕ gilt:
T |− ϕ oder T |− ¬ ϕ .
Da T konsistent ist gdw nicht zugleich T |− ϕ und T |− ¬ ϕ gelten, so ist
T konsistent und vollständig gdw für jeden L-Satz ϕ gilt: entweder T |− ϕ oder T |− ¬ ϕ .
(Gelegentlich verwendet man den Begriff "vollständig" gerade in diesem Sinne, so dass er also die
Konsistenz miteinschließt.)
( i i ) Eine Theorie
T
der Sprache
L heißt HENKIN-Theorie
gdw für jeden L-Satz der
Form ψ = ∃ x ϕ gilt: es gibt eine Konstante c der Sprache L (ein Beispiel für ∃ x ϕ ) mit
T |− ∃x ϕ(x) → ϕ(c) und somit T |− ∃x ϕ(x) ↔ ϕ(c) .
(iii)
A sei L-Struktur mit Individuenbereich A , L(A) die erweiterte Sprache mit Namen
a
für jedes Element a ∈ A . Dann ist
(A,A) : = die Expansion von A zu einer L(A)-Struktur mit a (A,A) = a .
Th(A) : = { ϕ |L-Satz und A |= ϕ }
ist die L-Theorie von A ,
Th(A,A) : = { ϕ |L(A)-Satz und (A,A) |= ϕ }
ist die vollständige Theorie von A .
Beispiele:
(i)
Th(A) und Th(A,A) sind stets konsistente und vollständige Theorien, letztere ist offenbar
eine HENKIN-Theorie.
(Umgekehrt ist jede konsistente und vollständige Theorie T = Th(A) für ein A .)
( i i ) Konkrete Beispiele sind
•
die Theorie DLO der dichten linearen Ordnung ohne Endpunkte: konsistent und vollständig
(Nachweis später!), aber (in der Sprache allein mit <-Zeichen) keine HENKIN-Theorie.
• die Theorie der Gruppen TG ist konsistent, aber unvollständig: das Kommutativgesetz
∀ x ∀ y ( x y = y x ) ist weder beweisbar noch widerlegbar,
aber auch die Theorie der ABELschen Gruppen TAG ist unvollständig: z.B. ist der Satz, dass
genau ein Element existiert weder beweisbar noch widerlegbar (da es kommutative Gruppen mit
einem wie auch mit mehr als einem Element gibt).
•
die PEANO-Arithmetik PA ist unvollständig (GÖDELscher Unvollständigkeitssatz).
Eine HENKIN-Theorie muß zu jedem Existenzsatz eine Konstante als Beispiel besitzen, i.a.
besitzen natürlich vorgegebene Theorien nicht genügend Beispiele. Man kann jedoch durch
Hinzunahme genügend vieler Konstanten eine Theorie zu einer HENKIN-Theorie erweitern:
Es sei T eine Theorie der Sprache L . Wähle für jeden L-Satz der Form ψ = ∃ x ϕ eine neue
(d.h. in der Sprache L
bisher nicht vorkommende) Konstante
Sprache
III.56
cψ
und bilde die erweiterte
Math. Logik III.16
L* = L ∪ {cψ | ψ L-Satz der Form ∃ x ϕ }
sowie
T* = T[Γ ] die Erweiterung von T der Sprache L* mit den neuen HENKIN-Axiomen
Γ = { ∃x ϕ(x) → ϕ(c ψ ) | ψ L-Satz der Form ∃ x ϕ } .
T*
braucht keine HENKIN-Theorie zu sein, da man mit Hilfe der neuen Konstanten
möglicherweise neue Existenzsätze finden kann, für die keine Beispiele in der Sprache
L*
vorhanden sind. Man muß daher diesen Prozeß unendlich oft iterieren: Setze
L0 = L ,
T0 = T
Theorie der Sprache L
(Stufe 0)
L n+1 = L n *,
T n+1 = Tn *
Theorie der Sprache Ln+1
(Stufe
n+1).
