Baukosten und Energieeffizienz Nachweis des Einflusses von Energieeffizienzstandards auf die Höhe von Baukosten Dipl.-Ökonom Michael Neitzel Gutachten im Auftrag des VNW – Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V. BFW – Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Landesverband Nord e.V. IVD – Immobilienverband Deutschland Region Nord e.V. InWIS-Gutachten Impressum Dipl.-Ökonom Michael Neitzel Baukosten und Energieeffizienz Nachweis des Einflusses von Energieeffizienzstandards auf die Höhe von Baukosten Bochum, Januar 2017 InWIS Forschung & Beratung GmbH Springorumallee 5 44795 Bochum Tel.: 0234 - 890 34-0 Fax: 0234 - 890 34-49 E-Mail: [email protected] Internet: www.inwis.de InWIS wird getragen von der Gesellschaft der Freunde und Förderer des InWIS e.V. © InWIS, Bochum. Alle Rechte vorbehalten. 2 Baukosten und Energieeffizienz Inhalt 1. Einleitung ................................................................................................. 7 2. Baukosten und Energieeffizienz – Der Sachstand ..................................... 10 2.1. Bestimmung der Höhe von Baukosten ............................................. 10 2.1.1 Gliederung von Baukosten und Vergleichsmaßstäbe ............... 10 2.1.2 Einflussfaktoren auf die Höhe von Baukosten .......................... 13 2.1.3 Planung und Entstehung der Kosten für unterschiedliche Energieeffizienzstandards ....................................................... 21 2.2. Kostenunterschiede von Energieeffizienzstandards .......................... 31 2.2.1 Bei Verwendung von Typengebäuden ...................................... 31 2.2.2 Entlang von Verschärfungen der EnEV .....................................37 2.2.3 Im Verhältnis zu anderen Qualitätsmerkmalen von Wohngebäuden ..................................................................... 39 2.2.4 Im Entscheidungskontext von Wohnungsunternehmen ............ 43 2.2.5 Bei einzelnen Bauleistungen .................................................. 46 3. Empirische Datengrundlagen und deren Aussagegrenzen ..........................51 3.1. Projektdatenbank des Baukosteninformationszentrums (BKI) ...........52 3.2. Erhebung bundesweiter Projekte im kostengünstigen sozialen Wohnungsbau ................................................................................ 56 3.3. Analyse von Projekten im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Hamburg .................................................................................... 59 4. Fazit ....................................................................................................... 67 5. Anhang ................................................................................................... 68 Methodik von Regressionsanalysen und Vorgehensweise......................... 68 Literaturverzeichnis .....................................................................................71 InWIS-Gutachten 3 Baukosten und Energieeffizienz Abbildungen Abbildung 1: Wesentliche Faktoren für die Veränderung der Höhe von Baukosten .......................................................................... 14 Abbildung 2: Entwicklung der Bauwerkskosten von 2000 bis 2016 .......... 15 Abbildung 3: Stufen der Kostenermittlung ............................................... 22 Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Bauwerkskosten und Einsparung warmer Betriebskosten ...................................................... 34 Abbildung 5: Überblick über die Mehrkosten verschiedener Qualitätsstufen (Energieeffizienzstandards) im Vergleich zu anderen Studienergebnissen ............................................................ 41 Abbildung 6: Vergleich der Mehrkosten verschiedener Qualitätsmerkmale zu den Kostensteigerungen für höhere Energieeffizienz .......42 Abbildung 7: Charakteristische Bau-/Modernisierungskosten der energetisch bedingten Bauteile für ein Mehrfamilienhaus der 1950er und 1960er Jahre einschließlich Nebenkosten (Projektbeispiel Karlsruhe) ................................................ 44 Abbildung 8: Preisentwicklung Außenwand aus Porenbeton (preisbereinigt, Indexstand 2014 = 100) .................................................... 47 Abbildung 9: Preisentwicklung von Fenstern unterschiedlicher energetischer Standards .................................................... 49 Abbildung 10: Grundmodell der Untersuchung zu den Herstellungskosten eines Gebäudes .................................................................. 52 Abbildung 11: Auszug aus dem Fragebogen ............................................... 57 Abbildung 12: Median-Baukosten unterschiedlicher energetischer Standards ......................................................................................... 65 Tabellen 4 Tabelle 1: Kostengruppen nach DIN 276 .............................................. 11 Tabelle 2: Struktur der Baukosten nach DIN 276 ................................. 12 Tabelle 3: Studien und die daraus abgeleiteten Einflussfaktoren der Herstellungskosten ............................................................. 18 Tabelle 4: Anzahl von möglichen Einflussfaktoren auf die Baukosten, gegliedert nach Faktorengruppen ....................................... 19 Tabelle 5: Bei der degewo, Berlin, verwendete Planungsparameter und Zielbereiche, um Baukosten zu reduzieren .......................... 22 Tabelle 6: KfW – Energiestandards 2016 ............................................. 23 Tabelle 7: Übersichten zur Qualität der Gebäudehülle in Abhängigkeit von Energieeffizienzstandards ............................................ 23 Tabelle 8: Zusammenstellung unterschiedlicher Bauteilkosten ............24 Tabelle 9: Effekte des höheren Energieeffizienzstandards auf die Bauteilflächen in der Kostengruppe 300 (Beispiel EGS-Plan) ..........................................................................................24 Tabelle 10: Absolute Kosten für Wärmeerzeuger im EGS-Plan-Beispiel... 25 Tabelle 11: Auswirkungen des Energieeffizienzstandards auf die Bauwerkskosten nach ESG-Plan ......................................... 26 Tabelle 12: Überblick über wesentliche Merkmale von zwei Typengebäuden .................................................................. 32 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 13 Darstellung der Bauwerkskosten (KG 300/400) und des Endenergieverbrauchs für Heizwärme und Warmwasserbereitung (Typengebäude ARGE Kiel) ............. 33 Tabelle 14: Effekte des höheren Energieeffizienzstandards auf die Kostengruppe 300, 400 und 700 (Beispiel EGS-Plan) ........ 36 Tabelle 15: Vergleich der Ermittlung von Kostenauswirkungen von Qualitätsstufen von Energieeffizienz .................................. 41 Tabelle 16: Kostenunterschiede von unterschiedlichen Energieeffizienzstandards in der Modernisierung anhand von sieben Projektbeispielen ................................................... 45 Tabelle 17: Energetische Modernisierungskosten je m² Wohnfläche für unterschiedliche Energieeffizienzstandards im Verhältnis zu den Energieeinsparungen .................................................. 45 Tabelle 18: Preisspannen je m² Bauteilfläche für Außenwand aus Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem und Satteldach im Jahr 2014 ..................................................... 48 Tabelle 19: Überblick über die Kosteneinflussfaktoren nach Merkmalsgruppen ...............................................................52 Tabelle 20: Statistische Kennziffern des Kostenmodells für die Außenwand ....................................................................... 54 Tabelle 21: Kostenmodells für das Außenwandsystem .......................... 55 Tabelle 22: Statistische Kennziffern des Kostenmodells für das Gesamtgebäude ................................................................. 55 Tabelle 23: Koeffizienten des Gesamtgebäudes für Modell 1 (semi-log) 55 Tabelle 24: Rangfolge der wichtigsten Kosteneinflussfaktoren von Experteninterviews und des Kostenmodells ........................ 56 Tabelle 25: Überblick über wesentliche Items des Fragebogens für die Erhebung von sozialen Wohnungsbauprojekten ...................57 Tabelle 26: Zusammenfassung des Modells zur Erhebung von Projekten im sozialen Wohnungsbau ................................................. 58 Tabelle 27: Aufbau des Modells zur Erklärung der Höhe von Baukosten 58 Tabelle 28: Wesentliche Ergebnisse der linearen Regressionsmodelle mit jeweils einer unabhängigen Variable.................................. 63 Tabelle 29: Wesentliche Ergebnisse der linearen Regressionsmodelle zu Effizienzhausklassen ......................................................... 63 Tabelle 30: Ergebnisse multivariater Analysemethoden ........................ 64 InWIS-Gutachten 5 Baukosten und Energieeffizienz 1. Einleitung In den großen Ballungsräumen und Universitätsstädten ist die Wohnungsnachfrage in den letzten Jahren erheblich gestiegen: Es herrscht ein Wohnungsmangel, der nur durch zusätzlichen Wohnungsneubau gedeckt werden kann. Bundesweit werden jährlich bis zu 400.000 neue Wohnungen benötigt. 1 Wohnungsmangel in den Ballungsräumen erfordert Neubau Um den Neubau zu forcieren ist es erforderlich, das wohnungspolitische Instrumentarium zielgerichtet einzusetzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass bestehende Hemmnisse, die den Neubau von bezahlbaren Wohnungen be- oder gar verhindern können, beseitigt werden. Auf Bundesebene hat sich das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen, das vom Bau- und Umweltministerium Mitte 2014 ins Leben gerufen wurde, in mehreren Arbeitsgruppen und der Baukostensenkungskommission intensiv mit den Facetten dieser Problematik auseinander gesetzt. Wohnungsneubau fördern, Hemmnisse beseitigen Als ein großes Hemmnis für die Errichtung neuer Gebäude und Wohnungen wurden hohe Baukosten und deren ungebremster Anstieg in den vorangegangenen Jahren ausgemacht. Niedrige Baukosten sind eine notwendige Voraussetzung, um bezahlbare Wohnungen errichten zu können. Die Baukostensenkungskommission übernahm gemäß Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode den Auftrag, preistreibende und überdimensionierte Standards und Kosten von Materialien und Verfahren zu überprüfen. 2 Niedrige Baukosten als notwendige Voraussetzung für bezahlbares Wohnen Die Baukostensenkungskommission hat sich daher intensiv mit der Entwicklung der Baukosten und der Baupreise, den zur Verfügung stehenden Datengrundlagen und den Einflussfaktoren für die Baukostenentwicklung auseinander gesetzt. Auf der Grundlage der begutachteten Ergebnisse wurden Empfehlungen für eine Senkung von Baukosten erarbeitet. Intensive Auseinandersetzung der Baukostensenkungskommission mit der Höhe der Baukosten Angesichts der für den 1. Januar 2016 vorgesehenen und schließlich umgesetzten Verschärfung der Anforderungen der EnEV (2014) für den Neubau von Wohngebäuden wurden auch Fragen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes behandelt, soweit diese einen unmittelbaren Bezug zu den Baukosten hatten. Mit dieser Maßgabe hat sich die Baukostensenkungskommission von der parallel arbeitenden Arbeitsgruppe abgegrenzt, die im Bündnis für diese Themen eingerichtet worden war. Hohe Bedeutung von Fragen von Baukosten und Energieeffizienzstandard Sowohl im Vorfeld als auch während der Arbeit der Baukostensenkungskommission sind verschiedene Studien veröffentlicht worden, die auf den kostensteigernden Einfluss von Energieeffizienzmaßnahmen hingewiesen und deren Wirtschaftlichkeit teilweise infrage gestellt haben. Neben diesen Studien hat die Baukostensenkungskommission auch eine zusätzliche Forschungsarbeit in Auftrag gegeben, mit der die Kosteneffekte von Energieeffizienzstandards mit denjenigen anderer Qualitätsstandards, wie bspw. Barrierearmut und höherer Schallschutz, verglichen wurden.3 Grundlagenstudien über den Einfluss höherer Energieeffizienz auf die Baukosten liegen vor 1 2 3 Neitzel, Michael/Walberg, Dieter (Hrsg.)(2016): Instrumentenkasten für wichtige Handlungsfelder der Wohnungsbaupolitik, Bochum, 2016, S. 5. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bauen und Reaktorsicherheit (BMUB)(Hrsg.)(2015): Bericht der Baukostensenkungskommission, Berlin, 2015, S 6. Das InWIS hat die Arbeit der Baukostensenkungskommission wissenschaftlich und technisch begleitet und den Abschlussbericht vorbereitet und redaktionell bearbeitet. Die Ergebnisse der Studien werden in Kapitel 2.2 dargestellt und bewertet. InWIS-Gutachten 7 Baukosten und Energieeffizienz EnEV-Verschärfungen führen zu höheren Baukosten Nach Diskussion der vorliegenden Studienergebnisse hat haben die Mitglieder der Kommission im Einvernehmen festgestellt, dass die Verschärfung der Anforderungen zum 1. Januar 2016 zu höheren Bauwerkskosten führen wird.4 Der Abschlussbericht fasst die Beratungen folgendermaßen zusammen: „Die beschlossenen Änderungen der EnEV (2014), die zum 1. Januar 2016 wirksam werden, führen in den Kostengruppen 300 und 400 zu Mehrkosten zwischen voraussichtlich 6 und 7 %.“5 Die Baukostensenkungskommission hat sich in den zusammenfassenden Bewertungen in diesem Fall nur mit den ab dem 1. Januar 2016 geltenden höheren Anforderungen beschäftigt. Der Bericht der Kommission arbeitet auf der Grundlage der vorliegenden Studien deutlich heraus, dass verschiedene Energieeffizienzstandards mit spezifischen Kostensteigerungen einhergehen und ein jeweils höheres Anforderungsniveau zu höheren Baukosten führt. Aussetzen der EnEV-Stufe zum 1. Januar 2016 war in der Diskussion Angesichts der kostensteigernden Wirkungen der EnEV-Verschärfung ist sowohl in der Kommission als auch in der Öffentlichkeit eine Debatte darüber geführt worden, diese Stufe – ggf. auch nur in bestimmten Regionen, für bestimmte Baumaßnahmen und zeitlich befristet – auszusetzen. Angesichts der Notwendigkeit, den Neubau bezahlbarer Wohnungen zu fördern, wäre dies ein deutliches Signal zur Kostendämpfung gewesen und hätte einen hohen Kostenanstieg verhindert, der mit einer einzelnen ordnungsrechtliche Maßnahme verbunden ist. Zielkonflikt zwischen bezahlbarem Wohnen und höherem Klimaschutz/verbesserter Energieeffizienz Die Diskussion hat gezeigt, dass sich bezahlbarer Neubau und höhere Energieeffizienz und mehr Klimaschutz in einem Zielkonflikt befinden. Angesichts der im letzten Jahr bevorstehenden UN-Klimakonferenz vom 30. November bis 12. Dezember 2015 in Paris wies Bundesbauministerin Hendricks darauf hin, dass sie dort nicht glaubhaft für ambitionierte Klimaschutzziele werben könne, wenn zeitgleich eine für den Klimaschutz wichtige Verschärfung der EnEV ausgesetzt würde.6 Diese beiden Ziele gegeneinander abwägend blieb es bei der geplanten EnEV-Verschärfung. EnEV-Erleichterungen nur befristet und für die Unterbringung von Flüchtlingen und Schutzsuchenden Angesichts des hohen Zustroms von Flüchtlingen und Schutzsuchenden hat die Bundesregierung am 29. September 2015 eine befristete Erleichterung bei den EnEV-Anforderungen beschlossen. So sind Neubauten die wiederholt aufgestellt und zerlegt werden sollen und provisorische Gebäude, soweit sie als Aufnahmeeinrichtung oder als Gemeinschaftsunterkünfte dienen sollen, von den Vorgaben der EnEV bis zum 31. Dezember 2018 frei. Diese Diskussionen sind ein Beleg dafür, dass über die kostensteigernden Wirkungen von EnEVVerschärfungen und unterschiedlichen EnEV-Standards Konsens bestand. 4 5 6 8 Anmerkung: Die EnEV 2014 sah vor, dass die energetischen Anforderungen an Neubauten ab dem 1. Januar 2016 um durchschnittlich 25 Prozent des jährlichen-Primärenergiebedarfs und um durchschnittlich 20 Prozent bei der Wärmedämmung der Gebäudehülle angehoben werden. Vgl. BMUB, 2015, S. 79. Zur Frage der Aussetzung der EnEV-Verschärfung nahm Bundesbauministerin Dr. Hendricks Stellung in einem moderierten Interview, an dem Frau Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, und Herrn Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) und in seiner Funktion als Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) teilgenommen haben. Das Interview fand im Rahmen des BMUB-Workshops „Strategien für kostensenkendes Bauen“, 6. Oktober 2015, Messe ExpoReal, München, statt. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Angesichts der im Klimaschutzplan 2050 von der Bundesregierung beschlossenen Zielsetzungen und Maßnahmen besteht weiterhin die Notwendigkeit daran zu arbeiten, dass die Baukosten nicht durch zu hohe Anforderungen an den maximalen Jahres-Primärenergiebedarf und an die Wärmedämmung der Gebäudehülle belastet werden. Auch angesichts der Tatsache, dass sich die EnEV mit den gegenwärtigen Bilanzierungsparametern im Grenzbereich der Wirtschaftlichkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht befindet, hat die Baukostensenkungskommission empfohlen, dass … Auswirkungen künftiger Verschärfung bei EnEV und EEWärmeG auf Baukosten kritisch zu diskutieren „[die] EnEV […] zügig dahingehend weiterentwickelt [wird], dass eine stärkere Hinwendung zur Senkung des Endenergiebedarfs/(-verbrauchs), nach Möglichkeit eine Ausrichtung am CO2-Senkungsziel [und] eine Einbeziehung von gesamten Quartieren (quartiersbezogene Bilanzierung) erfolgt und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§5 Abs. 1 EnEG) strikt beachtet wird.“ 7 Angesichts der Bedeutung dieser Fragestellungen verwundert es sehr, dass eine kürzlich veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis gekommen ist, unterschiedliche gebäudeenergetische Merkmale würden die Höhe der Baukosten nicht beeinflussen. Auch der energetische Gebäudestandard soll keinen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Baukosten haben. 8 Diese Ergebnisse stehen in einem klaren Widerspruch zu der herrschenden Meinung und den bisherigen Erkenntnissen. Neue Studie widerspricht der herrschenden Meinung und den bisherigen Forschungserkenntnissen Das hiermit vorgelegte Gutachten verfolgt daher das Ziel, die bisher vorliegenden Studien über den Zusammenhang von Energieeffizienzstandards und Baukosten überblickartig darzustellen und mit Blick auf die verwendete Methodik kritisch zu beleuchten. In Kapitel 2 wird für diesen Zweck herausgearbeitet, mit welchen Verfahren die Höhe von Baukosten für unterschiedliche Gebäude beurteilt werden kann. In den Unterkapiteln werden die Ergebnisse der bisher veröffentlichten Grundlagenstudien beleuchtet. In Kapitel 3 werden verschiedene empirische Erhebungen vergleichend gegenübergestellt und bewertet. Kapitel 4 fasst die Ergebnisse in einem Fazit zusammen. Kritische Auseinandersetzung mit der Problematik 7 8 BMUB, 2015, S. 80. Vgl. O.V. (2016): Analyse des Einflusses der energetischen Standards auf die Baukosten im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Hamburg, Hamburg, September 2016, S. 33 f. (Endbericht). InWIS-Gutachten 9 Baukosten und Energieeffizienz 2. Baukosten und Energieeffizienz – Der Sachstand In diesem Kapitel wird der Sachstand über den Zusammenhang von unterschiedlichen Energieeffizienzstandards und der Höhe von Baukosten aufbereitet. Im Kapitel 2.1 werden die wesentlichen Kosteneinflussfaktoren herausgearbeitet und dargestellt, wie Kostenveränderungen, die bspw. durch unterschiedliche ordnungsrechtliche Regelungen oder eine Veränderung von Qualitäts- und Ausstattungsstandards hervorgerufen werden, valide betrachtet werden können. In Kapitel 2.2 wird die Frage des Energieeffizienzstandards und die Auswirkungen auf die Höhe der Baukosten aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Dazu werden in den vergangenen Jahren veröffentlichte Forschungsarbeiten herangezogen. 2.1. Bestimmung der Höhe von Baukosten In diesem Kapitel werden die wesentlichen Grundlagen zur Höhe von Baukosten und deren Einflussfaktoren erläutert. 