Mozart Stadtführer herunterladen

Werbung
Wenn ich seine Neugier versichern
könnte, dann mit DBV-Winterthur.
Ob klassisch oder modern: Neugier öffnet alle Türen.
Verlassen Sie sich auf ein Versicherungsunternehmen, das Klassik und Moderne ideal
miteinander verbindet. Über 130 Jahre Erfahrung stecken in unseren modernen
Versicherungsprodukten, die alle Lebensbereiche unserer Kunden absichern: Von
Altersvorsorge bis Unfallversicherung. Schnell und zuverlässig.
Wir beraten Sie gerne. Anruf genügt!
DBV-Winterthur
Versicherungen
Frankfurter Straße 50
65178 Wiesbaden
Tel.: 01803 335346*
*9 Cent /Minute
www.dbv-winterthur.de
Drei Generationen Mozart in Frankfurt – Ein Stadtführer
Mit freundlicher Unterstützung:
DBV-Winterthur Versicherungen
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Cronstett- & Hynspergische Evangelische Stiftung
Ernst Max von Grunelius-Stiftung
Mozart-Stiftung von 1838 zu Frankfurt am Main
Bankhaus Metzler Frankfurt am Main
Historisches Museum Frankfurt am Main
Degussa AG
Casa Sinopoli - Dr. Ulrike Kienzle
vividprojects GmbH
Kulturothek Frankfurt am Main
Freundes- & Förderkreis der Frankfurter Bürgerstiftung
bombel.com consulting, Freudenstadt
Herausgegeben von:
Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlößchen
Ausstellungspartner:
Historisches Museum Frankfurt am Main
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
FRANKFURTER BÜRGERSTIFTUNG
I M H O L Z H AU S E N S C H L Ö S S C H E N
1763: Leopold Mozart, Kapellmeister aus Salzburg, trifft mit seiner Familie in
Frankfurt ein. Die Konzerte der beiden Wunderkinder Nannerl und Wolfgang
bezaubern die Frankfurter. Unter ihnen ist auch eine spätere Berühmtheit:
Johann Wolfgang Goethe.
1790: Der inzwischen berühmte Komponist Wolfgang Amadeus Mozart weilt
anläßlich der Kaiserkrönung Leopolds II. ein weiteres Mal in Frankfurt. Er trifft
viele alte Bekannte, speist in den vornehmsten Häusern der Stadt und gibt ein
Konzert.
1820: Mozarts jüngster Sohn Franz Xaver, genannt Wolfgang Amadeus junior,
kommt während einer mehrjährigen Konzertreise für vier Wochen nach Frankfurt.
Er läßt sich vom Cäcilien-Verein begeistern.
Drei Generationen Mozart in Frankfurt:
drei Marksteine Frankfurter Musikgeschichte!
Drei Generationen Mozart in Frankfurt – Ein Stadtführer
Seite 3
Seite 4
GRUSSWORT
VORWORT
Seite 8
WO MOZARTS WOHNTEN UND WIRKTEN:
EIN SPAZIERGANG DURCH FRANKFURT
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
EINLEITUNG
1. ALTE BRÜCKE
2. MAINKAI/FAHRTOR
3. RÖMERBERG
4. BENDERGASSE 3/ SCHIRN
5. «KAISERDOM» ST. BARTHOLOMÄUS
6. GASTHAUS «ZUM GOLDENEN LÖWEN», FAHRGASSE 27
7. SCHÄRFENGÄSSCHEN/ECKE HOLZGRABEN
8. GASTHAUS «ZUM WEISSEN SCHWAN», STEINWEG 12
9. «BACKHAUS», KALBÄCHER GASSE 10
10. RATHENAUPLATZ
11. KATHARINENKIRCHE
12. ZEIL
13. STIFTSTRASSE / ECKE STEPHANSTRASSE
14. ZEIL
15. ALTE MAINZER GASSE / MAINKAI 35
16. AUSBLICK 2006
8
12
14
15
16
17
18
19
22
22
23
24
24
26
26
28
30
© 2005 Herausgeber: Frankfurter Bürgerstiftung, Stiftungsgeschäftsführer Clemens Greve
Hintergrund: Nach Frankfurt konnte man entweder auf dem Land- oder auf dem Wasserweg reisen: Ein solches Marktschiff brachte die Familie Mozart 1763
von Mainz nach Frankfurt. Vorne der Gutleuthof, hinten der Dom St. Bartholomäus.
Titelbild: Mozart, von Rosen umgeben, den Arm lässig auf die Säule seines ewigen Ruhmes gestützt, flüchtig beschriebene Notenblätter seiner Hand entgleiten
lassend – so stellte man sich den Tonsetzer im 19. Jahrhundert vor.
Grußwort
Mozart-Jahr 2006: Der 250. Geburtstag Wolfgang Amadeus Mozarts im Januar 2006
ist für viele europäische Städte ein willkommener Anlaß, die Spuren des großen
Komponisten in den eigenen Straßen und Gebäuden, aber auch im Spiegel der
Dokumente von Zeitgenossen und Nachgeborenen zu verfolgen. Deshalb wurde die
Initiative «Europäische Mozart-Wege» gegründet und vom Europarat mit der
Auszeichnung «Major Cultural Route» versehen: Kulturreisen, innovative Projekte für
Kinder und Jugendliche, kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen rund um
Mozart stehen auf dem Programm. Eine Station auf den «Europäischen Mozart-Wegen»
ist Frankfurt am Main: Zweimal ist Mozart in unserer Stadt gewesen und hat umjubelte
Konzerte gegeben. Die kunstsinnige Frankfurter Bürgerschaft hat Mozarts Musik von
Anfang an geliebt; viele seiner Opern wurden bald nach ihrer Uraufführung in Frankfurt
nachgespielt. 1838 wurde hier die Mozart-Stiftung zur Förderung junger Komponisten
gegründet. Und so ist es ein lohnendes Unterfangen, die Wege, die Mozart in unserer
Stadt unternommen hat, einmal nachzugehen. Der vorliegende Stadtführer, herausgegeben
von der Frankfurter Bürgerstiftung, die die «Europäischen Mozart-Wege» in unserer
Stadt vertritt, gibt dazu Gelegenheit. Auch wenn die Häuser, in denen Mozart gewohnt
und musiziert hat, nicht mehr stehen, so lädt dieser Stadtführer doch dazu ein, Frankfurt
mit neuen Augen zu entdecken – mit den Augen Mozarts, dessen Musik noch heute in
Frankfurt eine wichtige Rolle spielt.
Petra Roth
OBERBÜRGERMEISTERIN
Vorwort
Z
um Mozartjahr 2006, dem 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart, wird es zahlreiche
Veranstaltungen in Frankfurt am Main geben. Auch die Frankfurter Bürgerstiftung wird
im Holzhausenschlößchen und an anderen Veranstaltungsorten in Frankfurt Konzerte, Lesungen,
Vorträge, Kinderveranstaltungen und eine Ausstellung durchführen.
Mozart besuchte Frankfurt zweimal, zu Beginn und am Ende seines Lebens. Alle wichtigen Orte,
die er während seiner Aufenthalte in Frankfurt besuchte, sollen in diesem Frankfurter Mozart-Stadtführer
in alten und gegenwärtigen Ansichten und anhand des Merian-Stadtplans und in ausführlichen
Beschreibungen veranschaulicht werden. Aber auch der einmonatige Aufenthalt des Mozartsohnes
und Komponisten Franz Xaver findet in diesem Stadtführer Beachtung. Der Musikwissenschaftlerin
Dr. Ulrike Kienzle ist es zu verdanken, daß wir in diesem Stadtführer Näheres über seinen Aufenthalt im
Jahr 1820 in Frankfurt erfahren können. In einer im Januar 2006 stattfindenden Ausstellung «Drei
Generationen Mozart in Frankfurt» wollen wir u.a. auch diesen Aufenthalt ausführlich untersuchen.
Nicht nur erwähnt sei aber auch die Arbeit der 1838 in Frankfurt gegründeten Mozart-Stiftung, die eine
der ersten Fördereinrichtungen für junge Komponistinnen und Komponisten ist. U. a. wurden durch
diese Stiftung Max Bruch und der Komponist von «Hänsel und Gretel», Engelbert Humperdinck, unterstützt. Aus der Biographie seines Sohnes Wolfram erfahren wir, daß der eigentliche Entschluß,
sich dem Musikstudium zu widmen, auf den Rat eines gebürtigen Frankfurters, den «Rheinischen
Musikpapst» Ferdinand Hiller, zurückging, der damals das Konservatorium in Köln leitete und den
jungen Engelbert Humperdinck in seine Obhut nahm.
4
Rechts: Stadtplan von Frankfurt am Main nach Matthäus Merian um 1761 (Historisches Museum Frankfurt am Main)
Doch was hat das alles mit der Frankfurter Mozart-Stiftung von 1838 zu tun? Sehr viel, schließlich war
es Hiller, der Humperdinck ein Stipendium der Mozart-Stiftung besorgte, das ihm ein sorgenfreies
Studium ermöglichte. Zuvor war Humperdinck schwer erkrankt und mußte sein Studium unterbrechen.
