Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines

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Freie wissenschaftliche Arbeit
zur Erlangung
des Grades eines Masters in Sozialmanagement
an der Alice Salomon Hochschule Berlin
– University of Applied Sciences –
(Masterarbeit)
„Entgrenzte“ Arbeitswelt – Begrenzte Betreuungszeiten.
Die Implementierung eines flexiblen Betreuungskonzeptes
als Marketinginstrument – Möglichkeiten und Grenzen
hinsichtlich bedarfs- und kundenorientierter
Kinderbetreuung in Kindertagesstätten
eingereicht bei
Erstleser: Herr Prof. Dr. Hans-Dieter Bamberg
Zweitleser: Herr Prof. Dr. Bernd Maelicke
von:
Sabrina Heinz
Kirchstraße 4
01705 Freital
Matrikelnummer: 6102011
Freital, 30.01.2011
i
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
iv
Tabellenverzeichnis
v
1 Einleitung
1.1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Was macht die Kindertagesstätte im 21. Jahrhundert zu einem kundenorientierten
Unternehmen?
2.1 Demografischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Kundenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Gesellschaftliche Wandlungsprozesse . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1.1 Strukturwandel in der Arbeitswelt . . . . . . . . . .
2.2.1.2 Wandel der Familienstruktur . . . . . . . . . . . . .
2.3 Neue Finanzierungsmodalitäten und Wettbewerbssteigerung . . . . .
2.4 Kundenorientierung versus Wertvorstellung . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Grundbegriffe des Marketing
3.1 Marketing im Profitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
3.3 Marketing im Non-Profitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Nonprofit-Marketing als Managementprozess . . . . . . . . . . . . . .
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4 Grundlagen zur Strategieimplementierung
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4.1 Begriff und Inhalt der Strategieimplementierung . . . . . . . . . . . . 33
4.2 Prozess der Strategieimplementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5 Strategieimplementierung
5.1 Strategieentwicklungsphase . . . . . .
5.1.1 Normative Marketingplanung
5.1.1.1 Interne Analyse . . .
5.1.1.2 Externe Analyse . .
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ii
5.2
5.3
5.1.1.3 Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Konzeptionelle Implementierungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Strategische Marketingplanung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1.1 Geschäftsfeldstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1.2 Marktteilnehmerstrategien . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1.3 Marketinginstrumentestrategien . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Operative Marketingplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2.1 Ressourcenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2.2 Absatzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2.3 Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . .
Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 Implementierungsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.2 Zusammenhang zwischen externen und internen Prozessen . .
5.3.3 Problembereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.4 Bezugsrahmen der Strategieimplementierung . . . . . . . . . .
5.3.4.1 Anpassung der Organisations- und Einrichtungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.4.2 Anpassung der Organisations- und Einrichtungskultur
5.3.4.3 Anpassung der Organisations- und Einrichtungssysteme
6 Maßnahmen für die Implementierung des flexiblen Angebotes unter Berücksichtigung von Möglichkeiten und Grenzen
6.1 Was heißt flexible Betreuung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Was heißt Flexibilität in den Landesgesetzgebungen? . . . . .
6.1.2 Form und Startvoraussetzungen der Flexibilität . . . . . . . .
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt . . . . . . . . . . .
6.2.1 Elternperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.2 Pädagogische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.2.1 Was ist pädagogische Qualität? . . . . . . . . . . . .
6.2.2.2 Ist Bildung in einer flexiblen Angebotsstruktur möglich?
6.2.3 Kinderperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.3.1 Die Notwendigkeit der konzeptuellen Veränderung . .
6.2.3.2 Altersheterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.3.3 Modularisierung von Angeboten . . . . . . . . . . . .
6.2.3.4 Notwendigkeit: Strukturierung des Tages . . . . . . .
6.2.3.5 Erzieherinnen-Kind-Beziehung . . . . . . . . . . . . .
6.2.4 Erzieherinnenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Flexible Betreuungszeiten erfordern Modelle zum bedarfsgerechten
Personaleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
iii
7 Zusammenfassung und Ausblick
87
Literaturverzeichnis
90
Erklärung
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Tabellarischer Lebenslauf
96
iv
Abbildungsverzeichnis
2.1
Zusammengefasste Geburtenziffern der Kalenderjahre . . . . . . . . . 10
3.1
Möglicher Nonprofit-Marketingmanagementprozess einer Kindertageseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.1
Strategieimplementierungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
5.1
5.2
5.3
5.4
Ansoff-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Prozess des operativen Marketings im Nonprofit-Bereich
Maßnahmen der Kommunikationspolitik . . . . . . . . .
Bezugsrahmen der Strategieimplementierung . . . . . .
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v
Tabellenverzeichnis
5.1
Unterstützende Maßnahmen zur Implementierung . . . . . . . . . . . 63
1
1 Einleitung
„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen einige Mauern, andere Windmühlen“.
(Chinesisches Sprichwort)
Das Thema Familie beschäftigt die Politik in Zeiten gesellschaftlicher Wandlungsprozesse stärker denn je. Die frühkindliche Betreuung, Erziehung und Bildung war
lange Zeit, vor allem im Westen Deutschlands, ein Thema, welches wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit fand, klein geredet oder als private Angelegenheit der
Familie abgetan wurde (vgl. Krappmann 2008, Vorwort; S.H.). Inzwischen setzt
sich ein neuer öffentlicher wie auch familienpolitischer Diskurs durch: Die von Familien erbrachten Leistungen können nicht mehr nur als reine Privatsache, sondern
als ein Beitrag für die Gesellschaft und deren Humankapital gesehen werden (vgl.
