Ethik in der Alltagsroutine – METAP, ethisches Entscheidungsinstrument für interprofessionelle Teams Zentralschweizer Pflegesymposium 24.06.2014 Dr. Heidi Albisser Schleger, MSc, RN Was erwartet Sie? • Wozu Ethik? • Ziele der Alltagsethik? • Kriterien der ethischen Entscheidungsfindung • Formale Konsistenz • Inhaltliche Konsistenz • METAP konkret am Fallbeispiel • Evaluationsergebnisse Was bedeutet METAP? M= Modular E = Ethik T = Therapie A = Allokation P = Prozess (Mittelzuteilung) METAP - Projekt Schweizerischer Nationalfonds (SNF) Weitere Stiftungen Klinische Ethik und Begleitforschung Uni- Unisspital, UPK Basel In Zusammenarbeit mit OIB (operative Intensivbehandlung), Department Anästhesie, Universitätsspital Basel AGUK (Akutgeriatrie, Universitätsspital Basel) Entwicklung in Zusammenarbeit mit zukünftigen AnwenderInnen 4 Autorengruppe Dr. Heidi Albisser Schleger, PhD, MSc,RN Dr. Barbara Meyer-Zehnder, MD Marcel Mertz, MA Prof. Stella Reiter-Theil (Ethik, Unispital, UPK, Basel) Prof. Hans Pargger (Unispital Basel) Prof. R.W. Kressig (AGUK, Unispital Basel) Hauptprodukt Handbuch Leporello Wozu brauchen wir die Medizinethik? Postmoderne – Wertepluralismus – Dominanz ökonomischer Werte Risiko ungerechtfertigter Ungleichbehandlung • • • Unterversorgung Überversorgung Schwankung der Versorgungsqualität • Kosten • Konflikte, Missverständnisse, moralischer Distress Was ist Ethik? Methodisches Nachdenken über einen moralischen Sachverhalt (z.B. Therapiebegrenzung ja oder nein) Methodisches Nachdenken heisst gestützt • auf ein definiertes Verfahren • auf definierte ethische Kriterien Unterscheidung zur persönlichen Meinungsbildung Medizinethik und Interprofessionalität Pflege Medizinethische Medizin Logopädie Ethik Entscheide stützen Angehörige sich traditionell auf Patient interprofessionelle Ethische Frage Seelsorger Problemlösung. Sozialdienst 7 Physiotherapie Verschiedene ethische Entscheidungsfindungsmodelle Wichtige Unterscheidungen: Praktische Modelle: moralisches Empfinden Personal pragmatische Abläufe Integrative Beratungsmodelle: theoretisch und philosophisch fundierte Experten- (ReiterTheil), Delegations- und Prozessmodelle (deliberatives Modell nach Molewijk, Nimwegener Modell) METAP: Alltagsethisches Entscheidungsmodell als pädagogischbasiertes Modell (Empowerment klinisches Personal, braucht nicht immer eine Fallbesprechung) Was ist das Ziel von METAP? Alltagsethik: METAP soll dazu befähigen, ethische Probleme im Alltag anzugehen und zu lösen. Stärkung des Patientenwillens Alle Berufsgruppen können gleichberechtigt ethische Probleme ansprechen, einbringen. Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit Reduktion der Belastung durch schwierige Therapiesituationen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität in schwierigen Situationen METAP – Ziele Unterstützung der ethischen Selbstkompetenz der klinischen Fachleute – individuell und interdisziplinär durch 1) Hilfsmittel zur Identifikation und Bearbeitung: Gemeinsame Bearbeitung und Lösungssuche Argumente, «Sprache» 2) Ausbildung Steuergruppe 10 Kriterien der ethischen Entscheidungsfindung Vermeidung willkürlicher, inkonsistenter Entscheide • Reflexion, Entscheiden nach deklarierten, inhaltliche Konsistenz nachvollziehbaren Kriterien • Entscheiden nach einer festgelegten Vorgehensweise formale Konsistenz • Eskalationsmodell • Ablauf einer ethischen Fallbesprechung (Stufe 3) Formale Konsistenz Entscheidungshilfen - Problemmatrix Inhaltliche Konsistenz Medizinethische Prinzipien: Respekt vor der Autonomie • Hilfeleisten/Gutes tun/ Nutzen • Behandlung soll dem Wohl des Patienten dienen. Nicht Schaden • Respektierung des Patientenwillens: Die Einwilligung des urteilsfähigen Patienten in eine Behandlung ist erforderlich. Bilanz: mehr nutzen als schaden. Gerechtigkeit • Gleiche Fälle werden gleich behandelt Diskursregeln sind wichtig für die Entscheidungsfindung in der ethischen Fallbesprechung (Stufe 3). Moderiertes Verfahren Die Teilnehmenden sollen vernünftig argumentieren und sollen auch Kritik angemessen äussern können. METAP-konkret METAP am Beispiel von Frau B. • 86 Jahre alt • Schwer einschränkende Arthritis, Makuladegeneration, depressive Verstimmung, hat Sterbewunsch • Jahrelang liebevoll gepflegt von Angehörigen • Zustandsverschlechterung, Einweisung Geriatriespital • Schädel CT: Hirnatrophie, Ischämiezonen, Bewusstseinstrübungen, WortfindungsSchluckstörungen • Äussert Wunsch zu sterben, zieht sich MS • Aspiration, Fieber • Arzt macht den Angehörigen Vorschlag, die Pneumonie nicht mehr zu behandeln. Sie lehnen ab. METAP-konkret: Problemmatrix Medizinisches Pflegerisches/Therapeutisches Prognose Präferenzen/bisheriger Lebensentwurf Patientenwille Risikokonstellation soziales Umfeld (Angehörige etc) Strukturelles anderes Übungsfall Medizinisches Pflegerisches/Therapeutisches Polyarthritis mit Einschränkung der Mobilität Decubitalulcus praesacral 5x5cm --> Debridement und Wechseldruckmatratze schwere Sehbehinderung bei Makuladegeneration aktuell sehr müde und schläft immer wieder ein cerebrovasculärer Insult mit Dysphagie --> Aspirationspneumonie muss gewaschen und gelagert werden, Mobilisation aktuell kaum möglich Schädel-CT: Atrophie und mehrere ältere kleine Ischämiezonen wehrt sich gegen die Magensonde und versucht immer wieder, diese zu ziehen Prognose MMS 25/30 Depressive Verstimmung Neu: Fieber, AZ-Verschlechterung V.a. Pneumonie Präferenzen/bisheriger Lebensentwurf Patientenwille seit halbem Jahr im Pflegeheim, sitzt gerne wehrt sich gegen die Magensonde und im Lehnstuhl im Aufenthaltsraum und versucht immer wieder, diese zu ziehen beobachtet das Geschehen hat im Pflegeheim und auch jetzt im Spital immer wieder gesagt, sie wolle sterben. ist im Altersheim im Rollator knapp mobil Der Alltag sei anstrengend. soziales Umfeld (Angehörige etc) verwitwet, Tochter, Schwiegersohn, Sohn haben engen Kontakt mit der Mutter und besuchen sie häufig. Familie hat Mutter vor Heimeintritt gepflegt. Wollen, dass man alles macht. Geben der Pat. manchmal zu Essen Strukturelles Risikokonstellation Hinweise auf Überversorgung: Effektivität der Massnahme? Entspricht die Therapie dem Ziel der Patientin? Hinweise für Unterversorgung: 86 Jahre weiblich pflegebedürftig chronische Krankheit urteilsunfähig? anderes Maienfisch: Anfrage auf 1. Dezember, zuerst Abschlussbericht schicken OpO: Zusammen mit Schiller Antrag, hier ist Abschlussbericht geschickt Bangerter: zuerst Abschlussbericht schicken, Antrag auf neue Deadline, ist ab Juli auf Homepage FAG: Abschlussbericht schicken, 30. September Antrag schicken Ethische Fallbesprechung Evaluationsmodell von METAP Evaluationsstationen Pilot • Operative Intensivstation OIB • Akutgeriatrische Universitätsklinik AGUK Felix-Platter-Spital FPS • Neurorehabilitation • Psychogeriatrie Intensivmedizin • Medizinische Intensivstation MIPS, USB • Kantonsspital Bruderholz, BL • Klinik St. Anna Luzern Übersicht Anzahl EI und GI Fragebogen: Station EI GI OIB 5 1 AGUK 5 2 IPS Bruderholz 8 2 FPS Psychogeriatrie 4 1 4 1 IPS St. Anna 8 2 Gesamt Interview 34 9 FPS • Abgegeben: n= 219 • Rücklaufquote: 57% Fallbeobachtungen: • Beobachtungen: n= 22 • Anzahl teilnehmende Personen : n= 133 Neurorehabilitation Anzahl befragte Pers. n= 76 Berufsgruppen: • Ca. 35% Ärzte • Ca. 50% Pflege • Ca. 15% paramed. Dienste Akzeptanz von METAP GI: n=9, Teilnehmende: n= 44 Praktikabilität Kompetenzsteigerung Einzel- und Gruppeninterview, Fragebogen Haben Sie den Eindruck, dass Sie im Bereich der medizinethischen Entscheidungsfindung an Kompetenz gewonnen haben? Wenn ja, für welche Themenbereiche bzw. Fragestellungen? Können Sie Beispiele dafür geben? Wenn nicht: Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Fragenbogen n= 125, Rücklauf 57% Fragenbogen n= 125, Rücklauf 57% Reduktion Belastung Fragebogen: Die Anwendung der Leitlinie METAP reduziert meine Belastung oder Betroffenheit bei ethisch schwierigen Therapieentscheiden. Fragenbogen n= 125, Rücklauf 57% Beobachtung Fallbesprechung Beobachtung Fallbesprechung Beobachtung von Fallbesprechungen n = 22 • Intensivstationen n=13 • Geriatrie n=9 Teilnehmende: n= 133 (33% Ärzte, 51% Pflegende, 15% paramedizinische Dienste) Ausgewählte Ergebnisse Nutzen für Patient (VAS 1-100%) • Perspektive Teilnehmende Fallbesprechung • Alle (n=133) Nutzen = 76 % • Ärzte = 76% • Pflegende = 73% • Paramedizinische Dienste = 86% • Perspektive Beobachtende • 71% bei Interraterreliabiliät von r=0.75 Beobachtung Fallbesprechung n=22, Teilnehmende n=133 Beobachtung Fallbesprechung n=22, Teilnehmende n=133 Interesse? Schulungen? www.klinischeethik-metap.ch [email protected] Fragen, Bestellungen http://www.klinischeethik-metap.ch