Da setzte sich Hiller für die Zusage eines Stipendiums der Mozart-Stiftung ein, das wieder «frohe
Stunden ins Elternhaus» brachte. Dieses Stipendium ermöglichte immerhin das Studium für vier
weitere Studienjahre, anfangs in Köln und anschließend in München.
Weshalb schreibe ich darüber so ausführlich? Die Frankfurter Bürgerstiftung ist seit 2003 Mitglied im
Verein «Europäische Mozart-Wege»; als Geschäftsführer der Bürgerstiftung bin ich u.a. auch Mitglied des
Verwaltungsrates der in Frankfurt beheimateten Mozart-Stiftung, und so liegt es nahe, daß ich für den
wichtigen Mozartort Frankfurt werbe, dies aber nicht nur im Hinblick auf die interessante Vergangenheit, sondern auch mit einem Blick in die Zukunft: was können wir, die Freunde und Förderer der
Frankfurter Bürgerstiftung und alle Freunde der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart tun? Wir können
dafür sorgen, daß die Mozart-Stiftung unsere Hilfe erfährt, indem wir für deren Arbeit, d. h. die Unterstützung junger hilfsbedürftiger musikalischer Talente bei ihrer Ausbildung in der Kompositionslehre,
spenden (s. beiliegenden Überweisungsträger). 1923 ist das Stiftungsvermögen der Mozart-Stiftung von
240000 Goldmark auf 3000 Goldmark zusammengeschrumpft. Durch eine Vielzahl von kleinen Spenden
konnte die Stiftung bis zum heutigen Tag ein bescheidenes Stiftungskapital zusammentragen, das gerade
für eine kleine regelmäßige Unterstützung dreier Stipendiaten reicht.
Fangen wir in der Europastadt Frankfurt an, helfen wir alle mit, die Mozart-Stiftung zu unterstützen,
damit im Jahr 2006 vielleicht noch ein weiteres Stipendium ermöglicht und ein interessantes
Musikprogramm mit den Werken Wolfgang Amadeus Mozarts und den Werken der Stipendiaten der
Mozart-Stiftung zur Aufführung kommt. Ich finde, es ist unsere Aufgabe, der Mozart-Stiftung im
Mozart-Jubiläumsjahr neuen, aktuellen Auftrieb zu verleihen, damit ihre wertvolle Arbeit auch auf Dauer
weitergeführt werden kann. Das Mozartjahr nehmen wir, die Frankfurter Bürgerstiftung, zum Anlaß, um
auf diese kleine wichtige Stiftung aufmerksam zu machen.
Frau Dr. Ulrike Kienzle möchte ich sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit bei der Verwirklichung
dieses gelungenen Mozart-Stadtführers danken. Und der Frankfurter Mozart-Stiftung, die im Laufe ihrer
Geschichte zahlreiche junge Talente gefördert hat, wünsche ich, daß ihr wieder größere Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Ganz besonders möchte ich den Mitarbeitern des Historischen Museums Frankfurt
für ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen unserer gemeinsamen, zwischen dem 8. Januar
und dem 24. Februar im Holzhausenschlößchen stattfindenden Ausstellung danken, namentlich Herrn
Dr. Jan Gerchow, Frau Anja Damaschke und Herrn Oliver Morr.
Ihr Clemens Greve
STIFTUNGSGESCHÄFTSFÜHRER
Links: Geometrischer Grundriß der freien Stadt Frankfurt und Sachsenhausen im Jahr 1822;
aufgenommen, gezeichnet und herausgegeben von C. F. Ulrich, Architekt und Mathematiker (Historisches Museum Frankfurt am Main)
7
Wolfgang Amadeus Mozart ist viel in Europa herumgekommen.
Die Enge seiner Vaterstadt Salzburg hat er nie lange ausgehalten;
auch aus Wien trieb es ihn öfter fort, und so können einige Städte
für sich beanspruchen, echte «Mozart-Städte» zu sein: Salzburg
und Wien, Mannheim, München und Augsburg, London, Paris
und Prag.Wie steht es da um Frankfurt? Mozart war zweimal
hier, zu Beginn und am Ende seines Lebens.
EIN STADTFÜHRER
Text: Ulrike Kienzle
8
Die erste Reise stand ganz im Zeichen des Wunderkindes. Vater Leopold war mit seiner Familie
im Juni 1763 in eigener Kutsche aus Salzburg
aufgebrochen, um das schier unglaubliche
Können seiner beiden Sprößlinge Wolfgang und
Nannerl der Welt zu präsentieren. Die Reise
führte bis nach London und Paris – und auf
dem Weg dahin eben auch nach Frankfurt. Erst
im November 1766 kehrte die Familie nach
Salzburg zurück.
Augsburg hatte Leopold ein «Clavierl», also ein
Reiseclavichord, gekauft, auf dem die Kinder
unterwegs üben konnten. Man hat nicht den
Eindruck, daß die Kinder unglücklich gewesen
wären, im Gegenteil: «Der Wolfgang: ist ganz
ausserordentlich lustig, aber auch schlimm»,
schreibt Vater Leopold aus Frankfurt an einen
Salzburger Freund. «Schlimm» – das heißt wohl:
übermütig, ungezogen, wild – wie Kinder in
diesem Alter eben sind.
Wenn man bedenkt, daß die Familie Mozart über
drei Jahre ununterbrochen auf Reisen war, dann
muß man sich fragen: Was haben die Kinder
gelernt? Wie haben sie ihre Tage verbracht? Wie
hält es ein Siebenjähriger aus, von Freunden und
Spielzeugen und der heimatlichen Umgebung so
lange getrennt zu sein? Die Familie lebte in der
Kutsche und in Gasthäusern. Dort erhielten die
Kinder auch Unterricht von ihrem Vater. Beide
lernten mühelos: Sprachen, Mathematik, offizielle
Umgangsformen – und natürlich Musik. In
In seinen Konzertankündigungen sparte Leopold
nicht mit vollmundigen Versprechungen: Es galt,
«ein Wunder zu verkündigen, welches Gott in
Salzburg hat lassen geboren werden». Solche
Erwartungen konnten seine Kinder stets mühelos
erfüllen, wenn nicht sogar übertreffen. Besonders
der putzige Siebenjährige mit dem pausbäckigen
Kindergesicht in der altväterischen Galauniform
nebst Perücke und Degen wurde überall begeistert beklatscht, umjubelt, beschenkt und geküßt.
1790 kam Wolfgang Amadeus Mozart in eigener Kutsche nach Frankfurt – wahrscheinlich,
wie auf diesem zeitgenössischen Kupferstich, von der Sachsenhäuser Seite her.
Mozarts zweite Reise nach Frankfurt im Herbst
1790 stand unter einem weniger günstigen Stern.
Ein Jahr vor seinem Tod fuhr der von Geldschulden und sozialem Abstieg bedrohte Komponist
anläßlich der Kaiserkrönung Leopolds II. in die
Stadt am Main. Seine Hoffnung, als Angehöriger
der Hofkapelle eingeladen zu werden, hatte sich
nicht erfüllt: Dem Kaiser gefielen die Werke
Salieris besser, und so mußte Mozart auf eigene
Kosten reisen und dafür sein Silber versetzen, um
die Reise finanzieren zu können. Immerhin fuhr
er standesgemäß im eigenen Reisewagen und in
Begleitung seines Schwagers Franz Hofer. Aus
demselben Jahr 1790 stammen die immer verzweifelteren Bittbriefe an den Logenbruder Michael
Puchberg. In einer Schuldverschreibung, datiert
vom 1. Oktober 1790 (Mozart war zu dieser Zeit
bereits in Frankfurt) verpfändet er sein gesamtes
Mobiliar für ein Darlehen von 1000 Gulden.
Offenbar hoffte er, aus Frankfurt eine ansehnliche
Summe zur Tilgung nach Hause zu bringen.
Mozart spekulierte, wie 27 Jahre zuvor schon sein
Vater, auf den Reichtum der Stadt. Aber in dem
kunterbunten Rummel rund um die Krönung, in
der Fülle musikalischer, militärischer, gesellschaftlicher Vergnügungen ging sein eigenes Konzert
förmlich unter. Er wurde zwar von den spärlich
erschienenen Zuhörern mit Ehre und Anerkennung bedacht, aber finanziell scheint sich die
Unternehmung nicht gelohnt zu haben.
Schließlich weilte Mozarts jüngster Sohn Franz
Xaver Wolfgang in Frankfurt – er blieb einen
Monat lang. Er war, wie sein Vater, Komponist
und reisender Virtuose und lebte sein Leben in
dessen Schatten. Von seiner Mutter Konstanze
wurde er schon früh zum Wunderkind erzogen.
