Geschichte 1 R E T S Rheinland-Pfalz Differenzierende Ausgabe U M Längsschnitt Kindheit in ­verschiedenen Zeiten Schroedel 2 3 Chr. Geb. 100 200 R E 1300 T S U M 1400 1500 1600 1700 1800 1900 Kapitel 08 Kindheit in ­verschiedenen Zeiten Heute ist euer Leben oft von einem engen die Schule besuchen? Kümmerten sich die Zeitplan bestimmt: Schule, Hausaufgaben, Eltern um ihre Kinder? Gab es Unterschiede Fußballspielen, Reiten, Klavierunterricht in der Erziehung und Ausbildung von Mäd- und vieles andere. chen und Jungen? Fragen über Fragen. Ihr Wie aber war es vor 2000 Jahren bei den sollt in diesem Kapitel Antworten bekom- Römern? Haben die römischen Kinder auch men und euch mit dem Leben der Kinder in gespielt? Mussten die Kinder der Azteken verschiedenen Zeiten auseinandersetzen. 2000 4 Kindheit im alten Rom 5 Längsschnitt R E Spielzeug und Spiele Wie alle Kinder dieser Welt spielten die römischen Kinder in der Antike leidenschaftlich gern. Die kleinen Mädchen besaßen Puppen aus Ton, Knochen oder Elfenbein und spielten mit Holztieren. Die Jungen beschäftigten sich mit Murmeln, Gladiatorfiguren oder Würfeln aus Knochen oder Steinen. Würfelspiele gibt es bereits seit mehr als 3000 Jahren. Andere Kinder interessierten sich eher für das vom griechischen Mathematiker Archimedes entwickelte Puzzle. Das war ein kleines Quadrat aus 14 Holz- oder Knochenteilen in unterschiedlichen Formen, mit denen man verschiedene Figuren legen konnte. T S U M Sehr begehrt war auch ein Pferd auf Rädern mit einem Reiter. Selbst darauf sitzen konnte man nicht, dazu war es zu klein, aber durch ein Loch in den Nüstern ließ sich eine Schnur einfädeln, und dann konnte man es hinter sich herziehen. M3: Entwicklungsstufen eines Jungen (Marmorrelief, 2. Jh. n. Chr.) Schule und Familie M1: Spielzeug der römischen Kinder: bunte Glas- murmeln, Gladiatorpuppe, Würfel aus Achat und Spielzeugpferd (Funde aus Kindergräbern) Mit sieben Jahren gingen die meisten Jungen und Mädchen zur Schule. Der Unterricht begann frühmorgens, noch vor Sonnenaufgang. Für die Kinder der Reichen bei einem Privatlehrer im eigenen Haus, für die Kinder der Ärmeren unter dem Dach irgendeines Ladens in der Stadt. Die Kinder der Landbevölkerung besuchten keine Schule, sie mussten schon früh mithelfen. Im Alter von zwölf Jahren trennten sich die Wege der Knaben und der Mädchen. Die Mädchen blieben zu Hause, lernten Kochen, Spinnen, Weben und Nähen und warteten darauf, geheiratet zu werden. Q1: Ein römischer Philosoph schrieb: In den guten Familien sind die Mädchen ab diesem Zeitpunkt ins gitterlose Gefängnis der Handarbeit gesperrt: augenfälliger Beweis dafür, dass sie ihre Zeit nicht nutzlos vertun. M2: Kinder im Unterricht: Links und rechts lesen Schüler in einer Papyrusrolle, in der Mitte sitzt der Grammatikus (Lehrer für Literatur) und ganz rechts begrüßt ein Spätankömmling ängstlich den Lehrer (Relief, 2. Jh. v. Chr.). a) Benenne das Spielzeug, womit Kinder im alten Rom spielten. b) Berichte, welches Spielzeug du heute verwendest. Nach römischem Recht hatte der Hausvater, der pater familias, die unumschränkte Macht: Er entschied über das Vermögen, sorgte für die Erziehung der älteren Jungen und bestimmte, wen seine Kinder heiraten sollten. Er konnte auch Strafen verhängen. Frauen waren für den Haushalt sowie die Erziehung der Kinder zuständig. Außerdem überwachten sie die Arbeit der Sklaven, die alle Arbeiten im Haus verrichten mussten. Durften die Söhne weiter zur Schule gehen, lernten sie von nun an Griechisch und Rhetorik (Redekunst). Dies war für diejenigen wichtig, die später ein politisches Amt übernehmen sollten. Wollte der Vater, dass sein Sohn eine Ausbildung beginnt, bestimmte er auch, welche es sein sollte. Die