Schließlich sei
LH = ∪ n∈ { Ln ,
16.2
(i)
TH = ∪ n ∈ { T n
die HENKIN-Erweiterung der Theorie T.
Satz über HENKIN-Erweiterungen
T H ist eine HENKIN-Theorie ,
( i i ) T H ist eine konservative Erweiterung von T ,
( i i i ) ist die Sprache L abzählbar, so auch die Sprache LH .
Beweis: (i) und (iii) sind klar (Abzählbarkeit einer Sprache bedeutet, dass die Menge der
Symbole der Sprache abzählbar ist). Zum Beweis von (ii) sei
T´ die Theorie der Sprache LH mit denselben nicht-logischen Axiomen wie T .
Dann ist T´ eine rein sprachliche Erweiterung von T und somit nach 14.2 eine konservative
Erweiterung von T . Wir zeigen nun die Behauptung, indem wir nachweisen:
( + ) ist ϕ Formel der Sprache L und gilt TH |− ϕ , so auch T´ |− ϕ .
Sei also ϕ Formel der Sprache L mit TH |− ϕ . Nach dem Reduktionssatz 14.4 gibt es dann
endlich viele Sätze der Form
ψ i = ∃ x ϕi(x) → ϕi(c i) mit ci = c∃ x ϕ (i = 1, . . . , n), so dass
i
T´ |− ψ1 ∧ . . ∧ ψn → ϕ .
Wir zeigen T´ |− ϕ durch Induktion nach n:
Jeder Satz ψ i ist ein Satz der Sprache L m für ein mi , wobei wir annehmen können, dass m1
i
≥ m2 , . . , mn . Das bedeutet dann insbesondere, dass die Konstante c1 in den Sätzen ψ2 , . . , ψn
und damit auch in den Formeln ϕ 1 , . . , ϕ n , ϕ nicht vorkommt. Also existiert eine Variable y ,
die nicht in diesen Formeln vorkommt (s. Beweis von 14.2), mit
T´ |− ( ∃x ϕ1 (x) → ϕ1 (y)) ∧ ψ2 ∧ . . ∧ ψn → ϕ . Dann:
T´ |− ( ∃x ϕ1 (x) → ϕ1 (y)) → ( ψ2 ∧ . . ∧ ψ n → ϕ ) und mit ∃ -Einführung:
T´ |− ∃y ( ∃x ϕ1 (x) → ϕ1 (y)) ∧ ψ2 ∧ . . ∧ ψ n → ϕ . Nun ist aber (12.2, 13.6)
|− ∃y ( ∃x ϕ1 (x) → ϕ1 (y)) , und somit haben wir
T´ |− ψ2 ∧ . . ∧ ψ n → ϕ . Ähnlich (bzw. nach Ind.vor.) kann man die übrigen Prämissen
eliminieren und erhält T´ |− ϕ .
III.57
Math. Logik III.17
§17 Vervollständigung von Theorien
Es sei T eine Theorie T der Sprache L . Ein L-Satz ϕ heißt
entscheidbar in T gdw T |− ϕ oder T |− ¬ ϕ ,
unabhängig in (bzw. von den Axiomen von) T gdw weder T |− ϕ noch T |− ¬ ϕ
gelten.
Somit ist eine Theorie vollständig gdw alle Sätze der zugehörigen Sprache in T entscheidbar sind
bzw. wenn sie keine unabhängigen Sätze besitzt. (Nach unserer Definition ist auch eine
widerspruchsvolle Theorie vollständig - auch wenn dieser Fall von geringem Interesse ist.)
Eine Abzählung (oder Aufzählung) einer Menge M ist eine Folge (an | n ∈ { ) mit
M = {an| n ∈ { } .
M heißt abzählbar gdw M = Ø oder M eine Abzählung besitzt.
Da eine Folge (an | n ∈ { ) nicht injektiv zu sein braucht,
endliche Mengen abzählbar.
sind nach dieser Definition auch
17.1 Satz (LINDENBAUM)
T sei eine Theorie der abzählbaren Sprache L . Dann existiert eine vollständige Erweiterung
TV von T in derselben Sprache L . Ist T konsistent, so auch TV .