2.1.1 Gliederung von Baukosten und Vergleichsmaßstäbe Die Frage, welche Einflussfaktoren die Höhe und das Niveau von Baukosten bestimmen, führt in ein komplexes Themenfeld. Betrachtet wird nicht die konkrete Summe von Baukosten für ein konkretes Bauvorhaben, sondern die Höhe der spezifischen Baukosten, die auf eine Bezugsgröße, z.B. je Einheit BruttoGrundfläche oder – wie es für wohnungswirtschaftliche Überlegungen üblich ist – auf einen Quadratmeter Wohnfläche bezogen werden. Als Vergleichsmaßstab hat die Wohnfläche Vorteile, wenn daran weitere Überlegungen angeknüpft werden, bspw. in welchem Verhältnis Baukosten zu einer im Markt erzielbaren oder für die Bezahlbarkeit noch gerade tragfähigen Miete stehen. Für den Vergleich von Baukosten sollte ein einheitlicher Bezugsrahmen verwendet werden. Eine Gliederung der Kosten nach DIN 276-1:2008-12 „Kosten im Hochbau“ ist sehr gebräuchlich. Auch andere Kostengliederungen, bspw. nach Gewerken/Leistungsbereichen (z.B. nach dem Standardleistungsbuch Bau - STLB) geben einen guten Einblick in Kostenstrukturen. Während bei der Ausschreibung von Bauleistungen eher mit Verzeichnissen auf der Ebene von einzelnen Bauleistungen und Gewerken gearbeitet wird, beziehen sich die Angaben in Gutachten vorwiegend auf eine Gliederung nach DIN 276. Dieses Schema wird für dieses Gutachten übernommen. Die DIN 276 ordnet die Baukosten in der ersten Gliederungsebene in sieben thematische und funktionelle Einheiten bildende Kostengruppen: 10 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 1: Kostengruppen nach DIN 276 Nr. der Kostengruppe Bezeichnung der Kostengruppe 100 Grundstück 200 Herrichten und Erschließen 300 Bauwerk – Baukonstruktion 400 Bauwerk – Technische Anlagen 500 Außenanlagen 600 Ausstattung und Kunstwerke 700 Baunebenkosten. Quelle: Eigene Darstellung. Innerhalb der Gruppen werden die Kosten auf zwei weiteren Gliederungsebenen detailliert aufgeschlüsselt. Die Gestehungskosten für ein Gebäude umfassen sämtliche Positionen der Kostengliederung als Summe der KG 100 bis KG 700, also einschl. der Kosten für das Grundstück. Darunter befinden sich auch Kostengruppen, die abhängig von individuellen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen eines Bauvorhabens sehr stark variieren und nur schwer miteinander vergleichbar sind: • Die Grundstückskosten (KG 100) variieren sehr stark zwischen Ballungsräumen mit angespannten Wohnungs- und Immobilienmärkten und ländlich geprägten oder strukturschwächeren Räumen. Innerhalb von Städten gibt es ein hohes Gefälle in Abhängigkeit von der Lagequalität. • Die Kosten für das Herrichten und Erschließen (KG 200) hängen mit den konkreten Grundstücksvoraussetzungen zusammen, z.B. ob Altlasten zu beseitigen sind (KG 213), wie die öffentliche Erschließung mit Ver- und Entsorgungsleistungen hergestellt werden kann (KG 220 und Untergruppen) oder ob Ausgleichsabgaben anfallen. • Die Kosten für Außenanlagen (KG 500) richten sich stark nach der Bodenbeschaffenheit, aber auch danach, wie die Außenanlagen gestaltet werden sollen (z.B. Befestigungen einschl. Stellplätze für den ruhenden Verkehr, Einfriedungen und Stützkonstruktionen, Terrassen, Pflanz- und Saatflächen). • Zur Ausstattung und zu Kunstwerken (KG 600) gehören Mobiliar sowie Kunstobjekte und künstlerische Bauteile am Bauwerk. Diese Kosten werden stark von der Nutzungsart und den Vorstellungen des Bauherrn geprägt. Die Gestehungskosten eines Gebäudes schwanken daher sehr stark in Abhängigkeit von den Bodenpreisen und den Grundstücksvoraussetzungen (KG 100 und 200), aber variieren ebenso in Abhängigkeit von kommunalen Vorgaben (z.B. zur Gestaltung von Außenanlagen) und den Vorstellungen des Bauherrn (u.a. KG 500 und 600). Wie die folgende Tabelle 2 zeigt, machen die Kostengruppen 200 und 500 lediglich rund 7 Prozent der gesamten Baukosten aus. Allerdings können durch individuelle, auf das Bauvorhaben bezogene Faktoren in diesen Kostengruppen Baukostenunterschiede ausgelöst werden, durch die eine Analyse der Bauwerkskosten der Kostengruppe 300 und 400 – sie machen einen Anteil von ca. 75 bzw. 79 Prozent an den Baukosten aus – verzerrt bzw. zumindest erschwert wird. Die Kostengruppe 600 ist häufig nicht belegt. InWIS-Gutachten 11 Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 2: Kostengruppe Struktur der Baukosten nach DIN 276 Bezeichnung Kostenaufteilung nach Kostengruppe in v.H. BKI Gebäudekosten 2014 InWIS-Bauherrenbefragung 200 Herrichten und Erschließen 2 2 300 Bauwerk – Baukonstruktion 61 62 400 Bauwerk – Technische Anlagen 14 17 500 Außenanlagen 5 5 600 Ausstattung und Kunstwerke - - 700 Baunebenkosten. 19 14 100 100 Summe Quelle: BBSR, 2015, S. 38. Die InWIS-Bauherrenbefragung wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Baukostensenkungskommission durchgeführt. Die Kosten für das Grundstück sind schwer zu beziffern. Bei einer Nachverdichtungsmaßnahme im Quartierszusammenhang auf eigenem Grundstück fällt keine Ausgabe an, wobei ein Grundstücksanteil für Zwecke der Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Umständen fiktiv angenommen wird. Je nach Höhe des Niveaus der Bodenrichtwerte und dem für ein Grundstück festgelegtem Maß der baulichen Nutzung können die auf die Wohnfläche bezogenen anteiligen Grundstückskosten sehr hoch liegen. Die ARGE Kiel hat für die Darstellung der Gestehungskosten für ein TypenhausMFH anteilige Grundstückskosten in Wachstumsregionen und Ballungsgebieten von rund 530 Euro/m² Wohnfläche berechnet.9 In Einzelfällen können die anteiligen Grundstückskosten auch darüber hinausgehen. Für Zwecke eines Baukostenvergleichs ist es sinnvoll, sich auf solche Kosten zu konzentrieren, die sich auf die Errichtung des Bauwerks beziehen und mit den Kostengruppen 300 – Baukonstruktion und 400 – Technische Anlagen (zusammen Bauwerkskosten) abgebildet werden. Baunebenkosten (KG) weisen ebenfalls einen engeren Bezug zu den Bauwerkskosten auf. Der Anteil der Baunebenkosten wird für Mehrfamilienhäuser auf Grundlage der Normalherstellungskosten (NHK) mit rund 19 Prozent angegeben. Zu zwei Dritteln fließen dort Architektur- und Ingenieurleistungen mit ein, die zu überwiegendem Teil mit dem Bauwerk zusammenhängen. Weitere 8 Prozent entfallen auf Gutachten- und weitere Beratungskosten.10 Ein Vergleich von Baukosten sollte sich daher grundsätzlich auf die Kostengruppen 300, 400 und 700 beziehen. Damit wird ein großer Anteil der Baukosten erfasst (93 Prozent der Baukosten gemäß BKI Gebäudekosten 2014, siehe Tabelle 2), zugleich werden Einflüsse, die sich auf das Bauvorhaben beziehen und sehr individuell sein können, weitgehend ausgeklammert. Die- 9 10 12 Vgl. Walberg, Dietmar/Halstenberg, Michael (Hrsg.)(2015): Kostentreiber für den Wohnungsbau. Eine Untersuchung und Betrachtung der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gestehungskosten und auf die aktuelle Kostenentwicklung von Wohnraum in Deutschland, Kiel, 8. April 2015, S. 91. Die ARGE Kiel hat die Kostengruppen 100 und 200 zu anteiligen Grundstückskosten von 576 Euro/m² Wohnfläche zusammengefasst und die Gestehungskosten insgesamt mit 2.998 Euro beziffert. Legt man für die Kostengruppe 200 einen Anteil von 2 Prozent an den Baukosten der KG 200 bis 700 zugrunde, so lässt sich daraus ein Anteil von 527 Euro/m² Wohnfläche für das Grundstück (KG 100) näherungsweise ableiten. Vgl. BBSR, 2015, S. 37. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz sen Vergleichsmaßstab hat auch die Baukostensenkungskommission für ihre Analysen gewählt.11 Mit diesem Kostenverständnis können auch Baukostenunterschiede, die aus unterschiedlichen Energieeffizienzstandards resultieren, gut und verzerrungsfrei analysiert werden. Unterschiedliche Dämmstandards der Gebäudehülle und besondere Anlagentechnik werden mit den Kostengruppen 300 und 400 erfasst. Die mit der Planung des Energieeffizienzniveaus verbundenen Planungs- und Nachweiskosten sowie Kosten für eventuell erforderliche energetische Fachgutachten spiegeln sich in der Kostengruppe 700 wider. Im wohnungswirtschaftlichen Kontext werden Kostenangaben auf einen Quadratmeter Wohnfläche bezogen und verstehen sich brutto, einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Baukostenvergleiche erfordern einen einheitlichen Vergleichsmaßstab. Eine Gliederung nach den Kostengruppen der DIN 276 ist dafür zweckmäßig. Mit den Bauwerkskosten und Baunebenkosten der KG 300, 400 und 700 werden die gebäuderelevanten (Kosten-)Faktoren gut erfasst; individuelle, auf das Bauvorhaben bezogene und nicht gut verallgemeinerbare Einflüsse – wie Kosten für das Grundstück oder die Gestaltung der Außenanlagen – bleiben so unberücksichtigt. Mit den Kostengruppen 300, 400 und 700 werden Kosten, die bei unterschiedlichen Energieeffizienzstandards anfallen, weitgehend erfasst und können gut beobachtet werden. 2.1.2 Einflussfaktoren auf die Höhe von Baukosten Die Analyse von Baukosten ist ein komplexes Aufgabengebiet, weil eine Vielzahl von Sachverhalten zu beachten ist, die sich in der Höhe der Baukosten eines konkreten Bauvorhabens niederschlagen. Für einen Bauherrn, der plant, ein Gebäude zu errichten, ist von besonderem Interesse, welche Stellmöglichkeiten bestehen, um die Kosten eines Bauvorhaben zu verändern. Ausgangspunkt ist die Frage, ob ein Bauvorhaben hinsichtlich seiner funktionalen, aber auch der gestalterischen Eigenschaften – bspw. dem Raumprogramm, den Qualitäts- und Ausstattungsstandards, der Gebäudearchitektur und Fassadengestaltung, der städtebaulichen Einbindung – seinen Vorstellungen entspricht. Darüber hinaus muss es den Anforderungen der Nutzer genügen: Bei Selbstnutzung den eigenen Anforderungen, bei Vermietung oder Vermarktung den Anforderungen der an einem Standort erreichbaren Zielgruppen. In der Regel, d.h. bis auf ganz wenige Ausnahmen, sind Bauvorhaben unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren. Solche Ausnahmen betreffen bspw. aus baukultureller Sicht wertvolle Gebäude. In allen anderen Fällen müssen sowohl die Investitions- als auch die Bewirtschaftungskosten wirtschaftlich vertretbar sein. Bei Verkauf oder Vermietung an Dritte muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Tragfähigkeit bspw. der Miete oder regelmäßigen Belastung beachtet werden. 11 Vgl. BMUB, 2015, S. 6. InWIS-Gutachten 13 Baukosten und Energieeffizienz Von großer Bedeutung ist das wirtschaftliche Optimum insbesondere für solche Bauvorhaben, bei denen für Zielgruppen mit mittlerem und niedrigem Einkommen bezahlbarer (Miet-)Wohnraum geschaffen werden soll. Solche Bauvorhaben stehen in besonderem Maße in einem Spannungsfeld zwischen der Höhe der aufzuwendenden Baukosten und der Belastungsgrenze der jeweiligen Haushalte mit Wohnkosten. Im Folgenden werden die Sachverhalte überwiegend aus dem Blickwinkel des bezahlbaren Mietwohnungsbaus heraus betrachtet, obwohl die grundsätzlichen Zusammenhänge auch für den Neubau von Gebäuden in anderen Segmenten des Wohnungs- und Immobilienmarktes gelten. Angesichts der Diskussion über den starken Anstieg der Baukosten vor dem Beginn des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen hat sich die Baukostensenkungskommission im Wesentlichen damit auseinander gesetzt, welche Faktoren dazu geführt haben, dass sich die Baukosten verändert und insbesondere gestiegen sind (Abbildung 1). Diese geben aber zugleich Anhaltspunkte dafür, wie die Höhe der Baukosten bei einem konkreten Bauvorhaben beeinflusst werden kann. Abbildung 1: Wesentliche Faktoren für die Veränderung der Höhe von Baukosten Quelle: BMUB, 2015, S. 12. Die Einflussfaktoren haben ein unterschiedliches Gewicht, d.h. einige wirken sich besonders stark aus. Bei einzelnen Faktoren eröffnen sich für Bauherren bzw. die von ihm beauftragten Architekten und Fachplaner Spielräume, mit denen Baukosten beeinflusst werden können. Ein Großteil der Baukosten wird aber durch 14 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz • gesetzliche Anforderungen einschließlich der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen, • technische Regelwerke einschließlich zu beachtender Normen, • den vom Markt als üblich angesehenen (Mindest-)Qualitäts- und Ausstattungsstandards, • die üblichen Abläufen in Planung und bei der Errichtung eines Gebäudes – wobei zumeist die Verhältnisse auf und in der Umgebung des Grundstücks dafür eine Rolle spielen – sowie der verfügbaren Bauprodukte und der Fertigungsverfahren (z.B. auch im Hinblick auf serielles Bauen) und • das allgemeine Preisniveau für Bauleistungen determiniert und kann nur punktuell von einem Bauherrn beeinflusst werden. Die Entwicklung der Baukosten in den letzten 15 Jahren liefert auch Aufschluss darüber, in welchem Umfang insbesondere für Bauherren Einflussmöglichkeiten bestanden haben, diesem Anstieg zu begegnen. Auf der Grundlage des TypengebäudesMFH wurden die Bauwerkskosten (Kostengruppe 300 und 400 der DIN 276) analysiert und seit dem 1. Quartal 2000 bis zum 1. Quartal 2016 ein Anstieg von 49 Prozent beobachtet (vgl. Abbildung 2). Ein großer Teil davon – 31 Prozentpunkte oder rund zwei Drittel des Anstiegs – ist auf die Veränderung des Preisniveaus für Bauleistungen zurückzuführen.12 Ein wesentlicher Einflussfaktor war dabei die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007. Abbildung 2: Entwicklung der Bauwerkskosten von 2000 bis 2016 Quelle: ARGE Kiel.13 12 Bei vom Statistischen Bundesamt regelmäßig veröffentlichtem Index der Preise für Bauleistungen wird nach dem Laspeyres-Verfahren berechnet. Preisveränderungen beziehen sich auf Bauleistungen zum jeweiligen Basisjahr, deren Qualität im Zeitablauf nicht verändert wird (Qualitätsbereinigung). Qualitative Veränderungen von Bauleistungen, die sich durch technischen Fortschritt oder infolge der Änderung gesetzlicher Vorschriften ergeben, oder ein quantitativ höherer Einsatz der Menge werden nicht berücksichtigt, um reine Preisveränderungen für die ausgewählten Leistungen zu betrachten. Der Preisindex für Bauleistungen kann daher die Entwicklung der tatsächlichen Baukosten für ein Gebäude im Zeitablauf nicht zutreffend wiedergeben (vgl. auch BMUB 2015a: 15). 13 Entwicklung der Bauwerkskosten im Wohnungsbau (ARGE-Bauwerkskostenindex/DESTATISPreisindex) unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten, Zeitraum: 1. Quartal 2000 bis 1. Quartal 2016, Bundesdurchschnitt. Datenquellen: Statistisches Bundesamt, Controlling und Datenarchiv ARGE sowie Erhebungen in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft. InWIS-Gutachten 15 Baukosten und Energieeffizienz Zwischen dem Jahr 2007 und dem Jahr 2013 sind die Baupreise ungefähr im gleichen Umfang wie die Lebenshaltungskosten gestiegen. Während die Verbraucherpreise seit 2013 stagnieren, steigen die Preise für Bauleistungen dagegen kontinuierlich weiter an. Verschärfung von Energieeffizienzstandards und zum Einsatz erneuerbarer Energien wirkt sich kostensteigernd aus Drei Prozentpunkte des Bauwerkskostenanstiegs sind in dem betrachteten Zeitraum auf zusätzliche (gesetzliche) Anforderungen zurückzuführen, die in den Kostengruppen 300 und 400 der DIN 276 wirksam wurden. 15 Prozentpunkte oder rund ein Drittel des Kostenanstiegs hängt mit veränderten Vorschriften zur Energieeffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energien zusammen. Nach dem Bauwerkskostenindex wirkt sich die EnEV 2014, die für Neubauten zum 1. Januar 2016 eine Verschärfung des Standards vorsah, mit einem Kostenanstieg von 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Damit wird deutlich, dass die Niveauveränderungen im Zeitablauf durch externe Faktoren bzw. durch Dritte vorgegeben werden, sodass es seitens der Bauherren und dessen Architekten/Fachplaner keine oder kaum Einflussmöglichkeiten gibt, diesem Kostenanstieg wirksam zu begegnen. Sie haben lediglich die Möglichkeit, auf dem bereits erreichten generellen Kostenniveau zum Zeitpunkt der Planung bzw. der Vergabe der Bauleistungen vorhandene Spielräume zu nutzen. Oft stellt sich dann heraus, dass mit Blick auf die wesentlichen Einflussfaktoren – insbesondere in Bezug auf Qualitäts- und Ausstattungsstandards – nur nach oben von einem aufgrund der Bestimmungen oder vom Markt geforderten Standard abgewichen werden kann. Dass also bspw. ein höherer Energieeffizienzstandard als der vorgeschriebene Mindeststandard geboten wird, ein höherer Grad an Barrierearmut/-freiheit realisiert wird oder die Qualität einzelner Baukomponenten (wie z.B. Bodenbeläge oder Ausstattungsstandards der Sanitärräume) verbessert wird. Regelmäßig resultieren daraus höhere Baukosten als dass sie unter das allgemein vorgegebene Kostenniveau abgesenkt werden können (vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.3).14 Daher ist es insbesondere wichtig, den durch gesetzliche Bestimmungen und sonstige Regelwerke formulierten Mindeststandard nicht oder nur mit Bedacht weiter zu verschärfen. Denn höhere Baukosten können – bei unveränderten Renditeerwartungen der Bauherren im Mietwohnungsbau – kaum kompensiert werden und müssen in Form höherer Anfangsmieten und/oder höherer künftiger Mietsteigerungen an die Mieterhaushalte weitergegeben werden. Dort wo das Risiko besteht, dass die notwendigen hohen Anfangsmieten vom Markt nicht aufgenommen werden, kann Mietwohnungsbau – gerade im bezahlbaren Wohnungsmarktsegment – nicht betrieben werden. Ist das wirtschaftliche Optimum der Baukosten für einen bestimmten Standort und eine dort erreichbare Zielgruppe überschritten, sind die Voraussetzungen für den Neubau von (Miet-)Wohngebäuden nicht mehr gegeben. Zu höheren Baukosten tragen auch die Bundesländer bei, wenn sie in ihren Bauordnungen oder länderspezifischen Regelungen höhere Standards verlangen als nach der Musterbauordnung oder nach anderen Regelwerken bundes14 16 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)(Hrsg.)(2015a): Einfluss von Qualitätsstufen beim Bauen, Berlin, 30. Juni 2016, S. 14 ff. Das Gutachten ist im Rahmen der Arbeiten der Baukostensenkungskommission vergeben worden und in den Bericht der Kommission eingeflossen. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz weit vorgesehen oder solche in ihren Bestimmungen zur sozialen Wohnraumförderung zur Voraussetzung einer Förderung machen. Auch Kommunen können höhere Baukosten dadurch auslösen, dass sie Anforderungen über das sonst übliche Niveau erhöhen und etwa in städtebaulichen Verträgen zu Bebauungsplänen oder in Kaufverträgen für städtische Wohnbaugrundstücke festschreiben. Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Freiburg, die für den Bau von Wohngebäuden, Dienstleistungsgebäuden und Bürogebäuden den sogenannten Freiburger Effizienzhaus-Standard vorschreibt.15 In der sozialen Wohnraumförderung besteht die Möglichkeit, die durch das Anforderungsniveau gestiegenen Baukosten mit einer Anpassung, d.h. Verbesserung der Förderkonditionen auszugleichen, sofern davon Gebrauch gemacht wird. In den zurückliegenden Jahren sind verschiedene Studien erarbeitet worden, die sich zum Teil anhand multivariater Analyseverfahren wie Regressionsanalysen quantitativ mit dem Einfluss verschiedener Faktoren auf die Höhe der Baukosten befasst haben. Mit den Modellansätzen wurden unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt: Sie dienten der Prognose von Kosten, der Untersuchung von Märkten oder zeigten einen Zeit-Kosten-Zusammenhang auf. Tabelle 3 gibt einen Überblick verschiedener Studien und hebt die wesentlichen Einflussfaktoren hervor, bei denen ein Effekt auf die Kosten nachgewiesen werden konnte. Die Datenbasis besteht sowohl aus Wohn- als auch aus gewerblich genutzten Objekten. Je nach Untersuchungsansatz befinden sich auch ältere, gebrauchte Objekte darunter. 15 Vgl. Stadt Freiburg im Breisgau (2014): Freiburger Effizienzhaus-Standards. Informationen für Fachplanerinnen und Fachplaner, Infoblatt Nr. 1, September 2014, S. 3. InWIS-Gutachten 17 Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 3: Studien und die daraus abgeleiteten Einflussfaktoren der Herstellungskosten Studie Datenbasis Modellform Thalmann, 1998 15 Objekte (Wohnen) Regression (semi-log • Anteil von Außenwandflächen im Erdreich • Jahr der Erstellung Modelle) • Öffnungsflächenanteil der Außenwandflächen • Anteil der Nutzflächen 1-6 (siehe DIN 277-2, 2005b) Neural Networks und • strategische Faktoren (wie Art des Vertrages) Regression (lineare • Standortfaktoren (wie Topographie des Baugrundund semi-log Modelle) stücks) • Entwurfsfaktoren (wie Netto-Grundflächenanteil) Emsley et al.p 2002 288 Objekte Einflussfaktoren (Auswahl) Elhag et al., 2005 Literatur und Interviews • • • • • • Auftraggeber Berater und Planer Ersteller Projektfaktoren Ausschreibungs- und Vertragsfaktoren externe und Marktfaktoren Li et al., 2005 30 Objekte (Büro) Regression (lineares • • • • • • Gebäudehöhe absolute Projektgröße Konstruktionstyp mittlere Etagengröße absolute Projektgröße Ausführungsdauer Modell) Love et al., 2005 161 Objekte Regression (log-log Modell) Regression (semi-log • Jahr der Erstellung • Anzahl der Nutzungseinheiten Modell) • Anzahl Geschosse • Absolute Projektgröße • Konstruktionstyp • Kompaktheit des Gebäudes 70 Wohngebäude Regression • Aufzugsanlagen (linear/semi-log • Absolute Projektgröße Modell) • Ausführungsdauer • Öffnungsflächenanteil der Außenwandflächen • Region der Erstellung 487 Gebäude, neu Regression (semi-log • Größe des Gebäudes • Anzahl Geschosse und modernisiert, Modell) • Verwendetes Baumaterial (Ziegel, Beton) Breeam• Modernisierung zertifiziert oder • Gebäudenutzung (Universität) nicht (Gewerbe) • Privater Nutzer (nicht öffentlich) • Kostenübernahmemodell Wheaton und Simon- 42.340 Wohnen, ton, 2005 18.469 Büro Stoy, 2007 Chegut et. al. 2015 Quelle: Stoy, 2007, S. 23 ff., Chegut, 2015, S. 18 ff. Bei quantitativen Modellen zeigte sich, dass die Kosten je m² BruttoGrundfläche (BGF) mit einem Regressionsmodell eine höhere Anpassungsgüte erreicht werden kann, wenn die unabhängige bzw. Zielvariable (hier: Kosten je m² BGF) logarithmiert und dann die Normalverteilungsannahme für das Modell gesetzt wird.16 Dadurch verbessert sich die Güte des Modells und somit die Aussagequalität. Je nach Zielsetzung und Gegenstand der Studie wurde der Schwerpunkt mehr auf Merkmale des Gebäudes oder des Grundstücks, des Bauprozesses oder auf sonstige Faktoren, wie bspw. eingesetzte Vertragsarten oder Art des Eigentümers/Nutzer gelegt. Das Modell von Stoy (2007) wird in Kapitel 3.1 ausführlicher erläutert. Die Studien haben Erhebungsinstrumente mit unterschiedlichem Detailierungsgrad verwendet. Stoy hat auf Basis theoretischer Grundlagen in anderen Studien und eigenen Erfahrungen einen umfangreichen Katalog möglicher Einflussfaktoren zusammengestellt, der in der Tabelle 4 nach Faktorengruppen und Anzahl der Einflussfaktoren dargestellt ist. 16 18 Die Ursprungsvariable ist in diesem Fall lognormalverteilt. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 4: Faktorengruppe Anzahl von möglichen Einflussfaktoren auf die Baukosten, gegliedert nach Faktorengruppen Anzahl Einflussfaktoren (in Klammern: unterschiedliche Ausprägungen) 17 Gebäudeeigenschaften Baugrube 2 3 (11) Gründung 1 5 (14) Außenwände 6 3 (12) Innenwände 5 3 (11) Decken 1 2 (6) Dächer 2 3 (10) Technische Anlagen 4 1 (3) Gesamtgebäude 16 1 (2) Bereitstellung Projektbeteiligte 5 3 (7) Planungsphase 6 2 (5) Erstellungsphase 2 2 (4) Weitere Faktoren Standort 2 3 (13) Externe Parameter 4 Gesamtzahl 87 (98) Quelle: Stoy, 2007, S. 27 ff., eigene Zusammenstellung und Darstellung. Die Einflussfaktoren sind detailliert in Tabelle 19, S. 52, dargestellt. Die Tabelle zeigt, dass es – theoretisch – ein sehr komplexes Geflecht an unterschiedlichen Einflussfaktoren geben kann. Oft stehen für konkrete Analysen nicht alle theoretisch denkbaren und für die Höhe der Kosten bedeutenden Faktoren zur Verfügung. In seiner Studie hat Stoy 29 Faktoren nicht untersuchen können, weil die von ihm ausgewertete Datenbank des Baukosteninformationszentrums (BKI) dazu keine Angaben enthalten hat. Werden bei einer auf quantitativen Methoden beruhenden Auswertung Einflussfaktoren nicht mit modelliert, von denen bekannt ist, dass sie einen Einfluss sicher haben, so lässt sich das anhand typischer statistischer Kennwerte wie der Güte des Gesamtmodells R², dem Standardfehler und dem Signifikanzniveau einzelner Variablen und der Ergebnisse von statistischen Testverfahren ablesen. Die Güte unvollständiger Regressionsmodelle, bei denen wichtige Faktoren nicht getestet werden konnten, oder völlig unzureichender Modelle 17 Anmerkung: Einzelne Einflussfaktoren wurden als kontinuierliche Variable (z.B. Kompaktheit des Gebäudes als m² Außenwandfläche/m² Brutto-Grundfläche) abgebildet, andere als sogenannte dichotome bzw. mehrkategoriale Variablen, bei denen als Ausprägung „Ja/Nein“ oder mehrere Alternativen (z.B. Material der Außentüren und –fenster – Holz, Kunststoff, Metall, Metall/Holz) zur Auswahl stehen. Eine Anzahl ohne Klammer weist auf kontinuierliche Variablen hin, eine Anzahl mit Klammerzusatz bedeutet, dass z.B. bei Baugrube drei Variablen mit insgesamt 11 Ausprägungen beobachtet werden sollten. Nicht zu allen Einflussfaktoren wurden verschiedene Ausprägungen gebildet, sodass die Komplexität noch höher liegt. InWIS-Gutachten 19 Baukosten und Energieeffizienz mit nur wenigen Variablen ist oft so gering, dass daraus keine verlässlichen Aussagen abgeleitet werden können. Auch die Fallzahl kann dabei eine Rolle spielen. Angesichts der Komplexität, die bei einer quantitativen Analyse der Einflussfaktoren auszugehen ist, sind vergleichsweise große Stichprobengrößen erforderlich, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Für eine Analyse mit der in Tabelle 4 skizzierten Komplexität sind zwischen 1.300 und 3.100 Gebäude erforderlich.18 Allerdings werden nicht alle Faktoren tatsächlich einen Einfluss besitzen, sodass auch geringere Fallzahlen ausreichend sein werden. In keiner der Studien ist ein bestimmter Energieeffizienzstandard als Einflussfaktor untersucht worden. Zum einen haben die Erhebungsinstrumente dies oftmals nicht vorgesehen. Zum anderen besteht die Schwierigkeit, dass sich ein bestimmter Energieeffizienzstandard an unterschiedlichen Bauteilen festmachen lässt. D.h. je nach Studienaufbau und den verwendeten Größen können sich Einflüsse überlagern.19 Aufgrund allgemeiner theoretischer Überlegungen spielen gesetzliche Vorschriften und andere Regelwerke, der gewählte Qualitätsstandard, Planung und Bauprozess sowie das allgemeine Preisniveau für Bauleistungen für die Höhe der Baukosten eine wesentliche Rolle. Das allgemeine Baukostenniveau wird durch Mindestanforderungen vorgegeben, sodass oft nur ein höherer Standard frei von Bauherren gewählt werden kann (bspw. ein höherer Energieeffizienzstandard oder ein höherer Grad von Barrierefreiheit), der höhere Kosten nach sich zieht. Die empirische Forschung hat in mehreren Studien eine Fülle von Einflussfaktoren herausgearbeitet, die sehr komplex zu behandeln sind. Danach können auch die Nutzungsart (z.B. generationengerechtes Wohnen), die Art des Bauherrn (privat gegenüber öffentlich) und die Ausführungszeit einen höheren Einfluss ausüben (siehe hierzu auch Kapitel 3). Eine vollständige Analyse aller Einflussfaktoren ist sehr komplex und erfordert umfangreiche Erhebungsinstrumente und größere Stichprobenumfänge von mehr als 1.300 Fällen. Unvollständige Modelle oder einfache Analysen mit nur wenigen Variablen oder geringen Stichprobenumfängen haben eine geringere Aussagekraft. Die Güte von quantitativen, multivariaten Analysemodellen lässt sich anhand statistischer Kenngrößen zuverlässig beurteilen. 18 19 20 Anmerkung: Für die Stichprobenplanung bei Regressionsanalysen gibt es unterschiedliche Faustregeln. Oft wird von nicht weniger als 20 Fällen je Einflussfaktor ausgegangen (vgl. Schneider et. al., 2010, S. 781), andere Autoren geben als einfache Regel n = 50 + Anzahl der Einflussfaktoren * 8 an (Green, 1991, S. 502 f.). Geht man davon aus, dass jede Antwortmöglichkeit eines Einflussfaktors als Variable modelliert wird, dann besteht das Modell maximal aus 154 Variablen. Um sämtliche Zusammenhänge verlässlich zu testen, wäre nach den skizzierten Faustformeln eine Datengrundlage von 1.282 bis 3.080 Gebäuden notwendig. Während die Theorie für die Anwendung multivariater Analysemethoden die Unabhängigkeit der Einflussfaktoren voneinander fordert, ist diese Annahme für die Praxis unrealistisch. Einzelne Einflussfaktoren interagieren miteinander, sodass unter Umständen eine unzulässige (Multi-)Kollinearität der Einflussfaktoren (Prädiktoren) vorliegt. Bspw. wirkt sich der kostensteigernde Einfluss eines höheren Energieeffizienzstandards unmittelbar auf Bauteile der Gebäudehülle aus (z.B. die Dicke der Außenwanddämmung) und wird zusätzlich über einen abgefragten Energieeffizienzstandard erfasst. Überschreitet die Interaktion der Variablen ein als zulässig angesehenes Maß, so ist das Regressionsmodell zu verändern. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz In bisherigen Studien ist der Kosteneinfluss unterschiedlicher Energieeffizienzstandards nicht separat untersucht worden. Die Modellbildung ist schwierig, weil sich der Energieeffizienzstandard bei vielen Bauteilen auswirkt und die Forderung nach Unabhängigkeit der Einflussfaktoren nicht mehr gegeben ist. 2.1.3 Planung und Entstehung der Kosten für unterschiedliche Energieeffizienzstandards Im vorangegangen Kapitel wurden die Einflussfaktoren von Baukosten auf einem höheren Abstraktionsgrad behandelt. Es ist evident, dass sich gesetzliche Anforderungen, die den Einbau zusätzlicher Bauteile erfordern (z.B. den verpflichtenden Einbau von Rauchmeldern), oder die bewusste Wahl eines höheren Qualitätsstandards (bspw. den Einbau eines zusätzlichen Gäste-WCs, die Verwendung höherwertiger Boden- oder Wandbeläge, bspw. im Badezimmer) auf die Höhe der Baukosten auswirken. In den benannten, überwiegend empirischen Studien (siehe Tabelle 3) liegen in der Regel die abgerechneten und damit tatsächlich angefallenen Baukosten gemäß Kostenfeststellung nach DIN 276 vor. Es steht die Frage im Vordergrund, ob sich die Höhe der Baukosten auf das Vorhandensein einzelner Einflussfaktoren zurückführen lässt, um daraus Empfehlungen für künftige Bauvorhaben abzuleiten. Das lässt außer Acht, dass die Entstehung der Kosten über • die Planungsphasen (Vor-, Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungsplanung), • die Vergabe (einschl. der Erstellung von Leistungsbeschreibungen, Durchführung von Ausschreibungs- und Vergabeverfahren, Vergabe), • die Bauausführung • bis hin zur Kostenfeststellung im Einzelfall gut zu verfolgen ist. Die folgende Abbildung 3 stellt dar, dass sich die anfallenden Kosten über die verschiedenen Planungsebenen bis zur Leistungsbeschreibung in der 3. Ebene konkretisieren. Während noch zu Beginn des Bauvorhabens im Rahmen der Vorplanung eine grobe Kostenschätzung über globale Bezugsgrößen wie Brutto-Grundfläche (BGF) und Brutto-Rauminhalt (BRI) vorgelegt wird, wird in der Entwurfsplanung eine Kostenberechnung auf der Ebene von Bauelementen entwickelt. InWIS-Gutachten 21 Baukosten und Energieeffizienz Abbildung 3: Stufen der Kostenermittlung Quelle: https://de.wikibooks.org/wiki/Stufen_und_Verfahren_der_Kostenermittlung. Stufen_der_ Kostenermittlung. In hohem Maße können die Baukosten in der Planungsphase beeinflusst werden, wenn unterschiedliche Planalternativen erarbeitet werden, bei denen verschiedene Parameter optimiert werden. Das Wohnungsbauunternehmen degewo, Berlin, verwendet dazu vier Parameter mit entsprechenden Zielbereichen gebildet: Tabelle 5: Bei der degewo, Berlin, verwendete Planungsparameter und Zielbereiche, um Baukosten zu reduzieren20 Parameter Zielbereich mini-/ maximal Flächenparameter (= NF/BGF) 66 % - 76 % unter 66 % Volumenparameter (=BRI/NF) 4,2 m - -5,2 m über 5,2 m Fassadenparameter 1 (=FAF/NF) 55 % - 75 % über 75 % Fassadenparameter 2 (=FeTü/NF) 12 % - 15 % über 15 % Erläuterungen zu den Abkürzungen: (NF = Nutzfläche, BGF = Brutto-Grundfläche, BRI = Bruttorauminhalt, FAF = Fassadenfläche, FeTü = Fenster- und Fenstertürfläche) Die Wahl der Planungsparameter korrespondiert mit den Ergebnissen der Analyse von Stoy (2007), der einen hohen Kosteneinfluss für die Kompaktheit des Gebäudes (m² Außenwandfläche/m² Brutto-Grundfläche; hier durch Flächenund Volumenparameter abgebildet) und den Öffnungsflächenanteil der Außenwände ermittelt hat. Für jede alternativ entwickelte Gebäudealternative steht im Rahmen der Mengenermittlung dann bspw. fest, wie viele m² Außenwand dafür errichtet werden müssen, wie groß die Fenster- und Außentürflächen sind, in welchem Um- 20 22 Vgl. BMUB, 2015, S. 61. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz fang Innenwände zu bauen sind und wie groß die Dachkonstruktion sein wird. Ebenso wird geplant, welche Anlagentechnik vorzusehen ist. Ob bspw. für Außenwände Leichthochlochziegel als Material verwendet wird (Kostenkennwert im zitierten Fallbeispiel 110,00 Euro/m² Außenwandfläche) oder eine Holzrahmenkonstruktion (Kostenkennwert 145,20 Euro/m² Außenwandfläche) ist für die gesamten Baukosten im Zusammenspiel mit anderen gewählten Bauteilen entscheidend.21 In gleicher Weise wirken sich unterschiedliche Energieeffizienzstandards aus. Die EnEV (2014) erhöht das Anforderungsniveau für den Jahresprimärenergiebedarf QP und für den Transmissionswärmeverlust der Gebäudehülle H’T je nach Energieeffizienzstandards. Tabelle 6: KfW – Energiestandards 2016 Anforderung EnEV KfW 55 KfW 40 Qp in % Qp Ref 100 % 55% 40% H’T in % H’T Ref 100% 70% 55% Quelle: EGS-Plan, 2016, S. 11, eigene Darstellung Bezogen auf den jeweiligen Standard können die Mindestanforderungen im Zusammenspiel von Maßnahmen an der Gebäudehülle und der Wahl der geeigneten Anlagentechnik erreicht werden. Die Ingenieurgesellschaft EGS-Plan hat für ein Mehrfamilienhaus als Typengebäude mit einer Wohnfläche von 1.800 m² und einer Brutto-Grundfläche von 2.443 m²22, das in einer Entwicklungsmaßnahme in der Stadt Freiburg errichtet werden kann, folgende Qualitäten der Gebäudehülle entwickelt: Tabelle 7: Übersichten zur Qualität der Gebäudehülle in Abhängigkeit von Energieeffizienzstandards Dach WD [cm] WLG [-] Außenwand UD [w/(m²K)] WD [cm] WLG [-] Fenster UAW Uw [w/(m²K)] [[w/(m²K)] g-Wert [-] Verglasung [-] EnEV 2016 18 035 0,186 16 035 0,207 1,200 2-Scheiben0,60 warmeschutzverglasung KfW 55 28 032 0,122 22 032 0,140 0,900 3-5cneiben0,55 Wärrneschutzverglasung KfW 40 36 032 0,087 30 032 0,104 0,700 3-Scheiben0,55 warmeschutzverglasung Quelle: EGS-Plan, 2016, S. 14. Für die jeweiligen Ausführungen eines Wärmedämmverbundsystems können unterschiedliche Bauteilkosten angesetzt werden. Maas hat in dem Gutachten zu den Verschärfungen der EnEV folgende Bauteilkosten zugrunde gelegt: 21 22 Institut für Bauforschung e.V. (IFB) (2008): Studie zum Kostenvergleich Massivhaus/Holzfertighaus, Hannover, 2. Juni 2008, S. 26 und 29. EGS-Plan, 2016, S. 9. InWIS-Gutachten 23 Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 8: Zusammenstellung unterschiedlicher Bauteilkosten Quelle: BMVBS, 2012, S. 33. Bei höherem Dämmstandard, d.h. bei abnehmendem U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient), fallen höhere Kosten je m² Bauteilfläche an. Zu gleichen Ergebnissen kommen von Manteuffel/Schulze Darup in einer Initialstudie zum Preisniveau und dessen Entwicklung für Bauteile mit unterschiedlicher wärmetechnischen Eigenschaften sowie das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) zu den Kosten für energierelevante Bau- und Anlagenteile, die im Rahmen von abgerechneten Modernisierungsmaßnahmen verbaut wurden.23 Die höherwertigen Dämmstandards der Gebäudehülle führen auf Bauteilebene zu höheren Kosten in der Kostengruppe 300. Ausgehend von dem EnEV 2016Standard steigen die Kosten für einen m² Außenwandfläche von 291 Euro/m² auf 337 Euro oder um 15,8 Prozent. In der Kostengruppe 360 steigen die Kosten je m² Dachfläche (DAF) um 20,2 Prozent auf 321 Euro/m². Tabelle 9: Effekte des höheren Energieeffizienzstandards auf die Bauteilflächen in der Kostengruppe 300 (Beispiel EGS-Plan) Quelle: EGS-Plan, 2016, S. 18. Kosten in Euro je m² Bauteilfläche, netto, ohne USt. Auf der Grundlage dieser Eigenschaften der Gebäudehülle lässt sich der Heizwärmebedarf ermitteln und die Anlagentechnik konzipieren. In der Praxis geschieht dies Hand-in-Hand bzw. simultan. 23 24 Ecofys (2014): Preisentwicklung Gebäudeenergieeffizienz. Initialstudie, 24. November 2014, Berlin, S. 7 bis 10. Auf diese Studie wird in Kapitel 2.2.5 tiefergehend eingegangen. BMVBS (Hrsg.)(2012a): Kosten energierelevanter Bau- und Anlagenteile bei der energetischen Modernisierung von Wohngebäuden, Berlin, Juni 2012 (BMVBS-Online-Publikation 07/2012), S. 15 ff. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz In der folgenden Tabelle 10 sind für zwei verschiedene Lüftungssysteme (Abluft sowie Zu- und Abluft mit Wärmerückgewinnung) die Kosten für die Wärmeerzeuger nach unterschiedlichen Erzeugungsvarianten dargestellt. Tabelle 10: Absolute Kosten für Wärmeerzeuger im EGS-Plan-Beispiel Art des Wärmeerzeugers EnEV 2016 KfW 55 KfW 40 Lüftungssystem: reine Abluft Gas und Solar 56.225 54.425 53.625 Fernwärme 29.429 26.422 24.777 Pellet-Heizung 55.500 50.500 48.000 Wärmepumpe 143.647 118.049 109.093 84.204 78.742 75.932 Blockheizkraftwerk Lüftungssystem: Zu- und Abluft mit Wärmerückgewinnung Gas und Solar 54.725 53.025 52.225 Fernwärme 27.192 24.108 22.794 Pellet-Heizung 52.000 46.500 44.500 Wärmepumpe 125.082 101.640 90.853 78.742 75.432 74.932 Blockheizkraftwerk Quelle: EGS-Plan, 2016, S. 20 und 41, Angaben absolut in Euro netto (ohne USt.) für das Beispielgebäude mit 1.800 m² Wohnfläche. Die Kosten beziehen sich auf die Anbindung des Wärmeerzeugers, Komponenten für Wärmeerzeugung und Wärmespeicherung, die hydraulische Einbindung sowie Mess-, Schalt- und Regeltechnik, Elektro- und Inbetriebnahme. Kosten für die Lüftungsanlage sind darin nicht enthalten. Sie belaufen sich in diesem Beispiel netto auf 27.000 Euro für die reine Abluftanlage und 130.000 Euro für die Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung. 24 Die Kosten für die Wärmeerzeuger in der Kostengruppe 400 variieren sehr stark. Sie sind bezogen auf die Art der Energieerzeugung und reiner Abluftanlage bei Fernwärme am niedrigsten (29.500 Euro; EnEV 2016) und bei dem System mit Wärmepumpe am höchsten (143.650 Euro; EnEV 2016). Bei den Varianten mit der Zu- und Abluftanlage und Wärmerückgewinnung zeigt sich ein vergleichbares Bild. Bedingt durch den höheren Dämmstandard in den Energieeffizienzstandards KfW 55 und KfW 40 verringert sich der Heizleistungsbedarf, sodass auch die Kosten für die Wärmeerzeugungsanlagen aufgrund der geringeren Leistungsklassen sinken können. Dies hängt aber auch mit der Größe des Gebäudes zusammen. Für kleinere Gebäude wird bei geringerer Heizleistung nicht in jedem Falle eine geringere Leistungsklasse des Wärmeerzeugers erreicht, die sich kostenwirksam auswirkt. Bei einer Einfamilienhaus-ähnlichen Baustruktur ist kein Einspareffekt gegeben. Bei einem höheren Energieeffizienzstandard und geringerem Wärmebedarf ist die Kostendegression bei einer konventionellen Heizungsanlage unter Einsatz von Gas und unterstützt durch eine Solaranlage sehr gering, weil die geringere Nennleistung des Heizungskessels keine erheblichen Kostensenkungseffekte auslöst. Bei Wärmepumpen sinken die Kosten für den Wärmeerzeuger vergleichsweise stark. Bspw. hängen die Kosten für das gesamte Heizungssystem 24 Vgl. EGS-Plan, 2016, S. 20. InWIS-Gutachten 25 Baukosten und Energieeffizienz bei Erdwärmepumpen stark von der Bohrung für die notwendigen Sonden oder der Kollektorfläche ab. Ein geringerer Heizwärmebedarf wirkt sich proportional auf den Bohrdurchmesser bzw. die Kollektorfläche aus, sodass hohe Kostenminderungen realisiert werden können. EGS-Plan geht überdies davon aus, dass die Architekten- und Ingenieurleistungen in der Kostengruppe 700, die für das Mehrfamilienhaus mit EnEV 2016-Standard vereinfacht mit 16 Prozent der Kosten in den Gruppen 300 und 400 angegeben werden, für die Standards KfW 55 und KfW 40 auf 18 Prozent steigen. In der folgenden Tabelle 11 sind die kostenmäßigen Auswirkungen, die durch die Realisierung unterschiedlicher Energieeffizienzstandards in den Bauwerkskosten (KG 300 und 400) und bei den Planungskosten (Kostengruppe 700) nach den Schätzungen von EGS-Plan auftreten, dargestellt. Tabelle 11: Auswirkungen des Energieeffizienzstandards auf die Bauwerkskosten nach ESG-Plan Kostengruppe EnEV 2016 KfW 55 KfW 40 KG300 100,0 % 103,4 % 108,6 % KG400 253 €/m² Wfl. – 431 €/m² Wfl. 251 €/m² Wfl. – 429 €/m² Wfl. 250 €/m² Wfl. – 325 €/m² Wfl. (439 €)* KG700 100,0 % [16 % auf KG 300 und 400] 112,5 % [18 % auf KG 300 und 400] 112,5 % [18 % auf KG 300 und 400] Auswirkungen in der Summe Kostengruppe 300, 400 und 700, bei Wahl des günstigsten Wärmeerzeugers 1.572 1.652 1.719 teuersten Wärmeerzeugers 1.794 1.875 1.812 (1.955)* Quelle: Eigene Zusammenstellung und Berechnungen auf der Grundlage der Ergebnisse des EGS-PlanGutachtens.25 * Der Energieeffizienzstandard konnte nach den Ergebnissen der Energieberechnungen nur mit zwei Heizungssystemen erreicht werden (Fernwärme, Pellet-Heizung). Auf Planungsebene wurde für sämtliche Varianten gerechnet und auch ein Kostenniveau bei Einsatz von Wärmepumpe mit Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung und Photovoltaik von 439 €/m² Wfl. ermittelt. Kostenangaben netto ohne USt. EGS-Plan setzt für den Bau des Gebäudes im Wesentlichen BKI-Mittelwerte an und hat die auf den Energiestand bezogenen Positionen in den Kostengruppen 300, 400 und 700 separat kalkuliert.26 25 26 26 Die Energieberechnungen wurden von EGS-Plan nach den Berechnungsregeln der EnEV/DIN V 18599 mit der Software Solarcomputer durchgeführt. Auf der Grundlage der Berechnungsergebnisse wurde die Einstufung in den Energiestandard vorgenommen. Eine Nachjustierung für bestimmte Arten der Wärmeerzeugung, bspw. eine weitere Variation des Dämmstandards, hat nicht mehr stattgefunden. Die Herkunft der Kosten für die Wärmedämmung und die Art des Wärmeerzeugers wird in dem Gutachten nicht aufgeschlüsselt. Voraussichtlich wird es sich um durchschnittliche Kostenangaben handeln, die aus den Erfahrungen der Ingenieurgesellschaft resultieren bzw. aus Preisabfragen stammen. Je nach Datengrundlage sind in der Praxis deutlich Schwankungen üblich. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Für die einzelnen Kostengruppen ergeben sich in der Planung der Energieeffizienzstandards nach den Ergebnissen dieser Studie folgende Veränderungen: • In der KG 300, mit der Kosten zu den Bauteilen der Gebäudehülle erfasst werden, fallen beim KfW 55-Standard gegenüber dem EnEVMindeststandard 3,4 Prozent höhere Kosten an, bei dem KfW 40Standard sogar 8,6 Prozent. • Die Kosten für den Wärmeerzeuger hängen erheblich von der gewählten Variante und somit auch von den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Die Kosten schwanken in allen drei Energieeffizienzstandards erheblich und bewegen sich zwischen 250 und 440 Euro/m² Wohnfläche (netto). Darin sind Kosten für eine reine Abluftanlage von 15 Euro/m² Wohnfläche bzw. einer Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung von 72 Euro/m² (netto) berücksichtigt worden. • In der Kostengruppe 700 steigen die Kosten für Architekten- und Ingenieurleistungen bei einem höheren Energieeffizienzstandard um 2 Prozentpunkte auf 18 Prozent (Bemessungsgrundlage sind die Kostengruppen 300 und 400).27 Der Anstieg beträgt 12,5 Prozent. Betrachtet man die Kostenunterschiede in den relevanten Kostengruppen 300, 400 bis 700 in der Summe, so ist für den EnEV 2016-Standard in der verwendeten Studie von durchschnittlichen Kosten von 1.575 €/m² Wohnfläche (BKIMittelwerte, einschl. separat kalkulierter energiebedingter Kosten, netto) auszugehen. Vergleicht man diesen Ausgangswert mit unterschiedlichen Varianten im KfW 40-Standard, so zeigt sich folgendes Bild: • Bei Wahl des günstigsten Wärmeerzeugers je Variante (Fernwärme) steigen die Kosten auf 1.719 €/m² Wohnfläche um 9,1 Prozent an. • Bei Verwendung des teuersten in der Variantenanordnung verfügbaren Wärmeerzeugers (Wärmepumpe) steigen diese Kosten im Energieeffizienzstandard KfW 40 auf 1.955 €/m² Wohnfläche sogar um 24,1 Prozent an. • Bei Wahl des teuersten Wärmeerzeugers, mit dem der Energiestandard KfW 40 gerade noch den Energiebedarfsberechnungen erreicht werden kann, steigen die Kosten auf 1.812 €/m² um 15,0 Prozent an. Damit wird deutlich, dass die relevanten Kosten in den Gruppen 300, 400 und 700 in der Planung im Zusammenspiel von Dämmstandard der Außenhülle und Anlagentechnik erheblich von dem betrachteten Energiestandard beeinflusst werden. Da die Betrachtungen auf der Ebene eines Typengebäudes durchgeführt worden, sind diese Angaben – unter Berücksichtigung der verwendeten Kostenkennwerte – verlässlich, weil gebäudebezogene Besonderheiten nicht zu Verzerrungen führen. Durch das Ausschreibungsverfahren und durch Vergabe können gegenüber den Kostenschätzungen/-anschlägen höhere oder niedrigere Kosten realisiert werden. Dies hängt von individuellen Faktoren ab, bspw. von den eingehenden Angeboten von bauausführenden Firmen, aber auch dem Geschick und der Marktmacht des Bauherrn. 