Kindheit der Jungen endete zwischen dem 14. und dem 19. Lebensjahr. Das Zeichen für die Volljährigkeit war das Anlegen der Toga (knöchellanges Tuch, die rechte Schulter war frei). Jetzt konnte er einen Beruf ausüben oder Soldat werden. a) Beschreibe die Schullaufbahn eines reichen römischen Jungen. b) Überlege, warum diese Schullaufbahn nicht für Mädchen galt. Erkläre, was der Autor mit dem „gitterlosen Gefängnis“ meint (Q1). Stelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Schulalltag von Kindern aus reichen Familien und deinem eigenen dar. Nimm Stellung zu der Aussage: „Alle Kinder hatten gleiche Lernchancen.“ Das Relief M3 zeigt verschiedene Stationen im Leben eines römischen Jungen. Links liegt er als Baby an der Mutterbrust, während der Vater stolz danebensteht. In der Mitte lenkt er unter väterlicher Aufsicht einen Spielzeugwagen, der von einem Hammel gezogen wird. Rechts trägt er seinem Vater vor, was er gelernt hat. In Wirklichkeit wurde seine Erziehung von Sklaven überwacht, die man auf dem Relief nicht abbildete. 6 Kindheit bei den Azteken Erziehung zur Arbeit Azteken hoch entwickeltes indigenes Volk im heutigen Mexiko, dessen Herrschaftsgebiet im 15. Jahrhundert seine größte Ausdehnung besaß. Hauptstadt des Reiches war Tenochtitlan (Mexiko-Stadt). Die Azteken schufen Tempelanlagen und Pyramiden. Sie waren Spezialisten im Kunsthandwerk und entwickelten eine Bilderschrift sowie einen Kalender. Anfang des 16. Jahrhunderts eroberten die Spanier das aztekische Reich. Schon in jungen Jahren bekamen die Jungen und Mädchen bei den Azteken kleine Aufgaben. Söhne wurden zum Wasserholen geschickt und wenn Erntezeit war, mussten sie alle Maiskörner auflesen, die zu Boden gefallen waren. Töchter schauten ihren Müttern beim Spinnen zu und hielten die Spindel fest, bevor sie lernten, selbst damit zu arbeiten. 7 Längsschnitt Mit sieben Jahren wurden aztekische Jungen in den Beruf ihres Vaters eingeweiht. Die Mädchen mussten ihren Müttern helfen: Sie fegten den Boden, zerstampften den Mais und arbeiteten am Webstuhl. Kinder lernten von den Eltern auch die Regeln, die in der aztekischen Gesellschaft galten. Die Kinder hüteten sich, einen Fehler zu machen, denn die Strafen für Unhöflichkeit, Ungehorsam oder Faulheit waren hart. R E Schule und Freizeit Ab dem zehnten Lebensjahr gingen die aztekischen Kinder zur Schule, in die Telpochcalli oder die Calmecac. Die Telpochcalli zog Untertanen des Königs heran, gute Soldaten sowie gute Mütter und Hausfrauen. Mädchen erhielten dort Tanzund Gesangsunterricht, während Jungen zu Kriegern ausgebildet wurden. Die Jungen mussten schwere Arbeiten verrichten. Auf diese Weise trainierten sie, Müdigkeit und Schwäche zu bezwingen. Das Leben auf der Calmecac war noch strenger, aber es war eine Ehre, dort angenommen zu werden. Jedes intelligente Kind konnte diese Eliteschule besuchen, auch wenn es aus ärmlichen Verhältnissen kam. Mädchen konnten auch auf die Calmecac gehen. Eine Priesterin erteilte ihnen Unterricht, in dem es vor allem um die Götter ging. Während der übrigen Schulstunden webten und stickten sie. Außerdem erwarben sie Kenntnisse in Gesang und Tanz. Mit 15 Jahren ver- T S U M Ist ein elfjähriger Junge (ganz oben links, Symbol sind elf blaue Punkte) zu bestrafen, wird er vom Vater in den Rauch eines Chili-Feuers gehalten – und die Mutter droht der Tochter damit. Einen Zwölfjährigen züchtigt der Vater, indem er ihn fesselt und nackt auf den feuchten Boden legt, die Tochter hat noch vor Tagesanbruch das Haus zu fegen. ließen die Mädchen die Schule. Sie waren jetzt im heiratsfähigen Alter und sollten gehorsame Ehefrauen werden. Jungen wurden zu Priestern, zu Wächtern und zu Verwaltern ausgebildet. Aber der