Beweis: Da die Sprache L abzählbar ist, existiert eine Aufzählung (ϕ n | n ∈ { ) aller L-Sätze.
Setze (rekursiv)
T0 = T und
Tn+1
= Tn ,
= Tn [¬ ϕ n ]
falls Tn |− ϕn ,
sonst, d.h. (nach 14.7) : falls Tn [¬ ϕ n ] konsistent ist .
Schließlich sei
TV : =
∪n∈{ Tn
Da nach Konstruktion von Tn+1 gilt: Tn |− ϕn oder
TV |− ϕn oder TV |− ¬ ϕn ,
.
Tn+1 |− ¬ ϕn , so auch
und damit ist TV eine vollständige Theorie.
Zum Beweis des Zusatzes zeige man durch Induktion, dass - falls T konsistent ist - auch alle
Tn konsistent sind und damit auch TV (wegen des Endlichkeitssatzes für die Beweisbarkeit oder
aufgrund des folgenden Lemmas).
17.2 Lemma
Ist Γ eine Menge von Sätzen, so gilt:
T[ Γ ] konsistent ⇔ für alle endlichen Γ 0 ⊆ Γ : T[Γ 0 ] konsistent.
Beweis: benutze für "⇐ " etwa den Reduktionssatz für die Widerspruchsfreiheit.
III.58
Math. Logik III.17
17.3 Bemerkungen
(i)
Der Beweis von 17.1 zeigt, dass die Existenz einer Vervollständigung von der Wahl der
Aufzählung der Sätze der Sprache abhängt; i.a. hat eine (konsistente aber selbst nicht
vollständige Theorie) sehr viele Vervollständigungen.
(ii) T konsistent und vollständig ⇔ C(T): = {ϕ | T |− ϕ } ist eine maximale konsistente Theorie.
Unter Benutzung des Vollständigkeitssatzes (den wir erst noch beweisen wollen) kann man
zeigen, dass die Beispiele von §16 (S.56) tatsächlich die einzig möglichen sind:
jede konsistente und vollständige Theorie T ist (äquivalent zu) Th(A) für ein A (ª T).
Um den Satz von LINDENBAUM für beliebige Sprachen zu beweisen, muß man nach Bem. 17.3
(ii) zeigen, dass sich jede konsistente Theorie zu einer maximalen konsistenten Theorie
erweitern lässt. Dazu benötigt man (zumindest im Fall b e l i e b i g e r
Sprachen, die
möglicherweise überabzählbar sind) ein mengentheoretisches Maximumsprinzip, etwa das
ZORNsche Lemma.
17.4 Definition
(i)
Eine 2-stellige Relation ≤ auf einer Menge M ≠ Ø heißt partielle Ordnung gdw
∀x ∈ M x ≤ x
reflexiv
∀ x,y ∈ M ( x ≤ y ∧ y ≤ x → x = y )
antisymmetrisch
∀ x,y,z ∈ M ( x ≤ y ∧ y ≤ z → x ≤ z )
transitiv
.
Gilt außerdem
∀ x,y ∈ M ( x ≤ y ∨ y ≤ x )
so heißt ≤ (lineare)
konnex (vergleichbar)
Ordnung auf M .
( i i ) Es sei ≤ eine partielle Ordnung auf der Menge M.
Eine Teilmenge K ⊆ M heißt Kette (bzgl. ≤ ) gdw K (bzgl. ≤ ) linear geordnet ist, d.h.
∀ x,y ∈ K ( x ≤ y ∨ y ≤ x ) .
Ein Element a ∈ M heißt obere Schranke von N ⊆ M gdw
∀x ∈ N ( x ≤ a ) ,
a ∈ M heißt maximales Element (von M bzgl. ≤ ) gdw
∀x ∈ M ( a ≤ x → a = x ) ,
a ∈ M heißt größtes Element (von M bzgl. ≤ ) gdw
∀x ∈ M ( x ≤ a ) .
