Berechnung fraktaler Strukturen in den Etüden für Klavier von György Ligeti Rolf Bader Musikwissenschaftliches Institut Hamburg, Neue Rabenstr. 13, 20354 Hamburg [email protected] 20. Dezember 2003. Einleitung György Ligetis Klavieretüden entstanden in den Jahren 1984-1995 in zwei Bänden. Seitdem sind noch vier weitere Etüden entstanden. Die Etüden spiegeln die Auseinandersetzung mit den mathematischen Theorien der fraktalen Geometrie einerseits und der Beschäftigung mit ostafrikanischer Amadinda Xylophonmusik andererseits. Beide Bereiche beschäftigten und inspirierten zur damaligen Zeit verschiedenste Musiker. Hier ist vor allem auch an den amerikanischen Minimalismus zu denken, mit Namen wie Terry Riley, Steve Reich, LaMonte Young oder Philip Glass. [Reich 2000] Hier hinein fiel auch die Beschäftigung mit Patterns indonesischer Gamelanmusik. Ostafrikanische Xylophonmusik besteht aus sogenannten Time-line Patterns [Arom 1991] [Kubik 1983]. Dies sind sich wiederholende rhythmische Muster. Mehrere Musiker (meist zwischen zwei und sechs) spielen auf einem Xylophon jeweils unterschiedliche Rhythmen. So entstehen interlocking patterns. Die Elementarpulsation dieser Musik, also die Geschwindigkeit der kürzesten rhythmischen Einheit, erreicht oft Werte bis zu 600 BPM (beats per minute). Die geläufigsten Time-lines bestehen aus zwölf solcher beats. Diese Einheit kann in Groß-Pulse unterteilt werden. Hier ergeben sich verschiedenste Teilungsmöglichkeiten, die die rhythmische Struktur dieser Musik sehr kompliziert machen. Zusätzlich können sich die von G. Kubik so benannten inhärenten Patterns ausbilden. Dies sind Melodien, die aus der Gesamtstruktur herausgehört werden, weil sie in der selben Tonhöhenlage sind. So fasst das Gehirn Töne, die sich in enger Lage zueinander befinden, als Melodie zusammen, auch wenn sie nicht von nur einem Musiker, sondern von mehreren erzeugt werden. Die Frage, ob diese Muster durch die ausübenden Musiker beabsichtigt sind, ja ob sie diese überhaupt so wahrnehmen, muss offen bleiben. Ligeti hatte bereits mit seiner poème symphonique (1962), einem Werk für 100 Metronome, oder in Continuum für Cembalo, aber auch bei seiner Beschäftigung mit Béla Bartók oder der bulgarischen Aksak-Rhythmik mit komplexer Rhythmik experimentiert [Burde 1993] [Floros 1996]. Dort fallen Begriffe wie Bewegungsfarbe oder Illusionsrhythmik. Sie beschreiben die Wahrnehmungsebene von extrem komplexer Rhythmik. 'Als Grundschicht eine schnelle, gleichmässige Impulsfolge, die nicht gezählt, nur gefühlt wird, und als übergeordnete Schicht ein selten symmetrisches, öfter asymmetrisches rhythmisches Muster aus verschieden langen Dauernwerten, die aber immer ganzzahlige Mehrfache des Grundpulses sind.' (Ligeti, Hamburger Vorlesung, zitiert nach [Burde 1993] S. 186). Es werden ebenfalls Vorbilder in der rhythmischen Gestaltung genannt, wie etwa die Klavierstücke von Skriabin oder das zweite Stück aus Ives' Three places in New England oder auch der zweite und vierte Satz von Ives’ Vierter Symphonie. Darüberhinaus sind die fast durchweg französischen Titel der Etüden als Hommage an die klangliche Gestaltung etwa bei Debussy zu verstehen (siehe [Floros 1996]), welche ebenfalls die Etüden mitprägt. Die Analysen der hier behandelten siebenten Klavieretüde Galamb borong sprechen von der Nähe zu indonesischer Gamelanmusik (siehe auch [Wilson 1992], zu den Klavieretüden 7 und 8 und [Bouliane 1989] zu Klavieretüden 1 bis 6 und [Utz 2003] zu Ligetis Klavierkonzert). Der Titel ist ein Phantasiename, der nach Bahasa Indonesia, der offiziellen indonesischen Landessprache, klingen soll, hier aber in die Phantasie entrückt. So war der Untertitel Les gongs de l'île Kondortombol angedacht, wobei Kondortombol der Phantasiename einer Insel ist [Floros 1996] S. 183f. Die Zuordnung der beiden Hände zu den Leitern h, a, g, f, es, des (rechte Hand) und e, d, c, b, as, ges (linke Hand) stellen zwei äquidistante Ganztonleitern dar. Dies ist der Versuch, die Klavierstimmung an die in Java vorkommende ganztönige Slendro Skala anzugleichen, welche fünf annähernd äquidistante Töne hat. Da dies auf dem Klavier nicht realisierbar ist, wird die sechstönige äquidistante Ganztonskala verwendet. Indonesische Gamelan Musik kennt verschiedene metrische Ebenen oder strata. Die Kernmelodie, welche z.B. in Bali Pokpok genannt wird, wird von Calung Metallophonen gespielt. Dieser Pokpok wird nun metrisch über- und unterboten. Andere Metallophone