Weg dahin war schwer. Sie mussten viel lernen: Geschichte der Götter, Astronomie, Lesen und Schreiben der aztekischen Bilderschrift. Nach dem Unterricht ging es zum Kampftraining und später auf die Felder, wo sie hart arbeiten mussten. Wenn das Leben der aztekischen Kinder auch oft schwer war, lachten und amüsierten sie sich. Viel Spielzeug hatten sie allerdings nicht. Kleine Mädchen bekamen Küchensachen wie Töpfe und Mahlsteine geschenkt, kleine Jungen einen Bogen und ein Blasrohr für die Vogeljagd. Außerdem liebten die Azteken Ballspiele sehr und dachten sich immer wieder neue aus. Sie sahen im Ball ein Zeichen für die ebenfalls runde Sonne. So wie der Ball möglichst oft und lange in der Luft bleiben soll, soll auch die Sonne am Himmel lange verweilen. Die Azteken schrieben mithilfe von Bildern, die sie miteinander kombinierten. Messer Blume Mit 13 muss ein Junge Reisig transportieren, das Mädchen mahlt Mais. Lesetipp „Das Gold der Azteken“ von Federica de Cesco Mit 14 fischt der Sohn mit dem Netz, die Tochter webt. M2: Ein aztekisches Ballspiel: Pelota-Spieler stehen sich auf einem Spielfeld in der Form eines Doppel-T gegenüber. Zwei Steinringe hängen an den Wänden. Zwei Mannschaften versuchen, einen Ball durch einen Ring zu stoßen, wobei der Ball nur mit Hüften, Knien oder Ellenbogen, nicht aber mit den Händen berührt werden darf. Die Spieler sind mit einem Lendenschurz aus Leder ausgerüstet. M1: Aztekische Erziehungsvorschriften für 11- bis 14-jährige Jungen (links) und Mädchen (rechts). Abbildung aus dem Codex Mendoza, um 1541. Berichte, wie die Jungen und Mädchen bei den Azteken bestraft wurden. Beschreibe die Erziehung der Aztekenkinder. Erläutere, wie sich die beiden Schulformen unterschieden. Erkläre, warum die Azteken besonders das Pelota-Spiel liebten (M2). Haus Wasser 8 Webcode Informationen über Spiele im Mittelalter SDL-35717-801 Kindheit im Mittelalter 9 Längsschnitt R E Bauernkinder Ritterkinder Im Mittelalter wurden die wenigen Bauernkinder, die überhaupt lesen und schreiben lernten, entweder vom Dorfpfarrer unterrichtet oder besuchten im Kloster oder in der nahe gelegenen Stadt die Grundschule. Doch viele Kinder gingen überhaupt nicht zur Schule, da ihre Eltern sie als Arbeitskräfte auf dem eigenen Hof oder zur Erledigung der Arbeiten für den Grundherrn brauchten. Bauernmädchen wurden grundsätzlich nicht unterrichtet. Die Kinder sahen den Erwachsenen bei der Arbeit zu und mussten schon früh mithelfen. Aus der Art und Weise, wie die Bauern miteinander, mit Vertretern der Obrigkeit und Kaufleuten aus der Stadt umgingen, lernten sie, wie sie sich benehmen sollten. Mit fünf Jahren machten sie Botengänge, hüteten die Gänse, Schweine, Schafe, Kühe. Wenn sie etwas älter waren, fütterten sie die Pferde, holten Wasser, räumten Steine aus dem Weg oder halfen beim Säen. Diese Arbeiten lernten sie, indem sie unter Anleitung der Erwachsenen arbeiteten. In der frühen Kindheit hatten Jungen und Mädchen die gleichen Aufgaben. Nach und nach lernten die Mädchen jedoch spinnen, weben und kochen. Sie wurden zu guten Hausfrauen erzogen. Mit 14 Jahren wurden die Jungen auf dem Feld als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt. Ganz anders verlief das Leben der adligen Jungen und Mädchen. Während der ersten sieben Jahre lebten sie im Kreis der Mutter und der Hofdamen. Sie bekamen Holzpuppen, Tonfiguren, Murmeln aus Ton, Holzkreisel, Pfeil und Bogen, Holzschwerter und Lanzen. Im Alter von sieben Jahren gingen die Lebenswege dieser Kinder auseinander. Der siebenjährige Knabe wurde zunächst Page. Er erhielt Reitunterricht, lernte das Zielen auf eine Zielscheibe, Fechten, Ringen und Bogenschießen. Außerdem lernte er Schach spielen, sich gewählt