Rede von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer zur Eröffnung der Ausstellung „Viva! Mozart“ im Museum Carolino Augusteum, am 26. Jänner 2006 Es gilt das Gesprochene Wort! Meine Damen und Herren! „Viva! Mozart“ ist eigentlich eine auf den Punkt gebrachte Transformation der Worte „Viva il Maestro, Viva il Maestrino“, mit denen die starke Begeisterung nach der Uraufführung der Oper „Mitridate, Re di Ponte“ des kaum 15-jährigen Mozart im Dezember 1770 in Mailand zum Ausdruck gebracht wurde. Und das kam so: Am 29. Dezember schrieb Leopold Mozart, Vater von Wolfgang Amadeus Mozart, an seine Frau in Salzburg einen Brief, in dem es heißt: „Gott sei gelobt, die erste Aufführung der Oper ist den 26. mit allgemeinen Beifall vor sich gegangen“ und was es in Mayland noch niemals gegeben hat war, „dass nach fast allen Arien ein erstaunliches 2 Händeklatschen und Viva il Maestro, Viva il Maestrino ruffen erfolget“. Viva Maestro im Sinne von Viva Mozart sind also Worte, die Begeisterung signalisieren, die seinen Erfolg in Italien bestätigten, die ihm Freude bereiteten und die kurz und prägnant ins Ohr gehen. Sie bilden nunmehr den Titel für eine Ausstellung, die der Beschäftigung mit der Person, der Biographie, aber auch dem politischen und kulturhistorischen Umfeld von Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet ist. Die Einladung zur Eröffnung dieser wichtigen Salzburger Mozartausstellung hier in der Neuen Residenz habe ich gerne angenommen und möchte – nach einem ersten Rundgang durch die Säle – den Verantwortlichen zu dieser Präsentation gratulieren. „Viva! Mozart“ ist darüber hinaus ein Titel, der zu zahlreichen Assoziationen einlädt. 3 Man kann z.B. eine Verbindung zu dem sehr politischen Ausruf „Viva Verdi!“ herstellen, der im Italien des 19. Jahrhunderts den Anspruch auf die Freiheit der norditalienischen Gebiete zum Ausdruck brachte. Ich erinnere an Verdi auch deshalb, weil sich sein Todestag morgen, am Geburtstag Mozarts, zum 105. Mal jährt. Viva Verdi galt verschlüsselt auch als Abkürzung für „Viva Vittorio Emanuele Re D’Italia“ und war eine Parole für die Einheit Italiens und daher gegen Habsburg. „Viva! Mozart“ ist keine politische Parole gegen jemanden, aber vielleicht doch ein Titel, der auch auf die politischen Umwälzungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts Bezug nimmt, auf eine Zeit, in der die Prinzipien der Französischen Revolution, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wie ein Lauffeuer durch die europäischen Länder fegten und nach einem jahrzehntelangen Wechselspiel zwischen Revolution und Restauration heute zu festen Bestandteilen unseres Wertekanons geworden sind. Opernpassagen wie jene aus der 4 Entführung aus dem Serail, wo das „Blondchen“ für die Freiheit der Frauen und gegen die Versklavung und Bevormundung eintritt („Ein Mädchen in Freiheit geboren lässt niemals sklavisch sich behandeln.“) zählen nicht nur zu den schönsten Stellen der Opernliteratur, sondern sind auch politische Botschaften. Gleichzeitig wissen wir, dass Mozart bei aller Selbstständigkeit und allem Freiheitsdrang auch ein „höfischer“ Mensch war, der um seine Stellung in der gehobenen Gesellschaft kämpfte. Diese Zerrissenheit, oder besser: diese innere Spannung, hier der Freigeist, dort der vielfach Abhängige, hat Mozart zu einem unerschöpflichen Zeitzeugen seiner Epoche gemacht, der die gesellschaftlichen, politischen und weltanschaulichen Spannungsverhältnisse seiner Zeit künstlerisch gestaltet und mit Hilfe seiner unglaublichen Ausdrucksfähigkeit erfassbar gemacht hat. 5 Hinzu kommt freilich die zeitlose Dimension seiner Werke und auch die Zeitlosigkeit vieler Charaktere, die seine Opern bevölkern. Papageno, Pamina, Figaro, oder Don Giovanni, sie gehören dem großen Kanon europäischer künstlerischer Archetypen an. Sie zählen dazu, weil sie uns auch über unser eigenes Leben erzählen und uns einen Spiegel vorhalten. Darum ist Mozarts Musik nicht nur ein Genuss, sondern immer auch ein Anstoß zum Denken und Nachdenken. Meine Damen und Herren! Heute Vormittag erst wurde in Wien das Mozarthaus eröffnet, die große Mozartausstellung der Albertina öffnet im März ihre Pforten; jetzt sind wird hier im Salzburger Landesmuseum, Carolino Augusteum, um die Salzburger Mozartausstellung zu eröffnen, und viele weitere Veranstaltungen werden folgen. Ich sehe all diese Projekte als Teil eines Ganzen, als Bemühen, mehr über dieses Genie und seine Zeit zu erfahren, ihn und seine Musik besser verstehen zu lernen. Vielfalt und 6 Konkurrenz sind wertvoll. Aber einer Gefahr müssen wir uns bewusst sein: Es muss vermieden werden, dass lange noch bevor das Mozartjahr zu Ende ist, das Publikum total übersättigt wurde und manche unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger das Wort „Mozart“ gar nicht mehr hören können. Hier ist Augenmaß und Sensibilität notwendig. Qualität muss vor Quantität gehen. Daher bin ich versucht, nicht nur „Viva Mozart“ zu sagen, sondern auch „videant consules ne quid res mozarteum detrimenti capiat.“ Jetzt aber darf ich nochmals für den Beitrag herzlich danken, den die Salzburger Mozartausstellung zum Mozartjahr leistet, und ich möchte die Ausstellung eröffnen mit den Worten: Viva Mozart! Viva Salzburg! Vivant artes et literae!