wie z.B. ugal oder kantilan, aber auch Streich- und Blasinstrumente, wie rebab oder suling, vervielfachen die metrische Grundeinheit. Tiefer gestimmte Gongs (gong oder auch kempur) oder andere Metallophone spielen im vergrößerten Metrum und betonen so Akzente oder tragen zur klangfarblichen Fläche bei [Tenzer 2000] S. 53ff. Dieses Prinzip wurde in der siebenten Klavieretüde angewandt. Schnelle Sechzehntel-Figuren stellen die beschleunigte Kernmelodie dar. Diese Kernmelodie selbst wird als Akzente in diese Sechzehntelpatterns eingearbeitet. Durch Pedalarbeit gelingt dann im Mittelteil die Darstellung der die Kernmelodie verlangsamenden Instrumente. Auch hier geht Ligeti auf die Wahrnehmung dieser komplexen Metrik ein. 'Es gibt eine Art von Spannung zwischen den metrischen Gefühlsmustern in den Figuren und dem, was als illusorische Patterns in unserer auditiver Wahrnehmung entsteht... Das geschieht auf zwei Bewusstseinsebenen. Einmal ist es die taktil-motorische... Darauf legt sich dann das Auditive. Der Pianist ist konzentriert auf die Motorik und auf das Taktile, und passiv hört er.'[Ligeti 1989] Gemeint ist hier auch das Prinzip der inhärenten Patterns, welche den Hörer Melodien konstruieren lässt, die von mehreren Musikern, hier von zwei Händen verzahnt gespielt werden. [Metzger und Riehn 1986] diskutieren dieses Phänomen im Rahmen ihrer systematischen Beschreibung Ligeti'scher Kompositionstechniken im Kapitel Psychoakustische Illusion und Paradoxa S. 7ff. Diese komplizierte Rhythmik aber wird oft auch mit den mathematischen Theorien der Fraktale assoziiert. Deren Entwicklung ist untrennbar mit dem Verfügbarwerden von Computern verknüpft. Diese erlaubten Anfang der 80er Jahre, sogenannte iterative Berechnungen durchzuführen. Im Gegensatz zur analytischen Mathematik, bei der durch das Einsetzen von Variablen in Gleichungen die gesuchten Lösungen erzielt werden, wird bei iterativen Prozessen das Ergebnis einer Berechnung zur Grundlage einer neuen Berechnung, und das alte Ergebnis wird erneut in dieselbe Gleichung eingesetzt. Dass dies zu Ergebnissen führen würde, die sich von der analytischen Methode unterscheiden, war bis zu diesem Zeitpunkt nicht explizit erwartet worden. Es zeigte sich aber, dass bereits sehr einfache mathematische Algorithmen zu sehr komplizierten Entwicklungen führen können. So entstand das Paradigma der fraktalen Geometrie, welches komplizierte Gebilde aus wenigen einfachen Grundregeln ableiten kann. Es ist aber auch der umgekehrte Weg möglich. Aus gegebenen Daten können die zugrunde liegenden Gesetze extrahiert werden, mit denen die Daten erzeugt wurden. Dieser Weg konnte in der Instrumentenakustik bereits gegangen werden [Bader 2002b] und soll hier nun auf ganze Musikstücke übertragen werden (siehe auch [Beuermann und Schneider 1991] für eine computergestützte Analyse von Ligetis Atmosphères). Ligetis Beschäftigung mit diesen neuen Theorien und Ideen floss auch in seine Klavieretüden ein. Die kompositorische Haltung hier war nach seinen eigenen Angaben eine implizite. [Ligeti 1997] Das Werk entstand unter dem Eindruck der Beschäftigung mit fraktalen Gebilden neben afrikanischer Xylophon- und indonesischer Gamelanmusik. Es handelt sich bei dem Kompositionsprozess also nicht etwa um eine eins-zu-eins Umsetzung mathematischer Methoden in Musik, sondern um eine Verarbeitung der Eindrücke dieser Theorien in die Etüden. Dies ist bei der Analyse der Stücke zu berücksichtigen. Die hier vorgeschlagene Methode ist also weniger ein schablonaler mathematischer Suchalgorithmus, sondern vielmehr die Berechnung der zeitlichen Komplexität. Dies scheint der Intention des Komponisten eher nahe zu kommen als eine strikte Reduktion auf wenige Grundgesetze. Da eine Untersuchung der Etüden in dieser Richtung noch aussteht, ist diese Untersuchung als eine erste Annäherung an das Problem zu verstehen. Beginnen möchte dieser Aufsatz mit einer kurzen Einführung in die wichtigsten Prinzipien des Fraktalen und der nichtlinearen Dynamik in Physik und Mathematik. Dies soll auch der Begriffsklärung der fraktalen Dimension dienen. An einem einfachen Beispiel, einer Allintervallreihe, soll die Möglichkeit demonstriert werden, diese Reihe als Fraktal auffassen zu können und durch deren Quantifizierung einen Parameter zu schaffen, der einem musikalischen Parameter entspricht. Dann wird eine Variante der fraktalen Dimension, die der Korrelationsdimension, an einem Klavierstück Ligetis erprobt, dem