Als Fünfjähriger sang er vor geladenen Gästen
Papagenos Vogelfänger-Lied aus der «Zauberflöte» und brachte schon bald die Klaviersonaten
seines Vaters öffentlich zu Gehör. Er nannte sich
«Wolfgang Amadeus Mozart junior» und schrieb
gediegene Kompositionen im Stil der Frühromantik. Er war keineswegs unbegabt, aber eben
kein Genie. Nach einer Anstellung als Musiklehrer bei einer wohlhabenden Familie ließ er
sich in Lemberg nieder und brach von dort im
Mai 1819 zu einer großen Konzertreise durch
Europa auf. Wir wissen gut über diese Reise
Bescheid, denn Franz Xaver Mozart führte ein
Brieftagebuch für seine daheim zurückgelassene
Geliebte. Am 5. Dezember 1820 war er hier im
«Rothen Haus» auf der Zeil Zeuge einer denkwürdigen Aufführung von Mozarts Requiem
9
Drei Generationen Mozart in Frankfurt am Main:
Oben: Wolfgang Amadeus (1756 – 1791), Siberstiftzeichnung von Dora Stock
Unten links: Vater Leopold (1719 – 1787)
Unten rechts: Mozarts Sohn Franz Xaver Wolfgang (1791 – 1844) in zeitgenössischen Darstellungen.
Sie erlebten Frankfurt als eine «altväterische» Stadt voller mittelalterlicher Fachwerkhäuser.
Inzwischen hat sich das Stadtbild vollkommen verwandelt: Das kleine Bild in der Mitte zeigt
die heutige Frankfurter Skyline von der Alten Brücke aus.
durch den neu gegründeten Cäcilien-Verein
unter der Leitung von Johann Nepomuk
Schelble. Franz Xaver knüpfte viele Kontakte
zum Frankfurter Musikleben, gab ein vielbeachtetes Konzert und gründete daheim in Lemberg
– angeregt durch das Frankfurter Vorbild – seinen
eigenen Cäcilien-Verein.
Ein weiteres wichtiges Kapitel (auf das wir hier
allerdings nicht näher eingehen können) ist die
Aufführungsgeschichte von Mozarts Musik in
Frankfurt. Schon früh wurden seine Opern hier
nachgespielt, meist wenige Monate nach der
Uraufführung, und bildeten einen festen Kern im
Repertoire. 1838 gründeten kunstsinnige Frankfurter Bürger die «Mozart-Stiftung» – eine der
ersten Fördereinrichtungen für junge Komponisten.
Ist Frankfurt also eine richtige Mozart-Stadt?
Ja und nein. Natürlich kann Frankfurt nicht mit
Augsburg oder Mannheim, geschweige denn mit
Salzburg oder Wien konkurrieren. Und doch war
Frankfurt eine wichtige Stadt in der Familiengeschichte der Mozarts. Leopold hat hier einige
seiner originellsten Briefe verfaßt und nach eigenem Bekenntnis so viel erlebt, daß er tagelang
davon hätte berichten können. Die beiden
Frankfurter Aufenthalte Wolfgang Amadeus
Mozarts stehen jeweils an Wendepunkten seiner
Biographie: Das umjubelte Wunderkind und der
von Sorgen gezeichnete Mann, der um die Gunst
der Reichen buhlen muß – das sind starke
Kontraste. Sein Sohn wiederum nahm aus
Frankfurt viele Anregungen mit. So kann
Frankfurt zwar keinen zentralen, aber durchaus
einen würdigen Platz in der Reihe der MozartStädte beanspruchen.
Die beiden Frankfurter Aufenthalte Wolfgang Amadeus Mozarts stehen
jeweils an Wendepunkten seiner Biographie: das umjubelte Wunderkind
und der von Sorgen gezeichnete Mann, der um die Gunst der Reichen
buhlen muß – das sind starke Kontraste.
In diesem kleinen Stadtführer möchten wir
Sie anhand von alten und neuen Bildern,
Dokumenten und Texten zu den wichtigsten
Mozart-Stätten führen – oder besser gesagt: zu
dem, was aus ihnen geworden ist. Denn die
Katastrophe des Zweiten Weltkrieges hat dafür
gesorgt, daß kein einziges der Häuser, in denen
die drei Mozarts sich aufgehalten haben, erhalten
ist. Das alte Frankfurt ist untergegangen, aber die
Erinnerung daran kann wieder lebendig werden.
Deshalb haben wir ganz bewußt die Bilder der
originalen Gebäude mit Fotos aus dem modernen Frankfurt konfrontiert. Und wir haben den
historischen Stadtplan von Matthäus Merian von
1761 sowie einen Ausschnitt aus einem Plan
von 1822 unserem Sonderdruck beigefügt.Wenn
Sie sich von unseren Vorschlägen zu einem
Spaziergang durch Mozarts Frankfurt anregen
lassen, dann wird es Ihnen vielleicht gelingen,
anhand der alten Bilder in Ihrer Imagination die
verschwundenen Häuser neu erstehen zu lassen.
11
WO MOZARTS WOHNTEN UND WIRKTEN:
EIN SPAZIERGANG DURCH FRANKFURT
1. ALTE BRÜCKE
1. ALTE BRÜCKE
Die alte Mainbrücke war im 18. und 19. Jahrhundert eine wichtige Verkehrsader. Sie war jahrhundertelang die einzige unmittelbare Verbindung zwischen Sachsenhausen und der Messestadt. Einige Schritte von hier, in der Brückenstraße 26, ist Mozart 1790 im Gasthof «Zu den
drei Rindern» für eine Nacht eingekehrt – «zu
Tod froh, daß wir ein Zimmer erwischt haben». Auch
Schiller hatte hier schon einmal gewohnt. Heute
gibt es das Gasthaus nicht mehr; die Brückenstraße ist nur noch einseitig bebaut, und dort, wo
Mozart übernachtet hat, tost der Verkehr durch
die Walter-Kolb-Straße.
12
Am Tag nach seiner Ankunft 1790 kam Mozart
über die Alte Brücke, um sich in der Innenstadt
ein passenderes Domizil zu suchen. Auf umgekehrtem Wege hatte die Familie Mozart schon
1763 die Brücke passiert: Auf ihren Ausflügen
zum Deutschordenshaus und zum Forsthaus
überquerten sie den Main und fuhren dabei
durch die imposanten Stadttore zu beiden Seiten
der Brücke, die auf dem alten Merianplan abgebildet sind.
Die alte Brücke wurde 1926 durch einen Neubau
ersetzt. Wenn Sie etwa in der Mitte der Brücke
stehen, fällt Ihr Blick zunächst auf die futuristische Skyline des modernen Frankfurt.Wie mag es
zu Mozarts Zeit hier ausgesehen haben?
Frankfurt war eine verwinkelte, mittelalterliche
Stadt mit viel Fachwerk, spitzen Giebeln und 55
Wehrtürmen. Es gab jedoch kaum imposante
Kirchtürme, was von vielen Besuchern des 18.
Jahrhunderts negativ vermerkt wurde. Den Kern
bildete die dicht besiedelte Innenstadt. Sachsenhausen war in den 1390 geschaffenen Mauerring
einbezogen, wie sich auf dem alten Merianplan
leicht erkennen läßt. 1793 begann die Erweiterung der Stadt über die Mauern hinaus. Die
Befestigungsanlagen wurden aufgelassen und in
Spazierwege und Gartenanlagen umgewandelt.
So lernte Mozarts Sohn Franz Xaver die Stadt
kennen. Viele Häuser in der Altstadt hatten
Schieferdächer, die im abendlichen Sonnenlicht
wunderschön glänzten.
Oben: Die alte Mainbrücke zwischen Frankfurt und Sachsenhausen in einer
Ansicht von 1747. Rechts und links die imposanten Türme, wie sie auch auf
dem alten Merianplan von 1761 zu sehen sind. Das mittelalterliche Bauwerk
mit seinen vielen Bögen war nur acht Meter breit; so muß es zu Messezeiten
hier recht eng gewesen sein. 1926 wurde die alte Brücke durch einen Neubau
ersetzt.
Links: Das «Gasthaus zu den drei Rindern» in der Brückenstraße 26,
historische Fotografie. Daß Schiller und Mozart hier einmal übernachtet
hatten, sollte auch Jahrhunderte später noch Gäste anlocken.
Unten: Die Alte Brücke heute – im Hintergrund die Turmspitze des Kaiserdoms St. Bartholomäus, der zur Zeit der Aufnahme eingerüstet war.
Franckfurt ist ein altväterischer Ort, und von
dem Römer habe ich mir viel andere Vorstellungen
gemacht: Es will weder der Platz noch der Römer
gar nichts sagen. Es giebt doch einige schöne
Gebäude, doch wenige: Hingegen giebt es schöne
Kaufmanns Gewölber, und viel 1000 Juden.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, 13. August 1763
Links: Einer der beiden Kräne am Mainufer, die Leopold Mozart
beeindruckten, auf einem Gemälde von Friedrich Wilhelm Hirt
(1757). Der erste Kran ist bereits für 1331 bezeugt. Das Tretrad
im Innern wurde von Knechten in Gang gehalten; auf diese Weise
konnten Schiffe be- und entladen werden. Dafür war eine Gebühr
fällig, das sogenannte «Krangeld».