( i i i ) Das ZORNsche Lemma besagt:
Ist ≤ eine partielle Ordnung auf der Menge M, welche induktiv ist, d.h.
(I) jede Kette K besitzt in M eine obere Schranke ,
so hat M ein maximales Element.
III.59
Math. Logik III.17
(N.B.: Die logischen Symbole in obiger Definition sind - genau genommen - als Abkürzungen für
die entsprechenden metasprachlichen Bezeichnungen, d.h. ∧
für "und",
∀x
für
"für alle x"
und nicht als formale Symbole zu verstehen. Die Theorie TPO der partiellen Ordnung läßt sich
allerdings axiomatisieren durch die formalen Sätze
∀ x (x ≤ x) ∧ ∀ x ∀ y ( x ≤ y ∧ y ≤ x → x = y ) ∧ ∀ x,y,z ( x ≤ y ∧ y ≤ z → x ≤ z ) ,
so dass ≤ eine partielle Ordnung auf M ist gdw (M,≤) |= TPO . Das ZORNsche Lemma lässt sich
jedoch nicht in der zugehörigen formalen Sprache ausdrücken, da die Bedingung (I) eine Aussage
2. Stufe über M ist!)
17.5 Satz (Allgemeine Form des Satzes von LINDENBAUM)
Jede Theorie T besitzt eine vollständige Erweiterung TV in derselben Sprache.
Ist T konsistent, so auch TV .
Beweis (mit Hilfe des ZORNschen Lemmas): Es sei T konsistent. Wir setzen
M : = { Γ | Γ Menge von L-Sätzen mit T[Γ ] ist konsistent } .
Auf M wählen wir als partielle Ordnung die Inklusion:
Γ≤∆ :⇔ Γ⊆ ∆
( ⇒ T[∆ ] Erweiterung von T[Γ ] ).
Es bleibt zu zeigen, dass diese partielle Ordnung induktiv im Sinne von (I) ist:
Es sei K ⊆ M eine Kette. Dann setze
∆=
∪ Γ∈ K Γ
Dann gilt offenbar
= {ϕ | ϕ ∈ Γ für ein Γ∈ K } .
Γ ⊆ ∆ für alle Γ∈ K , und es bleibt nur zu zeigen:
∆ ∈ M , d.h. T[∆ ] ist konsistent.
Nach 17.2 genügt hierfür: für alle endlichen ∆ 0 ⊆ ∆ ist T[∆ 0 ] konsistent.
Sei also ∆ 0 endlich, ∆ 0 = { ϕ 1 , . . , ϕn } (falls ∆ 0 = Ø , so benutzen wir die Vor. T konsistent).
Dann gibt es nach Def. von ∆ zu jedem ϕi ein Γ i ∈ K mit ϕi ∈ Γi . Da aber K eine Kette ist,
gibt es ein Γ i ∈ K mit ϕj ∈ Γi für alle j = 1, . . , n , und da Γi ∈ K , so ist T[ Γi ]
auch T[∆ 0 ] konsistent.
und damit
Für ein maximales Element Γ ∈ K gilt nun aber, dass T[Γ ] konsistent und vollständig ist.
III.60
Math. Logik III.18
§18 Der GÖDELsche Vollständigkeitssatz
Dieser Satz wurde zuerst (für abzählbare) Sprachen bewiesen von
GÖDEL, Kurt: Die Vollständigkeit der Axiome des logischen Funktionenkalküls,
Monatshefte Math. Phys. 37 (1930), 349-360
(s. a.: Kurt Gödel: Collected Works, Vol. 1 (ed. by S. Feferman ), Oxford Univ. Press 1986
mit einführenden Kommentaren)
und für beliebige Sprachen von MALCEV (1936). Unsere Beweismethode geht zurück auf
HENKIN, L.: The completeness of the first-order functional calculus,
Journal Symbolic Logic 14 (1949), 159-166
HENKIN, L.: The discovery of my completeness proof,
Bull. Journal Symbolic Logic 2,2 (1996), 127-158
(s.a.: Leblanc-Roeper-Than-Weaver: Henkin´s completeness proof: Forty years later,
Notre Dame Journal of Formal Logic 32(1991), 212-232 ).