eine klare Struktur zugrunde liegt, dem achten Stück aus der Musica ricercata. Nachdem dort ein Eindruck von der verwendeten Methode gewonnen wurde, wird diese auf die siebente Klavieretüde Ligetis angewandt. In einem Ausblick sollen schliesslich zukünftige Fragen- und Problemstellungen erörtern werden. Fraktale und nichtlineare Dynamik als grundlegende Neuerungen gegenüber linearen Systemen Die nichtlineare Dynamik und damit die Entstehung fraktaler Strukturen ist gegenüber einer linearen mathematischen Betrachtungsweise dadurch ausgezeichnet, dass das Systemverhalten analytisch meist nicht mehr vorausgesagt werden kann. Eine analytische Berechnung meint hier die Umformung von Gleichungen derart, dass der Systemzustand zu einem beliebigen Zeitpunkt aus einer Gleichung abgelesen werden kann. Als Beispiel sei hier die Reaction-Diffusion Gleichung genannt. Diese Gleichung ist aus der Chemie bekannt, wird aber auch zur Beschreibung physikalischer Systeme, wie etwa Halbleitern, angewandt [Schoell 2001]. Diese Bilanz-Gleichung beschreibt den Zustand des Systems dadurch, dass die zeitliche Veränderung ¶ a H x, y, tL ¶t durch einen äußeren anregenden Term und einen internen dämpfenden Term beschrieben wird. (2.0.1) a ¶ a H x, y, tL ¶t = f H a, uL + l2 2 i¶ a k ¶ x2 + ¶2a y ¶ x2 { Hier ist a der Systemzustand. Eine zeitliche Änderung der Funktion a(x,y,t) hier in der linken Gleichungshälfte dargestellt - steht sowohl eine räumliche Ableitung von a nach x und y, also einer Flächenstruktur, als auch einer beliebigen Funktion f(a,u) - hier in der rechten Gleichungshälfte - gegenüber. u steht hier für einen äußeren Einfluss. Die Variablen l und a sind Konstanten. Nehmen wir einen einfachen Ausdruck für f(a,u) an, z.B. (2.0.2) a f H a, uL = , mit u = konst u , und gehen wir der Einfachheit halber von nur einer Raumrichtung x aus, dann können wir als Lösung der Differentialgleichung (2.0.3) a H x, tL = ea t + x annehmen. Dann wird (1.0.1) zu (2.0.4) a ¶ ea t + x = ¶t ea t + und wir können die Parameter α und (2.0.5) (2.0.6) a = - = ± - l2 u 2 - 1 u ä " 1 u - a l x + l2 i ¶ 2 ea t + k ¶ x2 x y { in Bezug zueinander bestimmen. ABBILDUNG 1. Plot der Funktion a(x,t) = e (α t+ x) für α = 1 und = 1. Es sind die Zeitentwicklungen an drei Orten x1 = 0, x2 = .5 und x3 = 1 gegeben. Die Einfachheit der analytischen Lösung ergibt die Möglichkeit einer simplen Voraussage des Systemzustandes zu einem gegebenen Zeit- und Ortswert durch die Lösungsgleichung. ABBILDUNG 2. Subharmonisches Turing-Hopf Muster eines Halbleiters (oben). Der zeitliche Verlauf ist nach oben, die räumliche Achse ist waagrecht ausgerichtet. Darunter ist eine Karhunen-Loève Decomposition des Musters in Bezug auf seine Eigenwerte für die räumliche Verteilung gegeben. Aus [Schoell 2001] S. 359. Schon schwieriger wird es, wenn die Funktion f(a,u) nicht mehr simpel ist. Dann ist eine analytische Lösung meist nicht mehr möglich. Die Alternative hierzu ist eine iterative Lösung. Hierzu wird die Differentialgleichung diskretisiert. Aus dieser Diskretisierung kann dann der Zustand des Systems zu späteren Zeitpunkten aus dem vorherigen errechnet werden. In Abbildung 2 ist ein Beispiel aus der Halbleitertechnik dargestellt. Bei Halbleitern mit nichlinearer Kennlinie von elektrischem Feld zu Ladungsdichte, bei dotierten, verunreinigten Halbleitern, bei Tunnelresonanz- oder Gunn-Dioden treten komplizierte Muster im zeitlich-räumlichen Verlauf auf. Hier handelt es sich um Hopf- und Turing-Bifurkationen, also um periodische Grenzzyklen. Die spektrale Darstellung in Abbildung 2 unten verdeutlicht den Anteil der Eigenwerte des Musters entlang der räumlichen x-Achse des Halbleiters. Solche Muster treten im Falle von Nichtlinearitäten des Systems auf. Muster dieser Art wurden in vielen Bereichen der Natur gefunden, wie z.B. beim Laser, bei spontaner Zellbildung in erhitzten Flüssigkeiten (Bernard-Zellen), in Dünenbildung und deren Sandmustern [Haken 1983] [Haken 1990] [Bader 1993] [Mahnke et al. 1992], aber auch in biologischen, soziologischen, therapeutischen oder ökonomischen Systemen [Kratzky und Wallner 1990] [Camazine et al. 2001] und nicht zuletzt in der musikalischen Akustik [Bader 2002a] [Bader 2002b] [Gibiat 1988] [Gibiat und Castellengo 2000] unter anderem. Das Auffinden komplexer Muster aus einfachen Gleichungen findet sich auch bei sogenannten logistischen Abbildungen und komplexen Julia-Mengen. In der logistischen Iterationsgleichung (2.0.7) f