2.4 Entscheidungen im Haushaltskontext Neoklassisches Basismodell ignoriert Arbeitsangebotsentscheidung im Haushaltskontext Dimensionen der Entscheidungen von Haushalten: 1. Marktarbeit vs. Haushaltsproduktion (home production) 2. Koordination des Arbeitsangebots zwischen Haushaltsmitgliedern ad 1.: bisheriges Modell: Aufteilung der verfügbaren Zeit zwischen Marktarbeit und Nicht-Marktarbeit (= Freizeit) realistischeres Modell: teilweise produktive Nutzung der ‘Freizeit’ ⇒ Individuen produzieren Nutzen stiftende Güter, die alternativ am Markt gekauft werden könnten (Essen, Pflege, ...) ≡ home production 54 Grundmodell der Haushaltsproduktion Grundannahmen: • Freizeit: L = L̄ ⇒ l = L0 − L̄ • Nicht-Erwerbseinkommen: R = 0 • Konsumgüterbündel (c1, c2) mit Preisen (p1, p2) ⇒ Entscheidung zwischen Markt- und Nicht-Marktarbeit ⇒ Nutzenfunktion: U = U (c1, c2) Haushalts-Produktionsfunktion: ci = fi(xi, li) mit fi0 > 0 , fi00 < 0 i = 1, 2 xi – intermediäres Gut zur Herstellung von ci li – Zeiteinsatz zur Herstellung von ci 55 Grundmodell der Haushaltsproduktion Wichtige Aspekte des Modells: • Gleicher Nutzen kann mit unterschiedlichen Faktorkombinationen ‘produziert’ werden • Nutzen stiftende Güter können relativ zeit- oder güterintensiv sein: f1(x, l) 6= f2(x, l) • Interpretationsspielraum hinsichtlich der Zeit-Komponente: a) Produktion; b) Konsum • Zeit ist kein unmittelbarer Bestandteil der Präferenzen U (c1, c2) = U (f1(x1, l1), f2(x2, l2)) 56 Lösung des Optimierungsproblems max Zu lösen: x1 ,x2 ,l1 ,l2 U ((f1(x1, l1), f2(x2, l2)) unter den Nebenbedingungen l = l1 + l2 + h (Zeitbeschränkung) wh = p1x1 + p2x2 Zi ≥ zi = fi(xi, li) (Budgetbeschränkung) i = 1, 2 (Produktionsmöglichkeitsgrenze) ⇒ Optimalitätsbedingungen: ∂fi/∂li ∂fi/∂xi = pw ∂U/∂c1 ∂U/∂c2 = ∂f1/∂l1 = (∂f1/∂x1)/p1 2 2 2 2 2 i ∂f /∂l i = 1, 2 (∂f /∂x )/p (Produktionseffizienz) (Konsumeffizienz) Grafisch ähnelt die optimale Lösung dem Basismodell. Es gibt aber wichtige konzeptionelle Unterschiede. 57 Produktionsmöglichkeitsgrenze x Z1 – Güterintensiv produziertes Gut Z2 – Zeitintensiv produziertes Gut Z2 Z1 l 58 Optimum im Modell mit Haushaltsproduktion x Isoquante ! Steigung: -w/p l 59 Eigenschaften des Optimums Produktionseffizienz-Bedingung optimale Zeitaufteilung zwischen Markt- und Haushaltsarbeit Grenzrate der technischen Substitution = relatives Preisverhältnis der Produktionsfaktoren w – Opportunitätskosten der in Haushaltsproduktion investierten Zeit pi – Preis des in Haushaltsproduktion eingehenden Vorprodukts Konsumeffizienz-Bedingung optimale Aufteilung zwischen den Konsumgütern (c1, c2). Grenzrate der Substitution = relatives Preisverhältnis der Güter Preise = Ausgaben zur Herstellung des Gutes ∂f1 /∂l1 ∂f2 /∂l2 – Zeiteinsatz (bewertet mit einheitlichem Preis w) (∂f1 /∂x1 )/p1 (∂f2 /∂x2 )/p2 oder – Gütereinsatz (bewertet mit spezifischem Preis pi) 60 