Oben: Der Römerberg im 18. Jahrhundert. Früher fanden hier
die großen Handelsmessen statt, hier drängten sich Holzstände
und Meßläden mit allem, was die Welt zu bieten hatte. Zu den
Kaiserkrönungen versammelten sich Frankfurter Bürger und
Tausende von Fremden, um den Zug des Kaisers und seines
Gefolges vom Römer in den Dom und zurück zu betrachten –
und um bei der Ausübung der «Erzämter» ein Stück vom gebratenen Ochsen und ein paar Münzen zu ergattern.
2. MAINKAI / FAHRTOR
Um den 10. August 1763 fuhren die Mozarts mit
dem Marktschiff von Mainz nach Frankfurt. Sie
hatten einen Teil ihres Gepäcks in Mainz zurückgelassen; Frankfurt war eher als ein kleiner
Abstecher gedacht. Sie blieben schließlich drei
Wochen. Am Mainufer fielen ihnen sofort die
gewaltigen Kräne auf, mit denen die Güter von
den Schiffen ans Land gehievt wurden – diese
«Drohnen» waren Leopold einen Eintrag ins
Reisetagebuch wert. Auf dem Merian-Stadtplan
von 1761 sind zwei solcher Kräne zu sehen; der
Maler Friedrich Wilhelm Hirt hat einen davon
auf seiner Ansicht des Mainufers von 1757 festgehalten. In ihrem Innern befand sich ein großes
Tretrad, das von Knechten in Gang gehalten wurde.
2. MAINKAI/ F A H R T O R
3. RÖMERBERG
3. RÖMERBERG
Welchen Eindruck gewann Leopold Mozart von
der Stadt? Kurz nach seiner Ankunft schrieb er
den Freunden in Salzburg:
«Franckfurt ist ein altväterischer Ort, und von dem
Römer habe ich mir viel andere Vorstellungen gemacht:
Es will weder der Platz noch der Römer gar nichts
sagen. Es giebt doch einige schöne Gebäude, doch wenige:
Hingegen giebt es schöne Kaufmanns Gewölber, und
viel 1000 Juden.»
Ein hartes Urteil vielleicht – aber auch ein zeittypisches. Denn im 18. Jahrhundert blickte man
mit Geringschätzung auf den kleinteiligen,
bewegten Baustil des Mittelalters herab. Der
«Römer», das mittlere und höchste von drei zusammenhängenden Treppengiebelbauten, wurde
vermutlich nach den römischen Kaufleuten so
benannt, die zu Messezeiten hier ihr Quartier
hatten, oder auch (wie gelegentlich zu lesen ist)
nach einem seiner Vorbesitzer, der eine Pilgerfahrt nach Rom gemacht haben soll. Der
Gebäudekomplex gelangte 1405 in den Besitz
der Stadt und wurde zum Rathaus. Hier tagte bei
Kaiserkrönungen der Reichstag. Die wieder aufgebauten winkligen Häuser gegenüber, die östliche Römerzeile, geben eine ungefähre Vorstellung davon, wie es am Römerberg einmal ausgesehen hat. Die Häuser trugen sprechende
Namen: «Zum Engel», «Goldener Greif», «Wilder
Mann». Leopold Mozart hatte für das pittoreske
Idyll mit seinen vielen Wetterfahnen, Hauszeichen, farbig bemalten oder geschnitzten Hauseingängen und Wasserspeiern allerdings keinen
Blick. Er bevorzugte den neuen Baustil: große,
geräumige Häuser, wie sie die reichen Kaufleute
für sich bauten. So manches alte Fachwerkhaus
fiel ihnen zum Opfer.
15
Oben links: Die Bendergasse in einer Zeichnung von Th. Wolter.
Die Familie Mozart wohnte im dritten Haus von links.
Oben rechts: So sieht die Bendergasse heute aus: Aufgang zur «Schirn».
Unten: Leopold Mozarts Ritzinschrift auf einem Fensterflügel des
Hauses Bendergasse 3: «Mozart Maitre de la Musique de la chapelle
de Salzbourg avec Sa Famile le 12 Août 1763»
4. BENDERGASSE 3 / SCHIRN
4. BENDERGASSE 3 / SCHIRN
Wo sich heute der monumentale Bau der neuen
«Schirn» erhebt, stand bis zum Jahr 1944 gleich
hinter der Alten Nikolaikirche ein für die Stadt
typisches, verwinkeltes Haus: Bendergasse 3. Es war
1763 das erste Domizil der Familie Mozart. Die
Dachzimmer wurden oft an Fremde vermietet.
Wahrscheinlich hatte ein «Mr.Wahler» aus Frankfurt den Mozarts diese Unterkunft vermittelt;
sie hatten ihn in München kennengelernt.
Das Haus in der Bendergasse 3 barg einen ganz
besonderen Schatz: eine Ritzinschrift Leopold
Mozarts, die er wohl mit seinem Brillantring in
den Fensterflügel geschrieben hatte.
16
Leopolds Inschrift ist nicht die einzige (auch
andere Fremde haben sich hier verewigt), aber
ganz sicher die kostbarste. 1879 wurde das Fenster
ausgebaut und dem Historischen Museum
geschenkt – ein Glück, denn bei den schweren
Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs versank das Haus – wie die gesamte Innenstadt –
in Schutt und Asche.
Erst 1942 hatte man hier eine Tafel zum
Gedenken an Mozarts Frankfurter Aufenthalt
angebracht. In der Frankfurter Zeitung vom
22. August 1942 war zu lesen:
«Man möchte es beinah nicht glauben, dass dort
Mozart einmal gewohnt hat. Die Häuser der Bendergasse sind nicht die des Rosenecks oder des Römerberges; sie sind gut bürgerliches Sonntagsbehagen,
gegensätzlich zu dem farbenfrohen Schwung und der
stillen Verträumtheit der anderen, es erscheint unwirklich, daß die Wucht einer großen Genialität in ihnen
Platz gefunden hat. Dennoch schwingt in ihnen eine
Melodie, nicht nur der Sang strömenden Lebens, das sie
in den Jahrhunderten der Krönungs- und Messebesucher erfüllt hat, sondern auch das Klingen des Blickes
zum Tuchgaden mit dem Schöppenbrunnen und zur
aufwärts gerichteten Weite des Domes im grünen umgebenden Laub.» Diese Melodie ist für immer verklungen – die Musik Mozarts dagegen hat alle
Katastrophen überdauert.
5. «KAISERDOM»
ST. BARTHOLOMÄUS
Schon nach wenigen Tagen zogen die Mozarts
um.Auf dem Weg zu ihrem zweiten Domizil öffnet sich direkt hinter der «Schirn» der Blick auf
den «Kaiserdom». In diesem Gotteshaus wurden
die deutschen Könige und Kaiser gewählt und
gekrönt – auch die Krönung Leopolds II., die
Mozart 1790 noch einmal nach Frankfurt führen
sollte, fand hier statt.
Eine Kaiserkrönung: Das bedeutete für Frankfurt
stets ein immenses Aufgebot an kulturellen und
gesellschaftlichen Veranstaltungen. Die Festlichkeiten zogen sich über Wochen hin, verbunden
mit einer unvorstellbaren Prachtentfaltung: Kirchliche und politische Würdenträger fuhren in goldenen Karrossen durch die Straßen, von morgens
bis tief in die Nacht gab es Bälle, Feuerwerke,
Aufmärsche, Empfänge und festliche Konzerte.
Leopold II. wurde am 9. Oktober 1790 gekrönt.
Unter «Läutung aller Glocken, Schmettern der
Trompetten und Paucken und immerwährendem
Jubelgeschrey» zogen die hohen Herrschaften in
den Dom. Nach dem feierlichen, äußerst aufwendigen Ritual zog der Kaiser mit seinem Gefolge
über eine mit Tuch ausgelegte hölzerne Brücke
zum Festmahl in den Römer. Anschließend trieb
sich das Volk zu Tausenden in den verwinkelten
Straßen und Gassen der Altstadt herum. Nach
alter Tradition wurde auf dem Platz vor dem
Römer ein am Spieß gebratener Ochse dem Volk
«preisgegeben». Dazu floß roter und weißer Wein
in Strömen aus einem Brunnen, es wurde ein
großer Berg Hafer für das Volk aufgeschüttet, es
wurden Münzen geworfen – das nannte man in
Frankfurt die «Verrichtung der Erzämter». Beim
Streit um die besten Stücke ging es mit Hauen
und Stechen zu; gelegentlich soll es sogar Tote
gegeben haben.
5. «KAISERDOM»
ST. BARTHOLOMÄUS
Unten: Der frisch gekrönte Kaiser Leopold II. nimmt unter dem Portal des Kaiserdoms die Huldigung der Stadt Frankfurt entgegen –
personifiziert als üppige Frauengestalt, die dem Kaiser die Herzen der begeisterten Frankfurter auf dem Präsentierteller darbietet.
Der Engel am oberen Bildrand bläst «Vivat Leopoldus Secundus» auf seiner Trompete, und im Hintergrund des Stadtpanoramas geht
strahlend die Sonne auf. (Allegorischer Stich von J. C. Berndt, 1790)
Rechts: Der Kaiserdom auf einem Ölgemälde um 1765.