Klinkhammer 2005, S.19).
Der vom Statistischen Bundesamt prognostizierte1 Bevölkerungsrückgang und die
Überalterung der Gesellschaft in den nächsten Jahren haben Auswirkungen auf die
Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und folglich für den Wirtschaftsstandort
Deutschland. Bereits 2002 beschließt das Bundeskabinett eine nationale Strategie für
nachhaltige Entwicklung2 , bei deren Gestaltung speziell die Frauen eine Schlüsselrolle
spielen. Denn trotz der Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern
weist Deutschland, zum Beispiel im Vergleich zu den skandinavischen Ländern3
Schweden, Dänemark und Norwegen, immer noch Defizite bezüglich der Partizipation
der Frauen am Arbeitsleben und beim Beschäftigungsniveau der bereits weiblichen
1
„Bevölkerungsvorausberechnungen basieren auf Hypothesen und sind deshalb mit Unsicherheiten behaftet. Ihre Ergebnisse hängen zum einen von der aktuellen Bevölkerungszahl und
-struktur und zum anderen von den Annahmen zur Entwicklung der Geburtenhäufigkeit,
Lebenserwartung und der Wanderungen ab. Da der Verlauf der einzelnen Komponenten mit
zunehmendem Abstand vom Basiszeitpunkt immer schwerer vorhersehbar ist, haben langfristige
Bevölkerungsvorausberechnungen einen Modellcharakter“ (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden
2010: Bevölkerungsvorausberechnung,
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/
abisz/Bevoelkerungsvorausberechnung,templateId=renderPrint.psml)
2 Gruescu, Sandra/ Rürup, Bert: „Nachhaltige Familienpolitik im Interesse einer aktiven
Bevölkerungsentwicklung“ 2003 siehe:
http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/Service/Publikationen/
publikationen,did=13764.html
3 Mehr als drei Viertel der Frauen in diesen Ländern sind erwerbstätig. Trotzdem liegt die
Geburtenrate um ein Drittel höher als in der Bundesrepublik Deutschland.
1 Einleitung
2
Berufstätigen auf. Im Jahr 2009 befinden sich in Deutschland 28,6 Prozent der Frauen
in einem Alter zwischen 15 und 64 Jahren nicht in einem Erwerbsverhältnis. Etwa
52,3 Prozent der nicht am Berufsleben teilnehmenden Frauen im Alter zwischen 25
und 54 Jahren stehen dabei allein aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung (Allen 2010). Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist dies
ein nicht zufriedenstellender Zustand4 . Auf dem Arbeitsmarkt besteht ein Mangel
an qualifizierten Arbeitskräften. Dieser kann nicht allein durch die Zuwanderung
von ausländischen Fachkräften kompensiert werden. Es müssen positive familienpolitische Maßnahmen geschaffen werden, um einerseits die geringe Erwerbstätigkeit
von Ehefrauen mit Kindern zu steigern. Andererseits soll auch Ein-Eltern-Familien5
die Möglichkeit zur eigenständigen Absicherung durch Erwerbstätigkeit gegeben
werden, um der fortschreitenden Armutsentwicklung entgegenzuwirken (vgl. Eichhorst/Thode 2002:7-9). Gleichwohl muss ein Anreiz für – um der Karriere willen –
kinderlose Frauen geschaffen werden, damit diese ihren Kinderwunsch realisieren
können bzw. sich mit diesem für die demografische Entwicklung wichtigen Thema
auseinandersetzen.
Das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere der Bereich der institutionellen frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung, nimmt bei der Gestaltung
von familienfreundlichen Rahmenbedingungen einen hohen Stellenwert ein. „Sie bildet
ein zentrales Fundament für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ (ebd.:20).
Denn der bisherige Mangel, speziell an institutionellen Betreuungsmöglichkeiten für
Unterdreijährige in Westdeutschland, wird „[...] als eine Ursache sowohl für das nach
wie vor geringe berufliche Engagement von Müttern mit Kindern im Vorschulalter
als auch für die anhaltend niedrige Geburtenrate diskutiert“ (Bien/Riedel 2006:268).
Seit einiger Zeit steht daher der Ausbau der infrastrukturellen Betreuungsangebote
für Kinder – eben vorwiegend in den westlichen Ländern der Bundesrepublik – auf
der politischen Agenda (vgl. Stöbe-Blossey 2005:149). „Wenn der Ausbau der Kinderbetreuung [jedoch] einen Beitrag leisten soll, die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf [...] zu verbessern, müssen Kindertageseinrichtungen nicht nur pädagogischen
und bildungspolitischen Qualitätsansprüchen genügen. Die Zeitgestaltung dieser
Betreuungsangebote muss darüber hinaus auch die Anforderungen erwerbstätiger
Eltern berücksichtigen“ (Heitkötter, Martina 2006:217; S.H.). Öffnungszeitenarrangements institutioneller Kindereinrichtungen sind dabei aber nicht nur für „[...] bereits
erwerbstätige Eltern und deren berufsbedingte Zeitbedarfe relevant [...], sondern
4
5
Laut einer Studie 2008 der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft, hätte eine bessere Gleichstellung zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts
um 29 Prozent und ein Anstieg der Beschäftigungsrate um 28 Prozent zur Folge.