ausdrücken, singen, tanzen, ein Instrument spielen und sich in weiblicher Gesellschaft höflich zu verhalten. T S U M M1: Bäuerliches Leben (Miniatur von S. Bening, um 1515) Sie mussten nun genauso hart arbeiten wie die Erwachsenen. Bauernkinder besaßen einfaches Spielzeug und mussten sich mit Nüssen, Kieselsteinen, Stofffetzen und Kleinigkeiten begnügen, die ihre Eltern fahrenden Händlern abkauften. Mädchen begeisterten sich für bunte Bänder, Glasperlen, kleine Spiegel. Spiele gab es viele: Verstecken, Blindekuh, Räuber und Ritter, Bockspringen. Spaß machte es auch, an Bächen kleine Staudämme und Mühlen zu bauen, Seifenblasen fliegen zu lassen, Lehm zu formen und Schmetterlinge zu fangen. Q1: Wolfram von Eschenbach schrieb Anfang des 13. Jahrhunderts in seinem Roman „Parzival“: Nehmt meinen Rat an, dann werdet Ihr kei- Euch in Zucht und verliert nie den Sinn für den Anstand … Ihr sollt stets Erbarmen mit den Notleidenden haben. Bekämpft ihre Not mit Großherzigkeit und Güte … Wenn ein besiegter Gegner Euch sein Ehrenwort gibt, so schont sein Leben, wenn er Euch nicht zu sehr beleidigt hat … Seid mutig und immer frohen rem Ruhm.“ [Danach unterwies Gurnemanz den jungen Parzival noch im richtigen Gebrauch der Waffen und trainierte mit ihm.] M3: Spielzeuge (Funde aus Lübeck, um 1200) Notiere in Stichworten die Arbeiten von Mädchen und Jungen auf dem Lande. Nenne Gegenstände, mit denen Kinder auf dem Lande spielten. stellung aus einer Liedersammlung aus dem 14. Jh.) nen Fehltritt begehen. So fang ich an: Nehmt und ausgeglichenen Sinnes, das dient Eu- M2: Kinderspiele (aus einem Monatsbild, um 1520) M4: Ein Ritter in Kriegsrüstung mit seinem Pagen (Dar- Die Pagen schlossen ihre Ausbildung gewöhnlich mit etwa 14 Jahren ab. Das war das Ende ihrer Kindheit. Danach konnten sie ihre Ausbildung als Knappe fortsetzen. Mädchen wurden früh auf ihre Rolle als Ehefrau vorbereitet. Sie lernten sticken und weben und einen Haushalt führen. Eine junge Edelfrau konnte außerdem reiten, Schach und andere Gesellschaftsspiele spielen, singen und tanzen und ein Saiteninstrument spielen. Ihre Erziehung war wenig kostspielig. Sie wurde oft schon mit zwölf Jahren verheiratet. Berichte, auf welche Weise adlige Jungen und Mädchen auf das Erwachsensein vorbereitet wurden. Erläutere, wie die Schulausbildung für Kinder in deinem Alter im Mittelalter ausgesehen hat. Der Stand in der Gesellschaft prägte die Entwicklung in der Kindheit. Erläutere diese Aussage. Parzival wächst in der Einsamkeit des Waldes auf, weil seine Mutter ihm das Schicksal seines Vaters, der im Kampf umgekommen ist, ersparen möchte. Doch Parzival bleibt nicht zu Hause. Völlig ungebildet kommt er an den Hof des edlen Herrn Gurnemanz, der ihn belehrt. 10 Kindheit um 1900 Kinderarbeit im Dorf und in der Stadt Um 1900 gab es in Deutschland die Schulpflicht für die fünf- bis zwölfjährigen Kinder. Sie sollten eine umfassende Allgemeinbildung erhalten. Jeder sollte lesen und schreiben lernen. Für die Einführung der Schulpflicht gab es aber auch andere Gründe. So hatte das Militär den schlechten Gesundheitszustand vieler junger Männer beklagt. Sie waren durch jahrelange Kinderarbeit körperlich geschwächt. In der Schule konnten sie geschützt, aber auch zur Vaterlandsliebe erzogen werden. Aber die Kinder auf den Dörfern gingen aus vielerlei Gründen nicht zur Schule. Sie mussten schon früh mithelfen. Das war nach Meinung der Eltern wichtiger als eine Schulbildung. Zudem waren die Schulwege weit und die Klassen überfüllt. Außerdem gab es für die Kinder kaum Möglichkeiten, ihre Schularbeiten zu machen. Das alles führte dazu, dass sich nichts änderte. Die Jungen wurden zur Feld- und Stallarbeit herangezogen, die Mädchen zu allen