Der Vollständigkeitssatz läßt sich in zwei äquivalente Fassungen angeben:
18.1 Vollständigkeit des PK
(i) T |= ϕ ⇒
T |− ϕ ,
(ii) T konsistent ⇒ T hat ein Modell.
Beweis von (ii): T sei konsistente Theorie , L die Sprache von T . Bilde die Erweiterungen
T ⊆ TH ⊆ (TH )V = T ´ . Dann gilt:
TH und T´ sind Theorien der Sprache LH = : L´,
TH und damit auch T´ sind konsistent, T´ ist zusätzlich vollständige Theorie der Sprache L´ ,
TH und damit auch T´ (als Erweiterung in derselben Sprache) sind HENKIN-Theorien.
Somit ist T´ eine konsistente, vollständige HENKIN-Theorie, welche T erweitert.
Wir zeigen, dass für das Termmodell A´ von T´ und für alle Sätze ϕ der Sprache L´ gilt:
(*) A´ |= ϕ ⇔ T´ |− ϕ .
Insbesondere ist dann A´ ein Modell von T´ und A : = A´ Á L, die Einschränkung von A´ auf
die Sprache L, ein Modell von T . Beweis von (*) durch Induktion über den logischen Aufbau
von ϕ :
III.61
Math. Logik III.18
1. Fall: ϕ atomar. Dann gilt die Behauptung nach 15.1.
2. Fall: ϕ = ¬ ψ . Es gilt nach Def. von ª :
A´ ª ¬ ψ ⇔ (nicht A |= ψ ) ,
entsprechend wegen der Vollständigkeit und Konsistenz vonT´:
(1)
T´ |− ¬ ψ ⇔ (nicht T´ |− ψ ) ,
somit folgt die Behauptung aus der Induktionsvoraussetzung.
3. Fall: ϕ = ψ ∨ θ . Dann gilt wieder nach Def. von |= :
A´ ª ψ ∨ θ
⇔
A´ ª ψ oder A´ ª θ ,
und entsprechend wegen der Vollständigkeit und Konsistenz von T´:
(2)
T´ |− ψ ∨ θ ⇔ T´ |− ψ oder T´ |− θ ,
denn
T´ |− ψ oder T´ |− θ
⇒ T´ |− ψ ∨ θ
mittels Abschwächung,
und umgekehrt:
falls nicht ( T´ |− ψ oder T´ |− θ ), so T´ º ψ und T´ º θ , also
T´ |− ¬ ψ und T´ |− ¬ θ
T´ |− ¬ ( ψ ∨ θ )
wegen der Vollständigkeit von T´
nach dem Tautologiesatz
T´ º ϕ
wegen der Konsistenz von T´ .
Somit folgt aus (2) und der Induktionsvoraussetzung auch wieder die Behauptung.
4. Fall: ϕ = ∃x ψ . Dann gilt zunächst wieder nach Def. von ª :
A´ ª ∃x ψ ⇔ es existiert ein a ∈ | A´| mit A´ ª ψ[a] .
Da A´ das Termmodell von T´ ist, ist aber jedes a ∈ | A´| von der Form
a = t = t A ´ für einen konstanten Term t , also:
A´ ª ∃ x ψ ⇔ es existiert ein konstanter Term t mit A´ ª ψ(t) .
Entsprechend gilt, da T´ HENKIN-Theorie ist:
(3)
T´ |− ∃ x ψ ⇔ es existiert ein konstanter Term t mit T´ |− ψ(t) .
(Denn "⇐ " gilt für beliebige Theorien; für "⇒ " wähle als Term ein Beispiel für ∃ x ψ .)