„Neben dem Merkmal Erwerbstätigkeit wird auch die Familienform als ein Indikator für vorhandenen Betreuungsbedarf gesehen“ (van Santen, Eric 2006:149).
1 Einleitung
3
auch für Eltern mit kleinen Kindern, die den Schritt in die Arbeitswelt erst noch
bzw. wieder gehen möchten [...]“ (ebd.:232; S.H.).
Das Arbeitsfeld der Kindertagesstätten ist, aufgrund des 1996 gesetzlich geregelten
Anspruches auf einen außerfamilialen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten
dritten Lebensjahr6 , von einem starken Wachstum geprägt. Aufgrund der stark
rückläufigen Anzahl von zu betreuenden Kindern in den nächsten Jahren, als Folge
des demografischen Wandels, wird es jedoch zu einem Überhang an Betreuungsplätzen
für Drei- bis Sechsjährige vor allem im Osten Deutschlands kommen. Schon jetzt
sind Einrichtungen nicht mehr ausgelastet. Doch es entstehen in Gebieten, wo
bisher kein Mangel an Plätzen besteht und der Markt weitestgehend gesättigt
ist, weiterhin neue Kindergärten. Diese werden nicht wie üblich von klassischen
Betreibern, wie beispielsweise Kommunen, freien Trägern oder der Kirche, sondern
von Elterninteressensvereinigungen oder -initiativen betrieben. Diese Initiativen
entstehen oft aus der Unzufriedenheit mit den bisher angebotenen Leistungen der
Kindertagesstätten. Ebenso stellen private Kinderbetreuungseinrichtungen, deren
oberste Prämisse es ist, sich am konkreten Bedarf der Eltern und an den Bedürfnissen
der Kinder zu orientieren und ihnen gerecht zu werden, für die klassischen Betreiber
von Kindertagesstätten in Zukunft einen ernstzunehmenden Konkurrenten dar (vgl.
Schwaten 2008:10).
Eine weitere Herausforderung stellt die Umgestaltung des Sozialstaates dar. Diese
zwingt den sozialen Bereich ebenfalls zum Umdenken. Und zwar weg von der Denkweise: „Der Staat soll’s richten“. Bis weit in die 90er Jahre hatte die soziale Arbeit in der
Gesellschaft eine Sonderstellung: monopolartig wurde sie von sechs Wohlfahrtsdachverbänden organisiert, die sich bezüglich der Preise und der Gestaltung der Dienste
mit den staatlichen Stellen absprachen. Konkurrenz war somit nicht vorhanden. Zudem wurden die Einrichtungen nach dem „Selbstkostendeckungsprinzip“7 finanziert,
so dass es kaum finanzielle Probleme gab. Mit der Gründung von Initiativkindergärten
und privaten Kinderbetreuungsanbietern ist im Laufe der Zeit Konkurrenz entstanden, trotzdem wurden keine Änderungen und Anpassungsprozesse an die vielfältigen
Bedürfnisse der „Kunden“ seitens der Verbände vorgenommen. Die Kosten stiegen
bei gleichzeitig suboptimaler Qualität (vgl. Klug 2001:14f). Die Abrechnungsmodalitäten haben sich bereits in vielen Bundesländern zwischen Kommunen und freien
Trägerschaften völlig verändert. Statt der Pauschalzuschüsse (80 Prozent der Gesamtkosten) wird die öffentliche Hand zunehmend leistungsorientiert finanzieren. Das
betriebswirtschaftliche Risiko wird damit auf die gemeinnützigen Träger verlagert.
6
7
SGB VIII § 24
„Wenn Defizite entstanden, wurden diese vom Kostenträger, und das heißt von öffentlichen
Kassen, übernommen“ (Klug 2001, S.14).
1.1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
4
Vor diesem Hintergrund ist es für Kindertageseinrichtungen inzwischen wichtig,
eine neue Sichtweise einzunehmen und sich Gedanken bezüglich möglicher Marketingstrategien zu machen.
1.1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
Auch wenn manch einer sich immer noch fragt, ob man die Nutzer seiner Leistungen
als „Kunden“ bezeichnen kann und ob es ethisch vertretbar sei, seine soziale Einrichtung wie ein „Unternehmen“ zu organisieren, hat der, wie bereits in der Einleitung
deutlich geworden ist, in der Literatur oft genannte Paradigmenwechsel hin zur
„Ökonomisierung und Kundenorientierung“ selbst das Arbeitsfeld der frühkindlichen
Betreuung, Bildung und Erziehung längst auf breiter Ebene erreicht. Ökonomische,
politische sowie gesellschaftliche Zwänge und Trends machen inzwischen auch vor
Kindertagesstätten nicht mehr Halt. Eine klare Positionierung (Leitbildentwicklung)
und die Entwicklung von Angeboten, die der derzeitigen und der zukünftigen Marktlage entsprechen, sind inzwischen notwendig, um die eigene Position am Markt zu
stärken bzw. zu sichern. In der freien Wirtschaft hat sich der Einsatz von Marketing
als Grundlage einer marktorientierten Unternehmensführung bereits durchgesetzt
(vgl. ebd.:4).