6. GASTHAUS «ZUM GOLDENEN
LÖWEN», FAHRGASSE 27
In der Fahrgasse 41 (heute Nr. 27), stand das
Gasthaus «Zum Goldenen Löwen», eine der vornehmsten Adressen in Frankfurt. Das Haus wurde
im Laufe seiner Geschichte mehrfach umgebaut.
Heute erinnern nur noch ein steinernes
Löwenrelief mit einer Inschrift und der (1781
angebrachte) Löwenbrunnen an das einstmals
berühmte Gasthaus.
Frankfurt war – mit Ausnahme von Augsburg,
von wo Leopold Mozart stammte – die einzige
Station auf der großen Reise, die keine fürstliche
Hofhaltung aufzuweisen hatte. Frankfurt war
«Freie Reichsstadt» und ein internationales
Handelszentrum. Die Fremden, die Händler und
nicht zuletzt die Juden, die in ihrem eigenen
Viertel wohnten, brachten Leben in die Stadt.
Während der Messen herrschte hier ein buntes
Treiben.
Es war üblich, daß Konzertkarten dort gekauft
wurden, wo die Künstler wohnten – und so
erschien es Leopold Mozart opportun, hier
ein standesgemäßes Quartier zu beziehen. Im
«Goldenen Löwen« machte die Familie allerlei
interessante Bekanntschaften: So berichtet Leopold
Mozart von einem «Frauen Zimmer amazonisch
gekleidet», das mitsamt «Cammermädl», Kutscher
und Bedientem in angetrunkenem Zustand ins
Gasthaus kam, oder von seinen Mitbewohnern,
unter ihnen der Churtrierische Gesandte, ein
Braunschweigischer Husaren-Rittmeister und
drei Engländer. Einer von ihnen pflegte vor dem
Essen im Main zu baden und dann naß «wie eine
getaufte Maus» im Speisesaal zu erscheinen.
Allerdings stand es 1763, als die Familie Mozart
zu Gast war, wirtschaftlich nicht gerade zum
Besten: Nach dem Ende des Siebenjährigen
Krieges waren die französischen Truppen, die jahrelang in Frankfurt stationiert gewesen waren,
abgezogen und hatten eine schmerzliche Lücke
im Wirtschaftsleben der Stadt hinterlassen.
Im August 1763 erschütterte der ungeheure
Bankrott der Gebrüder de Neufville in Amsterdam die Finanzmetropole und führte zu einer
schweren Geldkrise. Dreißig Handelshäuser gingen allein in Frankfurt, 95 weitere in Hamburg
bankrott. «Nun trauet hier keiner dem anderen, bis
man besser weiß, wie tief ein und anderer stecket»,
schrieb Leopold Mozart nach Hause.
6. GASTHAUS «ZUM GOLDENEN
Rechts: Ansicht des «Goldenen Löwen» in der Fahrgasse 41 (heute Nr. 27) auf einem zeitgenössischen Kupferstich.
In diesem vornehmen Haus war auch der Philosoph Voltaire im Sommer 1753 schon einmal abgestiegen: Er befand
sich auf der Flucht von Potsdam, wo er bei Friedrich dem Großen in Ungnade gefallen war. Schon am Tag nach
seiner Ankunft wurde er aufgegriffen und unter Hausarrest gestellt, später aber wieder freigelassen. Solche
Unannehmlichkeiten blieben der Familie Mozart naturgemäß erspart.
Oben: Der steinerne Löwe im Portal der Fahrgasse 27 erinnert noch heute an die große Vergangenheit des Hauses.
Am 18. war unser Concert. Es war gut.Am 22.ten
wird es wieder seyn, und auch am 25.ten oder 26.ten…
Alles gerieth in Erstaunen! Gott giebt uns die
Gnade, daß wir, Gott Lob, gesund sind, und aller
Orten bewundert werden.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, 20. August 1763
Links: Die Konzertankündigung Leopold
Mozarts in den «Frankfurter Frag- und
Anzeigungsnachrichten» vom 16. August
1763. In einer zweiten Ankündigung vom
30. August ist von der «allgemeinen
Bewunderung, welche die noch niemahls in
solchem Grade weder gesehene noch
gehörte Geschicklichkeit der 2 Kinder des
Hochfürstl. Saltzburgischen Capellmeisters
Herrn Leopold Mozart, in den Gemüthern
aller Zuhörer erwecket», die Rede.
7. SCHÄRFENGÄSSCHEN/
ECKE HOLZGRABEN
7. SCHÄRFENGÄSSCHEN/
ECKE HOLZGRABEN
Dem Erfolg der Mozartschen Konzert-Unternehmung in Frankfurt tat dies offenbar keinen
Abbruch. Die Frankfurter liebten die Musik,
wie der Chronist Johann Bernhard Müller schon
1750 versichert:
«Die Musik-Liebhaberei ist auch allhier sehr groß.
Diese edle Belustigung ist, seitdem der berühmte Herr
Telemann hier gewesen, in große Aufnahme gekommen.
Es sind wenig angesehene Familien, da nicht die
Jugend auf einem oder dem anderen Instrument oder im
Singen unterwiesen wird. Die Konzerte sind deswegen
sowohl öffentlich als in vornehmen Häusern sehr gewöhnlich und lassen sich dabei insgemein auch fremde und
berühmte Virtuosen hören, wenn sie hier durchreisen
und sich hier aufhalten.»
Zu dieser «edlen Belustigung» wollte auch die
Familie Mozart beitragen – so kündigten sie für
den 18. August in den «Frankfurter Frag- und
Anzeigungs-Nachrichten» ihr Konzert an.
Das Konzert fand im «Scharffischen Saal» hinter
dem Liebfrauenberg statt. Heute steht hier ein
schmuckloses Haus mit grünen Metalltüren; gegenüber befindet sich das Kapuzinerkloster mit seinem
idyllischen Innenhof. Der «Scharffische Saal» lag
an der Rückfront von Frau Scharffs Weinwirtschaft im «Haus zum Spangenberg». Sein Inhaber
hatte ihn «mit allen nur ordentlichen und erforderlichen Bequemlichkeiten, sowohl zu Hochzeiten, Baals,
Concerten als auch anderen erlaubten Lustbarkeiten»
ausgerüstet, «mit einem bretternen Fußboden versehen, und mit zwey großen Cristallen-Lüstres, und achtzehn versilberten Wandleuchtern, nebst erforderlichen
sauberen Stühlen ausgezieret».
19
Ursprünglich war nur ein Konzert vorgesehen,
doch daraus wurden vier – man stand um die
Konzertkarten Schlange.
Unter den Zuhörern der vier Konzerte befand
sich auch der Kaiserliche Rat Johann Caspar
Goethe mit seinem vierzehnjährigen Sohn.
«Ich habe Mozart als 7 jährigen Knaben gesehen, wo
er auf einer Durchreise ein Konzert gab. Ich selber war
etwa 14 Jahre alt, und ich erinnere mich des kleinen
Mannes in seiner Frisur und Degen noch ganz deutlich…» (Johann Wolfgang Goethe zu Johann Peter
Eckermann, 3. Februar 1830)
Zwischen den Konzerten blieb der Familie Zeit
für Spaziergänge und Besichtigungen.
Leopold Mozarts Reisetagebuch führt die
Sehenswürdigkeiten auf: die Schnurgasse (sie ist
auf dem Merianplan noch zu sehen, wurde später
jedoch überbaut), die Zeil (wo schon damals
wichtige Handelshäuser standen), den Roßmarkt
und den Markt, natürlich den Römerberg und
den Liebfrauenberg, die Kapuziner- und die
Dominikanerkirche, die alte Mainbrücke, die
Vorstadt Sachsenhausen mit dem Deutschordenshaus und schließlich das Forsthaus außerhalb der Stadt – ein beliebtes Ausflugsziel. Im
Die Nannerl trägt zum spazieren gehen einen Englischen Hut, wie es in diesen
gegenden bey Frauenzimmern mode ist.Wenn wir so zu Salzburg: durch die
Strassen giengen, lieffe es alles zusamm, als wenn der Rhinoceros käme.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Frankfurt, 20. August 1763
18. Jahrhundert versammelte sich hier das
Gefolge des Kaisers und der Fürsten zum feierlichen Einzug anläßlich der Krönungen.
diplomatischen Agenten Friedrich Melchior
Grimm mit; er sollte ihm später in Paris alle
Türen öffnen.
Leopold Mozart knüpfte in den reichen
Bürgerhäusern wichtige Kontakte. Fast alle
bedeutenden Honoratioren der Stadt waren
Besucher der Konzerte gewesen oder hatten die
Mozarts zu sich eingeladen, darunter der Kaiserliche Gesandte Johann Anton von Pergen, der
Bürgermeister Johann Isaac Mohrs, kirchliche
Würdenträger wie Damian Friedrich Dumeiz,
Komponisten wie David Otto, Johann Christoph
Fischer und Maestro Francesco Maggiore,
Bankiers und Händler wie die Gebrüder
Bethmann, Angehörige der Familie Sarasin und
Abraham Chiron (um nur einige zu nennen).