Somit folgt aus (3) und der Induktionsvoraussetzung auch wieder die Behauptung.
18.2 Korollar (Satz von LÖWENHEIM)
Ist T eine konsistente Theorie in einer abzählbaren Sprache L ,
so besitzt T ein abzählbares Modell.
(Denn für abzählbares L ist auch die Sprache L´
der HENKIN-Erweiterung und damit auch
das Termmodell abzählbar.) Das Ergebnis von LÖWENHEIM findet sich in der Form
hat eine Theorie T in einer abzählbaren Sprache L ein Modell,
so auch ein abzählbares Modell
bereits in der Arbeit
LÖWENHEIM, Leopold: Über Möglichkeiten im Relativkalkül, Math. Ann. 76 (1915),447-470.
18.3 Definition
III.62
Math. Logik III.18
In 16.1.(iii) (S. 56) haben wir für eine
Th(A) : = { ϕ | L-Satz und A |= ϕ }
L-Struktur
A
bereits definiert:
die L-Theorie von A .
Ist umgekehrt T eine Theorie der Sprache L , ϕ ein L-Satz, so sei
Mod( ϕ ) : = { A | A L-Struktur und A ª ϕ }
die Modellklasse von ϕ ,
Mod(T) : = { A | A L-Struktur und A ª T}
die Modellklasse von T .
18.4 Korollar
Sind T und T´ Theorien in derselben Sprache L , so gilt:
T ⊆ T´ ⇔ Mod( T´ ) ⊆ Mod( T ) ,
T = T´ ⇔ Mod( T ) = Mod( T´ ) .
(Dabei meinen wir hier mit T = T´ : T äquivalent zu T, d.h. C(T) = C(T´).)
Ergänzung
Es wurde bei der Behandlung des Satzes von LÖWENHEIM bereits bemerkt, dass man für die
Existenz einer Vervollständigung im Falle allgemeiner Sprachen ein Prinzip benötigt, das über
die üblichen mengentheoretischen Axiome hinausgeht, etwa das ZORNsche Lemma oder das
äquivalente Auswahlaxiom. Tatsächlich ist der allgemeine Vollständigkeitssatz äquivalent zum
BOOLEschen Primideal-Theorem BPI (welches schwächer als das Auswahlaxiom ist):
18.5 Satz
Folgende Aussagen sind äquivalent:
(i)
BPI: Jede BOOLEsche Algebra besitzt einen Ultrafilter (bzw. ein Primideal),
( i i ) jeder Filter in einer BOOLEsche Algebra kann zu einem Ultrafilter erweitert werden,
( i i i ) Satz von LINDENBAUM:
jede konsistente Theorie kann zu einer vollständigen und konsistenten Theorie in derselben
Sprache erweitert werden,
( i v ) Vollständigkeitssatz: für alle Sätze ϕ gilt:
T ª ϕ ⇒ T |− ϕ ,
( v ) Kompaktheitssatz:
ist Σ eine Menge von Sätzen und
hat jede endliche Teilmenge Σ0 ⊆ Σ ein Modell, so hat auch Σ ein Modell.
III.63
Math. Logik III.19
§19 Der Kompaktheitssatz
19.1 Kompaktheitssatz
Σ sei eine Menge von Sätzen, ϕ ein Satz. Dann gilt:
Hat jede endliche Teilmenge Σ0 ⊆ Σ ein Modell, so hat auch Σ ein Modell, bzw.:
T ª ϕ ⇒ es existiert ein endliches To ⊆ T mit To ª ϕ .
(Natürlich gelten auch die jeweiligen Umkehrungen.)
Als erste Anwendung benutzen wir die Anzahlformeln, welcher in der Sprache des PK allein
mit Hilfe der Gleichheit ausgedrückt werden können: Es gibt Sätze ∃ ≥ n , ∃ ≤ n , ∃ n , so dass für
alle L-Strukturen
A mit | A |= A gilt:
A ª ∃≥n ⇔ A hat mindestens n Elemente,
A ª ∃≤n ⇔ A hat höchstens n Elemente,
A ª ∃n ⇔ A hat genau n Elemente.