Das zentrale Ziel dieser Master Thesis ist es, eine strategische Neuausrichtung
für Kindertagesstätten aufzuzeigen, um den anstehenden Veränderungen und Erwartungen gerecht zu werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der theoretischen
Implementierung eines flexiblen Betreuungskonzeptes für eine Kindertageseinrichtung
im Bundesland Sachsen als eine mögliche Marketingstrategie. Des Weiteren soll der
Betrachtung von Möglichkeiten und Grenzen kundenorientierter Arbeit im Bereich
der institutionellen frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung nachgegangen
werden. Die notwendige konzeptionelle Vorarbeit der Analyse und der Auswahl der
Strategie sowie der geeigneten Instrumente wird, da sie den Ausgangspunkt einer
Implementierung bildet, mit behandelt. Das im Anschluss einer Implementierung
folgende Controlling der notwendigen operativen Maßnahmen findet im Rahmen
dieser Arbeit jedoch keine Beachtung.
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Nachdem im ersten Kapitel einleitend die Auseinandersetzung mit der behandelten
Thematik kurz begründet wurde und anschließend die Darstellung des Gegenstandes
sowie der Zielsetzung dieser Arbeit erfolgte, steht nun die Vorgehensweise und der
Aufbau der Master Thesis im Mittelpunkt. Das zweite Kapitel beabsichtigt einerseits
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
5
die in der Einleitung skizzierten, sich wechselseitig überlagernden gesellschaftlichen
und politischen Entwicklungen und Rahmenbedingungen näher zu betrachten und
andererseits der Frage nachzugehen, ob Kindertagesstätten heutzutage als Dienstleistungsunternehmen bezeichnet werden können. Folgenden Fragestellungen soll
dabei nachgegangen werden:
• Welcher Bedarf ergibt sich aufgrund des demografischen Wandels aber auch
angesichts der gesellschaftlichen sowie volkswirtschaftlichen Entwicklungen?
• Wie gestaltet sich die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt bezüglich der
Arbeitszeiten?
• „Wie sieht die Landschaft der Öffnungs- und Schließzeiten bundesdeutscher
Kindesbetreuungseinrichtungen im Überblick aus?“ (Heitkötter 2006:224)
• In welchen Zeitarrangements der Kindertageseinrichtungen werden derzeit die
Kinder im Vorschulalter betreut?
• Welche Unterschiede existieren zwischen den infrastrukturellen Angeboten für
Null bis Zweijährige und den Angeboten für Drei- bis Sechsjährige?
• Wo bestehen allgemein Differenzen bezüglich der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern?
• Was bedeutet Kundenorientierung in einer Bildungs- und Betreuungseinrichtung
für Kleinkinder?
• Muss man, wenn man kundenorientiert arbeiten möchte, vollkommen auf die
Vorstellungen und Wünsche der Eltern eingehen?
• Mit welchen Rahmenbedingungen wird in Deutschland im Bereich der frühkindlichen Betreuung Wettbewerb geschaffen?
Zur näheren Betrachtung des Marketing als ein wichtiges Managementinstrument für
das Fortbestehen von Kindertagesstätten soll zunächst in Kapitel drei diesbezüglich
eine allgemeine terminologische Einführung gegeben werden und anschließend im
vierten Kapitel die Grundlagen der Strategieimplementierung aufgezeigt werden.
Im fünften Kapitel dieser Arbeit kann dann der idealtypischen Implementierung eines flexiblen Betreuungskonzeptes als eine Möglichkeit kunden- und marktorientierten
Handelns nachgegangen werden. Dabei wird ein möglicher strategischer Planungsprozess einschließlich der Implementierungsplanung der Marketingstrategie „Flexibles
Betreuungskonzept“ in einer sächsischen Kindertageseinrichtung exemplarisch dargestellt.
1.3 Methodik
6
Im Unterschied zur Wirtschaft, woher ursprünglich der Kundenbegriff stammt,
handelt es sich in einer Kindertagesstätte jedoch „nicht um eine eindimensionale
Dienstleistung, sondern vielmehr um ein mehrdimensionales Planen und Handeln,
ein Angebot, das die verschiedenen Bedarfslagen und Wertesysteme berücksichtig[en]
muss“ (Becker-Textor 1999). Möglichkeiten und Grenzen für die Einführung eines
flexiblen Betreuungsangebots in einer Kindertagesstätte in Sachsen sollen im sechsten
Kapitel aufgezeigt werden.
• Welche Besonderheiten im Hinblick auf rechtliche und organisatorische Fragen
herrschen im Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB
VIII), im Sächsischen Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen
sowie im Landesjugendhilfegesetz?
• Wie könnten sich solche gesetzlichen Regelungen auf die Gestaltung eines
flexiblen Betreuungskonzeptes auswirken?
• Was heißt „flexible“ Kinderbetreuung? Wie definiert man „Flexibilität“ in
Bezug auf eine pädagogische Einrichtung?
• Welche strukturellen, als auch mentalen und pädagogischen Hindernisse resultieren aus der Gestaltung eines flexiblen Kinderbetreuungskonzeptes?
• Ergeben sich dabei aber auch neue organisatorische sowie pädagogisch-methodische Möglichkeiten in Hinblick auf die Arbeit mit Vorschulkindern?
