Wie geht`s dir vor der Uraufführung deines aktuellsten Stückes? Ich

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Wie geht‘s dir vor der Uraufführung deines aktuellsten Stückes?
Ich bin mindestens so aufgeregt wie meine drei älteren Damen im Stück, die gerade dabei
sind, ein Bordell aufzumachen.
„Lustgarantie“ - ein Stück über Sex im Alter, auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen
stecken so viel mehr Themen darin: Lebensfreude, Mut, wie geht die Gesellschaft – und auch
man selbst – mit "dem Alter" um. Was war dein Antrieb dieses Stück zu schreiben?
Mir ist aufgefallen, daß es für ältere Schauspielerinnen immer weniger Rollen gibt, und wenn
es welche gibt, dann sind sie sehr klein und haben kaum noch Text. Genauso wie ältere
Frauen aus dem Weichbild der Gesellschaft verschwinden, verschwinden sie auch auf dem
Theater. Deswegen habe ich es mir in den Kopf gesetzt, gleich drei Hauptrollen für ältere
Schauspielerinnen zu schreiben.
Wie hast du dich deinen Figuren in diesem Fall genähert? Vom Lebensalter her sind sie dir ja
nicht wirklich nahe.
Noch nicht. Aber du hast recht, in allen meinen bisherigen Stücken treten hauptsächlich
Figuren auf, die zwischen Mitte zwanzig bis Anfang vierzig sind. Ich konnte also mitunter auf
meinen biographischen Fundus zurückgreifen. Bei der „Lustgarantie“ war es eine
Vorwegnahme von Gefühlen und Erfahrungen. Jeder von uns hat schon irgendwann einmal
den Gedanken gehabt, wie es wohl in einigen wenigen Jahrzehnten um einen selber stehen
wird. Wird man einsam und allein sein? Wird es noch jemanden geben, der – wie eine der
Frauen im Stück sagt – nachschaut, ob man überhaupt noch lebt? Im Unterschied zu den
Lebenswegen meiner anderen, jüngeren Figuren, bei denen noch vieles möglich ist, ist der
Lebensweg dieser Frauen nur noch von einem gekennzeichnet: von der
Überraschungslosigkeit der wenigen, noch verbliebenen Jahre. Deswegen wagen sie auch
diesen extremen Ausbruchsversuch.
Hast du ein "Vorbild", eine Person, wo du sagst, das möchte ich auch schaffen, so möchte ich
im Alter auch sein?
Mir sind immer wieder alte Frauen begegnet, die sich nicht verhalten haben wie alte Frauen.
Ihre Fähigkeit, dem eigenen Lebensalter, der eigenen Hinfälligkeit, der Endlichkeit der Dinge,
mit Humor beizukommen, hat mich immer sehr beeindruckt. Eine dieser Frauen war meine
Oma, sie hatte – und das mußte ich im Stück einfach verwenden - tatsächlich ein Kuvert mit
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der Aufschrift „Mein letzter Gang“, in dem sie Geld für ihr Begräbnis gespart hatte. Sie hat
immer wieder beschlossen, daß es noch nicht an der Zeit sei, zu sterben, hat das Geld wieder
herausgenommen und es für die schönen Dinge des Lebens ausgegeben. Das ging mindestens
zwanzig Jahre so dahin. Auf diese Weise wurde sie 91.
Was würdest du machen, wenn du "nichts mehr zu verlieren" hättest?
Mich mit meinem Geliebten ins Bett legen und Zukunftspläne wälzen.
Wie gehst du an das Stückeeschreiben heran? Wie lange dauert der Prozeß bei dir? Von der
ersten Idee bis zur Fertigstellung.
Ich brauche, bevor ich überhaupt zu schreiben beginne, einen kurzen, aber prägnanten Plot.