Komparativ-Statische Ergebnisse I Nicht-Erwerbseinkommen R ↑ konstante relative Preise, aber Verschiebung der Produktionsmöglichkeitsgrenze nach außen Reiner Einkommenseffekt ⇒ Konsum normaler Güter ↑ ⇒ Konsum inferiorer Güter ↓ Im Gegensatz zum Resultat im Basismodell unbestimmte Reaktion des Arbeitsangebots ∂h(w, R; X) T0 ∂R ! Positive Arbeitsangebotsreaktion, wenn • im Warenkorb hohe Zahl von inferioren Gütern, bzw. • inferiore Güter bei Haushaltsproduktion zeitintensiv 61 Komparativ-Statische Ergebnisse II Lohnsatz w ↑ Verschiebung des Preises für den Zeitaufwand der Haushaltsproduktion relativ zum Preis der Vorprodukte. ⇒ Einkommenseffekt – wie zuvor Richtung unbestimmt Zwei (!) positive Substitutionseffekte • Produktionseffekt In Haushaltsproduktion Substitution des Produktionsfaktors Zeit durch Vorprodukte (Beispiel: Tiefkühlpizza) • Konsumeffekt Substitution von zeitintensiven zu vorproduktintensiven Gütern (Beispiel: Restaurantbesuch) Hinweis: Analoge Argumentation bei Veränderung der Preise für Vorprodukte pi 62 Marktarbeit, Haushaltsproduktion und Freizeit Entscheidend für die beschriebenen komparativ-statischen Effekte ist die relative Substituierbarkeit von Marktarbeit und Haushaltsproduktion. Die Entscheidung für den Konsum von Freizeit lässt sich innerhalb des gegebenen Modells als Spezialfall interpretieren. Spezifische Merkmale des Gutes Freizeit: • zeitintensives Gut ⇒ Bei Produktion ist Zeiteinsatz durch Gütereinsatz schwierig substituierbar • normales Gut ⇒ Einkommenseffekt eindeutig negativ Diese Eigenschaften erklären steigendes Arbeitsangebotsvolumen bei gleichzeitig relativ unveränderter (oder gar zunehmender) Freizeit 63 Lohnänderungen und Arbeitsangebot Reine Substutionseffekte Haushaltsproduktion x Freizeit x Isoquante hohe Substituierbarkeit Isoquante geringe Substituierbarkeit w↑ Zeit für HaushaltsProduktion Zeit für FreizeitProduktion 64 Modelle der Haushaltsproduktion – Fazit • Modell liefert differenziertere Hypothesen über Arbeitsangebotselastizitäten • Möglichkeit durch Kauf von Gütern Zeit in Haushaltsproduktion zu sparen führt tendenziell zu höherer Angebotselastizität • Positiver Produktionseffekt wird möglicherweise durch positiven Einkommenseffekt verstärkt • Elastizität des Arbeitsangebots wächst mit Produktivität in Haushaltsproduktion; bei Produktivität unterhalb des Marktlohns vollständi Spezialisierung auf Marktarbeit • Erklärungsmuster für unterschiedliche Arbeitsangebotselastizitäten bei Männern und Frauen? 