Zur praxisnahen Beantwortung der zuvor aufgestellten Fragen greift diese Arbeit auf
zwei Studien zurück, in denen verschiedene Einrichtungen mit flexiblen Angeboten
aus unterschiedlichen Bundesländern untersucht und deren pädagogische Fachkräfte,
Kinder sowie Eltern befragt worden sind.
Mit einer Zusammenfassung des behandelten Themas und einem Ausblick auf
zukünftige Arbeitsmethoden in Kindertagesstätten bezüglich des Bereichs „Kundenorientierung“ schließt diese wissenschaftliche Arbeit im siebenten Kapitel ab.
1.3 Methodik
Der Inhalt der nun folgenden wissenschaftlichen Arbeit liegt einer umfassenden
Recherche der bisher publizierten Literatur zu Grunde. Die theoretischen Grundlagen
zum Thema Marketing und Nonprofit-Marketing stützen sich auf den aktuellen
Forschungsstand der Fachliteratur und wurden dieser entnommen. Die Auswertung
der statistischen Daten erfolgt im Rahmen dieser Master Thesis mittels sekundärer Quellen. Für die Beantwortung der zuvor in der Einleitung gestellten Fragen
1.3 Methodik
7
wurden verschiedene wissenschaftliche Studien, dokumentierte Fachtagungen, Arbeitspapiere/Dokumentationen sowie Forschungsberichte zum Thema Arbeitswelt und
Kindertagesstätten herangezogen. Da sich die Arbeit lediglich auf das Erschließen und
Auswerten sekundärer Literatur beschränkt und eigene empirische Untersuchungen
nicht durchgeführt werden konnten, kann nicht der Anspruch auf Vollständigkeit des
behandelten Themas erhoben werden.
Ebenso liefert diese Masterarbeit kein allgemeingültiges Konzept zur Implementierung. Es wird vielmehr exemplarisch die Implementierung einer bestimmten Marketingstrategie, in dem Fall eines flexiblen Betreuungsangebotes, für Kindertagesstätten
aufgezeigt.
8
2 Was macht die Kindertagesstätte im 21.
Jahrhundert zu einem kundenorientierten
Unternehmen?
2.1 Demografischer Wandel
Der demografische Wandel stellt für Deutschland einen der wichtigsten Einflussfaktoren bezogen auf die künftige Entwicklung von Angebot und Nachfrage im Bereich
der sozialen Dienstleistungen dar.
Die Häufigkeit der Geburten ist deutschlandweit betrachtet inzwischen so niedrig,
„[...] dass sich die Elternjahrgänge bei weitem nicht mehr vollständig durch die Geburt
von Kindern ersetzen“ (BIB 2008:6). Kindertagesstätten werden in Deutschland
in den nächsten Jahren insgesamt betrachtet mit einer rückläufigen Anzahl von
Kindern konfrontiert werden. Waren es im Jahre 2009 noch 4,2 Millionen Kinder
unter sechs Jahren, werden es 2020 bereits ca. 300.000 Kinder weniger sein. Wenn
in zehn Jahren dann die starken Jahrgänge mit potentiellen Müttern aus dem
gebärfähigen Alter herausfallen, muss man bei der Fortsetzung des derzeitigen
Trends (durchschnittlich 1,4 Kinder pro Frau) einen weiteren starken Rückgang der
Geburtenzahl bis zum Jahre 2050 einkalkulieren. Der Osten Deutschlands wird dabei
noch deutlich stärker von der fortschreitenden Alterung betroffen sein als der Westen,
da in den neuen Bundesländern bereits seit der Wiedervereinigung ein kontinuierlicher
Bevölkerungsrückgang durch den Wegzug junger Menschen in den Westen (die
Zuwanderung führte hier bis 2005 zu einem Bevölkerungszuwachs) und andererseits
ein Geburtenrückgang zu verzeichnen ist (Abb. 2). Das Ende der DDR führte im
Osten zu einem Geburteneinbruch (auch „Demographic Shocks“ genannt) zwischen
den Jahren ’91 und ’94. Um sich im „neuen System“ mit all seinen Möglichkeiten und
Risiken zurechtzufinden, schoben junge Menschen zu dieser Zeit zunächst den Wunsch,
eine Familie zu gründen, auf. „Nachdem relativ schnell offensichtlich wurde, dass
sich der Systemwandel mit seinen vielen Problemen (wirtschaftlicher Strukturwandel,
Arbeitslosigkeit, neue Bildungs- und Qualifikationserfordernisse, ein neues System
der sozialen Sicherung) über einen längeren Zeitraum erstrecken würde [...]“ entschied
man sich entweder ganz gegen Kinder bzw. gegen ein weiteres Kind (BIB 2004: 22).
2.1 Demografischer Wandel
9
Inzwischen haben sich die Geburtenniveaus von Ost und West angeglichen: 2006
gebaren Frauen in den alten Bundesländern im Durchschnitt 1,36 (ohne Berlin-West)
und Frauen in den neuen Bundesländern durchschnittlich 1,32 Kinder (vgl. BIB
2008:36).