l H xL = l x H 1 - xL ist λ eine Konstante. Nach vielen Iterationen bei fixem λ konvergiert die Gleichung zu einem oder mehreren Werten. Betrachtet man den Bereich λ0 < λ < λmax, dann findet man zu Beginn für f nur eine Lösung, zu der das System konvergiert. Dann aber springt f zwischen zwei, drei oder mehreren Werten hin und her, es entstehen Bifurkationen, bis schließlich und plötzlich in einem Intervall von λ sehr viele Werte für f möglich sind. Hier spricht man von einem chaotischen Fenster. Dann kann sich das System wieder auf wenige konvergierende Werte einstellen, um dann erneut ins Chaos zu fallen. Ein weiteres Beispiel, das der Julia-Menge, zeigt zweidimensionale Ergebnisbilder, da hier komplexe Zahlen iteriert werden. Die Iterationsgleichung (2.0.8) f H zL = a0 + a1 z + a2 z2 + ... + an zn mit komplexen Zahlen kommt dem musikalischen Fall schon recht nahe, da Sinusschwingungen ebenfalls als komplexe Zahlen dargestellt werden können. Je nach Wahl der Parameter an ist das resultierende Phasenportrait superattraktiv: musikalische Stille indifferent: musikalischer stationärer Klang attraktiv: musikalisches accelerando abstoßend: musikalisches crescendo In Abbildung 3 sind zwei Phasenplotts ein und desselben Klarinettentons der Tonhöhe a2 gezeigt, welcher laut, aber weich gespielt wurde. Zu Tonbeginn ist der Klang sehr leise. In der oberen Darstellung ist in der Mitte der Darstellung daher ein 'Knäuel' von Kreisen zu erkennen, die beginnende Trajektorie. Dies ist fast (ganz zu Beginn exakt) der mathematische Fall des superattraktiven Verhaltens. Nach kurzer Zeit wird der Ton lauter, der Plot weitet sich, wir haben ein abstroßendes Szenario. In der unteren Darstellung der Abbildung 3 ist dann der gesamte Einschwingvorgang des Klarinettentons als Phasenplott dargestellt. Man erkennt noch in der Mitte den Ursprung, aus dem der Ton geboren wurde. Der dickere Rand der Plotts ist aber nun der Bereich, in dem sich die Trajektorie weiterhin bewegen wird, somit ein indifferenter Zustand. Bei den Klavieretüden Ligetis liegen natürlich keine Gleichungen vor, nach denen man überprüfen könnte, ob eine Fraktalität vorhanden ist. Hier muss man den umgekehrten Weg gehen. Die Fraktalität kann nämlich auch aus vorhandenen Gebilden extrahiert werden, seien diese räumliche, zeitliche, seien sie im Frequenzbereich oder auf irgend eine andere Art gegeben. Um dies tun zu können, müssen wir den Begriff der fraktalen Dimension auf die gegebene Datenmenge, also auf die digital vorliegenden Musikstücke anwenden. a) b) ABBILDUNG 3.Phasenplotts eines Klarinettentons a2, der laut aber weich intoniert wurde. Zu sehen ist a) 18ms des Einschwingvorgangs. Da zu Beginn der Ton sehr leise war und erst nach dem Klangeinsatz lauter wird, liegt hier der mathematisch abstoßende Fall vor. b) 45ms des Einschwingvorgangs. Hier ist die Endlautstärke erreicht, mathematisch ist dies der indifferente Zustand. Begriff der fraktalen Dimension in der Mathematik Der mathematische Begriff des Fraktalen ist durch die Teilung des Raumes in gleiche Unterteilungen gegeben. Im Falle einer ganzen Dimension ist dies banal. Die Definition der Dimension (3.0.9) N = eD mit D der Dimensionszahl, ε einer Unterteilung und N der Anzahl der entstehenden Teile, spiegelt dies wieder. Haben wir eine Linie, ist D = 1, dann entstehen N Teile, wenn wir diese Linie in ε Teile teilen. Im Falle von D = 2 gilt, dass wir bei Einteilung einer ja jetzt existierenden Fläche in Boxen mit Kantenlänge ε (3.0.10) N = eD = e2 Boxen erhalten. Entsprechendes gilt für dreidimensionale Würfel. Nehmen wir aber an, wir haben die Anzahl der Teile N und kennen auch deren Unterteilung ε, dann können wir die Dimension daraus berechnen. Zersägen wir einen Kubus in Würfel der Kantenlänge ε= 5 und erhalten wir dann N = 125 Würfel, dann gilt (3.0.11) D = loge H NL = log5 H 125L = 3 Nun ist als eine fraktale Dimension zu verstehen, dass das Ergebnis der Dimensions-Berechnung keine ganze Zahl mehr ist. Ein bekanntes Beispiel ist das der Koch'schen Schneeflockenkurve, auch als Schneeflocke bekannt. Hier wird eine Linie in drei Teile geteilt und das Mittelteil zu einem Dreieck geformt. Dadurch sind dort, wo vorher drei Teile waren, nun deren vier. Wir können schreiben: (3.0.12) D = log3 H 4L = 1.26186 Die Schneeflocke hätte also eine fraktale Dimension von D = 1.26186, also eine Dimensionszahl zwischen Linie und Fläche. Dies ist nicht damit zu verwechseln, dass das Gebilde nun eine