27 Baunebenkosten (KG) werden in dem Gutachten mit insgesamt 23 Prozent (EnEV 2016) und 25 Prozent (KfW 55, KfW 40) angegeben und bewegen sich in einem üblichen Rahmen. InWIS-Gutachten 27 Baukosten und Energieeffizienz Bei der Ausführung der Bauleistungen können weitere Faktoren eine Rolle spielen, die in der Regel eher zu höheren als niedrigeren Kosten führen, sodass sich Kostenunterschiede bis zur Kostenfeststellung nach Abschluss der Arbeiten manifestieren bzw. vergrößern können. Sie können auch nivelliert werden. So ist nicht auszuschließen, dass sich bei der Realisierung selbst ein und desselben Gebäudes von verschiedenen Bauherrn und unterschiedlichen bauausführenden Firmen sehr unterschiedliche Kostenfeststellungen ergeben, sodass der Einfluss des Energieeffizienzstandards auf die Höhe der Baukosten lt. Kostenfeststellungen nivelliert wird, aber auch stärker zum Ausdruck kommen kann. Solche Veränderungen können zufallsbedingt auch in den Kostengruppen 300, 400 und 700 von Gewerken verursacht werden, die mit dem Erreichen des Energieeffizienzstands nicht in Verbindung stehen. Liegen die Kostenfeststellungen zu Gebäuden mit unterschiedlicher Gebäudegeometrie und unterschiedlicher Fassadenarchitektur (Verhältnis von Außenwandöffnungsflächen zu Außenwandflächen) vor, so wirken sich gebäuderelevante Einflussfaktoren, die anhand von Planungsparametern gesteuert werden können und mit denen das Baukostenniveau grundlegend bestimmt wird (siehe oben), auch auf die Höhe der realisierten Baukosten aus. Werden solche individuellen Einflussfaktoren nicht separat kontrolliert, so werden die anhand von Typengebäuden ermittelten und unter ansonsten gleichen Bedingungen nachweisbaren Kostenunterschiede von Energieeffizienzstandards nivelliert, ohne dass dies tatsächlich stattgefunden hätte. Daher muss eine entsprechende Methodik solche Einflussfaktoren angemessen, d.h. auf entsprechend hoher Detailtiefe berücksichtigen. In der Praxis ist es vergleichsweise aufwändig, die durch das Ausschreibungsverfahren ausgelösten Änderungen in einer angemessenen Feinkörnigkeit abzubilden. Ebenso ist es schwierig, die Änderungen über den Bauprozess hinweg detailliert nachzuverfolgen und zu kontrollieren. Ein Untersuchungsansatz könnte so aussehen, dass sämtliche Bauteile, die durch den Energieeffizienzstandard beeinflusst werden, im Baukostencontrolling mit ihren Mengengerüsten und Kostenkennwerten separat betrachtet werden (Energiestandard-bezogene Kosten). Nach Abschluss der Maßnahme lässt sich dann anhand der Kostenfeststellungen zeigen, inwieweit sich die Energiestandard-bezogenen Kosten verändert haben. Aber auch dieses Vorgehen ist kritisch, da die Veränderung der Kostenkennwerte bspw. der Ziegel separat von den Kosten des Wärmedammverbundsystems betrachtet werden müsste. Es muss daher erst eine eindeutige Separierung der Kostenbestandteile vorgenommen werden. Bei Modernisierungsmaßnahmen sind solche Separierungen in den letzten Jahren durchgeführt worden, um die energiebedingten Mehrkosten innerhalb der Vollkosten auszuweisen. Die dena-Sanierungsstudie weist bspw. 80 Euro/m² Wohnfläche energiebedingte Mehrkosten für den Effizienzhaus 100Standard bei Vollkosten von 275 €/m² aus.28 Das Verhältnis energiebedingter 28 28 Vgl. Deutsche Energie-Agentur (dena)(2010): dena-Sanierungsstudie. Teil 1: Wirtschaftlichkeit energetischer Modernisierung im Mietwohnungsbestand. Begleitforschung zum denaProjekt „Niedrigenergiehaus im Bestand“, Berlin, S. 34. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Mehrkosten (29 Prozent der Vollkosten) zu den nicht energiebedingten Kosten zeigt auf, dass bereits eine geringe Abweichung gegenüber der Planung bei den nicht energiebedingten Kosten im Verhältnis schwer wiegt. Eine Abweichung von nur 10 Prozent hat bezogen auf die energiebedingten Kosten einen Hebel von 24,4 Prozent. Als theoretisches Beispiel: Lässt sich bei den nicht energiebedingten Kostenbestandteilen eine Einsparung von 10 Prozent oder 19,50 Euro/m² Wohnfläche erzielen und werden diese Einsparungen fälschlicherweise den energiebedingten Mehrkosten zugerechnet, dann nivelliert sich dieser Anteil um 24,4 Prozent auf 60,50 Euro/m² Wohnfläche. Bei Kostensteigerungen wiegt dies in die andere Richtung. Für Neubauten ist ein ähnliches Vorgehen in einem größeren Studienkontext bisher nicht bekannt. Liegen die Kostenfeststellungen zu mehreren unterschiedlichen Bauvorhaben mit unterschiedlichen Energiestandards vor, so erscheint es nur bei sehr großer Fallzahl und Betrachtung sämtlicher relevanter Einflussfaktoren möglich, den Einfluss des Energieeffizienzstandards auf die Höhe der Baukosten verlässlich zu kontrollieren. Ein Verfahren ist dazu bisher nicht entwickelt worden. Angesichts dieser Vorüberlegungen erscheint es mit vertretbarem Aufwand kaum möglich zu sein, den vorhandenen Einfluss des Energieeffizienzstandards auf die Höhe der Baukosten über multivariate Analyseverfahren tatsächlich nachzuweisen. Für die Entwicklung solcher Analyseverfahren liefern die in Kapitel 2.1.2 dargestellten Studien vielfältige Ansatzpunkte. In Kapitel 3 wird geprüft, wie die bisher in verschiedenen empirischen Untersuchungen eingesetzten multivariaten Analysemodelle aufgebaut sind, wie solche Einflüsse abgeleitet werden können und wo auch Aussagegrenzen liegen. Die Höhe der Baukostenunterschiede für verschiedene Energieeffizienzstandards wird im Planungsprozess anhand von Kostenschätzungen und Kostenanschlägen berechnet und weiter konkretisiert, wenn die Mengengerüste für einzelne Bauteile ermittelt worden sind. Werden unterschiedliche Energieeffizienzstandards für ein und dasselbe Gebäude geplant, so ergeben sich die jeweils anfallenden Baukosten und – nebenkosten in den relevanten Kostengruppen 300, 400 und 700 im Zusammenspiel von Maßnahmen an der Gebäudehülle und der vorgesehenen Anlagentechnik. Für höhere Energieeffizienzstandards ergeben sich – ausgehend von den Mindestanforderungen der EnEV 2016 – höhere Baukosten, weil aufwändigere Dämmmaßnahmen an der Gebäudehülle notwendig sind (KG300). Bauteilbezogen steigen die Kosten mit Komponenten nachweislich an, die einen höheren Dämmstandard besitzen und einen geringeren Wärmedurchgangskoeffizienten (H’T) haben. Für höhere Energieeffizienzstandards fallen bei der Planung, aber auch für den Nachweis des erreichten Standards höhere Baunebenkosten an (KG700). Bezogen auf die Anlagentechnik ergibt sich kein eindeutiger Zusammenhang zum Energieeffizienzstandard. Nicht der höhere Energieeffizienzstandard determiniert die Kosten allein, sondern die verwendete Anlagentechnik insgesamt. Der Jahres-Primärenergiebedarf (QP) wird – neben dem Dämmstandard – maßgeblich von der Anlagentechnik und dem eingesetzten Energieträger mit beeinflusst. Der Energieeffizienzstandard KfW 40 kann nicht mehr mit allen InWIS-Gutachten 29 Baukosten und Energieeffizienz Anlagenkonzepten erreicht werden. Über die Energieeffizienzstandards hinweg schwanken die Kosten sehr stark. Das teuerste System ist in dem skizzierten Beispiel bis zu 75 Prozent teurer als das günstigste, mit dem der jeweilige Energiestandard erreicht werden kann. Wird die günstigste Anlagentechnik verbaut (Fernwärme, nur Abluft, ohne Photovoltaik), so steigen die Kosten der Gruppen 300, 400 und 700 im KfW 40-Standard gegenüber dem EnEV 2016-Standard deutlich an (9,3 Prozent). Wird das günstigste Anlagenkonzept bei Einhaltung der EnEV 2016 mit dem teuersten im KfW-40-Standard (Wärmepumpe, Zu-/Ablauf und Wärmerückgewinnung, mit Photovoltaik) verglichen, so steigen die Kosten erheblich an (24,1 Prozent; bzw. 15,1 Prozent bei demjenigen, bei dem der Standard mit einer Pellet-Heizung noch eingehalten wird). Die Anlagenkonzepte können jedoch nicht frei gewählt werden, sondern sind auf die Rahmenbedingungen des jeweiligen Einzelfalles abzustimmen (bspw. Verfügbarkeit von Fernwärme, Lagerplätze für Pelletheizungen). Die in der Kostenplanung erstellen Kostenberechnungen (-schätzungen) können nahe an den späteren Kostenfeststellungen liegen, wenn sie aus Marktpreisen vergleichbarer Angebote oder früheren Kostenfeststellungen abgeleitet wurden. Durch das Ausschreibungsverfahren und die Bauausführung können sich Kostenunterschiede in den Energieeffizienzstandards nivellieren oder verstärken. Liegen lediglich Kostenfeststellungen vor, so können die durch den Energieeffizienzstandard ausgelösten, tatsächlich vorhandenen Baukostenunterschiede durch Einflussfaktoren sowohl zufällig als auch systematisch kompensiert (oder verstärkt) werden, die mit dem Energieeffizienzstandard nicht in Verbindung stehen und die nur in dem konkreten Einzelfall auftreten. Darüber liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor. Der Nachweis der Kostenunterschiede in den Kostenfeststellungen gegenüber der Kostenplanung erfordert innerhalb des Controllings eine durchgängige Separierung der Energiestandard-bezogenen Baukosten. In Kostenfeststellungen wird regelmäßig nicht ein und dasselbe Gebäude betrachtet, sondern es werden die Ergebnisse individueller Bauvorhaben nebeneinander gestellt, wobei sich bspw. unterschiedliche Gebäudegeometrien und Fassadenarchitekturen, aber auch Qualitätsstandards bekanntermaßen auf die Höhe des Baukostenniveaus auswirken. Für den verzerrungsfreien Nachweis von Baukostenunterschieden bieten sich daher generell Typengebäude an, bei denen der Einfluss gebäudebezogener Faktoren ausgeschaltet ist. Solche Typen sollten entsprechend dem Analyseziel gewählt werden. Anhand solcher Typengebäude lassen sich Kostenunterschiede von Energieeffizienzstandards ebenso darstellen wie diejenigen von anderen Faktoren (bspw. von bauordnungsrechtlichen Regeländerungen). Eine Untersuchung der Kostenunterschiede von Energieeffizienzstandards auf der Grundlage multivariater Analyseverfahren muss die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes nachvollziehen und erfordert aufwändige Erhebungsinstrumente und große Stichproben. Je einfacher ein Modell aufgebaut ist, desto weniger wird es möglich sein, den Kostenunterschied eines höheren Energieeffizienzstandards nachzuweisen, obwohl dieser vorhanden ist. Das bedeutet, dass bei einem Vergleich der Baukosten (je m² Wohnfläche) von mehreren Gebäuden mit unterschiedlichem Energieeffizienzstandard kein Kostenunterschied in Bezug auf den Energieeffizienzstandard herausgearbei- 30 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz tet werden kann, obwohl bei jedem Gebäude mit niedrigem Energieeffizienzstandard ein höherer Standard auch zu höheren Baukosten geführt hätte und bei jedem Gebäude mit höherem Energieeffizienzstandard ein niedrigerer Standard zu niedrigeren Baukosten geführt hätte. Einflussfaktoren, die sich auf die nicht Energiestandard-bezogenen Kosten auswirken, haben eine sehr große Hebelwirkung und können zu erheblichen Verzerrungen führen. 2.2. Kostenunterschiede von Energieeffizienzstandards In den letzten Jahren sind verschiedene Studien veröffentlicht worden, die auf die Höhe von Baukosten aufmerksam gemacht haben und in denen Kostenunterschiede bei der Realisierung verschiedener Energieeffizienzstandards nachgewiesen worden sind. Die Studien behandeln unterschiedliche Fragestellungen und verwenden teilweise unterschiedliche methodische Ansätze, sodass die Ergebnisse zwar gegenübergestellt werden können, aber nicht uneingeschränkt miteinander vergleichbar sind. Zu Beginn wird auf der Grundlage des Konzeptes von Typenhäusern auf die Baukostenhöhe und den Kosteneinfluss von Energieeffizienzstandards eingegangen (Kapitel 2.2.1; ARGE Kiel/EGS Plan). Im folgenden Kapitel beschäftigt sich das Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sich mit der Frage der Wirtschaftlichkeit von EnEVVerschärfungen. Die dort verwendeten Angaben können verwendet werden, um Kostenunterschiede darzustellen (Kapitel 2.2.2). Das Kapitel 2.2.3 stellt eine Studie vor, in der die Kostenunterschiede für verschiedene Qualitätsstandards zu Energieeffizienz, zur Barrierefreiheit, zum Schallschutz, zur Dachbegrünung und zur Gestaltung von Außenanlagen gegenübergestellt und damit ins Verhältnis gesetzt werden. Welche Rolle die Kostenhöhe von Energieeffizienzstandards bei Entscheidungen über die Modernisierung von Wohnungs- und Gebäudebeständen spielen, wird in Kapitel 2.2.4 erläutert. Zwar werden damit keine Kosten für Neubaumaßnahmen gefasst, aber angesichts der nach wie vor hohen Bedeutung von Modernisierungen im Gebäudebestand runden diese Angaben den Baukostenüberblick ab. Zuletzt lassen sich Unterschiede, die auf Energieeffizienzstandards zurückgeführt werden können, auch anhand der Kosten für einzelne Bauleistungen exemplarisch darstellen (Kapitel 2.2.5) 2.2.1 Bei Verwendung von Typengebäuden Typengebäude werden in verschiedenen Studien verwendet und sind ein gut geeigneter Ansatzpunkt, um Kostenunterschiede bspw. verschiedener Bauausführungen miteinander zu vergleichen. Ein Typengebäude ist ein Gebäude, das für die Beantwortung bestimmter Fragestellungen eigenständig geplant wird. Je nachdem, für welche Zwecke es geschaffen wird und welche Merkmale es aufweist (z.B. Anzahl Geschosse, Anzahl Wohnungen und Wohnfläche, Tiefgarage) kann es stellvertretend für eine größere Anzahl vergleichbarer Gebäude untersucht werden und damit auch im statistischen Sinne repräsentativ sein. Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Wohnen e.V. Kiel (ARGE Kiel) hat ein solches TypengebäudeMFH entwickelt, um den bautechnisch und kostenopti- InWIS-Gutachten 31 Baukosten und Energieeffizienz mierten Mietwohnungsbau in der derzeitigen Baupraxis zu analysieren und dafür Kostenmittelwerte auszuweisen.29 Das TypengebäudeMFH weist eine Wohnfläche von 880 m² bei 12 Wohneinheiten auf. Diese und weitere Kenngrößen wurden anhand von statistischen Auswertungen abgeleitet. Im Neubau des Jahres 2014 sind 32 Prozent der Gebäude und 34 Prozent der fertiggestellten Wohnungen dieser Größenklasse zuzuordnen.30 Das Typengebäude des Planungsbüros EGS wurde aus einem Gebäudetyp abgeleitet, der im zukünftigen Stadtteil Freiburg-Dietenbach zu erwarten ist, für den die vergleichenden Untersuchungen zu den Kosten von Energieeffizienzstandards durchgeführt wurden. Mit einer Wohnfläche von 1.800 m² bei 20 Wohneinheiten ist es deutlich größer. In der folgenden Tabelle 12 sind die wesentlichen Merkmale der beiden Typengebäude vergleichend gegenüber gestellt. Tabelle 12: Überblick über wesentliche Merkmale von zwei Typengebäuden Bezeichnung TypengebäudeMFH Büro Wohnfläche (ca. Angabe) EGS Plan 880 m² 1.800 m² Anzahl WE 12 20 73 m² 90 m² 1.064 m² 2.420 m² Wohnfläche je WE Gebäudenutzfläche AN A/V-Verhältnis Fensterflächenanteil Sonstige Merkmale Typgebäude „Mehrfamilienhaus“ ARGE Kiel 0,42 0,39 k.A. 30 % freistehend, 3 bis 4 Wohnräume je Wohnung, zentrales Treppenhaus (Zwei- bzw. Dreispänner), Flachdach, ohne Aufzug, ohne Kellergeschoss freistehend, unterkellert, leicht geneigtes Pultdach Quelle: Walberg 2014, S. 11 f., EGS-Plan 2016, S. 9. Für die Typengebäude liegen den Erstellern die jeweiligen Bauteilflächen vor, sodass die Mengenangaben mit bauteilspezifischen Kostenkennwerten bewertet werden können, um die Gesamtbaukosten zu ermitteln und Kostenunterschiede für mehrere Ausstattungsvarianten und/oder Energieeffizienzstandards darzustellen. Die ARGE Kiel greift für die Ermittlung der Baukosten auf ein internes Datenarchiv zurück, in das Kostenauswertungen und Preisdatenbanken sowie Untersuchungsergebnisse aus bundesweit repräsentativen Kostenerhebungen in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft einfließen. Für Auswertungen zum Betrachtungsjahr 2014 lagen beispielsweise Bau- bzw. Bauwerkskostendaten von mehr als 400 Neubauvorhaben mit ca. 11.000 Wohneinheiten im Mehrfamilienhausbereich vor, die in den Jahren 2011 bis 2014 errichtet worden sind.31 Die Datengrundlage ist sehr umfangreich und lässt treffsichere Einschätzungen zu. Da die Kosten für einzelne Bauleistungen zum Teil deutlich streuen, werden in den Berichten in der Regel Streuungsparameter wie eine Spanne, in der die Preise schwanken, mit ausgewiesen. 29 30 31 32 Vgl. Walberg 2014, S. 11. Vgl. Walberg 2014, S. 7f. Vgl. Walberg/Halstenberg 2015, S. 64 f. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz In der folgenden Tabelle sind die Bauwerkskosten der Kostengruppen 300 und 400 zur besseren Übersicht als Median ausgewiesen. Die Kostenangaben beziehen sich auf das 1. Quartal 2016. Für den ab dem 1. Januar 2016 geltenden Mindeststandard nach EnEV (2016) belaufen sich die Kosten für das TypengebäudeMFH auf 1.470 Euro/m² (Wohnfläche). Dem ist ein Endenergieverbrauch je m² Gebäudenutzfläche von 53 kWh/m²a zugeordnet. Der Endenergieverbrauch bewegt sich nach den Datengrundlagen der ARGE Kiel in einer Spanne von 36 bis 83 kWh/m²a. Würde man das Typengebäude zu dem Kostenstand 1. Quartal 2016 nach den Vorschriften der Wärmeschutzverordnung 1995 errichten, dann würden sich die Baukosten auf lediglich 1.288 Euro/m² belaufen. Wird ein höherer als der Mindeststandard realisiert, so sind für den Effizienzhaus-Standard 40 um 17,1 Prozent höhere Baukosten aufzuwenden; sie betragen 1.721 Euro/m² Wfl. Tabelle 13 Darstellung der Bauwerkskosten (KG 300/400) und des Endenergieverbrauchs für Heizwärme und Warmwasserbereitung (Typengebäude ARGE Kiel) Bauwerkskosten je m² Wohnfläche Kostenindex KG 300-400 Endenergieverbrauch je m² Gebäudenutzfläche Verbrauchsdifferenz [kWh/m²AN a] Median Median von/ Median /bis Median WSchV 1995 1.288 €/m² Wfl. 87,6 75/ 113 /134 kWh/m²AN a 60 EnEV 2014 1.377 €/m² Wfl. 93,7 45/ 67 /98 kWh/m²AN a 14 EnEV ab 2016 1.470 €/m² Wfl. 100,0 36/ 53 /83 kWh/m²AN a 0 EffH 55 1.614 €/m² Wfl. 109,8 29/ 40 /67 kWh/m²AN a -13 EffH 40 1.721 €/m² Wfl. 117,1 25/ 36 /58 kWh/m²AN a -17 Energetische Standards im Neubau Quelle: Neitzel/Walberg 2016, S. 42. Berechnungen der ARGE Kiel. Bezug: Typengebäude MFH in seiner Grundvariante, Kostenstand: 1. Quartal 2016, Bundesdurchschnitt, je m² Wohnfläche, inkl. Mehrwertsteuer (Bruttokosten). Der Vergleich der Baukosten für das Typengebäude MFH nach der Wärmeschutzverordnung von 1995 (WSchV 1995) und EnEV 2014 zeigt aber, dass mit höheren Bauwerkskosten von 6,9 Prozent (1.288 auf 1.377 Euro/m² Wfl.) eine Einsparung des Endenergieverbrauchs um 46 kWh/m²AN a oder 40,7 Prozent erreicht werden konnte. Der Grenznutzen eines zusätzlich investierten Euro, mit dem eine Reduzierung des Endenergieverbrauchs erreicht werden soll, nimmt kontinuierlich ab. D.h. es wird immer teurer, eine zusätzliche Kilowattstunde Endenergie einzusparen. Um ausgehend vom EnEV 2016-Standard auf den EffH 40-Standard zu gelangen, sind 251 Euro/m² Wfl. Bauwerkskosten zusätzlich notwendig. Damit können im Durchschnitt weitere 17 kWh/m²AN a Endenergieverbrauch eingespart werden. Dabei belaufen sich die durchschnittlichen Bauwerkskosten je eingesparter kWh/m²AN a Endenergieverbrauch auf 14,76 Euro/m². Die Verringerung des Endenergieverbrauchs im Vergleich der Standards der Wärmeschutzverordnung von 1995 zu EnEV 2014 hat dagegen nur 1,93 Euro/m² höhere Bauwerkskosten gekostet. 7,6 Mal weniger als jetzt noch den Standard auf das EffH 40 zu verringern. Eine Verringerung des Endenergieverbrauchs auf EffH 40 ist mit hohen zusätzlichen Bauwerkskosten verbunden Im Vergleich der verschiedenen energetischen Standards wird deutlich, dass bei der EnEV ab 2016 das Kriterium der Wirtschaftlichkeit (Amortisationszeit von weniger als 20 Jahren) nicht mehr gegeben ist. Als gerade noch wirtschaftlich vertretbar kann der Standard nach EnEV 2014 angesehen werden, insbe- EnEV 2016 und ambitioniertere Standards nicht mehr wirtschaftlich InWIS-Gutachten 33 Baukosten und Energieeffizienz sondere in Bezug auf den Wohnungsbau in Mehrgeschossbauweise. 32 Das kostenoptimale Niveau ist bereits mit dem Standard nach der EnEV 2014 als erreicht anzusehen. Dieser Zusammenhang ist in der folgenden Abbildung mit Blick auf die Kostenbelastung von Mieterhaushalten mit Nebenkosten und insbesondere Heizkosten dargestellt. In einem Gebäude nach EnEV 2016-Mindeststandard belaufen sich die kalten und warmen Betriebskosten auf rund 2,07 Euro/m² Wohnfläche je Monat. Um den Effizienzhaus 55-Standard zu erreichen, sind Maßnahmen erforderlich, die zu einer Erhöhung der Baukosten um 144,00 Euro/m² Wohnfläche führen. Im Gegenzug sinken die warmen Betriebskosten um 0,20 Euro/m² Wohnfläche und Monat. Gegenüber dem EH 55-Standard steigen die Baukosten um 74 Prozent auf 251 Euro/m² Wohnfläche, während die warmen Betriebskosten lediglich um 2 ct/m² Monat also um 10 Prozent sinken. Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Bauwerkskosten und Einsparung warmer Betriebskosten Wohnungsneubau darf durch hohe energetische Standards nicht gebremst oder verhindert werden Angesichts des hohen Einflusses der vorgeschriebenen energetischen Standards auf die Höhe der Baukosten sollten künftig die gesetzlichen Regelungen zum Klimaschutz so angepasst werden, dass sie Wohnungsneubau nicht bremsen oder verhindern. Die Anforderungen dürfen nur so gestaltet werden, dass sich die durch einen höheren Standard entstehenden Mehrkosten bei der Errichtung eines Gebäudes langfristig durch die Einsparung von Energiekosten amortisieren lassen. Die Erfüllung dieser Anforderungen muss wirtschaftlich gestaltbar sein. Investoren muss die Möglichkeit gegeben werden, Mieten oder Verkaufspreise zu erzielen, die ihre Mehrkosten für energieeinsparende Auflagen decken. Aus den Kostenaufstellungen des Büros EGS Plan lassen sich für das Typengebäude Mehrfamilienhaus, das im Freiburger Stadtteil Dietenbach errichtet werden kann, spezifische Kosten je m² Wohnfläche für unterschiedliche Ener32 34 ARGE 2015a: 38ff. Dies ist vor allem bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Fall, bei der sämtliche Kosten angesetzt werden (Vollkosten-Betrachtung). Diese Vorgehensweise ist für Investoren als üblich anzusehen. Mehrkosten-Betrachtungen, bspw. der Mehrkosten eines höheren energetischen Standards, bilden nicht die Entscheidungssituation eines Investors ab, helfen aber, die Kosteneffekte unterschiedlicher Standards zu analysieren. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz giestandards und Heizungs-/Lüftungskonzepte ermitteln. Der Einfluss der Anlagentechnik (Heizungssystem und Lüftungskonzept) auf die Baukosten ist erheblich. Auch innerhalb eines Energieeffizienzstandards und eines Anlagenkonzeptes kann es je nach der umgesetzten Lösung zu Kostenunterschieden kommen. Jedoch ist erkennbar, dass die Baukosten innerhalb eines Heizungssystems und eines Lüftungskonzeptes mit höherem Energieeffizienzstandard steigen. InWIS-Gutachten 35 Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 14: Effekte des höheren Energieeffizienzstandards auf die Kostengruppe 300, 400 und 700 (Beispiel EGS-Plan) Summe von Kosten je m² Wfl. Heizung BHKW Energiestandard EnEV Nr KfW 40 Plus KfW 55 FW Basic EnEV KfW 40 KfW 40 Plus KfW 55 G+S 0 EnEV Pell Basic EnEV KfW 40 KfW 40 Plus KfW 55 WP Basic EnEV KfW 55 Lüftung Abluft mPV 5 10 20 35 50 60 15 25 30 40 45 55 52 57 2 17 32 47 12 27 42 7 22 37 1 6 11 16 21 31 36 41 46 51 26 56 58 3 18 33 48 13 28 43 8 23 38 53 34 39 44 49 54 59 4 19 9 14 24 29 PV m WRG mPV oPV oPV 1.683 1.749 1.770 1.807 1.895 2.034 1.814 1.841 1.907 1.877 1.941 1.967 1.921 1.987 1.634 1.724 1.759 1.848 1.768 1.859 1.894 1.702 1.794 1.829 1.657 1.727 1.794 1.748 1.820 1.774 1.846 1.913 1.866 1.939 1.886 2.005 2.006 1.657 1.746 1.782 1.871 1.788 1.879 1.915 1.724 1.814 1.851 1.941 1.860 1.913 1.971 1.936 1.991 2.048 1.736 1.811 1.785 1.845 1.864 1.921 Quelle: EGS-Plan, 2016, S. 18; eigene Berechnungen, Kosten je m² Wohnfläche, brutto (inkl. MwSt.), Kostenstand 2016. Für die Grundbaukosten, die unabhängig von dem gewählten energetischen Standard anfallen, wurden BKI-Mittelwerte als Kennwerte angesetzt. Anhand von Typengebäuden lassen sich Einflüsse des Energieeffizienzstandards auf die Höhe der Baukosten gut nachweisen, weil Auswirkungen, die von 36 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz unterschiedlichen Architekturkonzepten eines Gebäudes ausgehen, eliminiert sind. Sowohl bei dem TypengebäudeMFH der ARGE Kiel als auch dem Typengebäude Mehrfamilienhaus von EGS Plan zeigt sich, das mit der Wahl eines höheren Energieeffizienzstandards zum Teil deutlich höhere Baukosten in den Kostengruppen 300 und 400 verbunden sind. 2.2.2 Entlang von Verschärfungen der EnEV Im Zusammenhang mit der Novellierung der EnEV, mit der häufig eine Verschärfung des Anforderungsniveaus bei den Energiestandards verbunden war, sind von der Bundesregierung Gutachten in Auftrag gegeben worden, um die von den Veränderungen ausgelösten wirtschaftlichen Effekte zu ermitteln und zu bewerten. So hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen der Ressortforschung zwei Studien in Auftrag gegeben, mit der EnEV 2009 evaluiert wurde und die vorgesehenen Verschärfungen zum 1. Januar 2016 bewertet wurden.33 Diese Studien wurden auch von der Baukostensenkungskommission – ergänzend zu weiteren Gutachten – herangezogen, um einen Überblick über die Höhe der Baukosten für unterschiedliche Energieeffizienzstandards zu gewinnen und um die zum Teil divergierenden Auffassungen von Autoren unterschiedlicher Gutachten gegenüber zu stellen.34 Die Studien haben auf der Basis des Referenzgebäudeverfahrens verschiedene Wohn- und Nichtwohngebäude untersucht. Die Berechnungen wurden zu 14 verschiedenen Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften und Mehrfamilienhäusern durchgeführt. Da die Studien primär die Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Energieeffizienzmaßnahmen untersucht haben, spielten lediglich deren Kosten eine Rolle. Zudem wurde nicht auf das Erreichen eines bestimmten Energieeffizienzstandards, sondern auf die durch das jeweilige Konzept ausgelöste Veränderung des Jahres-Primärenergiebedarfes abgestellt. Für ein Mehrfamilienhaus (groß) mit einer Nutzfläche von 3.811 m² (beheizte Wohnfläche 2.850 m²) belaufen sich die Mehrkosten auf 26,00 Euro/m² Nutzfläche (Verminderung des Jahres-Primärenergiebedarfs um 15 Prozent) bzw. 40 Euro/m² Nutzfläche (Verminderung des Jahres-Primärenergiebedarfs um 26 Prozent)(vgl. S. C.15 Basisgutachten). Bezogen auf die (beheizte) Wohnfläche belaufen sich die Mehrkosten auf 34,77 und 53,49 Euro/m² Wohnfläche. Die Mehrkosten variieren auch in Abhängigkeit davon, ob die zulässigen Referenzwerte 2014 bzw. 2016 mit dem technischen Anlagenkonzept oder über eine verbesserte Gebäudehülle erreicht werden. 33 34 Das BMVBS hat hierzu zwei Studien an ein Konsortium unter Federführung der Universität Kassel, zuständiger Projektleiter Prof. Dr. Anton Maas, in Auftrag gegeben: BMVBS (Hrsg.)(2012): Untersuchung zur weiteren Verschärfung der energetischen Anforderungen an Gebäude mit der EnEV 2012 – Anforderungsmethodik, Regelwerk und Wirtschaftlichkeit, BMVBS-Online-Publikation 05/2012 (Basisgutachten) sowie BMVBS (Hrsg.)(2012): Ergänzungsuntersuchung zum Wirtschaftlichkeitsgutachten für die Fortschreibung der Energieeinsparverordnung, BMVBS-Online-Publikation 30/2012 (Ergänzungsgutachten). Kostenangaben wurden aus Vorläufergutachten verwendet und auf den Bearbeitungszeitraum des Gutachtens Ende 2011/Anfang 2012 aktualisiert. Als Kostenstand ist näherungsweise 1. Quartal 2012 zugrunde zu legen. BMUB, 2015, S. 74 ff. InWIS-Gutachten 37 Baukosten und Energieeffizienz Geht man von Baukosten der Gruppe 300 und 400 in Höhe von rd. 1.630 €/m² Wohnfläche aus, so bewegen sich die Mehrkosten für das Mehrfamilienhaus (groß) in einer Größenordnung von ca. 2,1 bzw. 3,3 Prozent.35 Häufig wird das Referenzgebäudeverfahren von vielen Bauherren und Planern als exemplarischer Ausführungsvorschlag bzw. konkrete Vorgabe eingestuft, sodass konkrete Optimierungen im Verhältnis von Baukosten, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz ungenutzt bleiben. In zusätzlich durchgeführten Ergänzungsuntersuchungen wurde daher nicht mehr eine baubare Referenzausführung zur Formulierung des Anforderungsniveaus herangezogen, sondern als Maßstab wurden Verschärfungen von 12,5 Prozent bzw. 25 Prozent bezogen auf den aus der Referenzausführung nach EnEV 2009 resultierenden Jahres-Primärenergiebedarf angesetzt. Bei optimierter Regelung der Abluftanlage, dem Ansatz von reduzierten Wärmebrückenkorrekturwerten im Einzelnachweis sowie der Verwendung von „Luft-/ Wasser-Wärmepumpen“ und „Pellet-Systemen“ (als ein Alternativsystem) anstelle eines „Brennwertsystems mit solar unterstützter Warmwasserbereitung“ (Referenzgebäude) lassen sich die zusätzlichen Investitionskosten gegenüber dem Referenzrahmen der EnEV 2009 deutlich vermindern. Allerding fallen bspw. für die detaillierte Berechnung des Wärmeverlustes, der durch Wärmebrücken entsteht, gegenüber dem pauschalen Ansatz höhere Planungskosten in einer Größenordnung von 1.000 Euro an, sodass gegenläufige Effekte berücksichtigt werden müssen. Für das große Mehrfamilienhaus kann es – je nach gewählter Alternative – sowohl zu Mehrkosten, zu kostenneutralen Lösungen als auch zu geringeren Investitionskosten kommen. Bei optimiertem baulichen Wärmeschutz und Einsatz einer optimalen Regelung der Abluftanlage belaufen sich die Mehrkosten auf 11,27 Euro/m² beheizter Fläche (EnEV 2014 - Brennwertkessel und solar-unterstützte Warmwasserbereitung; Einsparung des JahresPrimärenergiebedarfs um 18 Prozent) bzw. auf 35,58 Euro/m² (EnEV 2016 – Brennwertkessel und solar-unterstützte Warmwasserbereitung; Einsparung Jahres-Primärenergiebedarf von 30 Prozent) (vgl. S. B.10 Ergänzungsgutachten). Die Mehrkosten liegen bei 0,7 bzw. 2,2 Prozent.36 Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von unterschiedlichen Anlagenkonzepten wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur die anfänglichen Baukosten eine Rolle spielen, sondern durch unterschiedliche jährliche Betriebs- und Wartungskosten zu berücksichtigen sind. Dadurch kann sich die Wirtschaftlichkeit deutlich ändern. 35 36 38 Vgl. InWIS (2015): Übersicht zu kostengünstigen Projekten im sozialen Wohnungsbau, Ergebnisvorstellung im Rahmen der 6. Sitzung der Baukostensenkungskommission, 21. April 2015, S. 5. Die Baukosten in Höhe von 1.700 €/m² Wohnfläche (Median Kostengruppe 300 und 400) für eher kostengünstig erstellte größeren Mehrfamilienhäuser wurden für die Zwecke dieser Berechnung vom Basisjahr 2014 auf das Basisjahr 2012 umgerechnet. Als Datenbasis konnten 13 Bauvorhaben angesetzt werden. Kosten können erheblich streuen. Für eher nicht kostengünstig erstellte Mehrfamilienhäuser beliefen sich die Baukosten der Kostengruppen 300 und 400 auf 2.450 €/m² Wohnfläche (Basisjahr 2014). Bei Einsatz eines Pelletkessels können die Investitionskosten gegenüber der Referenzausführung EnEV 2009 um 8,13 €/m² beheizte Fläche gesenkt werden (EnEV 2014 – Pelletkessel; Einsparung Jahres-Primärenergiebedarf 30 %). Bezogen auf das Anforderungsniveau von 2016 wird der Einsatz eines Pelletkessels als kostenneutral gewertet (Mehrkosten von 0,33 €/m² beheizte Fläche). Bei Einsatz bspw. von Pelletkessel und Wärmepumpen fallen gegenüber der Brennwerttechnik mit solarer Heizungsunterstützung höhere jährliche Wartungskosten an. Eine Beheizung mit Pelletkesseln ist je nach den Rahmenbedingungen vor Ort nicht für jede Baumaßnahme realisierbar. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Zur Evaluierung der EnEV 2009 und zur Einschätzung der Effekte der Verschärfungen der EnEV für den Neubau von Gebäuden zum 1. Januar 2016 hat die Bundesregierung mehrere Studien in Auftrag gegeben. Anhand der Ergebnisse der Studien können auch die Baukostensteigerungen abgeschätzt werden, die durch ein höheres EnEV-Anforderungsniveau ausgelöst werden. Die Verschärfung zum 1. Januar 2016 führt nach den Studienergebnissen im Mehrfamilienhausbereich zu höheren Baukosten in den Kostengruppen 300 und 400 von bis zu 3,3 Prozent, die sich durch Optimierungen auf 2,2 Prozent begrenzen lassen. Die Verschärfungen der EnEV wurden in den letzten Jahren von Gutachten begleitet, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurden, um die EnEV-Änderungen zu evaluieren und weitere Erhöhungen des Anforderungsniveaus insbesondere mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Auch die höheren Baukosten für die erforderlichen Energieeffizienzmaßnahmen spielten bei der Beurteilung eine Rolle. Bei der Verschärfung des Anforderungsniveaus in der EnEV 2014 für neu errichtete Gebäude zum 1. Januar 2016 gegenüber der EnEV 2009 wurde der höchstzulässige Jahres-Primärenergiebedarf um 25 Prozent und der maximal erlaubte, mittlere Wärmeverlust durch die Gebäudehülle um 20 Prozent verringert. Für ein Mehrfamilienhaus bewegen sich die Mehrkosten für einen Standard, der das Anforderungsniveau der EnEV 2014 zum 1. Januar 2016 erfüllt bzw. übererfüllt, in einer Größenordnung von 53,50 Euro/m² Wohnfläche bei Übernahme der Referenzausführung bzw. bei Optimierung der Anlagentechnik auf 35,60 Euro/m² Wohnfläche (zum Kostenstand des Gutachtens 1. Quartal 2012; angepasst mit dem Preisindex für Bauleistungen ergeben sich Kostensteigerungen von 57,50 bzw. 38,30 Euro/m²). Dies entspricht einer Kostenerhöhung von 3,3 bzw. 2,2 Prozent auf angenommene Baukosten der Kostengruppe 300 und 400 von 1.630 Euro/m² Wohnfläche. Auch die von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Evaluierungsgutachten weisen einen Kostenanstieg im Zusammenhang mit einem höheren Energieeffizienzstandard nach Verschärfung der EnEV nach. Die Kostensteigerungen bewegen sich eher an der unteren Grenze der Studien, die sich mit dem energieeffizienz-induzierten Anstieg der Baukosten befasst haben und die in diesem Gutachten aufbereitet wurden. 2.2.3 Im Verhältnis zu anderen Qualitätsmerkmalen von Wohngebäuden Dieses Gutachten fokussiert vor allem auf den Einfluss unterschiedlicher Energieeffizienzstandards auf die Höhe von Baukosten. Oft werden solche Standards nicht losgelöst von der Entscheidung über andere Qualitätsmerkmale von Wohngebäuden beurteilt. Bei der Planung eines Wohngebäudes wird regelmäßig über den Energieeffizienzstandard, den Grad der Barrierefreiheit/armut und die Gestaltung der Außenanlagen gemeinsam entschieden. Daneben spielen auch grundlegende Fragen des einfachen oder erhöhten Schallschutzes InWIS-Gutachten 39 Baukosten und Energieeffizienz eine Rolle. Unter ökologischen Gesichtspunkten wird in den letzten Jahren über Dach- und Fassadenbegrünung diskutiert. Diese Qualitätsmerkmale, die hinsichtlich ihrer Ausgestaltung in weitere Kategorien ausdifferenziert werden können, führen regelmäßig zu höheren Kosten, sodass es sinnvoll ist, die unterschiedlichen Einflussbeiträge solcher Merkmale vergleichend gegenüber zu stellen. Stoy hat die Kostenunterschiede dieser Qualitätsmerkmale in einem Forschungsvorhaben, das im Rahmen der Baukostensenkungskommission beauftragt worden ist und dessen Ergebnisse im Bericht der Kommission verarbeitet wurden, detailliert untersucht und damit eine Vergleichsgrundlage geschaffen.37 Zur Ausdifferenzierung weiterer Qualitätsstufen der Merkmale lehnt Stoy sich an die Qualitätsstufen des Qualitätssiegels „Nachhaltiger Wohnungsbau (NaWoh)(Version 3.0, Juni 2013) an und formuliert folgende Abstufungen: • Qualitätsstufe 0 (Mindestqualität) Die EnEV (2009) wird eingehalten. • Qualitätsstufe 1 (leicht übererfüllt) Das Gebäude entspricht dem Niveau eines Effizienzhauses 70 und benötigt maximal 70 Prozent des Jahres-Primärenergiebedarf QP im Vergleich zum Referenzgebäude nach EnEV. • Qualitätsstufe 2 (übererfüllt) Das Gebäude entspricht dem Niveau eines Effizienzhauses 55 und benötigt maximal 55 Prozent des Jahres-Primärenergiebedarf QP im Vergleich zum Referenzgebäude nach EnEV. Gebäude der Qualität „Effizienzhaus 55 (Passivhaus)“ sind ebenfalls enthalten. • Qualitätsstufe 3 (deutlich übererfüllt) Das Gebäude entspricht dem Niveau eines Effizienzhauses 40 und benötigt maximal 40 Prozent des Jahres-Primärenergiebedarf QP im Vergleich zum Referenzgebäude nach EnEV. Gebäude der Qualität „Effizienzhaus 40 (Passivhaus)“ sind ebenfalls enthalten. Ausgangspunkt für die Baukostenvergleiche ist ein Median-Kostenkennwert für die Kostengruppen 300 und 400 in Höhe von 1.332 Euro/m² Wohnfläche, der auf der Grundlage der in der BKI-Datenbank enthaltenen Gebäude berechnet wurde (Kostenstand 1. Quartal 2014, Bundesdurchschnitt, Bruttokosten inklusive Umsatzsteuer). Die Mehrkosten der einzelnen Qualitätsstufen gegenüber der Stufe 0 belaufen sich auf: • Qualitätsstufe 1 (EH 70-Standard): durchschnittlich 7,6 Prozent, Spanne von 6,5 bis 9,3 Prozent; • Qualitätsstufe 2 (EH 55-Standard): durchschnittlich 16,5 Prozent, Spanne von 14,3 bis 19,5 Prozent; • Qualitätsstufe 3 (EH 40-Standard): durchschnittlich 21,4 Prozent, 18,7 bis 25,9 Prozent. Die Ergebnisse sind in der folgenden Grafik unter dem Eintrag „BKI“ dargestellt und mit den Studien des Institutes Wohnen und Umwelt (IWU) und von 37 40 Vgl. Stoy, Christian/Hagmann, Christopher (2015): Einfluss von Qualitätsstufen beim Bauen, Stuttgart, 2015 (Forschungsbericht im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau), S. 7 ff. Die Ergebnisse sind im Bericht der Baukostensenkungskommission ab S. 52 verarbeitet (BMUB, 2015, S. 52 ff.) InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Walberg verglichen38. Sowohl die Höhe der Baukosten als auch die Kostenunterschiede zwischen einzelnen Energieeffizienzstandards zeigen eine weitgehende Übereinstimmung auf. Abbildung 5: Überblick über die Mehrkosten verschiedener Qualitätsstufen (Energieeffizienzstandards) im Vergleich zu anderen Studienergebnissen Quelle: Stoy/Hagmann 2015, S. 6.39 Die Höhe der ermittelten Baukosten schwankt zwischen 1.332 und 1.400 Euro je m² Wohnfläche. Der EH 70-Standard führt zu höheren Kosten in einer Bandbreite von 5,4 bis 11,2 Prozent, je nachdem, welche Studie zugrunde gelegt wird. Bei dem EH 40-Standard liegen die Kostensteigerungen bei 18,9 bis 26,3 Prozent. Im Vergleich liegen die Kostensteigerungen in Bezug auf den jeweiligen Median beim IWU am unteren Ende der Spanne, die Ergebnisse von Walberg am oberen Ende. Stoy bewegt sich mit den ermittelten BKI-Werten im Mittelfeld. Diese Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Tabelle 15: Energieeffizienz Vergleich der Ermittlung von Kostenauswirkungen von Qualitätsstufen von Energieeffizienz Qualitätsstufe 0 [€/m2 Wfl.] Median Qualitätsstufe 1 [Δ in % zu Q0] Qualitätsstufe 2 [Δ in % zu Q0] Qualitätsstufe 3 [Δ in % zu Q0] Median Median Median IWU (2011) 1.400 5,4% 13,6% 18,9% Walberg (2014) 1.334 11,2% 17,5% 26,3% BKI 1.332 7,6% 16,5% 21,4% Quelle: Stoy/Hagmann 2015, S. 15. Im Vergleich der eingangs skizzierten unterschiedlichen Qualitätsmerkmale zeigt sich, dass die Wahl des Energieeffizienzstandards den stärksten Einfluss auf die Höhe der Baukosten ausüben kann. Bei dem EH 40-Standard kann es zu Baukostensteigerungen gegenüber dem EnEV 2009-Standard von bis zu 26 Prozent kommen. Ein hoher Kosteneinfluss ergibt sich auch durch eine höhere Qualitätsstufe bei der barrierefreien Erschließung eines Gebäudes und der darin befindlichen 38 39 Vgl. Institut Wohnen und Umwelt – IWU (2011): Evaluierung und Fortentwicklung der EnEV 2009: Untersuchung zu ökonomischen Randbedingungen im Wohnungsbau – Endbericht. BBSR, Bonn, sowie Walberg 2014. Vgl. Stoy, Christian/Hagmann, Christopher (2015a): Einfluss von Qualitätsstufen beim Bauen, Präsentation zur 5. Sitzung der Baukostensenkungskommission am 24. März 2015. InWIS-Gutachten 41 Baukosten und Energieeffizienz Wohnungen. Bis zu 20 Prozent höhere Kosten sind zu erwarten, wenn in der Qualitätsstufe 2 zur Barrierefreiheit alle Geschosse barrierefrei nach DIN 18025 Teil 2 gestaltet werden und ab 10 Wohnungen eine Wohnung rollstuhlgerecht nach DIN 18040-2 errichtet wurde. Abbildung 6: Vergleich der Mehrkosten verschiedener Qualitätsmerkmale zu den Kostensteigerungen für höhere Energieeffizienz Quelle: Stoy/Hagmann 2015a, S. 13, eigene Darstellung. Zum Zwecke der besseren Einordnung wurden wesentliche Merkmale, die eine Qualitätsstufe des NaWoh charakterisieren, aus dem Gutachten entnommen und den Kostenspannen textlich hinzugefügt. Für eine vollständige Darstellung der einzelnen Qualitätsstufen und deren Beschreibung siehe Stoy/Hagmann 2015, S. 14 ff. oder die übersichtliche Zusammenstellung in BMUB 2015, S. 157. Für die anderen untersuchten Qualitätsmerkmale wie Schallschutz, Außenanlagen und Dachbegrünung ergeben sich weniger hohe Kostensteigerungen. Werden jeweils die höchsten Qualitätsstufen gewählt, so ergeben sich in Summe erhebliche Kostensteigerungen gegenüber dem Ausgangsniveau der Qualitätsstufe 0. Allerdings wurde von Stoy nicht untersucht, ob bei Anwendung jeweils der höchsten Qualitätsstufen die Kosten kumuliert werden dürfen oder ob durch Synergieeffekte die Kosten unterproportional steigen. Auf der Grundlage von Daten aus der BKI-Datenbank (Median-Kostenwerte für Mehrfamilienhäuser) ergeben sich deutliche Mehrkosten, wenn gegenüber dem EnEV 2009-Anforderungsniveau ein höherer Energieeffizienzstandard gewählt wird. Die Mehrkosten belaufen sich gegenüber einem Ausgangsniveau der Kostengruppe 300 und 400 von 1.332 Euro/m² Wohnfläche (KG 300/400, inkl. USt., 1. Quartal 2014) im Durchschnitt bei dem Effizienzstandard EH 70 auf 101 Euro/m² (plus 7,6 Prozent), bei dem Effizienzstandard EH 55 auf 220 Euro/m² (plus 16,5 Prozent) und bei dem Effizienzstandard EH 40 auf 285 Euro/m² (plus 21,4 Prozent) (nachrichtlich Kostenstand 1. Quartal 2016: 105 Euro/m², 227 Euro/m² und 294 Euro/m²). Im Vergleich zu anderen Qualitätsmerkmalen eines Wohngebäudes wie Grad der Barrierefreiheit, Schallschutz, Gestaltung der Außenanlagen und Dachbegrünung wird die Höhe der Baukosten am stärkten durch die Wahl des Energieeffizienzstandards bestimmt. 42 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz 2.2.4 Im Entscheidungskontext von Wohnungsunternehmen Die Höhe der Baukosten für unterschiedliche Energieeffizienzstandards ist nicht nur beim Neubau von Gebäuden von Bedeutung, sondern auch für die Sanierung von Wohnungs- und Gebäudebeständen. Gebäudeeigentümer, wie insbesondere Wohnungsunternehmen, treffen im Rahmen von PortfolioAnalysen zur Weiterentwicklung von Wohnungsbeständen in einzelnen Quartieren auch Entscheidungen darüber, auf welchen Energieeffizienzstandard modernisiert werden soll. Die Entscheidung findet bezogen auf den Energieeffizienzstandard u.a. im Spannungsfeld der Höhe der Bau- und Modernisierungskosten, dem vorhandenen Steigerungspotenzial der Nettokaltmiete bei den derzeitigen Bewohnern und potenziell erreichbaren Mietergruppen sowie der unter gewöhnlichen Umständen erzielbaren Energiekosteneinsparung statt. Aus dem Blickwinkel des Wohnungsunternehmens steht die Wirtschaftlichkeit von Modernisierungsmaßnahmen im Vordergrund, für die Mieterhaushalte steht die Bruttowarmmietbelastung nach Durchführung der Modernisierung im Vordergrund. Die Entscheidung ist komplexer als hier angedeutet und bezieht bspw. die künftige Entwicklung von Wohnungsteilmärkten, aber auch unternehmensindividuelle Aspekte wie die Finanzierungskraft mit ein. Darauf soll für die Zwecke dieses Gutachtens nicht eingegangen werden. Im Grunde sind auch bei Modernisierungsentscheidungen die gleichen Gesichtspunkte zu beachten, wie bei der Errichtung eines Neubaus. Da aber häufig Wohnungsbestände modernisiert werden sollen, die zum Zeitpunkt der Modernisierungsentscheidung oft noch vermietet sind, und den oftmals älteren und langjährigen Bewohnern die Perspektive eröffnet werden soll, am gewohnten Standort auch in den modernisierten Beständen wohnen zu bleiben, ist die Mietzahlungsfähigkeit der derzeitigen Bewohner in die Überlegungen mit einzubeziehen. Soll eine bestimmte Mindestwirtschaftlichkeit einer komplexen Modernisierung aus Wohnwertverbesserungen und Energieeffizienzsteigerung nicht unterschritten werden, so sind Entscheidungen, die zu höheren Baukosten führen und die Bruttowarmmietbelastung erhöhen, besonders sensibel zu treffen. Bei Neubauentscheidungen kann hingegen auf die am (freien) Wohnungsmarkt erreichbaren Zielgruppen abgestellt, wobei zu beachten ist, dass gerade für mittlere Einkommensgruppen adäquater bezahlbarer Wohnraum fehlt. In dem Forschungsvorhaben „Energieeffizienz mit städtebaulicher Breitenwirkung“ wurden anhand verschiedener Gebäude aus den 1950er bis 1970er Jahren die energiebedingten Modernisierungskosten für die Energieeffizienzstandard KfW 130 bis KfW 55 (in der damaligen Nomenklatur) nach EnEV 2009 ausgewiesen und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt. 40 40 Vgl. Schulze Darup, Burkhard/Neitzel, Michael (2011): Energieeffizienz mit städtebaulicher Breitenwirkung. Technische und wirtschaftliche Voraussetzungen zur flächenhaften Umsetzung von energetisch hochwertigen Modernisierungen in zusammenhängenden Wohnquartieren, Berlin, Anlage 2 (Forschungsvorhaben unter Federführung des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. – GdW, gefördert mit Mitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt – DBU), S. 76. InWIS-Gutachten 43 Baukosten und Energieeffizienz In der folgenden Abbildung sind die Unterschiede in den Baukosten für die jeweilige Modernisierungsmaßnahme (KG 300/400) für das Beispiel eines Gebäudes aus Karlsruhe dargestellt, die mit den Energieeffizienzmaßnahmen zusammenhängen. Die Kosten für den Standard KfW 55 liegen um 26 Prozent höher als die Kosten für den KfW 100-Standard. Entscheidend für den Kostenanstieg sind vor allem die reinen Baukosten in den Kostengruppen 300 und 400, aber auch der Planungsaufwand und die Kosten für die erforderlichen Energiegutachten steigen bei höheren Energieeffizienzstandards deutlich an. Abbildung 7: Charakteristische Bau-/Modernisierungskosten der energetisch bedingten Bauteile für ein Mehrfamilienhaus der 1950er und 1960er Jahre einschließlich Nebenkosten (Projektbeispiel Karlsruhe) Quelle: Schulze Darup/Neitzel 2011, S. 75. Kostenangaben der Kostengruppe 300/400 und darauf entfallende Nebenkosten je m² Wohnfläche inkl. USt., Kostenstand ca. 3. Quartal 2009.41 In der folgenden Tabelle sind die Kostenangaben für sieben in dem Projekt untersuchte und für die unternehmerische Wohnungswirtschaft typische Wohngebäudebestände der 1950er bis 1970er Jahre auf den Kostenstand 1. Quartal 2016 hochgerechnet.42 Im Durchschnitt belaufen sich die energiebedingten Kosten für die Modernisierungsmaßnahme auf 440 Euro/m² Wohnfläche. Bei Wahl des anspruchsvollsten in der Tabelle dargestellten Energieeffizienzstandards (KfW 55) betragen die Kosten im Durchschnitt 556 Euro/m² Wohnfläche und erreichen in der Spitze ein Niveau von 640 Euro/m² Wohnfläche (Beispiel Potsdam). Die prozentualen Mehrkosten des Standards KfW 55 gegenüber KfW 100 belaufen sich auf 26,3 Prozent (in einer Spanne von 22,1 bis 29,4 Prozent). 