Abb. 2.1: Zusammengefasste Geburtenziffern der Kalenderjahre
(Quelle: Statistisches Bundesamt8 )
Im Jahr 2010 kamen in Deutschland auf 100 Personen (im Erwerbsalter von 20
bis unter 65 Jahren) 34 Personen (über 65 Jahren). In Sachsen (41) lässt sich im
Vergleich zu den übrigen Bundesländern sogar der höchste Altenquotient (Verhältnis
von Bevölkerung im Erwerbsalter zu Bevölkerung im Rentenalter) verzeichnen (vgl.
Pötzsch 2010). In Sachsen, wie in den anderen Bundesländern auch, gibt es je nach
Region aber deutliche Abweichungen zu den vom Statistischen Bundesamt ermittelten
Daten, so dass letztendlich eine unterschiedliche Bewertung stattfinden muss. In
Dresden und Leipzig kann zum Beispiel ein leichter Bevölkerungszuwachs verzeichnet
werden. Darauf soll im Rahmen der Strategieentwicklungsphase in Kapitel 5 näher
eingegangen werden.
Zudem herrschen bezüglich des Bedarfs und des Platzangebotes für Kinder innerhalb des Bereiches frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung auch erhebliche
West-Ost Unterschiede. Das Arbeitsfeld der Kindertagesstätten ist, aufgrund des
1996 gesetzlich geregelten Anspruches auf einen außerfamilialen Betreuungsplatz
für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr, von einem starken Wachstum
geprägt. Vor allem im Osten wird es bis zum Jahr 2050 zu einer Überdeckung
kommen (Bedarfsrückgang um etwa 19 bis 21 Prozent). Demgegenüber steht eine
erhebliche Versorgungslücke für die Betreuung der Kinder zwischen null und drei
8
Quelle: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/
Grafiken/Bevoelkerung/Diagramme/Geburtenziffer,templateId=renderLarge.psml
2.1 Demografischer Wandel
10
Jahren (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010:12). Im Jahr 2009 lag die
durchschnittliche Versorgungsquote (Kindertagesstätten und Kindertagespflege) in
Deutschland für Dreijährige bis zum Schuleintrittsalter bei 92,5 Prozent und die der
Ein- bis Dreijährigen bei 20,4 Prozent. Drei Jahre zuvor lag die Versorgungsquote der
unter Dreijährigen noch bei 13,6 Prozent und die der Drei- bis unter Sechsjährigen bei
87,6 Prozent. In den neuen Bundesländern (44,9 Prozent und 95,1 Prozent) lag die
durchschnittliche Betreuungsquote sogar noch höher als in den alten Bundesländern
(14,9 Prozent und 92 Prozent) (vgl. Textor 2010).
Die außerfamiliale Betreuung war im Gegensatz zu den Bundesländern im Osten,
wo die Krippenbetreuung eine lange Tradition besitzt, sehr lange Zeit in Westdeutschland trotz des Bedarfs gesellschaftlich nicht anerkannt9 (vgl. Riedel 2005:110).
Der errechnete Rückgang der Kinderzahl in der Altersgruppe null bis drei Jahren
könnte demzufolge im Westen zu einer besseren Angebotsstruktur führen. Da nach
derzeitigen Angaben nur jedes fünfte Kleinkind einen Betreuungsplatz hat, müssen
für diese Kinder sogar noch neue Plätze entstehen (vgl. Spiegel Online 2009). Dafür
müssen finanzielle und personelle Anstrengungen unternommen werden, um die von
der Bundesregierung geplante Betreuungsquote in dieser Altersgruppe zu erhöhen:
Mit Hilfe des im Jahre 2008 vom Bundestag verabschiedeten Krippenausbaugesetzes
soll die Lösung des Versorgungsproblems der Unterdreijährigen noch vorangetrieben
werden: Ab dem 1. August 2013 soll für jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr ein
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kinderkrippe, Kindertagesstätte
oder bei einer Tagesmutter bestehen (vgl. Spiegel Online 2008). Die Statistiken
weisen, wie bereits erwähnt, für Betreuungsplätze für Kinder ab drei Jahren im
neuen Bundesgebiet bereits nahezu eine Vollversorgung auf. In einigen Regionen gehören bereits jetzt schon lange Wartelisten für freiwerdende Kinderbetreuungsplätze
der Vergangenheit an (vgl. Riedel 2005:112). In immer mehr westlichen Bundesländern, wo der Kindergartenmarkt noch nicht gesättigt ist, werden vom Gesetzgeber
Strukturen (z.B. Gutscheinmodell)10 eingeführt, um den Wettbewerb unter den Einrichtungen zu erhöhen. Ökonomisch gesehen entwickelt sich der relevante Markt für
Kindertagesstätten immer mehr von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Trotz
der hier nur kurz dargestellten Situation in den alten und den neuen Bundesländern
bezüglich der Nutzungsquoten wird es für Kindertagesstätten im zunehmenden Maße
notwendig sein, neue Möglichkeiten zu suchen, um ihre Position am Markt sichern
zu können.