Beim dem Stück „Qualifikationsspiel“, das auch an der Neuen Bühne Villach uraufgeführt
wurde, war es zum Beispiel folgende Geschichte: Ein Mann, der in seinen Beziehungen nach
spätestens drei Wochen das Gefühl hat, die Frauen haben alle irgendeine Art von Störung,
von der Allergie bis zur Bulimie, beschließt, gleich in die Psychiatrie zu gehen, um dort eine
Frau kennenzulernen. Dann weiß er wenigstens von Anfang an, wie gestört sie ist. Daraufhin
beginne ich zu überlegen, wie viele Figuren ich brauche, um diese Tragikomödie – bei mir
sind es ja immer Tragikomödien – zu erzählen. Wenn ich das weiß, denke ich mir lauter
fiktive Biographien aus. Und dann dichte ich los. Alles in allem dauert dieser Vorgang
ungefähr ein Jahr.
Wie geht es dir mit einem Auftragswerk? Gibt es für dich einen Unterschied, ob du ein Stück
mit oder ohne konkreten Auftrag schreibst?
Ein Auftragswerk ist eine feine Sache, weil man von Anfang des Schreibens an weiß, wo und
mit wem man arbeiten wird. Ich habe während der Arbeit an der „Lustgarantie“ ja auch
immer wieder mit dem Michael Weger telefoniert, ihm von Szenen erzählt und sofort
ausprobiert, wie er darauf reagiert. Das Schreiben ist an und für sich ein einsamer und
asozialer Prozeß, und es ist schön, wenn man während dieser Zeit von Mitstreitern begleitet
wird, die gierig auf ein neues Stück sind und dafür auch noch im Voraus bezahlen.
Noch einmal zu „Lustgarantie“: An einer Stelle kommt im Stück vor: Sexarbeit ist - wie
Prostitution gerade politisch korrekt bezeichnet wird – die größte Erniedrigung für Frauen.
Siehst du das so?
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Ich habe mich viel mit dem Thema beschäftigt. Als ich mir den Grundplot für dieses Stück
ausgedacht hatte, war ich ja ungefähr auf dem Wissenstand meiner drei alten
Jungunternehmerinnen. Beim Recherchieren ist mir vieles untergekommen, von der
selbständigen und selbstbewußten Prostituierten bis hin zu Berichten von sehr demütigenden
und erniedrigenden Erfahrungen. Ich will diese Frage nicht moralisch diskutieren, sondern
sozialpolitisch: In Österreich haben Prostituierte jede Menge Auflagen und Pflichten, aber
kaum Rechte. Sie zahlen Steuern und soziale Abgaben, haben aber keine Pension und können
auch einen Verdienstentgang nicht einklagen. Manchmal erinnert mich das an die
Gesamtsituation von Frauen.
Woran arbeitest du gerade? Auf was kann man sich in naher Zukunft freuen?
Mein nächstes Stück heißt „Klimawandel“ und spielt in einer Abteilung eines großen
Kaufhauses. Draußen tobt ein Hurrikan, die Menschen werden von der Kaufhausverwaltung
über Lautsprecher aufgefordert, das Gebäude nicht zu verlassen. Ein paar Menschen finden
sich in der Bettenabteilung wieder: eine sechzigjährige Sängerin, die sich neu eingekleidet
hat, um zum allerletzten Mal für eine Rolle vorzusingen. Ein Student, der sich seinen
Lebensunterhalt verdient, indem er – verkleidet als lebensgroßes Tampon – in der
Kosmetikabteilung für eine neu eingeführte Marke wirbt. Der Verkäufer der Bettenabteilung,
der gerade von seiner Kündigung erfahren hat. In dem Stück geht es um Träume, die alle an
diesem einen Abend zerbrechen.
Hassler wird ja derzeit viel gespielt. Wo überall?
In diesem Monat gibt es neben der Uraufführung in Villach zwei Inszenierungen in Polen und
zwei in Deutschland. Von mir aus könnte es so weitergehen…
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