65 Arbeitsangebot des Haushalts Frage: Wie erfolgt Entscheidung über Arbeitsangebot, wenn mehrere Haushaltsmitglieder (insbesondere Paare) ihre Handlungen koordinieren? Hinweis: zur Vereinfachung abstrahieren wir von Haushaltsproduktion Grundlegende Herangehensweisen: 1. Modell gemeinsamer Präferenzen (unitary model) 2. Verhandlungsmodelle (collective models) 2.1. koooperative Modelle 2.2. nicht-kooperative Modelle Modelle führen zu unterschiedlichen Hypothesen über die Arbeitsangebotselastizitäten der einzelnen Haushaltsmitglieder Aufgabe empirischer Analyse: Testen dieser Hypothesen auf Grundlage von Haushalts-Daten 66 Modell gemeinsamer Präferenzen Direkte Erweiterung des Basismodells individuellen Arbeitsangebots Grundannahme: Haushalt verfügt über gemeinsame Nutzenfunktion U = U (C, Lm, Lf ) Lm – Freizeit von ‘Mann’ ; Lf Freizeit von ‘Frau’ C – Haushaltseinkommen (=Konsum) Wohlfahrt des Haushalts nur abhängig von Gesamtkonsum, nicht von Verteilung des Konsums auf Haushaltsmitglieder ⇒ ‘Income Pooling’-Hypothese Mögliche Interpretationen dieses Ansatzes: • Haushalt verwendet – unbeobachtetes – privates Gut, um Nutzen innerhalb des Paares zu allozieren ⇒ im Hinblick auf – beobachtete – Handlungen kein Konflikt zwischen den Partnern • Abbildung der Präferenzen eines altruistischen Haushaltsvorstands, der per Vereinbarung oder Gewohnheit (Liebe?) die Macht hat, die Ressourcen des Haushalts zu poolen und über entsprechende Transfers oder andere Mittel die Handlungen des Partners steuern kann 67 Modell gemeinsamer Präferenzen – Lösung Zu lösen: max U (C, Lm, Lf ) C,Lm ,Lf unter der Nebenbedingung der gepoolten Budgetbeschränkung C + wmLm + wf Lf ≤ (wm + wf )L0 + Rm + Rf Lösung: Ergebnis der Optiomierung sind Marshall’sche Nachfragefunktionen in Analogie zum Basismodell hm = hm(wm, wf , Rm, Rf ) hf = hf (wm, wf , Rm, Rf ) 68 Modell gemeinsamer Präferenzen – Komparative Statik Nicht-Erwerbseinkommen Rm ↓ ⇒ Reiner Einkommenseffekt: hm ↑ ; hf ↑ ⇒ Arbeitsangebot beider Partner steigt Lohnsatz wm ↓ • Einkommenseffekt wie oben • Negative Eigenpreiselastizität: hm ↓ • Kreuzpreiseffekte – falls hm und hf Substitute ⇒ hf ↑ – falls hm und hf Komplemente ⇒ hf ↓ ‘Added Worker’-Effekt: Mögliche Zunahme von Partizipationsrate bzw. Arbeitsangebot bei fallendem Einkommen (→ Ostdeutschland?) 69 Modell gemeinsamer Präferenzen – Testbare Implikationen Hinweis: Hypothese eines dominierenden ‘added-worker’-Effekts wird im Allgemeinen empirisch verworfen Das theoretische Modell gemeinsamer Präferenzen liefert darüber vier empirisch testbare Hypothesen: i ∂h > 0 für i = m, f (Eigenpreiseffekt) i ∂w Ū ∂hm ∂wf ∂hm ∂wm Ū Ū < ∂hm ∂wf = ∂hj ∂(Rm +Rf ) = Ū ∂hf ∂wf ∂hf ∂wm ∂hm ∂(Rm +Rf ) (Symmetrische Kreuzpreiseffekte) Ū Ū ∂hf ∂wm (Quasi-Konkavität) Ū (Einkommens-Pooling) Empirisch werden Hypothesen (2)-(4) oft durch Daten verworfen ⇒ Alternative Verhaltensmodelle? 