9
„In der BRD dagegen bleibt lange die Auffassung dominierend, dass kleine Kinder ausschließlich
zur Mutter gehören, einer Betreuung nur in Notfällen zuzustimmen sei, und eine ‚Fremdbetreuung‘
– man beachte die negative Konnotation des Begriffs ‚Fremd‘ – in der Regel für die Kinder von
Nachteil sei“ (Giebeler 2005, S. 25)
10 Siehe auch unter „Finanzierungsgrundlagen“
2.2 Kundenorientierung
11
2.2 Kundenorientierung
In einer Kindertagesstätte sind aus wirtschaftlicher Sicht gesehen die Eltern die
wichtigste Kundengruppe. Sie entscheiden im Regelfall für ihre Kinder und bezahlen
letztendlich für die erbrachten Leistungen. Die Eltern nehmen mit ihrem „Kaufverhalten“ Einfluss auf die Kindertageseinrichtung. Sie entscheiden über den Absatz der
Dienstleistung. Das bedeutet, dass die Einrichtung ihr Angebot so gestalten muss,
dass der Kunde, in dem Fall die Eltern und deren Kinder, möglichst gut befriedigt
werden. „Eltern suchen die optimale Betreuung für ihre Kinder, deren Reaktionen
selbstverständlich in ihr Qualitätsurteil mit eingehen. Insofern sind mittelbar auch
die Kinder Kunden des Kita-Unternehmens. Zufriedene Kinder in der Einrichtung zu
haben, ist jedoch lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für
zufriedene Eltern. Damit der Kunde ‚König‘ wird, bedarf es insbesondere einer neuen
Denkhaltung, die sich in einem Kommunikationsangebot an dem ‚Kunden‘ zeigt. Es
gilt die Selbstbezüglichkeit der eigenen Einrichtung zu erkennen und die Nutzer in
den kritischen Reflexionsprozess einzubeziehen“ (Klug 2001:41): „Orientiere dich
als Professioneller am Wohl der Betreuten, wie sie es selbst verstehen, tue nichts,
was ihren formulierten Interessen widerspricht oder ihnen schadet, achte auf ihre
Zufriedenheit und konstruiere keinen Gegensatz zwischen deinen Werten und den
Interessen deiner Nutzer“ (Klug 2001:39).
Die Kindertagesstätte kann ihren „[...] Auftrag der Erziehung, Bildung und Betreuung [...] in einer Zeit gesellschaftlicher Veränderungen [aber] nur dann erfüll[en]
[...], wenn ein Bewusstsein über aktuelle Geschehnisse und daraus folgende Bedürfnisse besteht“ (Kammrath/Jaschinsky 2008:1; S.H.). Dies soll im Folgenden skizziert
werden. Die Eltern sind aber nicht die einzige Anspruchsgruppe einer Kindertagesstätte, der Beachtung geschenkt werden muss. Der Kundenbegriff im pädagogischen
Arbeitsfeld gestaltet sich wesentlich komplexer als in der Wirtschaft (vgl. Dahle,
Schrader 1999:15). Dieser Aspekt wird im fünften Kapitel noch einmal aufgegriffen
und näher betrachtet.
2.2.1 Gesellschaftliche Wandlungsprozesse
Der gegenwärtig steigende und zugleich auch sich verändernde Bedarf an Betreuungsangeboten für Kinder findet seinen Ursprung im Wandel von einer Industrie- zu
einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft.
Die erhöhte Nachfrage an derartigen Angeboten liegt nicht zuletzt darin begründet,
dass die Zahl der gut ausgebildeten oder studierten und demnach hoch qualifizierten
jungen Frauen einen erheblich Anstieg verzeichnet und folglich die „Berufstätigkeit
und die damit einhergehende finanzielle Absicherung [...] inzwischen fester Bestandteil
2.2 Kundenorientierung
12
weiblicher Lebensplanung [geworden ist]“ (Klose 2007:29, S.H.). Diese Entwicklung
hat Auswirkungen auf das klassische Familienmodell11 und resultiert in einem Wandel des bisher vorherrschenden Geschlechterverhältnisses. In diesem Zusammenhang
kommt es laut Karin Jurczyk aber seit einigen Jahren verstärkt zu einer widersprüchlichen Neustrukturierung. Der Prozess ist einerseits von der Gleichstellung
der Geschlechter aber andererseits auch von „[...] dem Beibehalten alter und dem
Entstehen neuer Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern [...]“ (Jurczyk 2005:19;
S.H.) gekennzeichnet. Auch wenn Frauen immer öfters einer Erwerbstätigkeit nachgehen und sich das Verständnis des Mannes von seiner Vaterrolle gewandelt hat,
sind es immer noch die Frauen, die nach der Geburt des Kindes zu Hause bleiben
oder nur verkürzt arbeiten gehen. Trotz der einerseits Re-Traditionalisierung der
Geschlechterrollen, ist andererseits aber festzustellen, dass das Alleinernährermodell
vom Zuverdienermodell immer mehr abgelöst wird (Klinkhammer 2005:15; S.H.). Hier
besteht, wie man im folgenden Abschnitt sehen kann, Handlungsbedarf auf Ebene
der Kinderbetreuungeinrichtungen, aber auch seitens der Unternehmen selbst12 .
2.2.1.1 Strukturwandel in der Arbeitswelt
Damit die Infrastruktur der Kindertagesstätten ausgebaut sowie die Betreuungsangebote weiterentwickelt werden können, muss zunächst ein Verständnis bezüglich
aktueller Entwicklungen am Arbeitsmarkt herrschen. Diese sollen mit den daraus
resultieren Problemen anschließend skizziert werden.