Am 31. August 1763 fuhr die Familie mit dem
Marktschiff zurück nach Mainz.Von dort ging es
weiter über viele Stationen – so auch nach
London und nach Paris.
Eine unbekannte Frankfurter Kaufmannsgattin
gab Leopold einen Empfehlungsbrief an den
20
Ich habe Mozart als 7jährigen
Knaben gesehen, wo er auf einer
Durchreise ein Konzert gab.
Ich selber war etwa 14 Jahre alt,
und ich erinnere mich des kleinen
Mannes in seiner Frisur und
Degen noch ganz deutlich…
Johann Wolfgang Goethe zu Johann Peter Eckermann, 3. Februar 1830
Rechts oben: Der siebenjährige Mozart am Klavier – so dürfte Johann
Wolfgang Goethe ihn erlebt haben.
Mitte links: So sieht es im Schärfengäßchen/Ecke Holzgraben heute aus.
Unten links: Leopold Mozarts Reisetagebuch mit den tabellarischen
Aufzeichnungen zu seinem Frankfurter Aufenthalt. Hier sind die wichtigsten
Sehenswürdigkeiten und die bedeutendsten Personen verzeichnet.
Unten rechts: Die Familie Mozart beim Musizieren: Vater Leopold spielt die
Geige, Schwester Nannerl singt, Wolfgang spielt Klavier. Stich von J. B.
Delafosse nach einem Bild von L. C. de Carmontelle (1763/64).
8. GASTHAUS «ZUM WEISSEN
SCHWAN», STEINWEG 12
Als Wolfgang Amadeus Mozart im September
1790 erneut nach Frankfurt kam, verbrachte
er die zweite Nacht seines Aufenthalts im
«Weißen Schwan» im Steinweg. Auch von
diesem Gebäude ist nichts mehr geblieben; wir
stehen vor einem modernen Geschäftshaus.
Heute erinnert eine Gedenktafel nur noch
an Bismarcks Friedensschluß von 1871, der im
«Weißen Schwan» unterzeichnet worden ist.
Theaterdirektor Heinrich Böhm wohnte in der
Kalbächer Gasse (der sogenannten «Freßgass’») im
alten «Backhaus». Bis heute haben sich hier
immer wieder Bäckereien, Konditoreien und
Feinkostgeschäfte angesiedelt. Die Unterkunft
war tatsächlich einigermaßen billig (und offenbar
wenig komfortabel). Zum Vergleich: Frau Rat
Goethe gab in einem Brief nach Weimar die
Auskunft, zur Kaiserkrönung müsse man schon
elf Gulden pro Nacht veranschlagen, plus 2
Gulden für die Verpflegung.
9. «BACKHAUS»,
KALBÄCHER GASSE 10
Schon am nächsten Tag zog Mozart wieder um:
Den Theaterdirektor Böhm kannte Mozart schon
lange. Seine Truppe hatte im Wechsel mit zwei
anderen Gesellschaften für die theatralischen Lustbarkeiten während der Krönungszeit zu sorgen.
«Wo glaubst du daß ich wohne – bey Böhm im nemlichen Hause; Hofer auch. wir zahlen 30 gulden das
Monath, und das ist noch ausserordentlich wenig. – wir
gehen auch zu ihnen in die kost.»
Glaubt man den Briefen an Konstanze, so hat
Mozart in den ersten Tagen seines Frankfurter
Aufenthalts vor allem gearbeitet: Mozart kompo-
8. ZUM «WEISSEN SCHWAN», STEINWEG 12
9. «BACKHAUS», KALBÄCHER GASSE 10
Oben: Das Haus Kalbächer Gasse 10
heute. Im alten «Backhaus» hat Mozart
zusammen mit dem Theaterdirektor
Böhm gewohnt; heute ist es eine
begehrte Adresse für Feinschmecker.
Rechts: Wolfgang Amadeus Mozart beim
Komponieren, den Mantel flüchtig über
die Stuhllehne geworfen, als sei er
schon auf dem Heimweg von seinen
musikalischen Inspirationen überrascht
worden – so stellte sich die Nachwelt
das Leben des Genies vor.
… ich lebe hier bis dato noch ganz retiré – gehe den ganzen Morgen
nicht aus, sondern bleibe in meinem Loch von einer Stube und schreibe;
– meine ganze Unterhaltung ist das Theater, wo ich dann Bekannte
genug antreffe, von Wien, München, Mannheim und sogar Salzburg…
Mozart an Konstanze, Frankfurt den 3. Oktober 1790
Links: Der Komödienplatz mit dem
1782 erbauten Theater in einer
Ansicht von 1793. Mozart und später
auch sein Sohn Franz Xaver haben
hier einige Aufführungen gesehen. Im
Komödienhaus wurden viele MozartOpern gespielt. 1792 wurde es zum
«Frankfurter Nationaltheater» und
erhielt ein eigenes Ensemble. Nach der
Eröffnung der Oper (heute Alte Oper)
wurde es als Schauspielhaus genutzt.
Unten links: Blick von der Kalbächer
Gasse auf den Rathenauplatz heute:
An dieser Stelle befand sich das
Komödienhaus.
Unten rechts: Blick in den Zuschauerraum und auf die Bühne des Komödienhauses (um 1800).
10. RATHENAUPLATZ
nierte ein Adagio für ein Orgelwerk, um seinem
«lieben Weibchen etwelche Ducaten in die Hände
zu spielen» – möglicherweise handelte es sich
dabei um ein Auftragswerk für das Wachsfigurenkabinett des Grafen Deym in Wien (KV 594).
10. RATHENAUPLATZ
Das prächtige Komödienhaus lag am heutigen
– wenig imposanten – Rathenauplatz und galt
als einer der schönsten Theaterbauten in
Deutschland.
«Das neue Komödienhaus macht in der That den
Frankfurtern Ehre. Es ist dauerhaft und mit
Geschmack gebaut. Es sind drey Reihen Logen im
Halbzirkel, alle Logen tapeziert, mit Spiegelleuchtern versehen und noch eine geräumige Gallerie für
das Volk.»
Zur Zeit der Kaiserkrönung 1790 gab es
Singspiele und italienische Opern: «Der Apotheker und der Doktor» sowie «Betrug durch
Aberglauben» von Dittersdorf, Salieris «Axur,
König von Ormus» und «Der Talisman oder
die Zigeuner», Bendas «Romeo und Julie»,
Wranitzkys «Oberon» und manches mehr. Nur
nichts von Mozart. Das ist insofern eigenartig,
als Mozarts Opern schon früh und mit großem
Erfolg in Frankfurt gespielt wurden. Die kurmainzische Schauspielergesellschaft wollte zwar
am 5. Oktober seinen «Don Giovanni» spielen,
doch zerschlug sich dieser Plan aus unbekannten
Gründen. Ob Leopold II. eine geplante MozartAufführung höchstselbst verhindert hat, sei
dahingestellt.
Mit diesen anerkennenden Worten bedachte die
«Berliner Literatur- und Theaterzeitung» am 19.
Oktober 1782 das neue Theater.
23
11. KATHARINENKIRCHE
Bei seinen Spaziergängen durch Frankfurt kam
Mozart auch in die Katharinenkirche, wo er sich
zum Mißvergnügen des alten Organisten seinen
musikalischen Phantasien überließ (siehe Zitat
unten).
12. ZEIL
Mit der beschaulichen Zurückgezogenheit der
ersten Tage war es bald vorbei: Mozart wurde
überall herumgereicht und in den ersten Häusern
zum Essen eingeladen: «P.S.: Gestern habe ich bei
dem reichsten Kaufmann in ganz Frankfurt gespeist,
bei Herrn Schweitzer», teilt er Konstanze am 3.
Oktober mit.
Franz Maria Schweitzer, Bankier und Seidenhändler, ließ von 1787-1792 ein prächtiges Palais
auf der Zeil bauen, das nachmals als «Russischer
Hof» zu einer ersten Adresse der Stadt wurde.
Außerdem war Mozart bei dem angesehenen
Stadtphysicus Johann Wilhelm Friedrich Dietz
zu Gast. Der kunstsinnige Dietz bewohnte ein
geräumiges Haus auf der Zeil gegenüber dem
Gasthof zum «Römischen Kaiser» (Ecke Schäfergasse) und war für seinen lebenslustigen, geradezu
verschwenderischen Lebensstil bekannt (wodurch
er sich schließlich um seinen ganzen Besitz
brachte). Hier begegnete Mozart auch Johann
August Tabor, dem Pächter des Komödienhauses,
und dem Kammerherrn Ignaz von Beecké, einem
brillanten Klavierspieler.Wenn er nicht eingeladen
war, verbrachte Mozart mit seinen neuen Frankfurter Freunden die Abende in der Weinwirtschaft Kran in der Bleidenstraße. Von all diesen
Häusern haben wir nur noch historische Bilder.
11. KATHARINENKIRCHE
12. ZEIL
Eines Sonntags nach beendigtem Gottesdienste kommt Mozart
auf das Orgelchor zu St. Katharina und bittet sich’s bei dem
alten Organisten aus, etwas auf der Orgel spielen zu dürfen.