Arbeiten im Haus und im Starthilfe Denke z. B. an Streitfälle in der Familie. Wer trifft welche Entscheidung? R E Stall. Freizeit hatten sie wenig, Spielzeug kannten sie kaum. Von Seiten der Eltern fehlte oft das Geld, ihre Kinder mit Spielzeug zu beschenken. So vergnügten sich die Kinder, wenn es möglich war, mit verschiedenen Spielen im Freien. In den Städten arbeiteten die Kinder oft schon mit sieben Jahren in den Fabriken. Die Arbeit war schwer und gefährlich. Die Kinder arbeiteten wie die Erwachsenen 12 bis 16 Stunden am Tag, bekamen aber weniger Lohn. Andere saßen vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit ihren Eltern zu Hause in der größten Stube und arbeiteten dort für die Fabriken. Jeder tat das, was er konnte. An ein bis zwei Tagen in der Woche durften einige Kinder in die Schule gehen und hofften auf nette Lehrer, weil sie immer wieder vor Müdigkeit einschliefen. Die Kinder hatten wenig oder nie Gelegenheit zum Spielen. Sie bekamen ab und zu einzelne Dinge von ihren Eltern angefertigt oder geschenkt. Doch fehlte es meist an Platz in den engen Wohnungen, um diese Sachen aufzubauen oder auch nur aufzubewahren. T S U M M1: Familie beim Pflügen (Zeichnung, K. Kollwitz) b) 11 Längsschnitt M2: Kinderarbeit in der Textilfabrik (um 1890) a) Beschreibe das Leben der Kinder um 1900. Ein dreizehnjähriger Junge trug mit seiner Arbeit zum Familienunterhalt bei. b) Vermute, wie sich dadurch seine Stellung in der Familie änderte. Erkläre, warum ein regelmäßiger Schulbesuch oft nicht möglich war. Berichte über die Gründe zur Einführung der Schulpflicht. M3: Das Spielzimmer einer wohlhabenden Familie (Kinderbuchillustration, 1894) Kinder der bürgerlichen Familien Die Freizeit verbrachte die bürgerlichen Familie häufig mit Musizieren, Gedichte- und Geschichtenlesen und Malen. Die Eltern luden Gäste ein, um gemeinsam zu essen und sich zu unterhalten. In vielen Familien begann man sehr früh mit Anstands- und Tanzunterricht. Die Kinder sollten so in ihren Stand hineinwachsen und lernen, was sich für sie gehörte. Dabei gab es in der Erziehung zwischen Mädchen und Jungen große Unterschiede. Die Jungen sollten möglichst einen hohen Schulabschluss erreichen und den Beruf des Vaters erlernen, während die Mädchen später eine gute Hausfrau und Mutter werden sollten. Die Erziehung von Mädchen und Jungen in wohlhabenden Familien richtete sich ebenfalls nach den Aufgaben, die ihnen von den Eltern und der Gesellschaft zugedacht waren. Jungen sollten auf die Berufstätigkeit außerhalb des Hauses und Mädchen auf Heim und Kinderbetreuung vorbereitet werden. Jungen sollten später ihre Familie ernähren können und bekamen deshalb für ihr späteres Berufsleben eine umfassende Schulbildung vermittelt. Mädchen sollten möglichst bald verheiratet werden. Sie mussten lernen, sich an Gesprächen angemessen zu beteiligen und Abende für die Familie und für Gäste zu gestalten. Mädchen sollten gehorsam und bescheiden sein, während bei Jungen Draufgängertum eher erwünscht war. Die Eltern achteten sehr auf die Schulausbildung ihrer Kinder und zahlten viel Geld dafür. Da den Eltern die Volksschule nicht gut genug erschien, stellten sie Hauslehrer ein oder zahlten Schulgeld für bessere Schulen. Da die bürgerlichen Kinder nichts zum Einkommen der Familie beitragen mussten, konnten sie weiterführende Schulen besuchen und bessere Abschlüsse machen. M4: Schüler an einem Gymnasium (um 1910) Erläutere, wie Mädchen und Jungen in den reichen Familien auf ihr späteres Leben vorbereitet wurden. Zeige auf, wie die Kinder um 1900 spielten. Vergleiche die Kindheit in einer bürgerlichen Familie, in einer Arbeiterfamilie und in einer Familie, die auf dem Dorf lebte. Starthilfe Denke an Begriffe wie