gewisse Fläche ausfüllt, aber eben nicht einen zweidimensionalen Würfel. Die Dimensionsbestimmung ist der Kurve intrinsisch und kann z.B. als Konstruktionsvorschrift verstanden werden. Die Analogie zu den Beispielen der Synergetik des vorigen Abschnitts ist nun darin zu sehen, dass bei weiterer Unterteilung der Schneeflockenlinien mit derselben Unterteilungs-Vorschrift sich eine immer differenzierter erscheinende Struktur ergibt, die aber auf einer einfachen Regel aufgebaut ist und auch bei beliebig vielen Unterteilungen dieselbe Dimensionszahl hat. ABBILDUNG 4. Konstruktion der Koch’schen Schneeflockenkurve mit fraktaler Dimension von D = 1.26186. a) Der erste Schritt, welcher auf alle weiteren Teillinien angewendet werden wird, b) nach fünf Iterationen, c) nach sieben Iterationen. Die fraktale Dimension ist in a), b) und c) dieselbe. ABBILDUNG 5. Konstruktion einer Allintervall-Reihe als fraktales Gebilde. Die hier verwendete Reihe lautet: h, d, es, g, c, fis, e, des, as, b, a, f. Die jeweiligen Tonhöhen sind als Intervalle zum ersten Ton h nach oben aufgetragen. Die Querachse ist in zwölf Teile geteilt, für jeden Ton ein Teil. So ist die Höhenkurve als Tonhöhenkurve zu lesen. Die fraktale Dimension dieser Allintervall-Reihe ist D = 1.6860. Die Iterationen sind a) zwei, b) drei und c) vier. In Abbildung 5 ist eine Koch’sche Schneeflockenkurve, die sogenannte Schneeflocke in drei Entwicklungsstadien dargestellt. In Abb. 5 a) sieht man die grundlegende Konstruktionsvorschrift. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die einzelnen Linien ergibt weitere Muster. Die Teilbilder b) und c) zeigen das Ergebnis fünf resp. sieben solcher Iterationsschritte. In Abbildung 5 ist das Verfahren an einer Zwölftonreihe ausprobiert. Es wurde die Allintervall-Reihe h, d, es, g, c, fis, e, des, as, b, a, f verwendet. Die horizontale Achse ist zwölfgeteilt, wobei von rechts nach links die Reihe aufgetragen ist. Die Hochachse stellt den Abstand des jeweiligen Tons vom ersten Ton h dar. Aufgrund dieser Darstellungsform kann eine fraktale Dimension dieser Reihe von D = 1.6860 festgestellt werden. Der Zweck dieser Demonstration ist es, die Verwendungsmöglichkeiten der fraktalen Dimension, aber auch ihre Grenzen aufzuzeigen. Eine Zwölftonreihe wird normalerweise nicht in sich geschachtelt dergestalt, dass in jedem Ton wiederum die ganze Reihe erklingt. Nichtsdestotrotz ist die Dimensionszahl bereits für die Grundreihe festgelegt. Würde diese Reihe als Melodie beispielsweise in 16-tel Noten gespielt, was drei Viertel Noten entspräche und würde man dem einen Orgelpunkt in drei Vierteln entgegenhalten, würde perzeptorisch die Allintervallreihe als erheblich belebter wahrgenommen. Und in der Tat hätte der Orgelpunkt die fraktale Dimension D = 1. So entspräche die Dimensionszahl einer perzeptorischen Gegebenheit. In dieser Definition wäre die Größe der Dimension mit Vergrößerung der Intervallsprünge ebenfalls erhöht, dies jedoch nicht linear. Schon kleine Abweichungen vom perfekten Orgelpunkt würden die Dimensionszahl schnell erhöhen. Bei allerdings schon großen Sprüngen in der Melodie wäre eine erhebliche Verkomplizierung dieser Tonreihe erforderlich, um die Dimensionszahl noch merklich ansteigen zu lassen. Auch dies scheint perzeptorisch plausibel. Um hier Klarheit zu bekommen, wären Hörtests vorzunehmen. In dieser Arbeit wird die Korrelationsdimensionsberechnung zum Einsatz kommen. Für deren genaue Berechnungsvorschrift sei auf die oben erwähnte Literatur verwiesen (z.B. [Bader 2002b]). Hier könnten natürlich noch weitere Dimensionsarten zum Einsatz kommen. Alle würden versuchen, in der zweifellos herrschenden Komplexität der Klavieretüden Ligetis einfache Regeln zu finden. Die hier verwandte Methode genügt aber bereits, um die grundlegenden Muster zu erkennen. Um dies anhand eines weniger komplizierten Beispiels zu verdeutlichen, sei hier zuerst ein Stück aus Ligetis Musica ricercata analysiert. Nachdem die Methoden dann vertraut geworden sind, sollen einige Klavieretüden diesem Analyseverfahren anvertraut werden. Analyse Musica ricercata VIII An der Musica ricercata VIII von György Ligeti ist dem ersten Höreindruck nach nichts fraktal. An diesem Werk sollen aber die Methoden der Analyse fraktaler Eigenschaften der Klavieretüden vorgestellt werden. Die Ergebnisse aus den Etüden können dann im Vergleich besser beurteilt werden. Das 'Vivace. Energico.' überschriebene Stück ist sehr rhythmisch, im 7/8-tel