Er setzt sich auf die Bank und folgt dem kühnen Fluge seiner
Phantasie, als ihn plötzlich der alte Organist in der unhöflichsten
Weise von der Orgelbank stößt und zu dem Schüler sagt: merke
dir diese letzte Modulation, welche Herr Mozart gemacht; das
will ein berühmter Mann sein, und macht so grobe Verstöße
gegen den reinen Satz?
Bericht eines alten Frankfurter Organisten, der diese Szene als junger Schüler erlebt hatte
… – und dann, es ist alles Prallerey
was man von den Reichsstädten macht.
– berühmt, bewundert und beliebt bin
ich hier gewis; übrigens sind die leute
aber hier noch mehr Pfennig-fuchser
als in Wienn.
Mozart an Constanze, Frankfurt, 8. Oktober 1790
Oben links: Ankündigung zu Mozarts Konzertmatinee am 15. Oktober 1790. Was genau gespielt wurde, läßt sich nicht mit Sicherheit
rekonstruieren. Der von Mozart erhoffte finanzielle Erfolg blieb jedenfalls aus.
Rechts: Der Stadtphysicus Johann Friedrich Wilhelm Dietz (1735 – 1805), bei dem Mozart des öfteren zu Gast war. Er bewohnte ein geräumiges Haus auf der Zeil gegenüber dem Gasthof «Zum Römischen Kaiser». Er besaß Mozart-Autographe, die sämtlich verschollen sind.
Unten links: Hauptwache und Katharinenkirche
Als Mozarts Konzert am 15. Oktober 1790 endlich
im Komödienhaus stattfinden konnte, war der
Höhepunkt der Krönungsfeierlichkeiten schon
vorbei; viele Gäste waren bereits wieder abgereist.
«… heut 11 Uhr war meine Academie, welche von
Seiten der Ehre herrlich, aber in Betreff des Geldes
mager ausgefallen ist. – Es war zum Unglück ein groß
Dejeuné bei einem Fürsten und großes Manoever von
den Hessischen Truppen … ich war aber ohngeacht diesem allen so gut aufgelegt, und gefiel so sehr, daß man
mich beschwor, noch eine Academie künftigen Sonntag
zu geben – Montag reise ich dann ab.» (Mozart an
Konstanze, Frankfurt, 15. Oktober 1790)
Die genaue Programmfolge läßt sich nicht mehr
ausmachen. Es dürfte wohl eine der drei 1788
entstandenen Symphonien Es-Dur KV 543,
g-Moll KV 550 oder C-Dur KV 551 gespielt
worden sein, außerdem das Klavierkonzert in FDur KV 459 oder auch das in D-Dur KV 537
sowie Arien anderer Komponisten. Mozarts freie
Improvisation war ein besonderer Höhepunkt.
Noch vor der angekündigten letzten Symphonie
wurde das Konzert abgebrochen – es hatte drei
Stunden gedauert, und den Zuhörern knurrte
der Magen.
Die drei Frankfurter Zeitungen – «Journal»,
«Oberpostamtszeitung» und «Staats-Ristretto» –
berichteten jeden Tag ausführlich von den gesellschaftlichen Ereignissen rund um die Kaiserkrönung; von Mozarts «Academie» nahmen sie
jedoch keine Notiz. Zu einem zweiten Konzert
kam es nicht mehr. Am 16. Oktober reiste
Mozart ab.
25
Links: «Hinter der Schlimmen Mauer»: Hier befand sich das
Peterssche Haus, in dem Johann Nepomuk Schelble gewohnt hat.
Rechts: Und so sieht es heute in diesem Stadtgebiet aus: Neubau
der Telekom Stiftstraße 25.
13. STIFTSTRASSE
14. ZEIL
13. STIFTSTRASSE/
ECKE STEPHANSTRASSE
Dreißig Jahre später, Anfang Dezember 1820,
kam Mozarts jüngster Sohn Franz Xaver
Wolfgang im Verlauf seiner dreijährigen Konzertreise in Frankfurt an. Auch er wollte in der
Freien Stadt sein Glück machen. Johann Nepomuk
Schelble, der berühmte Sänger und Gründer des
Frankfurter Cäcilien-Vereins, rechnete es sich
zur besonderen Ehre, Mozarts jüngsten Sohn in
seinem Hause aufzunehmen. Schelble wohnte
im Petersschen Haus «Hinter der Schlimmen
Mauer». Hier fanden Chorproben und kleinere
Konzerte statt. Inzwischen sieht es hier ganz
anders aus; die «Schlimme Mauer» gibt es nicht
mehr. Ganz in der Nähe residiert die Telekom in
einem Neubau, der in seiner gläsernen Kühle ein
markantes Emblem des neuen Frankfurt ist.
26
14. ZEIL – EHEMALIGE HAUPTPOST
Am 5. Dezember – Mozarts Todestag – führte der
Cäcilien-Verein im «Rothen Haus» auf der Zeil
im Beisein Franz Xaver Mozarts das Requiem auf
– kurioserweise ohne Orchester, weil die Musiker
am selben Abend «Figaros Hochzeit» zu spielen
hatten.
Der Neubau des «Rothen Hauses» (Zeil Lit D
21-23, später Nr. 52) war 1769 eröffnet worden.
Später befand sich hier die Hauptpost. Das
gesamte Gebiet wird zur Zeit neu gestaltet.
Im «Rothen Haus» hatten sich Johann Wolfgang
Goethe und Thronfolger Karl August von
Weimar kennengelernt. Es wurde für Konzerte
und zeitweise sogar als eine Art Spielcasino
genutzt. Am 15. Dezember 1820 gab der junge
Mozart in diesem Haus selbst ein Konzert,
wieder unter Mitwirkung des Cäcilien-Vereins.
Anders als die «Academie» des Vaters vor dreißig
Jahren erfreute sich dieses Konzert eines lebhaften
Zuspruchs.
«Frankfurt am Main. Das Concert des Hrn. Mozart
war eines der glänzendsten und besuchtesten der letzten
Zeit. Die von dem Concertgeber vorgetragenen Stücke
seiner Composition beurkundeten Talent und gründliche Kenntniss des Satzes. Das erste Allegro eines
Pianoforte-Concerts ist gewiss höchst ausgezeichnet zu
nennen; auch die Variationen über ein russisches
Thema zeugen von Geschmack und Fantasie. – Die
Aufführung der grossen Mozart’schen Sinfonie aus C
mit der Fuge gelang vollkommen und entflammte zur
Begeisterung. Hr. Schelble sang zwey Arien aus Titus
mit bekannter Vorzüglichkeit… Den Schluss machte
eine, hier noch nicht gehörte Cantate von Mozart; von
den Mitgliedern des Cäcilien-Vereins ausgezeichnet
vorgetragen.» So berichtete die «Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung».
Links: Die Zeil mit dem «Rothen Haus». Hier erlebte Franz Xaver
Wolfgang Mozart eine denkwürdige Aufführung von Mozarts Requiem
durch den Cäcilien-Verein. Der Saal war schwarz drapiert und festlich
beleuchtet, die Zuhörer erschienen in Trauerkleidung; es wurden
Gedichte aufgesagt. Zehn Tage später konzertierte Franz Xaver selbst
im «Rothen Haus» und wurde begeistert gefeiert.
Unten: Franz Xaver Wolfgang Mozart
Abends war dann die eben so feyerliche als rührende
Todtenfeyer meines Vaters. In einem schwarz behängten
Saale, wurde von dem Caecilien Singverein das
Requiem meines Vaters, mit ausserordentlicher Präzißion und wundervollem Vortrage gesungen. Es blieb
nichs zu wünschen übrig, als eine Orchester Begleitung, die doch bey der Vortrefflichkeit des hiesigen
Orchesters, von herrlicher Wirkung hätte seyn
müssen. Obwohl nur vom Claviere unterstützt,
sehr viele Thränen flossen.
Aus dem Reisetagebuch Franz Xaver Mozarts, 5. Dezember 1820
Diesen Vormittag verließ ich Frankfurt,
wo ich viele schöne Stunden verlebte,
die ich aber alle Schelble, und einigen
Mitgliedern des Vereins verdanke.
Die übrigen Leute, lauter lederne
Kaufmanns-Seelen, bekümmerten
sich gar nicht um mich.
Aus dem Reisetagebuch von Franz Xaver Mozart, 3. Januar 1821
Oben: Johann Nepomuk Schelble (1789 – 1837), berühmter Sänger und Leiter des Cäcilien-Vereins.
In seinem Hause wohnte Franz Xaver Mozart während seines Frankfurter Aufenthalts.
Links: Marianne Willemer (1784 – 1860), eine der Gründerinnen des Cäcilien-Vereins. Sie war mit Johann Wolfgang
Goethe befreundet, hatte maßgeblichen Anteil an dessen «Westöstlichem Divan» und berichtete in ihren Briefen
viel von der Arbeit des Cäcilien-Vereins. Franz Xaver Mozart war mehrfach bei ihr und ihrem Mann zu Gast.
Unten links: In diesem «Haus zum Rothen Männchen» zwischen Mainzergasse und Mainkai hatten Johann Jakob
und Marianne Willemer ihre Stadtwohnung. Später befand sich hier eine Badeanstalt.