Gesundheit, Freizeit, Bildung, Aufgaben in der Familie u. a. 12 Aktiv 13 Längsschnitt R E Spiele früher und heute Spielen wie Kinder im 19. Jahrhundert Spielen wie Kinder bei den Azteken Paradieshüpfen Das Feld wird mit Kreide auf eine geteerte oder gepflasterte Fläche aufgemalt. Es kann aber auch mit einem Stock in die Erde geritzt werden. Jeder Spieler sucht sich einen flachen Stein. Durch Abzählen oder Losen wird festgestellt, wer anfangen darf. Der Spieler wirft sein Steinchen in Feld 1. Hüpfend befördert er das Steinchen mit der Fußspitze weiter in Feld 2, 3 usw., bis er zum Himmel kommt. Dort darf er sich ausruhen, das heißt mit beiden Beinen kurz rasten. Vom Himmel (Paradies) wird auf dieselbe Weise bis zum Ausgangspunkt zurückgehüpft. Wer einen Fehler macht, wird von einem anderen Spieler abgelöst. Patolli Patolli besteht aus einer Matte mit vier kreuzförmigen Armen und Spielfeldern in den Farben Rot und Blau. Spielen können zwei Personen oder Gruppen gegeneinander. Gewürfelt wird mit vier Bohnen, die auf einer Seite mit weißen Punkten gekennzeichnet sind und nach dem Würfeln anzeigen, um wie viel Felder vorgerückt werden darf. Die Spielsteine bestehen aus roten und blauen Bohnen. Ziel des Spiels ist es, Spielsteine (Bohnen) vom Mittelfeld des Kreuzes über die Kreuzarme, wo Kollisionsmöglichkeiten mit gegnerischen Spielsteinen bestehen, zurück zum Ausgangspunkt zu führen. T S U M Spielen wie Kinder im 21. Jahrhundert Spielen wie Kinder in Rom Das Deltaspiel Dieses Spiel kann man zu zweit oder als Mannschaft spielen. Ein spitzwinkliges, großes Dreieck wird auf dem Schulhof oder dem Gehweg gezeichnet. Jeder Mitspieler hat fünf Steine. Alle Felder haben Zahlen. Das Feld in der Spitze bekommt die Zahl X (10), das unterste die Zahl I (1). Der Reihe nach wirft jeder Spieler Steine in ein Feld. Dabei versucht er, die Steine in ein Feld mit möglichst hoher Zahl zu werfen. Am Ende werden die Zahlen zusammengezählt. Gewonnen hat, wer die höchste Zahl erreicht hat. Spielen wie Kinder im Mittelalter Parteienkegeln Es werden neun Kegel in einem Quadrat über Eck aufgestellt. Der König steht vorne. Die Spieler bilden zwei Parteien. Mit einem Auszählvers („Ene, mene, muh, und ab bist du!“) wird ermittelt, wer zuerst die Kugel auf die neun Kegel rollen darf. Jeder Spieler hat drei Würfe. Ein Wurf ist nur gültig, wenn der König fällt. Gewonnen hat die Partei, die am meisten Kegel umgeworfen hat. Es kann auch vor Beginn des Spieles ausgemacht werden, wie viele Kegel fallen müssen. Sieger ist dann die Partei, die am schnellsten die bestimmte Zahl Kegel umgeworfen hat. Neunloch In den Boden werden neun gleich große Löcher gegraben. Jeder Spieler legt in das mittlere Loch eine Murmel als Einsatz. Der Reihe nach wird von einer festgelegten Startlinie aus auf das Feld gezielt. Wer in das mittlere Loch trifft, darf die darin liegenden Kugeln behalten. Wer in eines der anderen Löcher trifft, muss eine Strafkugel in das Mittelloch legen. Ballspiele Ballspiele sind seit der Antike bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Schon in frühester Kindheit lernte man den Umgang mit dem Ball, und mit jeder Altersstufe nahm die Sicherheit im Werfen und Auffangen zu. Ganz besonders war das Spiel „Zehnerle“. Zehnerle Der Ball, der etwa mittelgroß sein sollte, wird an eine Hauswand geworfen. Einer fängt an, die anderen schauen zu und sind an der Reihe, wenn der Spieler einen Fehler macht. – 10-mal mit der rechten Handfläche den Ball nach oben an die Wand prellen. – 9-mal mit der linken Handfläche nach unten prellen. – 8-mal mit der rechten Faust – 7-mal mit gefalteten Händen – 6-mal mit einem Knie – 5-mal um den Rücken – 4-mal mit aufeinandergelegten, flachen Händen – 3-mal mit dem Kopf – 2-mal mit der Brust – 1-mal mit beiden Händen, sich dabei umdrehen und den Ball rücklings auffangen Lest die Spielanleitungen der Spiele genau durch. Erklärt euch gegenseitig die Spielregeln. Spielt in den Projektgruppen das Spiel, das die Kinder in der von euch bearbeiteten Zeit spielten. Selbstverständlich könnt ihr die Spielregeln auch anders gestalten. Schreibt selbst eine Spielanleitung zu einem Ballspiel. 