19.2 Satz
T sei eine Theorie, die beliebig große endliche Modelle hat (d.h. für jede natürliche Zahl n
hat T ein Modell mit mindestens n Elementen). Dann hat T auch ein unendliches Modell.
Beweis: Für die Theorie T ´: = T[{ ∃ ≥ n | n = 1, 2, 3, . . . }] gilt nach Voraussetzung über T :
jede endliche Teilmenge von T´ hat ein Modell,
also hat nach dem Kompaktheitssatz T´ selbst ein Modell, das dann Modell von T ist und
außerdem alle Sätze ∃ ≥ n für beliebiges n erfüllen muß, also nicht endlich sein kann.
19.3 Definition
K sei eine Klasse von L-Strukturen. Dann heißt
K elementare Klasse (EC) ⇔ K = Mod(σ ) für einen L-Satz σ ,
K ∆ -elementare Klasse (EC ∆ ) ⇔ K = Mod(Γ ) für eine Menge von L-Sätzen Γ .
Eine EC-Klasse ist somit speziell eine EC∆ -Klasse, und
jede EC∆ -Klasse ist Durchschnitt von EC-Klassen.
19.4 Beispiele
(a)
elementare Klassen sind:
{ G | G ist Gruppe} = Mod(σ G ) , σ G = Konjunktion der endlich-vielen Gruppenaxiome,
{ G | G ist kommutative Gruppe} ,
{ K | K ist Ring (kommutativ, mit 1)} ,
{ K | K ist Körper} , { K | K ist Körper der Charakteristik p}
{≤| ≤ ist (lineare) Ordnung} .
III.64
(p fest; p Primzahl),
Math. Logik III.19
( b ) ∆ -elementare Klassen , aber (nach 19.5) keine elementaren Klassen sind:
{ G | G ist unendliche Gruppe} = Mod({σ G , ∃ ≥ 1 , ∃ ≥ 2 , ∃ ≥ 3 , . . . }) ,
{ K | K ist unendlicher Körper} , { K | K ist Körper der Charakteristik 0},
(c)
keine ∆ -elementare Klassen (nach 19.2 bzw. 19.5) sind:
{ G | G ist endliche Gruppe} ,
{ G | G ist Torsions-Gruppe (d.h. jedes Element hat endliche Ordnung)} ,
{ K | K ist endlicher Körper} ,
{≤ | ≤ ist Wohlordnung} (Übungsaufgabe!).
19.5 Satz
L sei die Sprache der Theorie der Körper, ϕ ein L-Satz.
Gilt ϕ in allen Körpern der Charakteristik 0 (bzw. in allen unendlichen Körpern), so gibt es
ein p , so dass ϕ
in allen Körpern der Charakteristik ≥ p (bzw. in allen Körpern mit
mindestens p Elementen) gilt.
Beweis: Es sei
χp
der Satz 1 + 1 + . . . +1 (p-mal) = 0 , welcher ausdrückt, dass die
Charakteristik = p ist, T´ die Theorie der Körper TK , ergänzt um die Aussagen
¬ χ p für p beliebige Primzahl: p = 2, 3, 5, . . .
Gilt nun ϕ in allen Körpern der Charakteristik 0 , so T´ ϕ
, also gibt es nach dem
Kompaktheitssatz ein endliches To ⊆ T´ mit To ª ϕ . To kann aber nur endlich viele der
Aussagen ¬ χp enthalten, und daraus erhalten wir die Behauptung. (Ähnlich im anderen Fall mit
Anzahl- statt Charakteristik-Formeln.)