Takt gehalten und erinnert an die Aksak-Rhythmik. Sein Grundrhythmus ist in Achteln gezählt 1-1-2-1-2-2-1-2-2. Weitere folkloristische Elemente sind der rhythmisierte Bordunton, der meist im Diskant das e1 ist und die Modalität der Harmonik. Das Stück ist mit drei Kreuzen vorgezeichnet und es kommen im Notentext nur selten weitere Vorzeichen vor, doch bewegt sich die Tonalität nicht rein in A-Dur. Der Schlussakkord der oben genannten rhythmischen, zweitaktigen Phrase ist Amaj7/9, ohne Grundton, aber mit großer Terz, Quinte und eben großer Sieben und großer None, welcher auch ein typischer Jazz-Akkord sein könnte. Was das Stück für die Analyse so reizvoll macht, ist seine klare Strukturierung. Die zweitaktige rhythmische Phrase wird zwei- oder viermal gebracht. Dabei gibt es neben der Grundform einer in forte gespielten energischen Anfangsphrase, mit e1 als höchstem Ton, eine Oktavierung hiervon (ab T 18), eine piano gespielte Version eine Oktave tiefer, mit e als höchstem Ton (ab T 24), und eine in Bezug auf die Grundform um drei Oktaven vertiefte Version mit einer Melodie in der rechten Hand (T 40 - 51). Insgesamt lässt sich das Stück wie folgt zergliedern. T 1: T 2-9: T 10-17: T 18-23: T 24-28: T 29-32: T 33-36: T 37-39: T 40-51: T 52-57: T 58-61: T 62, 63: Einzelner stehender Akkord Grundphrase auf e1 Grundphrase auf e1, Bass bewegt Oktavierung auf e2 Unteroktavierung auf e, piano Grundphrase auf e1 Oktavierung auf e2 aber piano Übergang zu T 40 auf variierter Grundphrase dreifache Unteroktavierung, Melodieteil, piano Grundphrase dreifache Unteroktavierung, kurze Melodie, piano Schluss, Grundphrase ABBILDUNG 6. Korrelogramm und faktale Korrelationsdimensionen des Stücks 7 aus G. Ligeti's 'Musica ricercata'. In Abbildung 6 sind Korrelogramm und fraktale Korrelationsdimension des Stücks dargestellt. Aus der Darstellung des Korrelogramms ergibt sich klar die oben beschriebene Teilung. Diese spiegelt sich ebenfalls in der fraktalen Dimensionsrechnung nieder. T 1-9 und T 10-17 sind jeweils durch zwei Peaks gekennzeichnet. Dieser Teil, der bis Sekunde 18 dauert, wird von dem Teil der Oktavierung gefolgt. Im Korrelogramm ist dies durch die dichteren Linien dargestellt. Die fraktale Dimension schlägt erneut aus. Die folgende dreifache Unteroktavierung zeigt sich im Korrelogramm durch ein verschmiertes Bild. Die fraktale Dimension weist eine Lücke auf. T 29-39 ist eingerahmt von einer ähnlichen Struktur wie der Beginn des Stücks. Hier sind in der fraktalen Dimension zwei Peaks zu erkennen. Dazwischen T 33-36 in der Oktavierung ist das Korrelogramm, wie die Korrelationsdimension, verhaltener als bei der ersten Oktavierung. Der Grund liegt in der Lautstärke. Die erste Oktavierung erfolgte im forte, nun herrscht piano. Der Melodieteil ist sehr interessant. Da die Begleitung auf dem E als höchstem Ton verbleibt, ist das Korrelogramm wieder verschmiert. Diese ausgezeichnete Stelle im Stück wird aber auch von der Korrelationsdimension mit einem deutlichen Tiefststand quittiert. Dieser Teil geht bis Sekunde 54. Die Dimension schnellt aber bereits in Sekunde 45 wieder nach oben. Grund ist der einsetzende Melodieton h1, der perzeptorisch das Stück erheblich belebt. Auch kann im folgenden Verlauf der Dimensionsberechnung eine schwankende Tendenz festgestellt werden, in Kontrast zu den klaren Peaks zu Beginn. Auch dies ist von der Melodie verursacht, die filigran den Verlauf des Stückes weiterführt. Ab Sekunde 53 wird der Grundrhythmus in ähnlicher Form wie zu Beginn wieder gebracht. Es folgt eine weitere kurze Melodie mit tiefer Begleitung, nach der schießlich die Grundphrase das Stück endet. Hier ist im Korrelogramm wieder ein Verschmieren während der tiefen Bassbegleitung der Melodie und eine klare Struktur zum Ende hin zu erkennen. Das Korrelogramm stürzt zu Beginn der Melodie erneut ab, jedoch nicht so tief wie beim ersten Mal. Dort war die Lautstärke auch geringer. Der Peak zum Schluss ist dem wieder klaren Rhythmus geschuldet. Die im Bild weißliche Schlußchicht ist das Verklingen des Klaviers. Das Anschnellen der Dimension ganz gegen Ende liegt am nun hörbaren Grundrauschen der Aufnahme. Hier sind auch keine relevanten Ereignisse mehr vorhanden. Offenbar stellt das Korrelogramm die rhythmischen und melodiösen Gegebenheiten rudimentär dar. Die Korrelationsdimension gibt hier die perzeptorische Ereignisdichte wieder. Je 'mehr los' zu sein scheint, desto höher ist der Wert der Korrelationsdimension. Diese