14 Kindheit im 21. Jahrhundert 15 Längsschnitt R E Webcode Informationen über Kinderrechte SDL-35717-802 Lesetipp „Kinder ohne Kindheit. Ein Lesebuch über Kinderrechte“ von Reiner Engelmann T S U M M1: Plakat des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen zur Verbreitung der Inhalte der Kinderrechte UNO Abkürzung für den engl. Begriff „United Nations Organization“. In Deutschland wird die UNO auch „Vereinte Nationen“ genannt. Du hast auf den Seiten 4 bis 11 viel über das Leben der Kinder in verschiedenen Zeiten erfahren. Dabei wirst du festgestellt haben, dass dein Leben heute ein bisschen anders aussieht. Du darfst spielen, deine Freizeit genießen und wirst wahrscheinlich gewaltfrei erzogen. Du kannst die Schule besuchen und musst nicht zwölf Stunden in einer Fabrik arbeiten. Du hast nämlich Rechte. Sie sind in der Kinderrechtskonvention der UNO niedergeschrieben. Das ist ein Vertrag, den inzwischen 193 Staaten der Erde unterschrieben haben – alle außer Somalia und den USA. In der Kinderrechtskonvention der UNO steht zum Beispiel, dass Kinder ein Recht auf Gleichheit haben. Das bedeutet, dass alle Kinder gleich behandelt werden müssen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion und ihrer Herkunft. Wenn du über dein eigenes Leben nachdenkst, wirst du bestimmt feststellen, dass sich dein Leben stark vom Leben der Kinder in anderen Zeiten unterscheidet. In vielerlei Hinsicht geht es dir heute besser. Doch ist es nicht überall so. Auch in Deutschland leben Kinder in Armut. Die Folgen sind schwerwiegend: wenig Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, geringe berufliche Chancen, Unterversorgung, unterdurchschnittlicher Lebensstandard. Im Alltag dieser Kinder bedeutet dies oft, dass sie aus finanziellen Gründen an Aktivitäten der Schule nicht teilnehmen können, dass sie morgens hungrig in den Kindergarten oder die Schule gehen, aus Mangel an Geld nicht an Klassenfahrten teilnehmen, sich nicht mit Markenklamotten einkleiden können oder sich unzureichend ernähren. Im Schulalltag zeigen sich oft zusätzliche Schwierigkeiten. Der Ausschluss aus dem Klassenverband sowie Hänseleien verhindern vielfach den Aufbau wichtiger sozialer Kontakte. Hier muss etwas geändert werden, hier müssen die Rechte der Kinder endlich im täglichen Alltag umgesetzt werden. a) Erläutere, was du unter den einzelnen Kinderrechten der UNO verstehst (M1). b) Vermute, welche Kinderrechte am meisten verletzt werden. a) Stelle den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Stellung und Bildungsmöglichkeiten in verschiedenen Zeiten heraus (Seite 2–11). b) Bewerte deine Ergebnisse. Stellt euch vor, Kinder aus den verschiedenen Zeiten dieses Kapitels begegnen sich. a) Entscheidet euch, welche Kinder das sein könnten und gebt ihnen Namen. b) Führt ein Rollenspiel durch, in dem die Kinder ihren Alltag beschreiben. c) Zum Abschluss des Rollenspiels spielen alle Kinder ein gemeinsames Spiel. Das Kind, aus dessen Epoche das Spiel stammt, erklärt den anderen die Regeln. Recherchiere im Internet über Kinderarbeit heute. Vergleiche die Folgen der Kinderarbeit heute mit denen früherer Zeiten. a) Starthilfe Du kannst auch Beispiele nennen, in denen gegen die Rechte verstoßen wird. 16 } ... 