Die PEANO-Sprache
L P A ist die Sprache des PK mit nicht-logischen Zeichen 0
(Individuenkonstante für die natürliche Zahl
+1) und + und *
0), ´ (einem 1-stelligen Funktionssymbol für
( zwei 2-stelligen Funktionssymbolen für Addition und Multiplikation);
die Theorie PA der PEANO-Arithmetik enthält die (universellen Abschlüsse der) folgenden
Axiome:
P1
x´≠ 0
P2
x´= y´ → x = y
P3
x + 0 = x
P5
P4
x + y´= (x + y)´
P6
x * 0 =0
x * y´ = x * y + x
sowie die unendlich-vielen Induktionsaxiome:
P7
ϕ (0) ∧ ∀ x ( ϕ (x) → ϕ(x´)) → ∀x ϕ ( x )
(wobei die Formel
ϕ (x) außer der "Induktionsvariablen"
enthalten darf)
III.65
x
noch weitere Variable frei
Math. Logik III.19
Das (intendierte) Modell von PA ist das Standardmodell
mit den "gewöhnlichen" natürlichen Zahlen
{ = ({ ,0 { ,´{ ,+ { ,* { )
{ = {0, 1, 2, 3, . . . } und den darauf erklärten
üblichen" zahlentheoretischen Operationen. Ein Modell von PA , welches zum Standardmodell
nicht isomorph ist, heißt
non-standard Modell.
Dass die PEANO-Arithmetik auch solche ungewöhnlichen Modelle (mit "unendlich großen"
Zahlen besitzt), folgt aus
19.6 Satz
Die Theorie PA besitzt (abzählbare) non-standard Modelle.
Beweis: Füge zu den PEANO-Axiomen die folgenden Sätze hinzu:
(*)
c ≠ 0 , c ≠ 0´= 1 , c ≠ 0´´ = 2 , . . . ,
wobei c eine neue Individuenkonstante ist (zur Bezeichnung einer "unendlich großen" Zahl).
Jeweils endlich-viele der Sätze (*) kann man im Standard-Modell wahr machen, indem man c
als genügend große natürliche Zahl interpretiert), also hat die erweiterte Theorie laut
Kompaktheitssatz ein (abzählbares) Modell { * , von dem man (wegen der Axiome (P1) und
(P2)) annehmen kann, dass 0 { * = 0, 1 { * = 1, usw., dass es also die gewöhnlichen Zahlen
* ist dann ein Modell von
PA, in welchem außer den natürlichen (Standard-) Zahlen noch eine weitere Zahl c { * (und
damit natürlich auch c { * + 1{ * , c { * + 2{ * , . . . c { * + c { * , . . ) enthalten sind.
enthält und auf diesen dieselben Operationen wie das Standardmodell.
N
Geht man statt von PA von der (vollständigen) Theorie Th({ ) aus, so erhält man nach der
gleichen Methode sogar ein non-standard Modell { * , welches das Standardmodell { erweitert,
eine (und damit natürlich noch weitere) "unendlich großen" Zahlen enthält, für die dieselben
Gesetze (d.h. Sätze der PA-Sprache) gelten wie im Standardmodell { . Allgemeiner ersehen
wir hieraus erste Grenzen für die Ausdrucksfähigkeit des PK erster Stufe:
Es gibt keine Theorie T in der Sprache der PEANO-Arithmetik, die das Standardmodell der
natürlichen Zahlen in dem Sinne charakterisiert, dass alle (abzählbaren) Modelle von
T
isomorph zum Standardmodell sind.
19.7
Ähnlich wie oben kann man mit Hilfe des Kompaktheitssatzes zeigen, dass es nicht-
archimedisch angeordnete Körper gibt: Füge zur Theorie TOF der geordneten Körper (in der
Sprache der Theorie der Körper + einem 2-stelligen Relationssymbol
>
für die Anordnung)
Aussagen
c > 1, c > 1+1 , . . .
hinzu, wobei c eine neue Individuenkonstante ist.
Die erweiterte Theorie ist laut Kompaktheitssatz konsistent und jedes ihrer Modelle enthält
unendlich-große (und damit auch unendlich-kleine) Elemente und ist somit ein nichtarchimedisch angeordneter Körper.
III.66
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