41 42 44 Dem Bericht war explizit keine Angabe zum Kostenstand zu entnehmen. Die Berechnungen wurden zu Beginn des Jahres 2009 durchgeführt und sind im Laufe des Projektes verfeinert worden. Es wird ein Kostenstand 3. Quartal 2009 aufgrund des Projektverlaufes angenommen. Anmerkung: Die Gebäudebeispiele, die für das Forschungsprojekt stellvertretend für einen größere Anzahl zusammenhängend errichteter Wohngebäude in Quartieren ausgewählt worden sind, wurden in der Forschungsdokumentation ausführlich beschrieben. Die für die Kostenschätzung verwendeten Kennwerte stammen aus der Projekterfahrung von Projektpartner Schulze Darup und wurden von den teilnehmenden Wohnungsbaugesellschaften auf Plausibilität geprüft. Vgl. hierzu im Einzelnen Schulze Darup/Neitzel 2011, Anlage 1, Teil E. Projektbeschreibung, S. 220 – 371. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Tabelle 16: Euro/m² Wfl. Kostenunterschiede von unterschiedlichen Energieeffizienzstandards in der Modernisierung anhand von sieben Projektbeispielen Bielefeld Bochum Dortmund Essen Karlsruhe Nürnberg Potsdam KfW 130 400 365 435 415 400 355 495 KfW 115 420 380 450 430 415 370 510 KfW 100 435 395 465 445 430 385 525 KfW 85 485 425 500 480 465 420 560 KfW 70 515 465 540 520 505 460 600 KfW 55 555 505 580 565 545 500 640 Quelle: Schulze Darup/Neitzel 2011, S. 126. Kostengruppen 300, 400 und 700, Kostenangaben inkl. USt. je m² Wohnfläche. Die Angaben wurden mit dem Preisindex für Bauleistungen auf den Kostenstand 1. Quartal 2016 hochgerechnet und auf volle 5 Euro gerundet. Für das Projektbeispiel Karlsruhe beläuft sich die Differenz der Modernisierungskosten für den Energieeffizienzstandard KfW 55 gegenüber KfW 100 auf 115 Euro/m²Wohnfläche. Die ARGE Kiel hat für Beispielgebäude des mehrgeschossigen Wohnungsbaus der Baujahr vor 1979 exemplarisch Modernisierungskosten der Kostengruppe 300 und 400 für unterschiedliche Energieeffizienzstandards dargestellt. Die Kosten liegen deutlich über den fortgeschriebenen Werten des Forschungsvorhabens „Energieeffizienz mit städtebaulicher Breitenwirkung“. Bei einer Modernisierung auf den EH 100-Standard (EnEV 2016) fallen Kosten von durchschnittlich 395 Euro/m² Wohnfläche an. Dies bedeutet bereits Mehrkosten in Höhe von 83 Euro/m² gegenüber dem für den Bestand geltenden Mindeststandard. Die Baukosten steigen für einen höheren Energieeffizienzstandard deutlich an und belaufen sich für den EH 55-Standard auf 679 Euro/m² Wohnfläche. Das sind 72 Prozent höhere Kosten gegenüber dem EH 100Standard. Tabelle 17: Energetische Standards im Bestand Energetische Modernisierungskosten je m² Wohnfläche für unterschiedliche Energieeffizienzstandards im Verhältnis zu den Energieeinsparungen Verbrauchsdifferenz Modernisierungskosten je m² Wohnfläche Kostenindex KG 300-400 Median Median von/ Median /bis Median Endenergieverbrauch je m² Gebäudenutzfläche [kWh/m²AN a] EnEV-Bestand 312 €/m² Wfl. 100 64/ 86 /122 kWh/m²AN a 0 EffH 115 351 €/m² Wfl. 112,5 56/ 76 /110 kWh/m²AN a -10 EffH 100 395 €/m² Wfl. 126,6 49/ 65 /98 kWh/m²AN a -21 EffH 85 490 €/m² Wfl. 157,1 42/ 56 /88 kWh/m²AN a -30 EffH 70 568 €/m² Wfl. 182,1 36/ 47 /80 kWh/m²AN a -39 EffH 55 679 €/m² Wfl. 217,6 33/ 42 /73 kWh/m²AN a -44 Quelle: Darstellung der energetischen Modernisierungskosten (KG 300/400) und des Endenergieverbrauchs für Heizwärme und Warmwasserbereitung (Bezug: Gebäude des mehrgeschossigen Wohnungsbaus der Baujahre vor 1979, Ausgangszustand „nicht bzw. gering modernisiert“), Kostenstand: 1. Quartal 2016, Bundesdurchschnitt, inkl. Umsatzsteuer (Bruttokosten). Zugleich zeigt sich, dass der Endenergieverbrauch bei höheren Energieeffizienzstandards deutlich unterproportional zu den gestiegenen Baukosten zurückgeht. Wie auch im Neubau wird die bei höheren Energieeffizienzstandards zusätzlich verringerte Kilowattstunde Energie zu deutlich höheren Kosten InWIS-Gutachten 45 Baukosten und Energieeffizienz eingespart, sodass die Gesamtwirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen nicht gewährleistet ist. Höhere Energieeffizienzstandards wirken sich nicht nur im Neubau, sondern auch bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen kostensteigernd aus. Je nachdem, welche Studie herangezogen wird, treten Kostenunterschiede von rund 110 bis 285 Euro/m² Wohnfläche zwischen dem EH 100 und dem EH 55Standard zutage. Die prozentualen Abweichungen in den Baukosten dieser beiden Standards belaufen sich auf 26 bis 72 Prozent. Ausgehend von der EnEV-Mindestanforderung in der Bestandsanierung kostet die Einsparung einer zusätzlichen Kilowattstunde/m² und Jahr im Endenergieverbrauch 3,95 Euro/m², wenn stattdessen der EH 100-Standard erreicht werden soll. Wird dagegen ein EH 55-Standard angestrebt, dann liegen die Kosten für die Einsparung einer zusätzlichen Kilowattstunde/m² und Jahr im Endenergieverbrauch mit 8,30 Euro/m² mehr als doppelt so hoch. 2.2.5 Bei einzelnen Bauleistungen Während in den bisherigen Studien die Kostenunterschiede einzelner Energieeffizienzstandards miteinander verglichen wurden – und zwar unabhängig davon, mit welcher Kombination aus Maßnahmen an der Gebäudehülle und Anlagentechnik der jeweilige Standard erreicht wurde –, verfolgt die Studie von Ecofys in ihrem Hauptteil ein bauteilbezogenes Konzept. 43 Zu wesentlichen Bauteilen wie Außenwand (Porenbeton und Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem), Satteldach, Fenster und Heizungspumpen wurden über einen Zeitraum von 1990 bis 2014 aus unterschiedlichen Datenquellen Einzelpreise zusammengetragen und die Preisentwicklung bezogen auf eine Einheit des Bauteils – bereinigt um den Baupreisindex – ausgewertet. Die folgende Abbildung für die Außenwand aus Porenbeton stellt das Vorgehen exemplarisch dar: 43 46 Vgl. Von Manteuffel, Bernhard/Hermelink, Andreas/Schulze Darup, Burkhard (2014): Preisentwicklung Gebäudeenergieeffizienz. Initialstudie, Berlin, 2014. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Abbildung 8: Preisentwicklung Außenwand aus Porenbeton (preisbereinigt, Indexstand 2014 = 100) Quelle: von Manteuffel/Hermelink/Schulze Darup 2014, S. 7. Eine Außenwand aus Porenbeton einer Stärke von 30 cm und einem U-Wert von 0,48 W/m²K kostete im Jahr 1990 (zu Preisen von 2014) 140 Euro/m² Außenwandfläche.44 Die Preise sind 1994 zunächst angestiegen und dann bis zum Jahr 2004 lange Zeit nahezu konstant geblieben. Zwar haben Preissteigerungen nominal stattgefunden, die sich aber lediglich in der Größenordnung des Baupreisindex bewegt haben. Zwischen 2004 und 2014 gab es bei den Außenwänden aus Porenbeton bis zu einer Wandstärke von 36,5 cm und einem U-Wert von 0,28 W/m²K einen realen Preisrückgang, der zwischen 10 und 15 Prozent betragen hat. Eine solche Preisentwicklung ist nicht ungewöhnlich, sondern eher als Normalfall zu charakterisieren, da mit zunehmender Marktdurchdringung und Verwendung des Produktes in Bauvorhaben sogenannte Skalen- oder Mengeneffekte realisiert werden können. Zudem vollzieht sich produktindividuell eine Lernkurve, sodass es durch Produkt- und Prozessinnovationen im Verlauf eines Produktlebenszykluses möglich wird, ein Bauteil zu geringeren Kosten herzustellen und am Markt anzubieten. Besonders deutlich lässt sich dies am Beispiel von Fensterelementen darstellen. Verschiedene Qualitäten der Außenwand aus Porenbeton sind erst im Laufe der Zeit zusätzlich für den Markt entwickelt worden. So konnten Preise für Außenwandstärken von 36,5 cm oder 48 cm mit einem U-Wert von 0,21 W/m²K erst im Jahr 2014 ausgewiesen werden, weil das Produkt bspw. im Jahr 2014 am Markt noch nicht eingeführt war oder keine ausreichend große Verbreitung hatte. Entscheidend zur Beurteilung, inwieweit der Effizienzstandard die Höhe der Baukosten beeinflusst ist die Beobachtung, dass – unabhängig von einer längerfristigen Entwicklung der Preise – erhebliche Kostenunterschiede in Abhängigkeit von der energetischen Qualität des Bauteiles zu beobachten sind. 44 Anmerkung: Die zahlenmäßigen Preisangaben sind optisch aus den Grafiken abgeleitet worden, weil das Ecofys-Gutachten keine tabellarischen Preisübersichten enthält. Es handelt sich daher um Näherungswerte. InWIS-Gutachten 47 Baukosten und Energieeffizienz Im Jahr 2014 beläuft sich der Preis für einen Quadratmeter Außenwandfläche bei 30 cm Stärke/U-Wert 0,38 W/m²K auf ca. 125 Euro/m², für das Produkt mit 48 cm Stärke/U-Wert 0,14 W/m²K sind rd. 195 Euro/m² Außenwandfläche oder 56 Prozent mehr aufzuwenden. Die Preise je m² Außenwandfläche steigen über sämtliche Bauteilqualitäten deutlich an. Auch für die Außenwand aus Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem (11 verschiedene Produktvarianten analysiert) und das Satteldach (7 verschiedene Produktvarianten analysiert) lassen sich diese Zusammenhänge ableiten. Die Außenwand aus Kalksandstein mit einer Dämmung von lediglich 6 cm (UWert 0,48 W/m²K) kostete im Jahr 2014 ca. 138 Euro/m², während für die am stärksten gedämmte Außenwand mit einer Stärke von 30 cm (U-Wert von 0,10 W/m²K) Kosten von 178 Euro/m² Außenwandfläche aufzuwenden waren. Der Preis- bzw. Kostenunterschied betrug rund 29 Prozent. Tabelle 18: Preisspannen je m² Bauteilfläche für Außenwand aus Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem und Satteldach im Jahr 2014 Bauteil Energetische Qualität (niedrigster, höchster ausgewiesener Standard) ca.-Preis in Euro je Einheit des Bauteils Außenwand: Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS)45 6 cm Dämmdicke, U-Wert: 0,48 W/m²K 138 Euro/m² 30 cm Dämmdicke/U-Wert 0,10 W/m²K 178 Euro/m² 10 cm Dämmdicke/U-Wert 0,45 W/m²K 65 Euro/m² 36 cm Dämmdicke/U-Wert 0,11 W/m²K 95 Euro/m² Satteldach46 Quelle: von Manteuffel/Hermelink/Schulze Darup 2014, S. 8f. Kostenangaben Stand 2014 inklusive Umsatzsteuer. Für ein Satteldach mit einem U-Wert von lediglich 0,45 W/m²K (10 cm Dämmdicke) waren je Quadratmeter Dachfläche 65 Euro aufzuwenden, das energetisch hochdämmende System mit einem U-Wert von 0,11 W/m²K (36 cm Dämmdicke) kostete 95 Euro, also 46 Prozent mehr. Die Preisentwicklung bei (Kunststoff-)Fenstern, die einen Marktanteil von rund zwei Dritteln aller Fenster in Deutschland besitzen, ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht mustergültig: Bei Einführung in den Markt waren die Fenster mit höherem energetischen Standard vergleichsweise teuer. Mit zunehmender Verbreitung im Produktlebenszyklus und durch Lernkurveneffekte konnten Fenster im Zeitablauf deutlich günstiger angeboten werden. Besonders augenfällig ist dies bei einem Passivhausfenster mit einem U w-Wert für das gesamte Fenster (Verglasung einschließlich Rahmen) von 0,8 W/m²K zu beobachten: 1995 in dieser Preisübersicht erstmalig dargestellt war es mit einem Preis von rund 625 Euro/m² Fensterfläche nahezu doppelt so teuer wie ein Fenster, das damals bereits den EnEV 2009-Standard mit einem Uw-Wert von 1,3 W/m²k erfüllt hat (Preis rund 325 Euro/m² Fensterfläche). Bis zum Jahr 2005 gab der reale Preis (Basis 2014 = 100) nur um rund 15 Prozent nach. Durch die Einführung alternativer Fensterprodukte (EnEV 2014- und KfW EH 45 46 48 Anmerkung: Der Kostenansatz bezieht sich auf einen Quadratmeter Wandfläche aus Kalksandstein (1994: d = 24 cm, danach 17,5 cm), Innenputz als Gipsputz (außer 2014: Spachtelung) sowie WDVS (EPS) in der angegebenen Stärke. Anmerkung: Bei Dämmdicken bis 26 cm wird das Dach als Konstruktion mit Konstruktivvollholz ausgeführt, bei Dämmdicken von 30 und 36 cm als Brettschichtholz. Bei stärkere Dämmung wurden berücksichtigt, dass höhere Sparren einen geringeren Holzanteil ermöglichen. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz 40-Qualität) kam es zu einem Preissturz um rund 35 Prozent, danach verringerten sich die Preise aller Fenstervarianten kontinuierlich. Abbildung 9: Preisentwicklung von Fenstern unterschiedlicher energetischer Standards Quelle: von Manteuffel/Hermelink/Schulze Darup 2014, S. 10. Kostenangaben Stand 2014 inklusive Umsatzsteuer. Wegen der Skaleneinteilung kommt der Preisniveauunterschied der drei im Jahr 2014 analysierten Fenstervarianten nicht so stark zum Ausdruck. Aber zwischen dem Fenster mit EnEV 2014-Qualität und Passivhaus-Qualität besteht eine Differenz von rund 15 Prozent (ca. 260 gegenüber ca. 225 Euro/m² Fensterfläche). Das Gutachten ist in der Fachöffentlichkeit kritisiert worden. Einerseits, weil durch die Preisbereinigung nominale Preissteigerungen kaschiert werden, die zwischenzeitlich stattgefunden haben. Andererseits, weil lediglich die Bauteilkosten betrachtet wurden. Arbeitslohn, der für den Einbau, die Errichtung bzw. die Montage anfällt, und Kosten für Hilfsstoffe wurden nicht berücksichtigt, obwohl einzelne Produktvarianten der Bauteile unterschiedliche Lohnkostenanteile aufweisen. Die Preise für Bauleistungen, die für die Planung unterschiedlicher Energieeffizienzstandards eine große Bedeutung besitzen, unterliegen langfristigen Preistrends. Analysen des Ecofys haben gezeigt, dass die realen Preise – nach Bereinigung um die allgemeine Preissteigerung für Bauleistungen – in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gesunken sind. Betrachtet man die Preisstruktur der am Markt verfügbaren Varianten der analysierten Bauteile zu einem bestimmten Zeitpunkt, so zeigt sich, dass die Varianten mit höherer energetischer Qualität deutlich höhere Preise aufweisen. Der Preisunterschied zwischen der Variante mit der geringsten und der höchsten energetischen Qualität ist je nach Bauteil erheblich: Bei der Außenwand aus Porenbeton ist die Produktvariante mit der höchsten energetischen Qualität (48 cm Wanddicke, U-Wert 0,14 W/m²K) im Jahr 2014 um 56 Prozent teurer InWIS-Gutachten 49 Baukosten und Energieeffizienz als diejenige mit der niedrigsten Qualität (30 cm Wanddicke, U-Wert 0,38 W/m²K). Bei einer Außenwand aus Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem beträgt der Preisunterschied 29 Prozent, bei einem Satteldach 46 Prozent. Bei Fenstern ist es in den letzten Jahren zu deutlichen Preisrückgängen gekommen, zusätzlich haben sich die Preise für Fenster unterschiedlicher energetischer Qualität angeglichen. Zwischen einem Fenster mit EnEV 2014 und einem mit besserer Passivhaus-Qualität besteht weiterhin ein Preisunterschied von 15 Prozent. Diese Preisunterschiede wirken sich bei den Baukosten der Kostengruppe 300 dann aus, wenn es erforderlich ist, die Transmissionswärmeverluste der Gebäudehülle zu verringern und dem Dämmstandard einzelner Bauteile der Hülle zu erhöhen, um – im Zusammenspiel mit der Anlagentechnik – einen höheren Energieeffizienzstandard zu erreichen. Die Preisentwicklung für Anlagentechnik ist in dem Gutachten nicht speziell untersucht worden. Wie bereits in Kapitel 2.1.2 gibt es auch andere Studienansätze 50 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz 3. Empirische Datengrundlagen und deren Aussagegrenzen Empirische Forschung unternimmt – über die in Kapitel 2.1.3 dargestellte Entstehungslogik der Baukosten hinaus – den Versuch, aus den festgestellten Baukosten bereits errichteter (Wohn-)Gebäude mithilfe gängiger statistischer Beschreibungs- und Analyseverfahren Rückschlüsse auf mögliche Einflussfaktoren zu ziehen und Ursachen für Kostenunterschiede herauszuarbeiten. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass - neben den Faktoren, die im Rahmen der Planung eines Gebäudes für die Höhe der späteren Baukosten entscheidend und einfach berechenbar sind (bspw. Größe des Gebäudes und Geometrie, genereller Ausstattungs- und Qualitätsstandard einschließlich Materialwahl, Wahl des Energieeffizienzstandards, Grad der Barrierefreiheit) – auch solche Einflussfaktoren betrachtet werden können, deren Effekte a priori nicht bekannt sind und sich nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermitteln lassen. Danach können auch die Nutzungsart (z.B. generationengerechtes Wohnen), die Art des Bauherrn (privat gegenüber öffentlich), die Ausführungszeit, die Planungsorganisation, die Kommunikation auf der Baustelle und die Prozesssteuerung oder die Art des Vergabeverfahrens einen größeren Einfluss ausüben. Die Analyse von abgerechneten Bauvorhaben setzt in der Regel komplexe Kostenmodelle voraus, die auf der Grundlage theoretischer Überlegungen gestaltet werden müssen. Die empirisch geprägte Vorgehensweise hat damit auch den Nachteil, dass nach Möglichkeit sämtliche Faktoren erhoben und abgebildet werden sollten, von denen ein (wesentlicher) Einfluss auf die Höhe der Baukosten zu erwarten ist. Damit besteht auch die Anforderung zu prüfen, ob ein gewähltes Kostenmodell überhaupt genügend Aussagekraft besitzt, um die Höhe der Baukosten und auftretende Kostenunterschiede zu begründen. Je nach Komplexität des Modells ist in der Regel eine Datengrundlage mit einer größeren Anzahl von Gebäuden erforderlich, um valide Aussagen ableiten zu können, d.h. ob das mathematische Verfahren die Situation in der Realität tatsächlich verlässlich anzeigt. Das hängt auch damit zusammen, wie sehr sich die Gebäude und die Art der Errichtung voneinander unterscheiden. Bei homogenen Stichproben, bspw. wenn nur Wohngebäude einer bestimmten Größe beobachtet werden, reichen auch kleinere Stichprobenumfänge aus, um Tendenzaussagen ableiten zu können. In den folgenden Unterkapiteln werden exemplarisch drei unterschiedliche Modelle dargestellt, mit denen Baukostenunterschiede analysiert werden: • Ein Kostenmodell auf der Grundlage von Projektdaten des Baukosteninformationszentrums (BKI) (Kapitel 3.1, S. 52). • Ein Modellansatz auf Basis einer Erhebung bundesweiter Projekte im sozialen Wohnungsbau (Kapitel 3.2, S. 56). • Eine Analyse auf der Grundlage von Projekten im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Hamburg (Kapitel 3.3, S. 59). InWIS-Gutachten 51 Baukosten und Energieeffizienz 3.1. Projektdatenbank des Baukosteninformationszentrums (BKI) Stoy hat sich sehr detailliert mit Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen unterschiedlichen Einflussfaktoren und den Bau- bzw. Herstellungskosten auseinandergesetzt. Danach lassen sich die Kosteneinflussfaktoren nach fünf wesentlichen Gruppen anordnen, die in der folgenden Abbildung dargestellt sind. Abbildung 10: Grundmodell der Untersuchung zu den Herstellungskosten eines Gebäudes Quelle: Stoy 2007, S. 25. In der folgenden Tabelle sind die verschiedenen potenziellen Einflussfaktoren nach Gruppen dargestellt. Tabelle 19: Überblick über die Kosteneinflussfaktoren nach Merkmalsgruppen Gruppe von Kosteneinflussfaktoren Merkmale in der Gruppe/Untergruppen Nutzung Nutzungsart Nutzungseinheiten [Anzahl] Eigennutzungs- oder Mietobjekt Gebäudeeigenschaften Baugrube • Planungskennwert Baugrubenrauminhalt [m 3 Baugrubenrauminhalt/m2 Brutto-Grundfläche] • Abtransport von Aushubmaterial [0, 1] • verbaute Fläche [m2 verbaute Fläche Baugrubenumschliessung/m 2 Brutto-Grundfläche] • Art der Baugrubenumschliessung [Schlitz-, Pfahl-, Spund-, Trägerbohl-, Injektions-, Spritzbetonwand, keine] • Wasserhaltung [0, 1] Gründung • Planungskennwert Gründungsfläche [m 2 Gründungsfläche/m2 BruttoGrundfläche] • Baugrundverbesserungen [0, 1] • Art der Gründung - überwiegend Flachgründung [0, 1] • Wasserdichtigkeit der Gründung [0, 1] • Material der Bodenbeläge [Estrich, Textile/Kunststoff, Steinzeug, Holz, keine] • Material der Bauwerksabdichtungen/Dränagen [Kies, Beton, keine] Aussenwände • Kompaktheit des Gebäudes [m2 Aussenwandfläche/m2 Brutto-Grundfläche] • Anteil Aussenwandflächen im Erdreich [m 2 