17 Zusammenfassung Kindheit in Rom Mit sieben Jahren gingen die meisten Mädchen und Jungen zur Schule. Die Kinder aus reichen Familien hatten meist einen Hauslehrer. Mit zwölf Jahren setzten Jungen ihre Ausbildung fort, Mädchen blieben zu Hause und wurden auf die Rolle als Hausfrau vorbereitet. Kompetenzcheck R E 1 Bilder erzählen viel Fachkompetenz ‘ ‘ verschiedene Lebensweisen unterscheiden (Seite 4–15) Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und individuellen Lebensformen erkennen (Seite 4–15) T S U M Kindheit bei den Azteken Die Eltern erzogen die Kinder. Gebote und Verhaltensregeln wurden mündlich und durch das praktische Vorbild der Erwachsenen vermittelt. Viel Spielzeug hatten die Kinder nicht. Methodenkompetenz ‘ einfache Spielszenen am Beispiel damals typischer gesellschaftlicher Situationen entwickeln und in geeigneter Form durchführen (Seite 14/15) 1 2 Kindheit im Mittelalter Kinder auf dem Lande hatten wenig Zeit zum Spielen, da sie auf dem Feld mithelfen mussten. Schulen besuchten sie kaum. Adlige Kinder wuchsen wohlbehütet auf. Mit sieben Jahren begann die Ausbildung der Jungen zum Ritter. Mädchen wurden auf ihre Rolle als Ehefrauen vorbereitet. Kommunikationskompetenz ‘ Urteilskompetenz ‘ Kindheit um 1900 Die Schulpflicht wurde eingeführt, aber viele Kinder mussten auf den Feldern oder in Fabriken arbeiten. Die Eltern waren auf ihren Lohn angewiesen. Den Kindern aus reichen Familien ging es gut. Sie wurden auf ihre spätere Rolle in der Gesellschaft vorbereitet. Kindheit im 21. Jahrhundert Heute haben Kinder Rechte. Sie sind festgehalten in der UN-Kinderrechtskonvention. Trotzdem leben noch viele in Armut und leiden unter fehlenden sozialen Kontakten. gesellschaftliche Strukturen beschreiben und Besonderheiten benennen (Seite 14–15) ‘ fremde Wertvorstellungen erschließen und vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen und Haltungen beurteilen (Seite 4/5, 14/15) die Lebensbedingungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen beurteilen (Seite 4/5, 14/15) 3 4 5 6 8 7 9 10 M1: Kinder in verschiedenen Zeiten Du kannst … a) zu jeder Figur etwas über deren Alltag berichten. Webcode Lösungen SDL-35717-803 b) die Vorteile und Nachteile benennen, die Mädchen und Jungen in dieser Zeit hatten. c) das Leben dieser Mädchen und Jungen mit dem Leben der Kinder in heutiger Zeit vergleichen und feststellen, ob und wie sich etwas verändert hat. R E Mit Beiträgen von Johannes Derichs Textnachweis 9 Q1: Eschenbach von, Wolfram: Parzival, ins Nhd. übers. Von Wolfgang Spiewok, Reclams Universalbibliothek Nr. 3681, Bd. 1, 170, 13–173, 6, Stuttgart o.J. Bildquellenverzeichnis akg-images, Berlin: 9 M4, 10 M1, 11 M4, 16.4; Biblioteca Nacional de España, Madrid: 7 M2 (Dagli Orti); Bibliothéque du Palais Boubon, Paris: 7 RS (Dagli Orti); bpk - Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Berlin: 5 M3, 10 M1 (J.P. Anders); Bridgeman Art Library, London: 8 M2 + 16.3 (British Library, London © British Library Board. All Rights Reserved; British Museum, London: 4 M1 u. li.; Carls, Claudia, Hamburg: 12, 13, 17; lait, Köln: 15 u.r. (H.-B. Huber); Picture-Alliance: 15 o.l. (ZB / P. Pleul), 15 o.r. (ZB / W. Thieme), 15 u.l. (Joker / W. G. Allgöwer); Rheinisches Bildarchiv, Köln: 4 M2, 16.1; Unicef Deutschland, Köln: 14 M1, 16.5; University of California Press: 6 M1, 16.2; © VG Bild – Kunst, Bonn 2009: 10 M2; Williams, M.: 4 M1 u. re. T S U M © 2015 Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig www.schroedel.de Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung gescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. Auf verschiedenen Seiten dieses Buches befinden sich Verweise (Links) auf Internetadressen. 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