70 Verhandlungsmodelle Grundlegende Kritik am Kollektivmodell: Nutzenfunktion des Haushalts kann nicht aus Aggregation individueller Präferenzen abgeleitet werden Verhandlungsmodelle beschreiben Koordination zwischen Individuen mit eigenständigen Nutzenfunktionen: U m(C m, Lm) ; U f (C f , Lf ) • Möglichkeit des Interessenkonflikts • Beschreibung der Lösung solcher Konflikte über Verhandlungen Gleichgewicht abhängig von Art des Spiels zwischen den Partnern Kooperatives Spiel ⇒ Partner erreichen Pareto-effiziente Allokation Diese Allokation kann als Ergebnis eines spezifischen individuellen Optimierungskalküls beschrieben werden 71 Kooperatives Haushaltsmodell – Lösung Individuelles Arbeitsangebot folgt aus Lösung des Programms: max C m ,C f ,Lm ,Lf U m(C m, Lm) unter den Nebenbedingungen U f (C f , Lf ) ≥ Ū f (wf , wm, Rf , Rm) C m + C f + wmLm + wf Lf = (wm + wf )L0 + Rm + Rf Entscheidende Modellkomponente ist die erste Nebenbedingung: Mann entscheidet gegeben dass die Frau einen bestimmten Punkt auf der Nutzenmöglichkeitsgrenze des Haushalts einnimmt Welcher Punkt dies ist, d.h. welcher Teil der Ressourcen des Haushalts bei der Frau verbleibt, hängt von ihrer relativen Verhandlungsmacht ab 72 Nutzenmöglichkeitsgrenze Uf Up – Starke Verhandlungsposition der Frau Uw – Schwache Verhandlungsposition der Frau U f p Rf + Rm ↑ f Uw Um 73 Kooperatives Haushaltsmodell - Äquivalenter Lösungsansatz ⇔ Zweistufiger Budget-Prozess (‘two-stage budgeting’) 1. Entscheidung über Aufteilung der Ressourcen des Haushalts auf die beiden Partner 2. Maximierung der individuellen Nutzenfunktion gegeben das individuell verfügbare Budget max U m(C m, Lm) C m ,Lm unter der Nebenbedingung C m + wmLm = wmL0 + Φ(wm, wf , Rm, Rf , γ) Φ(·) γ – – Einkommensaufteilungsregel (‘Sharing Rule’) Machtparameter 74 Bestimmungsfaktoren der Einkommensaufteilung Allgemein: Drohpotential innerhalb des Haushalts bei Scheitern kooperativer Lösung sowie Optionen außerhalb des Haushalts Spezifisch: f w • komparativer Vorteil bei Marktarbeit wm f R • relativer Beitrag zum Nicht-Erwerbseinkommen: m R +Rf • Wohlfahrtsverlust bei Trennung, Wahrscheinlichkeit neuen Haushalt zu bilden, erwartete Qualität alternativen Partners: γ ⇒ Hauptschwierigkeit bei empirischer Umsetzung des Modells ist Schätzung der Sharing Rule 75 Kooperatives Haushaltsmodell – Komparative Statik Allgemeines Modell liefert keine eindeutigen testbaren Hypothesen Bei Veränderung von wi oder Ri: • Veränderung der Machtverteilung im Haushalt • Veränderung der individuellen Ressourcen wiL0 + Φ • Unbestimmte Richtung des Einkommenseffekts Testbare Hypothese ∂hw ∂hf 6= ∂(Rw + Rf ) ∂(Rw + Rf ) d.h., kein Einkommenspooling 76 Kurzer Blick auf nicht-kooperative Haushaltsmodelle • verwerfen expliziter oder impliziter Einkommensaufteilungsregel als unrealistisch • stattdessen: nicht-kooperatives Verhalten ⇒ jeder Partner hält bei Optimierung Entscheidungen des Partners für gegeben • Ergebnis bei nicht-widerholtem Spiel: wahrscheinlich nicht Paretooptimales Nash-Gleichgewicht • Gleichgewicht kommt automatisch zustande • In diesem Gleichgewicht ist individuelles Arbeitsangebot direkt vom Haushaltseinkommen abhängig ⇒ Einkommens-Pooling wie im Modell gemeinsamer Präferenzen 77