Aussenwandfläche im 52 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Gruppe von Kosteneinflussfaktoren Merkmale in der Gruppe/Untergruppen Erdreich/m2 Aussenwandfläche * 100] • Material der Aussenwandkonstruktion [Mauerwerk, Beton, Gasbeton, Holz] • Anteil Aussentüren und -fensterflächen [m2 Aussentür- und -fensterfläche/m2 Aussenwandfläche * 100] • Material der Aussentüren und -fenster [Holz, Kunststoff, Metall, Metall/Holz] • Öffnungsflächenanteil der Aussenwandflächen [(m2 Aussentür- und fensterfläche + m2 elem. Aussenwandflächen)/m 2 Aussenwandfläche * 100] • Anteil Bekleidungsfläche der Aussenwände [m 2 Bekleidungsfläche/m2 Aussenwandfläche * 100] • Material der Aussenwandbekleidungen [Putz, Wärmedämmsystem, Sichtmauerwerk, Holz] • Anteil elementierter Aussenwandfläche [m 2 elementierte Aussenwandfläche/m2 Aussenwandfläche * 100] Innenwände • Planungskennwert Innenwandflächen [m 2 Innenwandfläche/m2 Brutto- Grundfläche] • Material der Innenwandkonstruktion - tragend [Mauerwerk, Beton, Gasbeton, Holz] • Material der Innenwandkonstruktion - nicht tragend [Mauerwerk, Gasbeton, Gipskarton, Holz] • Anteil Innentüren- und -fensterflächen [m2 Innentür- und fensterfläche/m2 Innenwandfläche * 100] • Material der Innentüren und -fenster [Holz, Glas, Metall] • Öffnungsflächenanteil der Innenwandflächen [(m 2 Innentür- und fensterfläche + m2 elementierte lnnenwandflächen)/m 2 Innenwandfläche * 100 • Anteil Bekleidungsfläche der Innenwandfläche [m 2 Bekleidungsfläche/m2 Innenwandfläche * 100] • Anteil elementierter Innenwände [m2 elementierte Innenwandfläche/m2 Innenwandfläche * 100] Decken • Planungskennwert Deckenflächen [m2 Deckenfläche/m2 BruttoGrund- fläche] • Material der Deckenkonstruktion [Stahlbeton, Holz] • Material der Deckenbeläge [Textile/Kunststoff, Steinzeug, Holz, keine] Dächer • Planungskennwert Dachflächen [m2 Dachflächen/m2 BruttoGrundfläche] • Material der Dachkonstruktion [Stahlbeton, Holz, Holz/Stahl] • Anteil Dachfenster- und Dachöffnungsflächen [m 2 Dachfenster- und Dachöffnungsflächen/m2 Dachfläche * 100] • Art der Glasflächen des Daches [Dachausstieg, Fenster, Glasdach] Material der Dachbeläge [Eternit, Abdichtung, Dachstein/-ziegel, Metall] Technische Anlagen • Energieträger [Öl, Gas, Fernwärme] • Anteil lufttechnisch behandelte Flächen [m2 lufttechnisch behandelte Flächen/m2 Brutto-Grundfläche] • Standard der Stark- und Schwachstromanlagen • Aufzugsanlagen [Anzahl] • Standard der Gebäudeautomation Gesamtgebäude • • • • • • Geschosse - insgesamt [Anzahl] Geschosse - im Erdreich [Anzahl] Geschosse - über Erdreich [Anzahl] Gebäudehöhe [m] absolute Projektgrösse [m2 Brutto-Grundfläche] mittlere Etagengrösse [1 '000 m2 Brutto-Grundfläche/Anzahl Geschosse] • mittlere Geschosshöhe [m3 Brutto-Rauminhalt/m2 BruttoGrundfläche] • technischer Funktionsflächenanteil [m2 technische Funktionsfläche/m2 Brutto-Grundfläche * 100] • Anteil der Nutzflächen 1-6 (DIN 277-2, 2005b) [m2 Nutzfläche 16/m2 Brutto-Grundfläche * 100] • Anteil der Nutzflächen 7 (DIN 277-2, 2005b) [m2 Nutzfläche 7/m2 Brutto- Grundfläche * 100] • Hüllflächenverhältnis des Gebäudes [(m 2 Gründungsfläche + m2 Aussen- wandfläche + m2 Dachfläche)/m2 Brutto-Grundfläche] • Konstruktionstyp [Wandkonstruktion, Skelettkonstruktion] • Standard der technischen Anlagen Standard des Ausbaus • Komplexität des Projekts • Baubarkeit des Projektes • Funktionalität des Gebäudes InWIS-Gutachten 53 Baukosten und Energieeffizienz Gruppe von Kosteneinflussfaktoren Merkmale in der Gruppe/Untergruppen Bereitstellung Projektbeteiligte • Bauherr [öffentlich, institutionell, privat] • finanzielle Situation des Bauherrn • Planungsorganisation (Einzel-/Generalplaner) • Teamfähigkeit der Projektgemeinschaft (Planung und Ausführung) • Kommunikationsverhalten • Erfahrung des Erstellers • Auslastung des Erstellers • finanzielle Situation des Erstellers Planungsphase • Grad der Bedarfsermittlung • Finanzierungsform des Projektes • frühzeitig einsetzende Kostenplanung • Art der Ausschreibung [öffentlich, beschränkt, nicht öffentlich] • Anzahl der Bietenden • Art der Vergabe - Einzelvergabe [0, 1] • Zahlungsvereinbarungen im Vertrag • Planungsdauer [Monate] Erstellungsphase • Hauptziel bei der Erstellung (Kosten- oder Terminsicherheit) • Bereitstellung der Planunterlagen (vollständig und rechtzeitig) • Änderungen während der Erstellung • Ausführungsdauer [Monate] • Region der Erstellung [BKI-Regionalfaktor] • Lagequalität • Bauraum [frei, beengt, Baulücke] • Topographie des Baugrundstücks [eben, geneigt, Hanglage] • Bodenqualität [Bodenklassen 1 bis 7] • Jahr der Erstellung • Baukonjunktur • klimatische Situation während der Erstellung • besondere Auflagen (zum Beispiel Denkmalschutzauflagen) Standort Externe Parameter Quelle: Stoy 2007, S. 25 ff. Die Tabelle zeigt auf, welche komplexen Ursache-Wirkungszusammenhänge bestehen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren und der Höhe der Baukosten bestehen. In der Praxis ist es zu aufwändig, sämtliche der dargestellten Parameter zu erheben und für Zwecke von statistischen Auswertungen einzusetzen. Auch Stoy hat sich auf solche Einflussfaktoren beschränkt, die in der BKI-Datenbank enthalten waren. Wird jedoch nur ein Ausschnitt der Einflussfaktoren verwendet, dann muss von vorherein damit gerechnet werden, dass bspw. im Rahmen von regressionsanalytischen Auswertungen kein hohes Bestimmtheitsmaß als Maßstab für den Erklärungsgehalt des Modells erreicht werden kann. Im Verlauf seiner Studie hat Stoy verschiedene Regressionsmodelle sowohl für einzelne Systeme, wie das Außenwandsystem, als auch für das Gesamtgebäude. In der folgenden Tabelle ist das Kostenmodell für das Außenwandsystem dargestellt. Je nachdem, ob ein einfaches lineares Modell oder ein logarithmisches Modell verwendet wird, unterscheidet sich das Bestimmtheitsmaß R². In dem von Stoy favorisierten semi-logarithmischen Modell konnte er ein R² von 75,7 Prozent erreichen. Verwendet wurden n = 70 Gebäude. Tabelle 20: Statistische Kennziffern des Kostenmodells für die Außenwand Modell Transformation (N=70) R2 R* F-Wert Signifikanz 1 seml-log 0 757 0.730 27.661 0.000 2 linear (keine) 0.763 0.736 28.537 0.000 Quelle: Stoy 2007, S. 61. 54 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Für das Modell wurden schließlich sieben Variablen verwendet. Die Kompaktheit des Gebäudes und die Ausführung des Aussenwandmauerwerks in Sichtmauerwerk haben den höchsten kostensteigernden Einfluss. Obwohl die Außenwandbekleidungen mit Putz und als Wärmedämmsystem nicht signifikant sind, hat Stoy sie nicht aus dem Modell entfernt. Der hohe Standardfehler zeigt jedoch, dass die betrachteten Koeffizienten B auf diesem Signifikanzniveau eingeschätzt werden können. Tabelle 21: Kostenmodells für das Außenwandsystem Verwendete Variablen B Std. Fehler T-Wert Signifikanz Kompaktheit des Gebäudes 1.302 0.117 11.105 0.000 Öffnungsflächenanteil der Aussenwandflächen 0.017 0 004 4.797 0.000 Material der Aussenwandbekleidungen - Putz 0.019 0.094 -0.204 0.839 -0.071 0.099 -0.720 0.474 Material der Aussenwandbekleidungen Wärmedammsystemm Material der Aussenwandhekleidungen -Sichtmauerwerk 0.253 0 114 2 219 0.030 Gebäudehöhe 0.019 0.005 3.663 0.001 -0.028 0.014 -2 026 0.047 3.688 0 169 21.779 0.000 absolute Projektgröße (Brutto-Grundfläche) (Konstante) Das Kostenmodell für das Gesamtgebäude besitzt ebenfalls ein hohes Bestimmtheitsmaß von R² = 73,7 Prozent. Tabelle 22: Statistische Kennziffern des Kostenmodells für das Gesamtgebäude Modell Transformation (N=70) R2 R* F-Wert Signifikanz 1 seml-log 0.737 0.712 29.468 0.000 2 linear (keine) 0.762 0.739 33.583 0.000 Quelle: Stoy 2007, S. 99. In der folgenden Tabelle sind die Variablen für das Gesamtkostenmodell abgebildet, die sich nach zusätzlicher Prüfung als signifikant herausgestellt haben. Die Kompaktheit des Gebäudes (B = 0,693) und die Region der Erstellung (B = 0,54) haben den höchsten kostensteigernden Einfluss. Höhere Baukosten gehen auch mit Aufzugsanlagen, der Ausführungsdauer oder dem Öffnungsflächenanteil der Aussenwände zusammen. Die absolute Projektgröße verringert die Kosten. Tabelle 23: Koeffizienten des Gesamtgebäudes für Modell 1 (semi-log) B Std. Fehler T-Wert Signifikanz Kompaktheit des Gebäudes 0.693 0.083 8.359 0.000 Aufzugsanlagen 0.141 0.026 5.369 0.000 -0.043 0.010 -4.301 0.000 Ausführungsdauer 0.011 0.003 4.011 0.000 Öffnungsflächenanteil der Aussenwandflächen 0.009 0.003 3.499 0.001 Region der Erstellung 0.540 0.291 1.855 0.048 (Konstante) 5.198 0.310 16.786 0.000 absolute Projektgrösse (Brutto-Grundfläche) Quelle: Stoy 2007, 101. InWIS-Gutachten 55 Baukosten und Energieeffizienz In der folgenden Tabelle sind Ergebnisse aus Experteninterviews dargestellt, in denen nach Einschätzungen zur Rangfolge wichtiger Kosteneinflussfaktoren gefragt wurde. Die Nutzungsart und der Standard des Ausbaus sind als wesentliche Faktoren angesprochen worden. Die Nutzungsart war jedoch für sämtliche Gebäude gleich, sodass danach nicht differenziert werden musste. Die Ergebnisse des Modells weichen stark von denjenigen der Experten ab. Nach Energieeffizienzstandards ist im Rahmen dieser Analysen nicht gefragt worden. Tabelle 24: Rangfolge der wichtigsten Kosteneinflussfaktoren von Experteninterviews und des Kostenmodells Experten- Rangfolge Modell- Rangfolge Nutzungsart 1. konstant Standard des Ausbaus (wie Menge und Material der Innenwände) 2. nicht relevant Standard der Haustechnik (wie Aufzugs- und lufttechnische Anlagen) 3. 2. mittlere Geschosshöhe (Brutto-Rauminhalt/Brutto-Grundfläche) 4. nicht relevant Region der Erstellung 5. 6. Anzahl Geschosse 6. nicht relevant Material der Aussenwandbekleidungen 7. nicht relevant absolute Projektgrösse (Brutto-Grundfläche) 8. 3. Kompaktheit des Gebäudes 9. 1. besondere Auflagen 10. nicht relevant Öffnungsflächenanteil der Aussenwandflächen 13. 5. Ausführungsdauer 36. 4. Quelle: Stoy 2007, S. 103. Stoy hat in seiner Analyse dargestellt, wie komplex Kostenmodelle aufgebaut sein sollten, um die Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen Einflussfaktoren und Baukosten zuverlässig abzubilden. Zwar können aufgrund von Kosten-Nutzen-Relationen nicht sämtliche Faktoren für Datengrundlagen erhoben und gepflegt werden, allerdings sollte damit gerechnet werden, dass der Erklärungsgehalt des Modells keine sehr hohen Werte annehmen wird. Kostenmodelle für das Gesamtgebäude zeigen, dass ein Erklärungsgehalt von 75 Prozent erreicht werden kann. Einen höheren Einfluss haben die Kompaktheit des Gebäudes, die Region der Erstellung und das Vorhandensein von Aufzugsanlagen. Größere Projekte, die anhand der Brutto-Grundfläche gemessen werden, führen zu niedrigeren Kosten. 3.2. Erhebung bundesweiter Projekte im kostengünstigen sozialen Wohnungsbau Begleitend zur Arbeit der Baukostensenkungskommission ist eine Erhebung von kostengünstigen Projekten im sozialen Wohnungsbau von InWIS durchgeführt worden. Auf der Grundlage eines ausführlichen Fragebogens (siehe Abbildung 11) wurden wesentliche Angaben zu insgesamt 58 Gebäuden erhoben werden. Darunter befanden sich auch frei finanzierte Objekte, Objekte einer Kombination von Ein-/Zwei- und Mehrfamilienhäusern sowie altengerechte 56 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Mietwohnungsprojekte. Aufgrund der Besonderheiten dieser Projekte und der eingeschränkten Vergleichbarkeit wurden diese zusammen mit solchen aus der Datengrundlage entfernt, bei denen Kostenangaben fehlten. Insgesamt konnten 37 neu errichtete Gebäude für weitere Auswertungen verwendet werden. Tabelle 25: Überblick über wesentliche Items des Fragebogens für die Erhebung von sozialen Wohnungsbauprojekten Katalog der abgefragten Items • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Bauzeit Gebäudetyp (EFH und Art/MFH) Kurzbeschreibung des Projektes Anzahl Ober-und Untergeschosse Wohnungstypen Erschließungssystem (Ein-/Zwei-/Drei- und Mehrspänner) Anzahl Wohneinheiten Ausstattungsstandard (einfach, mittel, genügt höheren Ansprüchen) Projektbeurteilung Kostengünstig Tragwerkskonstruktion (Massivbauweise, Skelettbauweise, Platten-/Scheiben-/Tafelbauweise, kombinierte Bauweise) Baumaterial der Tragkonstruktion (Holz, Stahl, Mauerwerk, Stahlbeton) Montage der Bauteile (Art der Vorfertigung) Anzahl alten-/behindertengerechter Wohneinheiten (DIN-Standard) Besondere Merkmale (innenliegende Bäder, Lüftungsanlage, Möblierung) Außenflächen (Balkon, Terrasse, Loggia) Anzahl Kellerräume Fahrstuhl/Aufzug Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Rollatoren, Kinderwagen Nutzung der Dachfläche Dachform (Flach-/Sattel-/Pultdach etc.) Fassadenart (Putz, Klinker, Glas) Schallschutzanforderungen Energetischer Standard Energetischer Kennwerte Quelle: InWIS 2014/15. Ein Auszug aus dem Fragebogen ist in der folgenden Abbildung abgedruckt. Abbildung 11: InWIS-Gutachten Auszug aus dem Fragebogen 57 Baukosten und Energieeffizienz Zu den im Fragebogen enthaltenen Angaben wurden unterschiedliche Regressionsmodelle entwickelt und auf ihren Erklärungsgehalt und Signifikanz gefüllt. Das zuletzt entwickelte Modell hat ein Bestimmtheitsmaß R² von 0,80 und somit einen hohen Erklärungsgehalt. Der obligatorische F-Test bestätigt, dass das Modell einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Baukosten und den eingefügten erklärenden Variablen herstellen kann. Tabelle 26: Zusammenfassung des Modells zur Erhebung von Projekten im sozialen Wohnungsbau Modellzusammenfassung Modell R R-Quadrat ,894a 1 Korrigiertes R- Standardfehler Quadrat des Schätzers ,800 ,733 ,08942 Das erarbeitete Modell ist vergleichsweise robust. Als abhängige Variable fließen die für die Beurteilung energetischer Standards relevanten Baukosten der Gruppen 300, 400 und 700 mit ein. Der Einfluss auf die Höhe der Baukosten ist besonders hoch bei den Faktoren „Standard erfüllt höhere Ansprüche“ (Regressionskoeffizient B = 0,57) und „mittlerer Standard“ (B = 0,25). Diese Variablen sind jedoch als kritisch einzustufen, weil es sich um Selbsteinschätzungen der Teilnehmer handelt. Aufgrund der Stärke des Einflusses und des Erklärungsbeitrages war es sinnvoll, diese mit aufzunehmen. Die Einschätzung zur Lage des Objektes in „guter Wohnlage“ führt zu höheren Kosten (B = 0,071), größere Projekte haben einen kostenmindernden Einfluss. Tabelle 27: Aufbau des Modells zur Erklärung der Höhe von Baukosten Nicht standardisierte Koeffizienten Modell 1 (Konstante) RegressionskoeffizientB Standardfehler Kollinearitätsstatistik Sig. Toleranz 7,321 ,081 ,000 vr1_14_3 - Einschätzung: Standard erfüllt höhere Ansprüche ,571 ,081 ,000 ,184 5,426 vr1_14_2 - Einschätzung: mittlerer Standard ,250 ,073 ,003 ,211 4,732 vWoLage2 - Einschätzung gute Wohnlage ,071 ,041 ,101 ,884 1,131 vr4_1_g4T - mehr als 4.000 m² Wohnfläche -,097 ,050 ,064 ,606 1,651 v6_13_Std_40ud - EH 40 und darunter ,094 ,050 ,076 ,599 1,669 v6_13_Std_55 - EH 55 ,177 ,048 ,001 ,552 1,812 v6_13_Std_EnEV ,002 ,053 ,976 ,687 1,455 a. Abhängige Variable: vrLogRelCost 58 VIF InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Unterschiedliche Energieeffizienzstandards sind als sogenannte mehrkategoriale bzw. Dummy-Variablen berücksichtigt. Der Standard EnEV 2009 ist in dem Modell nicht signifikant und ist hier für Anschauungszwecke enthalten. Die mit weiteren Variablen abgebildeten Standards EH 55 und EH 40 weisen Einflussbeiträge im Verhältnis zu dem EnEV 2009-Standard aus. Für den EH 55-Standard kann ein deutlich kostenerhöhender Einflussbeitrag festgestellt werden (B = 0,177). Dies entspricht umgerechnet einem Kostenaufschlag von 19,4 Prozent. Für den EH 40-Standard fällt der kostensteigernde Effekt niedriger aus (B = 0,094) und beläuft sich ungefähr auf 10 Prozent. Eine Umrechnung ist erforderlich, weil es sich um ein logarithmiertes Regressionsmodell handelt. Auf Basis der Datengrundlage von 37 Projekten im öffentlich geförderten und kostengünstigen Wohnungsbau in Deutschland, die von InWIS im Rahmen der Arbeiten zur Baukostensenkungskommission erhoben wurden, konnten verschiedene Regressionsmodelle getestet werden. Die Ergebnisse sind nicht befriedigend, zeigen aber, dass gegenüber dem EnEV 2009-Standard kostensteigernde Einflüsse von höheren EnEV-Standards nachgewiesen werden können. Trotz des hohen Erklärungsgehaltes ist es jedoch künftig sinnvoll, in die Erhebung weitere Variablen mit einzubeziehen, um nicht nur gebäudebezogene, sondern auch Faktoren im Umfeld der Projektbeteiligten mit zu berücksichtigen. Außerdem sollte die Datengrundlage ausgeweitet werden. 3.3. Analyse von Projekten im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Hamburg Eine weitere empirisch angelegte Studie hat das Institut Forschung + Beratung (F+B), Hamburg, im September des letzten Jahres veröffentlicht. Ziel der Studie war es, eine empirisch abgesicherte Analyse der Baukosten im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau und deren Einflussfaktoren vorzulegen. Dabei standen vor allem Fragestellungen im Vordergrund, • welchen Einfluss unterschiedliche energetische Gebäudestandards auf die Höhe der Baukosten ausüben, • welcher Einfluss von der energetischen Qualität der Gebäudehülle und der technischen Anlagen auf die Baukosten ausgeht und • wie sich gebäudebezogene Parameter, wie z.B. die Objektgröße oder die Kompaktheit des Baukörpers, d.h. das Verhältnis von Umfassungsfläche zu umbauten Raum, auf die Höhe der Baukosten auswirken. Die Studie wertet einerseits verschiedene veröffentlichte Gutachten aus, die sich mit Fragen von Energieeffizienz und Baukosten auseinander gesetzt haben, und gründet eigenständige Analysen auf Projekte im öffentlichen geförderten Mietwohnungsbau in Hamburg, für die Datenangaben aus den Förderakten entnommen werden konnten. InWIS-Gutachten 59 Baukosten und Energieeffizienz In der Zusammenfassung der eigenen Analysen kommt die Studie zu folgenden Ergebnissen:47 • „Die Kompaktheit des Baukörpers hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Höhe der Baukosten.“ • „Gesamtenergieeffizienz der Gebäude beeinflusst nicht die Baukosten.“ • „Auch die Energieeffizienz der Gebäudehülle beeinflusst nicht die Baukosten.“ • „Auch der energetische Gebäudestandard hat keinen wesentlichen Einfluss [auf] die Baukosten.“ „Insgesamt kann damit die vorliegende Untersuchung keinen signifikanten Einfluss der zentralen energetischen Gebäudekennwerte (JahresPrimärenergiebedarf Qp, Transmissionswärmeverlust H’T und Effizienzhausklasse) auf die Baukosten im Wohnungsbau nachweisen.“ Damit stehen die in der Studie formulierten Schlussfolgerungen, die aus den Analyseergebnissen abgeleitet wurden, im Gegensatz zu allen anderen in den vergangenen Jahren veröffentlichten und sowohl in der F+B-Studie als auch in diesem Gutachten in Kapitel 2.2 ausgewerteten Studien, den Erkenntnissen der Baukostensenkungskommission und dem grundlegenden und nachvollziehbaren Zusammenhang, wie sich die Wahl des Energieeffizienzstandards auf die Baukosten, insbesondere der Kostengruppen 300, 400 und 700 auswirken (vgl. Kapitel 2.1.3). Daher stellt sich die Frage, mit welchen zentralen Annahmen und welchem methodischen Vorgehen die Analyseergebnisse erarbeitet worden sind. Unabhängig davon ist zumindest fragend hervorzuheben, warum die F+B-Studie die Diskrepanz zwischen den eigenen Analyseergebnissen und den Ergebnissen anderer Gutachten, die in Kapitel 3. der Studie im Querschnitt ausgewertet worden sind, nicht selbst thematisiert. Die F+B-Studie betont, dass die eigenen Auswertungen auf „echten“ realisierten Objekten beruhen, statt nur auf theoretische Kostenrechenmodelle zurückzugreifen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die regressionsanalytische Auswertung von realisierten Objekten die Komplexität der Kostenmodelle handhaben muss, um zu verlässlichen Aussagen zu kommen (vgl. hierzu Kapitel 2.1.2 und 3.1). Die Vorgehensweise bei der Hamburger-Studie wirft verschiedene Fragestellungen auf, insbesondere weil bestimmte Sachverhalte nicht oder nicht vollständig erläutert werden, die für ein Verständnis der erarbeiteten Ergebnisse notwendig sind bzw. von denen zum Teil erhebliche Einflüsse auf die Analyseergebnisse und deren Interpretation zu erwarten sind: 47 60 F+B 2016, S. 33f. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz • Für die Zwecke der Hamburger-Studie werden als Bau- oder Erstellungskosten die Kostengruppen 300 bis 700, d.h. einschl. der Kosten für Ausstattung und Außenanlagen definiert. Damit fließen auch die Kosten der Gruppe 500 (Außenanlagen) und 600 (Ausstattung) mit ein, bei denen kein bzw. wenn dann nur ein minimaler Einfluss zwischen Energieeffizienzstandard und Baukosten zu erwarten ist. • Der Energieeffizienzstandard wirkt sich zentral auf die Bauwerkskosten der Kostengruppe 300 und 400 sowie aufgrund unterschiedlicher Planungsanforderungen auch auf die Baunebenkosten der Gruppe 700 aus. Dieses Vorgehen haben alle anderen Studien einheitlich gewählt. Zwar erläutert auch die Hamburger Studie, dass ergänzend die Bauwerkskosten (KG 300 und 400) ausgewertet wurden, es ist aber nicht ersichtlich, ob sich dieser Hinweis nur auf Abbildung 4.9 (S. 28) bezieht oder auch auf die Regressionsanalysen. Während Kosten für Ausstattung (KG 600) oft zu vernachlässigen sind, können insbesondere die Kosten für Außenanlagen abhängig von der Größe und der Gestaltung erheblich voneinander abweichen. Daher gibt es weder einen Zusammenhang zwischen der Kostengruppe 500 und den Bauwerkskosten noch dem Energieeffizienzstandard. Je nach betrachtetem Wohnungsmarktsegment können aber auch bspw. Einbaumöbel eine Rolle spielen, wie bei Seniorenwohnungen und Studierendenappartements. Daher ist es von vornherein sinnvoll, diese Kostengruppen nicht in die Analysegrundlage mit einzubeziehen, um deren verzerrenden Einfluss nicht gesondert handhaben zu müssen. • Die Kostenangaben beziehen sich auf einen einheitlichen Maßstab (je Quadratmeter Wohnfläche) und verstehen sich inklusive Umsatzsteuer (Bruttobaukosten). Allerdings lagen nicht für alle Bauvorhaben Kostenfeststellungen nach Endabrechnung der Leistungen vor. Für diese Bauvorhaben wurden hilfsweise bereits vorliegende Rechnungen, ansonsten Angaben aus Vertragsgrundlagen oder Kostenschätzungen verwendet. Zwar ist das Baukostencontrolling bestrebt, den durch die anfänglichen Schätzungen oder durch Angebote spezifizierten Kostenanschlag möglichst einzuhalten. Jedoch sind Überschreitungen des anfänglichen Kostenrahmens, die erst nach Endabrechnung deutlich werden, keine Seltenheit und können ein unterschiedlich hohes Ausmaß besitzen. Bei wie vielen Projekten keine Kostenfeststellungen vorlagen und wie sich diese über Gebäude mit unterschiedlichem energetischem Standard verteilen, ist nicht angegeben. Zudem wurden Kosten für Tiefgaragenstellplätze pauschal mit einem Kostenansatz von 20.000 Euro kalkuliert, obwohl je nach den Rahmenbedingungen des Einzelfalles eine erhebliche Streuung der Kosten vorliegen kann. Zwar ist es häufig bei empirischen Studien erforderlich, zusätzliche Annahmen zu treffen und Korrekturen vorzunehmen, weil Daten nicht vorhanden sind oder die Beschaffung nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu bewerkstelligen ist. Gleichwohl wird verliert der Hinweis, dass es sich um „echte“ realisierte Projekte handelt, damit an Gewicht. Zumal nicht thematisiert wird, ob sich die Analyseergebnisse dadurch verändern werden. InWIS-Gutachten 61 Baukosten und Energieeffizienz • Ausgewertet wurden insgesamt 117 Neubauvorhaben, wobei die Datenbasis insgesamt 208 Vorhaben umfasst hat. Aus welchem Grund nicht alle Neubauvorhaben ausgewertet worden sind und mit welchem Verfahren gerade 117 konkrete Vorhaben ausgewählt worden sind (bspw. im Rahmen einer einfachen Zufallsauswahl), wird nicht erläutert. Damit ist auch keine Einschätzung darüber möglich, ob von der Art der Auswahl ein systematischer Einfluss auf die Höhe der Baukosten bei unterschiedlichen Energieeffizienzstandards ausgeht. Solche systematischen Effekte sollten bei der Auswahl vermieden werden. Ein Hinweis dazu wäre hilfreich gewesen. Insofern ist in diesem Punkt der Nachweis nicht erbracht, ob das Gesamtvolumen des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus in Hamburg damit repräsentativ abgebildet wird. • Nachvollziehbar wäre es bspw. gewesen, wenn bei der Auswahl der Neubauvorhaben vor allem solche in den Fokus gerückt werden, die eine gewisse Homogenität aufweisen und damit besser als andere verglichen werden können. Jedoch befindet sich unter den ausgewerteten Neubauvorhaben eine bemerkenswerte Mischung von 10 verschiedenen Wohnformen und Förderbausteinen. Gerade die Art der Nutzung und damit auch die Wohnform hat nach Expertenauffassung einen besonders hohen Einfluss auf die Höhe der Baukosten (vgl. Kapitel 3.1). Zudem ist auch zu erwarten, dass nach speziellen Standards errichtete Seniorenwohnungen andere Kostenstrukturen und –höhen aufweisen als „einfache“ Mietwohnungen. Auch die eingeflossenen Baugemeinschaften im genossenschaftlichen Eigentum werden womöglich nach anderen Qualitätsmaßstäben errichtet worden sein als andere Objekte. Welche Wohnformen sich unter der Rubrik „Sonstige“ (18,8 Prozent) verbergen, ist nicht weiter aufgeschlüsselt. • Auch die Bauherrengruppe, die für die 117 Neubauvorhaben separat ausgewiesen wurden, kann einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Neubaukosten haben, weil private Bauherren, kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften, andere Kapitalgesellschaften und bspw. Kirchen und Stiftungen andere Rahmenbedingungen definieren und nach unterschiedlichen Qualitätsstandards bauen, sodass Einflussbeiträge zu erwarten sind. Da diese Angaben vorhanden sind, hätten sie ergänzend regressionsanalytisch behandelt werden können. Überdies wird das Zusammenspiel von Maßnahmen an der Gebäudehülle und der verwendeten Anlagentechnik nicht thematisiert. Wie in Kapitel 2.1.3 dargestellt, unterscheiden sich Kosten unterschiedlicher Heizungssysteme erheblich voneinander. Angesicht der unterschiedlichen Aspekte, die möglicherweise zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen können und zu denen Angaben in der Hamburger Studie nicht enthalten sind, sind die Ergebnisse und Schlussfolgerungen sehr kritisch zu hinterfragen. Einzelne Faktoren können die Fragestellungen der Studie so stark überlagern, dass die Analyseergebnisse unbrauchbar sein können. Neben diesen grundlegenden Annahmen und Voraussetzungen werden die Schlussfolgerungen auf einfache lineare Regressionsmodelle verschiedener Gebäudeparameter gestützt. Die verwendeten unabhängigen Variab- 62 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz len/Gebäude- bzw. energetischen Parameter und die dazu berichteten statistischen Gütekriterien sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Tabelle 28: Wesentliche Ergebnisse der linearen Regressionsmodelle mit jeweils einer unabhängigen Variable Gebäudeparameter/Energetische Parameter Bestimmtheitsmaß R² Signifikanzniveau (des Koeffizienten) Projektgröße 0,05 0,03 Kompaktheit des Baukörpers (A/V-Verhältnis) 0,01 0,50 Primärenergiebedarf QP 0,01 0,74 Transmissionswärmeverlust H’T 0,02 0,37 Quelle: F+B 2016, S. 22 ff. Der gebäudeenergetische Standard (EnEV 2009, EH 70, EH 40, Passivhaus) wird sowohl regressionsanalytisch als auch anhand von Medianvergleichen der Baukosten analysiert. Werden die Effizienzhausklassen als Variablen in Regressionsmodellen verwendet, so sind die Koeffizienten nicht signifikant. Tabelle 29: Wesentliche Ergebnisse der linearen Regressionsmodelle zu Effizienzhausklassen Effizienzhausklasse Bestimmtheitsmaß R² Signifikanzniveau (des Koeffizienten) EnEV 20009 k.A. 0,91 Effizienzaus 70 k.A. 0,42 Effizienzhaus 40 k.A. 0,19 Passivhaus k.A. 0,68 Quelle: F+B 2016, S. 28 ff. Auf der Grundlage dieser Auswertungen kommt die Hamburger Studie dann zu folgendem Ergebnis: „Insgesamt kann damit die vorliegende Untersuchung keinen signifikanten Einfluss der zentralen energetischen Gebäudekennwerten (Primärenergiebedarf Qp, Transmissionswärmeverlust H‘T und Effizienzhausklasse) auf die Baukosten im Wohnungsneubau nachweisen.“ 48 Die Problematik besteht darin, dass in der Studie der Eindruck vermittelt wird, als könnte anhand scheinbar harter statistischer Kenngrößen zum Bestimmtheitsmaß und dem Signifikanzniveau kein anderer Schluss gezogen werden, als das kein Einfluss des Energiestandards auf die Höhe der Baukosten vorliegen würde. Das ist aber nicht der Fall. Die verschiedenen statistischen Kennwerte sind in ihrer Gesamtheit und vor dem Hintergrund der jeweiligen Fragestellung zu interpretieren. Dies schließt bspw. die Beurteilung der empirischen t-Werte und der Standardfehler mit ein. Die Beobachtung, dass insbesondere der Signifikanztest keinen Hinweis auf einen Zusammenhang liefert, bedeutet noch nicht, dass kein Zusammenhang besteht. Bei der gewählten Vorgehensweise und unter Berücksichtigung sonst üblicher Kostenmodelle (vgl. hierzu Kapitel 3.1) ist es als sicher anzunehmen, dass ein Einfluss nicht deutlich wird, „… 48 Vgl. F+B 2016, S. 28. InWIS-Gutachten 63 Baukosten und Energieeffizienz weil relevante Einflussgrößen […] nicht berücksichtigt wurden und deshalb die nicht erklärte Streuung groß ist.“49 Die im Bericht zu einzelnen Gebäude- und energetischen Parametern berichteten Bestimmtheitsmaße sind extrem niedrig und zeigen, dass die aufgestellten Regressionsmodelle praktisch keinen Erklärungsgehalt haben. Die Modelle sind „underfitted“, d.h. dass Variablen, von denen ein hoher Erklärungsgehalt zu erwarten ist, nicht in die Modelle eingeflossen sind (vgl. hierzu auch Kapitel 5 zur Modellbildung im Anhang). Die dokumentierte Vorgehensweise entspricht nicht dem sonst üblichen Vorgehen unter wissenschaftlichen Maßstäben. Diese Erkenntnis liefert die Hamburger-Studie jedoch in Kapitel 5 mit multivariaten Auswertungen verschiedener Variablen selbst: „Ein signifikanter Zusammenhang (R2=0,75 Signifikanzniveau=0,03) zeigt sich allerdings dann, - und dies ist das wesentliche Ergebnis dieser multivariaten Regressionsanalyse - wenn die genannten Faktoren zusammen wirken. Dies heißt, dass sich eine Reduktion der Baukosten statistisch nachweisen lässt bei gleichzeitig zunehmender Größe, abnehmender Dämmung sowie steigender Kompaktheit des Gebäudes (d. h. bei einem abnehmenden A/V-Verhältnis).“ In einem multivariaten Regressionsmodell wurden die Variablen • „Größe“ (Gebäudenutzfläche, beheiztes Gebäudevolumen und wärmeübertragende Umfassungsfläche) • „Kompaktheit“ (mit der Variablen Oberflächen-Volumen-Verhältnis A/V) • „Dämmung“ (mit den Variablen Transmissionswärmeverlust, Jahresprimärenergiebedarf und Jahresheizwärmebedarf) zusammengeführt. Dabei zeigt sich, dass die Baukosten bei einem hohen Erklärungsgehalt von 75 Prozent der Streuung der Residuen (R² = 0,75) von der „Größe“ des Bauvorhabens abhängen (negativer Einfluss, d.h. je größer desto günstiger) und die Variable „Dämmung“ einen kostensteigernden Einfluss besitzt (je höher der Dämmstandard, desto höher die Baukosten). Tabelle 30: Ergebnisse multivariater Analysemethoden Diese (Teil-)Ergebnisse führten jedoch leider nicht dazu, die im Abschlusskapitel getroffenen Schlussfolgerungen der eigenen Studie zu hinterfragen. Bemerkenswert ist die Darstellung der Median-Baukosten für unterschiedliche energetische Standards, die in der folgenden Abbildung wiedergegeben ist. 49 64 Vgl. Backhaus, Klaus et. al. (2008): Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, Berlin, 2008, S. 75. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Abbildung 12: Median-Baukosten unterschiedlicher energetischer Standards Quelle: F+B 2016, S. 27. Da lediglich der Median dargestellt ist und über die Neubauvorhaben sonst keine Informationen über mögliche Kosteneinflussfaktoren dargestellt sind, entsteht der Eindruck, dass die Hälfte der im EnEV 2009-errichteten Gebäude höhere Baukosten aufweist als höherwertige energetische Standards. Die Grafik zeigt, dass es bei den Baukosten eine erhebliche Streubreite gibt, für die im Einzelfall und detailliert Einflussfaktoren herausgearbeitet werden müssen. Diese Kostenunterschiede lediglich auf den Energieeffizienzstandard zurückführen zu wollen greift zu kurz und lässt die theoretische Basis (vgl. Kapitel 2.1.3) außer Acht. Die Abbildung zeigt daher auf, dass es im Einzelfall möglich ist, ein Gebäude im Passivhaus-Standard zu niedrigeren Baukosten zu errichten als die Hälfte der Gebäude nach dem EnEV 2009-Standard. Würde man aber für das Gebäude, das im Passivhaus-Standard niedrige Kosten aufweist, einen geringeren Energieeffizienzstandard wählen, würden die Kosten noch einmal sinken. Daher ist dies auch ein Pladoyer dafür, den Energieeffizienzstandard mit Bedacht zu wählen, von guten Projektbeispielen mit niedrigen Kosten zu lernen und mit beiden Faktoren einen Beitrag dafür zu leisten, in größerem Umfang bezahlbaren Wohnraum zu errichten. Es wäre wertvoll, aus den Neubauvorhaben einzelne Projekte als Fallbeispiele zu untersuchen und über den gesamten Prozess von der Planung, der Errichtung bis hin zur Kostenfeststellung detailliert zu analysieren. Die Hamburger Studie unternimmt den Versuch, auf einer empirischen Basis von 117 Neubauvorhaben, die in Hamburg zwischen 2011 und 2014 neu errichtet worden sind, die Einflussbeiträge von Gebäudeparametern und energetischen Parametern auf die Höhe der Baukosten abzuschätzen. Die Studie lässt verschiedene Fragestellungen unbeantwortet, sodass nicht beurteilt werden kann, ob durch die Wahl des Baukostenansatzes (Kostengruppe 300 bis 700), unzureichender Datengrundlage (teilweise mussten Kostenschätzungen verwendet werden, Korrekturen wurden für Tiefgaragen pauschal angenommen), der Heterogenität der betrachteten Neubauvorhaben (auch Seniorenwohnungen, Studierendenwohnungen und Projekte von genos- InWIS-Gutachten 65 Baukosten und Energieeffizienz senschaftlichen Baugemeinschaften befanden sich darunter) und der geringen Zahl von betrachteten Variablen (Projektgröße, Gebäudeparameter, energetische Parameter, Effizienzhausstandards) nicht Verzerrungen auftreten, die den Einfluss von Effizienzstandards überlagen. Das methodische Vorgehen lässt außer Acht, dass Baukosten in komplexen Ursache-Wirkungszusammenhängen bestimmt werden und einen ausführlicheren Merkmalskatalog erfordern als er hier verwendet worden ist. Dementsprechend sind auch die Modelle aufzubauen. Die Anwendung der Methodik erfolgte in einer Weise, dass die Schlussfolgerungen nicht zulässig sind. Der Stand der Diskussionen ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Auswertung einer größeren Anzahl von realisierten Bauvorhaben mithilfe regressionsanalytischer Ansätze zu einer verlässlichen Ermittlung der Einflussfaktoren von Baukosten führen kann. Überdies ist kritisch zu betrachten, ob Parameter wie bspw. der Jahresprimärenergiebedarf der Gebäudehülle als Einflussfaktor geeignet sind, weil Interaktionen mit anderen Einflussfaktoren zu erwarten sind. 66 InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz 4. Fazit Die in diesem Gutachten aufgearbeiteten Studien haben sehr deutlich belegt, dass der Energieeffizienzstandard eines Gebäudes einen (sehr) hohen Einfluss auf die Höhe der Baukosten besitzt. Es ist einer der wesentlichen Einflussfaktoren, mit dem Baukosten bestimmt werden. Anhand von Typengebäuden und unter Berücksichtigung typischer Planungsprozesse entlang der Leistungsphasen nach HOAI lässt sich der kostensteigernde Einfluss des Energieeffizienzstandards – unabhängig von anderen Faktoren – isoliert gut nachweisen. Diese Methodik orientiert sich an der Vorgehensweise in der Praxis und wird von den zentralen Studien verwendet, die auch von der Baukostensenkungskommission herangezogen wurden. Durch eine Kombination von Energieeffizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle und der Anlagentechnik lassen sich die Baukosten je nach Situation des Einzelfalles optimieren. Die ausgewerteten Studien zeigen auf, dass bei jedem einzelnen Gebäude der höhere energetische Standard zu teilweise deutlich höheren Bauwerkskosten führt. Bei der vergleichenden Analyse unterschiedlicher abgerechneter Bauvorhaben ist - je nach methodischem Ansatz und projektindividuellen Faktoren (Gebäudefaktoren, Vergabe- und Bauprozess) - der kostensteigernde Einfluss des Energieeffizienzstandards zum Teil nachweisbar. Das hängt von dem jeweiligen Modellaufbau und jeweiligen Modellgüte ab. Solche Methoden sind derzeit noch nicht ausgereift genug, um verlässliche Aussagen über komplexe Fragestellungen wie die UrsacheWirkungszusammenhänge der Höhe von Baukosten ableiten zu können. Bezahlbares Wohnen erfordert kostengünstigen Wohnungsbau und eine Kostensenkung und Optimierung bei allen Einflussfaktoren. Dies schließt die Wahl eines wirtschaftlich vertretbaren Energieeffizienzstandards mit ein, die mit Augenmaß erfolgen sollte. InWIS-Gutachten 67 Baukosten und Energieeffizienz 5. Anhang Methodik von Regressionsanalysen und Vorgehensweise Das Modell des InWIS basiert auf einer typischen Regressionsfunktion (hier noch auf Logrithmus eingehen): 𝑦𝑖 = ß0 + ß1 𝑥𝑖1 + ß2 𝑥𝑖2 + ⋯ + ß𝑛 𝑥𝑖𝑛 + 𝜀𝑖 mit 𝑦𝑖 abhängige Variable (i-te Beobachtung) 𝑥𝑖𝑛 unabhängige Variablen oder Prädiktoren, ggf. mehrkategorial gefasst 𝑥𝑖𝑛 1 ∙ 𝑊𝑜ℎ𝑛𝑓𝑙ä𝑐ℎ𝑒 𝑖𝑛 𝑚², 𝑤𝑒𝑛𝑛 𝑏𝑒𝑙𝑖𝑒𝑏𝑖𝑔𝑒𝑠 𝑀𝑒𝑟𝑘𝑚𝑎𝑙 𝑣𝑜𝑟ℎ𝑎𝑛𝑑𝑒𝑛 𝑖𝑠𝑡 = { 0, 𝑠𝑜𝑛𝑠𝑡 𝛽𝑖 Koeffizient des i-ten Prädiktors 𝜀𝑖 zufällige Abweichung der i-ten Beobachtung Bei jeder Erweiterung des Modells mit zusätzlichen Merkmalen wird die Robustheit und Stabilität der Ergebnisse sowie der Einflussbeiträge untersucht, und es werden Interaktionen zwischen den einzelnen Merkmalen betrachtet. Grundsätzlich sollten nur solche Merkmale bzw. unabhängige Variablen berücksichtigt werden, bei denen die so genannte Null-Hypothese (das Merkmal hat keinen Einfluss) mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit verworfen werden kann. Sofern die ausgewiesenen Schätzwerte (B-Werte oder Schätzer für den Einfluss der Regressoren) plausibel sind, können auch Werte übernommen werden, bei denen die Null-Hypothese lediglich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit verworfen wird (Signifikanzniveau <=0,100). Das Signifikanzniveau wird für die Beurteilung aller Einflussfaktoren verwendet, die im Rahmen der Auswertung der Ergebnisstichprobe auf ihre Einflussbeiträge getestet wurden. Regressionsmodelle liefern verlässliche Schätzwerte, wenn bestimmte Voraussetzungen für deren Anwendung erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so können dadurch Verzerrungen in den Schätzwerten entstehen (z.B. bei Vorliegen von Nichtlinearität oder unvollständigen Modellen) oder Ineffizienzen auftreten (z.B. bei Heteroskedastizität). 50 Bei Vorliegen von ausgeprägter Nichtlinearität in diesen funktionalen Beziehungen sind Modellveränderungen, insbesondere Transformationen erforderlich, wenn die Variablen metrisch skaliert in das Modell übernommen werden sollen. Im Analysestadium der Auswertungen wurden diese Variablen daher ausschließlich als mehrkategoriale Variablen erfasst. 50 68 Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber (2008): Multivariate Analysemethoden – Eine anwendungsorientierte Einführung, 12. Auflage, Berlin, S. 91. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Die Auswahl der Modellvariablen und die Modellierung einzelner Variablen ist nicht nur auf der Grundlage der statistischen Methoden zu leisten, sondern erfordert zusätzliche Kenntnisse über die Grundsachverhalte und die Zusammenhänge. Dies gilt auch für die Interpretation der Plausibilität der Stärke des Einflusses einzelner Prädiktoren. Bei der Auswahl der Modellvariablen ist darauf zu achten, dass weder Variablen mit hohem Erklärungsgehalt (hohem Varianzanteil) vernachlässigt werden („underfitting“), noch dass eine zu große Anzahl von Variablen in das Modell eingefügt wird und womöglich die Signifikanz von Variablen, von denen man einen Einfluss erwartet, nicht mehr klar ermittelt werden kann („overfitting“). Die Frage der Vollständigkeit und des Umfangs des Modells muss jeweils im konkreten Anwendungsfall geprüft und unter Beurteilung sowohl der Güte des Gesamtmodells als auch der Validität einzelner Koeffizienten der Regressoren beantwortet werden. Von Heteroskedastizität spricht man, wenn die Streuung der Residuen in einer Reihe von Werten der prognostizierten abhängigen Variablen nicht konstant ist. Heteroskedastizität liegt vor, wenn die Störgröße (beobachtet durch die Residuen) im Regressionsmodell von der abhängigen Variable abhängig ist, d.h. sich mit zunehmenden Werten der abhängigen Variable verringert oder erhöht. Dadurch wird der Standardfehler des Regressionskoeffizienten verfälscht und die Schätzung des Konfidenzintervalls ungenau. Die Prüfung auf Heteroskedastizität wird visuell durch die Betrachtung eines Streudiagramms vorgenommen, in dem die geschätzten standardisierten Werte der abhängigen gegen die standardisierten Residuen abgebildet wird. Es haben sich daraus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Heteroskedastizität ergeben. Neben den genannten Voraussetzungen ist es wichtig, die Regressionsmodelle in den unterschiedlichen Entwicklungsstadien auf das Vorliegen von Multikollinearität zu prüfen. Das Modell der linearen Regression basiert auf der Annahme, dass die Regressoren nicht exakt linear abhängig sind. D.h. ein Regressor darf sich nicht als lineare Funktion der übrigen Regressoren darstellen lassen. Bei empirischen Daten liegt in der Regel ein gewisses Maß an Multikollinearität vor, die sich nicht störend auf die Güte des Modells auswirken muss. Eine hohe Mulitkollinearität führt aber dazu, dass die Standardfehler der Regressionskoeffizienten zunehmen und die Schätzung ungenauer wird. Im Allgemeinen wird Multikollinearität durch die Toleranz und deren Kehrwert, den sogenannten Variance Inflation Factor (VIF) bestimmt. Die Toleranz wird ermittelt, in dem eine Regression jeder unabhängigen Variable auf die übrigen unabhängigen Variablen durchgeführt und das Bestimmtheitsmaß beobachtet wird. Die Toleranz ergibt sich, wenn man von 1 den Wert des Bestimmtheitsmaßes abzieht. Eine Toleranz von Null bedeutet, dass sich die beobachtete unabhängige Variable vollständig durch die anderen unabhängigen Variablen erklären bzw. abbilden lässt. Sie wäre damit überflüssig und müsste aus dem Modell entfernt werden. Als Faustregel gilt, dass eine ernsthafte Multikollinearität ab einem Wert von VIF > 10 bzw. der Toleranz von < 0,1 für einen oder mehrere der beobachteten InWIS-Gutachten 69 Baukosten und Energieeffizienz Regressoren vorliegt.51 Die in das Modell übernommenen Variablen lagen deutlich unterhalb dieser Grenzwerte. Zusätzlich zur Kontrolle von Toleranz und VIF wurden die paarweisen Korrelationen der unabhängigen Variablen beobachtet. Dabei konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Die Prüfschritte haben ergeben, dass die Voraussetzungen für die Anwendung regressionsanalytischer Verfahren vorliegen. 51 70 Vgl. Fahrmeir/Kneib/Lang (2009): Regression – Modelle, Methoden und Anwendungen, 2. Auflage, Berlin, S. 168. Andere Autoren gehen erst ab einem VIF von 20 und mehr davon aus, dass ein Kollinearitätsproblem vorliegt. InWIS-Gutachten Baukosten und Energieeffizienz Literaturverzeichnis Backhaus, Klaus et. al. (2008): Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, Berlin, 2008. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)(Hrsg.)(2015): Analyse der Verursacher von Investitions- und Baukosten im Wohnungsbau, Berlin, 2015 (Kurzgutachten im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“). Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)(Hrsg.)(2015a): Einfluss von Qualitätsstufen beim Bauen, Berlin, 30. 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