Eigenschaft der Dimension ist durchaus eine fraktale. Denn je mehr Grundgesetze der Algorithmus im Klang entdeckt, desto höher ist der fraktale Wert. Je mehr Gesetze aber einen Klang beherrschen, desto 'gebrochener' ist er, desto vielfältiger. Allerdings ist ein hoher Wert nicht unbedingt das, was man mathematisch an fraktalen Geometrien bestaunt. Diese bestehen eben gerade aus wenigen Gesetzen, welche dann ein kompliziertes Muster ergeben. Die Tatsache, dass hier bereits hohe Werte erzielt worden sind, veranschaulicht, dass eine Komplexität oder Fraktalität in einzelnen Zeitpunkten, also nur im jeweiligen Klang selbst, musikalische Fraktalität nicht sein kann. Offenbar ist eine zeitliche Verquickung der Melodien, Rhythmen oder Akkorde eher dazu imstande, aus einfachen Grundmustern ein fraktales Gewebe zu bauen. Das Gesamtbild der Korrelationsdimension ist aber sehr harmonisch, nicht fraktal. Dies entspricht dem Höreindruck. Wir werden sehen, dass dies bei der siebenten Klavieretüde anders ist. Dort ist die Struktur erheblich komplexer. Étude 7: Galamb borong Die siebente Klavieretüde György Ligetis ist mit Galamb borong überschrieben und soll so bereits an indonesische Melodik und Rhyhthmik erinnern. In der Spielanweisung spricht Ligeti auch von einer additiven Pulsationsstruktur, der das Stück anstatt einer Taktmetrik zugrunde liegt, was wiederum an afrikanische Rhythmik erinnert. Eine stete Sechzehntelpulsation soll im Hintergrund mitlaufen. Die Taktangabe 12/16 solle nur zur Orientierung dienen, ebenfalls die Taktstriche. Die rechte und linke Hand werden hier offenbar wie zwei Xylophonschlegel (oder Metallophonschlegel) behandelt. In der Tat spielen die Hände meist Einzeltöne, wovon nur bei Akzentuierungen abgewichen wird. Die Spielanweisung spricht hier von einer strengen Trennung beider Hände während des ganzes Stücks: '... die rechte Hand spielt ausschließlich im Ganztonbereich H, A, G, F, ES, DES, die linke im Ganztonbereich E, D, C, B, AS, GES.' Das Stück kann zur hier nötigen Orientierung in vier Abschnitte unterteilt werden. Hier spielen liegende Basstöne im Mittelabschnitt, die die verlangsamte strata repräsentieren, eine große Rolle. In T 27-42 spielt die linke Hand über jeweils drei, drei und zehn Takte einen gehaltenen Zweiton-Bassakkord mit sostenuto Pedal. Dadurch ist sie in der Lage, während der ersten sechs Takte T 27-32 zusätzlich Melodietöne und ab T 34-42 ein Sechzehntel-Rhythmuspattern zu spielen. Dieser Teil II ist in ff bis ffff gehalten, was ihn ebenfalls absetzt. Teil I (T 1-26) beginnt mit einer zweitaktigen einführenden, rein rhythmischen Figur in beiden Händen. Sie, wie der folgende Verlauf, steht im piano. Eine Steigerung erfolgt in T 3-6 und T 7-10, einmal durch Einführung einer HalbeNoten Melodie in T 3-6, welche dann in T 7-10 durch eine Verschnellerung in Viertelnoten und durch Synkopierung beschleunigt wird. Dieser Vorgang erreicht seinen Höhepunkt in T 11. Hier ist sowohl ein Höchstpunkt in Bezug auf die Tonhöhe, als auch ein kleiner Einschnitt zu finden, da die bisher gleichmäßige Rhythmik unterbrochen ist. Diese Rhythmik, jetzt nur durch Akzente verschärft, welche in rechter und linker Hand unterschiedlich gesetzt sind, wird in T 12-15 wieder aufgenommen. Nach einer dann folgenden leichten Beruhigung T 16-18, welche auch in ppp gehalten ist, folgt ein crescendo T 1926. Ab T 26 folgt der schon erwähnte Teil II. Teil III hebt sich von Teil II deutlich durch das plötzliche Abbrechen der Lautstärke von ffff zu pp in der rechten und ppp in der linken Hand ab. Was folgt, ist eine verfeinerte melodische und rhythmische Führung T 46-58. Nach einem crescendo T 59-63, welches die enggeführte Bassfigur der linken Hand in den Takten zuvor die Tonhöhenskala hinaufführt sowie die Lautstärke anhebt, folgt eine Rhythmik T 64-72, welche in weitergeführtem crescendo bis fffff gelangt. Der Schlussteil IV T 73-89 senkt diese Lautstärke wiederum auf ein pp ab und bringt die rechte Hand in Sechzehntelnoten mit einer ebenfalls rhythmisierten linken, deren Rhythmik jedoch unterbrochen oder durch längere Melodietöne ersetzt ist. Das Stück soll schliesslich so leise ausklingen, '...dass man eine Grenze zur Schlusspause nicht wahrnehmen kann' (Ligeti, Spielanweisung). ABBILDUNG 7. Korrelogramm und faktale Korrelationsdimensionen des Stücks 7 aus G. Ligeti's Klavieretüden. In Abbildung 7 ist das Korrelogramm und die Berechnung der fraktalen Dimension für die Klavieretüde 