Unten rechts: Der Verleger Johann André (1775 – 1842). Er erwarb Mozarts Nachlaß und brachte viele bislang unveröffentlichte Werke des Komponisten in seinem Verlag heraus. Franz Xaver Mozart besuchte ihn im Dezember 1820.
15. ALTE MAINZER GASSE /
MAINKAI 35
Während seines Frankfurter Aufenthalts traf
Franz Xaver Mozart mit den wichtigsten
Persönlichkeiten des musikliebenden Frankfurter
Bürgertums zusammen: Er war zum Soupé bei
Wilhelm Manskopf eingeladen, musizierte bei
der Familie Passavant, unternahm Ausflüge nach
Offenbach zum Verleger Johann André. Er lernte
den Komponisten Franz Xaver Schnyder von
Wartensee und den Konzertmeister Heinrich
Hoffmann kennen. Im Theater – es war noch
immer das schöne Komödienhaus, in dem einst
sein Vater konzertiert hatte – sah er Boieldieus
«Kalifen von Bagdad» und Süßmayrs Singspiel
«Soliman der Zweite oder Die drei Sultaninnen».
Auch bei der Familie Neufville war der junge
Mozart zu Gast: Es waren die Nachkommen
jener Bankiers, über deren Bankrott 1763
Großvater Leopold berichtet hatte.
Eine nicht unbeträchtliche Rolle im Frankfurter
Musikleben spielte Marianne von Willemer. Sie
war die treibende Kraft bei der Gründung des
Cäcilien-Vereins gewesen und hoffte, auf diese
Weise auch Johann Wolfgang Goethe wieder für
das kulturelle Leben der Stadt Frankfurt zu interessieren. In ihren Briefen an Goethe ist oft von
Schelble und von der Arbeit des Chores die
Rede. Franz Xaver Mozart war mehrfach bei
Willemers zu Gast – wahrscheinlich im Haus an
der Mainfront, und nicht in der Gerbermühle.
15. ALTE MAINZER GASSE /
MAINKAI 35
Johann Jakob Willemer hatte das Haus «Zum
rothen Männchen» (ursprünglich «Mündelein»)
1796 erworben. Es reichte von der heutigen Alten
Mainzer Gasse 5 bis zum Mainkai 35. In den
großzügig gestalteten Räumen dieses stattlichen
Hauses konnte die Familie Willemer einen gediegenen Luxus entfalten. Der Schiffslandeplatz
befand sich direkt vor seinen Fenstern; man
blickte auf die großen Kräne, die schon Leopold
Mozart 1763 bewundert hatte. Sie waren bis weit
ins 19. Jahrhundert hinein in Gebrauch.
städte sage. Immerhin: Das Frankfurter Musikleben stand durch den Cäcilien-Verein in voller
Blüte, Franz Xaver gründete zu Hause seinen
eigenen Cäcilien-Verein, und Johann Nepomuk
Schelble schrieb in Mozarts Stammbuch:
«Nimm theurer Freund beym Abschiede meine Liebe
und Verehrung mit Dir! Kurz nur warst Du mir gegeben, aber unvergänglich, was ich empfing. Möge der
Himmel uns bald wieder zusammen führen und wenn
es möglich ist, auf immer.»
Nach einem «ziemlich langweiligen» Silvesterabend
bei der Familie Bernard und diversen Abschiedsbesuchen reiste Franz Xaver Mozart am 3. Januar
1821 aus Frankfurt ab. Sein Fazit (Zitat Seite 24)
läßt ein wenig an die Worte seines Vaters denken,
es sei «alles Prallerey», was man über die Reichs29
MOZART 2006
Bitte informieren Sie sich auf unserer Internetseite:
www.holzhausenschloesschen.de
Hier finden Sie die wichtigsten Termine verschiedener Veranstalter zum Mozartjahr in Frankfurt und
im Rhein-Main-Gebiet:
www.mozart-in-frankfurt.de
Die Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg ist Eigentümerin und Betreiberin von Mozarts
Geburtshaus und vom Mozart-Wohnhaus und verfügt über die größte Mozart-Bibliothek der Welt
(Bibliotheca Mozartiana).Weitere Informationen:
www.mozarteum.at
Veranstaltungen anderer Städte können Sie auf der Website der «Europäischen Mozart-Wege» ausfindig
machen. Außerdem können Sie dort Mozarts Reisen kreuz und quer durch Europa anhand einer
Karte nachvollziehen:
www.mozart2006.at
30
BILDNACHWEISE
Seiten 1 (Titelbild), 10 oben, 10 links, 10 rechts, 19, 21 rechts oben, 21 rechts unten, 22, 27 unten, 28 oben: Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main, Seiten 2f., 5, 6, 8f., 13 links, 14 links, 14 oben, 16 oben links, 16 unten, 17 unten,
17 rechts, 18, 23 links, 23 unten rechts, 24 oben rechts, 24 unten rechts, 26 oben links, 26 Mitte, 28 unten links: Historisches Museum
Frankfurt am Main, Seiten 12, 25 oben rechts: Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes der Freien Reichs-,Wahl- und Handelsstadt
Franckfurt am Mayn, mitgetheilet von Johann Bernhard Müller, Franckfurt am Mayn 1747 (Universitätsbibliothek Johann Christian
Senckenberg, Frankfurt am Main), Seiten 21, unten links, 25 oben links, 28 unten rechts: nach Albert Richard Mohr: Das Frankfurter
Mozart-Buch, Frankfurt am Main 1968
Fotografien: Sabine Teuscher, vividprojects GmbH
Design: www.vividprojects.de
STIFTEN MACHT GESCHICHTE
Als Vorbild und Anregung für ein reichhaltiges Leben in Frankfurt am Main und im Blick auf 1200 Jahre Stadtgeschichte gründeten
Frankfurter Bürger die Frankfurter Bürgerstiftung mit dem Sitz im Holzhausenschlößchen zur wissenschaftlichen Erforschung und
zur Darstellung der Geschichte Frankfurter Bürger, ihrer vielfältigen Initiativen, Institutionen und ihrer Stiftungen.
Die Frankfurter Bürgerstiftung, die es seit ihrer Gründung im Jahre 1989 als ihre Aufgabe ansieht, in unserer Stadt die alten
Stiftertraditionen wiederzubeleben, und deshalb gern selbst zum Stiften anstiftet, geht mit gutem Beispiel voran.
Die Frankfurter Bürgerstiftung arbeitet ohne städtische oder staatliche Subventionen. Dabei steht die Erforschung verschiedener
Familien, Persönlichkeiten, Institutionen und ihrer Stiftungen genau so im Zentrum der Stiftungsarbeit wie auch die jährlich ca. 200
Kulturveranstaltungen in den Bereichen Musik, Lesungen,Vorträge, Kinderveranstaltungen und Ausstellungen. Auch ein jährlich am
ersten Samstag im September, zu Ehren des Stifters Adolph Freiherr von Holzhausen, stattfindendes großes Kinderfest wird von der
Frankfurter Bürgerstiftung finanziert und durchgeführt. In seinem Testament vom 19. April 1923 schrieb Baron von Holzhausen:
«Dieses Fest soll alljährlich im Gedenken an meinen Geburtstag am 7. September oder Anfang September von der Stadt Frankfurt,
meiner Erbin, abgehalten werden und zwar für Kinder der Umgebung, und insbesondere soll meiner und der Freiherren von
Holzhausen in einer Ansprache würdige Erwähnung getan werden.» Die Frankfurter Bürgerstiftung griff diesen Gedanken über sechzig
Jahre nach dem Tod des Stifters zum ersten Mal auf und setzt sich auch für weitere Projekte im Sinne des Stifters ein: So renovierte
die Bürgerstiftung das alte Zufahrtstor zum Holzhausenschlößchen, gestaltet das direkte Umfeld des Schlößchens im alten Stil und führte nicht zuletzt im Jahr 1994 eine aufwendige Renovierung des Holzhausenschlößchens durch.
Die Frankfurter Bürgerstiftung versteht aber unter »Stiften« nicht nur das Geben von Gut und Geld, sondern ebenso das Einbringen
von Ideen, weitblickendem Unternehmergeist, Zeit, sozialem Engagement, kurzum alle privaten Initiativen, die eine Stadtkultur für
Frankfurt am Main prägen. Daraus resultiert ein vielfältiges, interessantes Stiftungsprogramm mit zahlreichen kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten. (Weitere Hinweise hierzu: www.holzhausenschloesschen.de und siehe Monatsprogramm.)
Das Holzhausenschlößchen ist zu einem beliebten Treffpunkt vieler Frankfurter Stiftungen und zu einem interessanten
Gesprächsforum für die Bürger unserer Stadt geworden. Herzlich willkommen!
FRANKFURTER BÜRGERSTIFTUNG IM HOLZHAUSENSCHLÖSSCHEN
JUSTINIANSTR. 5 • 60322 FRANKFURT/MAIN
TEL. (069) 55 77 91 • FAX (069) 59 88 05
WWW.HOLZHAUSENSCHLOESSCHEN.DE
Herunterladen