7 zu sehen. Im Vergleich zu Abbildung 6, welche das siebente Stück der Musica Ricercata zeigt, ist hier ein weit komplizierterer Verlauf vorhanden. Auch wenn im Korrelogramm noch klare Strukturen zu erkennen sind, ist dies im Dimensionsplott nur noch schwer auszumachen. Daher wurde der Plott in die oben beschriebenen Teile unterteilt. Hier nun zeigt sich aber, dass der Verlauf der fraktalen Dimensionskurve dem musikalischen Verlauf sehr genau entspricht. Teil I wird durch ein crescendo abgeschlossen. Der bis dorthin höchste Peak der Kurve lässt dies klar erkennen. Hier spricht die Kurve aber nicht einfach von einer Verstärkung der Lautstärke. Der Teil II erreicht teilweise das ffff. Doch hier reagiert die fraktale Kurve nur verhalten. Und in der Tat ist diese Stelle zwar laut, doch weit weniger bewegt als der kommende Teil III. Hier verfeinert sich die melodische und rhythmische Führung. Diese gesteigerte Komplexität spiegelt sich auch in den durchschnittlich hohen Dimensionszahlen. Der abrupte Abbruch dieses Teils zum Teil IV hin ist ebenfalls klar zu erkennen. Hier nun erreicht die Gesamtkurve ihren Höhepunkt. Dies ist dadurch zu erklären, dass im Schlussbereich ein Wechsel zwischen melodischen und rhythmischen Phrasen stattfindet. Auch wenn die Lautstärke sich hier im Bereich pp bewegt, ist doch die Informationsdichte sehr hoch. Das Stück scheint alle bis dahin gemachten Erfahrungen noch einmal zu erinnern und in diesem Schlussteil dann andeutend zu bringen. Schließlich aber versiegt die Erinnerung und das Stück endet mit einem künstlichen fade out. Die Ereignisse nach dem Schlussstrich von Teil IV sind wiederum der Tatsache geschuldet, dass hier beim Ausklingen des Akkordes das Grundrauschen zunimmt. Die Kurve ist hier also nicht mehr aussagekräftig. Schlussbemerkung Die Frage der Fraktalität in Ligeti's Klavieretüde No. 7 kann somit durch die Verlaufskurve der fraktalen Korrelationsdimension beantwortet werden. Sie zeichnet die Ereignisdichte durch die Zeit nach. Ihr Verlauf zeigt die Komplexität der Komposition. Diese Komplexität zeichnet sich aber nicht etwa durch einen hohen fraktalen Dimensionswert aus, sondern durch das Zusammenwirken der einzelnen Teile des Stücks untereinander. Hier sei an die Schneeflocken- und die Allintervallreihenkurve erinnert (s.o.) Die Ereignisdichte des Stücks verläuft bei ungebrochenen, klar strukturierten Werken, wie im Beispiel des achten Stücks der Musica Ricercata gezeigt, sehr geordnet und dort sogar symmetrisch. Dies ist bei der siebenten Klavieretüde nicht mehr der Fall. Die Methode der fraktalen Korrelationsdimension als Index der zeitlich strukturierten Klangdichte liefert in seinem zeitlichen Überblick einen Eindruck der Berechnungen und der Zusammenhänge des jeweiligen Werkes. Bei dem Beispiel aus der Musica ricercata war dies die symmetrische Teilung, welche so der Analyse und auch dem Höreindruck entspricht. Bei der siebenten Klavieretüde war es die Feststellung, dass die Informationsdichte und damit die Komplexität beständig zunehmen und einen komplexen Verlauf zeigen. Ligeti beschreibt im Booklet zur Sony-Einspielung seiner Etüden [Ligeti 1997], dass die Kompositionen keine eins-zu-eins Umsetzungen der Theorien fraktaler Geometrien oder afrikanischer Rhythmik sind, sondern dass unter ihrem Eindruck und nach langer Beschäftigung mit diesen Ideen und Konzepten eine künstlerische Verarbeitung des Stoffs gelang. Dies spiegeln die hier aufgezeigten Ergebnisse. Sie beschreiben die Komplexität und den inneren Aufbau des musikalischen Ergebnisses der Beschäftigung mit fraktalen Konzepten. So stellen sie im musikalischen Gesamtverlauf der Stücke deren Fraktalität dar. Es stellen sich hier für die Zukunft aber auch weitere Aufgaben. Das Auffinden fraktaler Gegebenheiten in den Musikstücken könnte z.B. an einen relativen Vergleich einzelner Teile des Stücks in Bezug auf ihre Ähnlichkeit gebunden sein. Diese Ähnlichkeitsstruktur könnte die hier aufgezeigte Komplexität ebenfalls im Bereich der Teilbezüge der Klangstrukturen finden. Literatur [Arom 1991] Arom, Simha: African Polyphony and Polyrhythm: Musical Structure and Methodology. Cambridge: Cambridge University Press, 1991. [Bader 2002a] Bader, Rolf: Fractal correlation dimensions and discrete-pseudophase-plots of percussion instruments in relation to cultural world view. In: Ingenierias, Octubre-Diciembre 2002, Vol. V. No 17, p. 1-11. 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