Erwerbsbeteiligung von Frauen
Das Erwerbsverhalten bei Frauen13 wird größtenteils durch den Aspekt der Familiengründung beeinflusst. Ein beträchtlicher Teil der Frauen gibt ihre Berufstätigkeit auf,
sobald sie Kinder bekommen (Rübenach/Keller 2011:330). Nur 37 Prozent waren
trotz Kind aktiv erwerbstätig. Im Vergleich dazu gingen mehr als doppelt so viele
Frauen ohne Kind 2009 einer Erwerbstätigkeit nach.
Das Alter des Kindes bzw. der Kinder ist eine entscheidende Variable bei der
Untersuchung, in welchem Umfang Mütter von minderjährigen Kindern ihre Erwerbstätigkeit aufgeben bzw. unterbrechen. So nahmen lediglich 29 Prozent der Frauen mit
einem Unter-Dreijährigen im Haushalt 2008 am Arbeitsleben teil. Immerhin fast 60
Prozent der Mütter mit Kindern zwischen dem vierten und dem sechsten Lebensjahr
waren dagegen wieder aktiv erwerbstätig. Der Betreuungsbedarf verringert sich somit
11 Das traditionelle Alleinernährermodell: der Mann arbeitet, die Frau kümmert sich um Haushalt
und Kinder. Vor allem in Westdeutschland hat dieses Modell eine lange Tradition.
12 siehe Abschnitt 7.2
13 Hier sind alle Frauen bis einschließlich 30 Jahren gemeint.
2.2 Kundenorientierung
13
proportional zum ansteigenden Alter des Kindes und erzeugt folglich eine Verstärkung
der Anzahl der ins Berufsleben zurückkehrenden Frauen (vgl. ebd.:333).
Eine ausgeglichene Integration von Frauen und Männern in den Arbeitsmarkt lässt
sich jedoch nicht nur am eben aufgezeigten Beteiligungsgrad festmachen. Deutlich
aussagekräftiger ist der im Anschluss dargestellte Umfang der Arbeitszeit von Müttern
und Vätern. Zur besseren Koordination der Bereiche Familie und Beruf ist es für
viele Mütter durchaus angenehmer, lediglich einer Teilzeittätigkeit nachzugehen. Die
im Vergleich geringere Nettoarbeitszeit bringt jedoch negative Folgen im Umfang
des Gehaltes sowie bezüglich der Altersvorsorge mit sich. Gerade diese Darstellung
verdeutlicht noch einmal die Notwendigkeit eines infrastrukturellen Ausbaus der
Kinderbetreuung sowie einer Überarbeitung derzeitiger Betreuungsangebote bzw.
-konzepte (Rübenach, Keller 2011:333).
Teilzeitarbeit als dominierende Arbeitsform von Müttern
Formal betrachtet hat Deutschland das vom Europäischen Rat im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS)14 festgelegte Ziel, die Beschäftigungsquote
der Frauen bis 2010 auf 60 Prozent zu erhöhen15 , erreicht. „Die Frauenbeschäftigungsquote ist als alleinige Kennziffer [aber] nur begrenzt aussagefähig, will man
das Ausmaß der weiblichen Partizipation am Arbeitsmarkt bestimmen“ (Kümmerling/Jansen/Lehndorff 2008:2). Denn laut Arbeitskräftestichprobe werden alle Personen dem Erwerbstätigenteil zugeordnet, sobald diese in der Woche der Erhebung
mindestens eine Stunde gegen Entgelt tätig waren. Gleiches gilt für diejenigen, die
sich gegenwärtig in Elternzeit befinden. „Für die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt ist auch die durchschnittliche Zahl der von Frauen
geleisteten Wochenstunden entscheidend“ (ebd.:2). Trotz einer guten Ausbildung
arbeiten Frauen, sofern sie mindestens ein Kind besitzen, größtenteils in Teilzeitanstellung oder üben lediglich einen sogenannten „Minijob“ aus. Der Anteil der Frauen,
die sich in solchen Arbeitsverhältnissen befindet, ist in den letzten Jahren erheblich
14 „Die EBS dient der Koordinierung der beschäftigungspolitischen Prioritäten, zu denen sich
die Mitgliedstaaten auf EU-Ebene bekennen. Die Staats- und Regierungschefs verständigen
sich auf einen Aktionsrahmen mit gemeinsamen Zielen und Prioritäten, die anschließend in
den einzelstaatlichen Programmen umgesetzt werden. Die Koordinierung stützt sich auf einen
jährlichen Zyklus und bildet den Teil ‚Beschäftigung‘ der umfassenderen EU-Strategie für
Wachstum und Beschäftigung“
(http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/07/1455&format=
HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en) Brüssel, 8. Oktober 2007
Referenznummer: IP/07/1455
15 Bundesrepublik Deutschland. Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan 2003
(http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=en&catId=101) (18.02.2011) S.4
2.2 Kundenorientierung
14
gestiegen, während im Gegenzug die Männer weiterhin im überwiegenden Teil einer
Vollbeschäftigung nachgehen (vgl. ebd.:2).
Betrachtet man die Arbeitsformen der deutschen Frauen mit Kindern unter 15
Jahren unter territorialen Vergleichskategorien, so lassen sich selbst über 20 Jahre
nach der deutschen Wiedervereinigung noch, zum Teil gravierende, innerdeutsche
(Ost-West-) Unterschiede bezüglich deren Erwerbsbeteiligung konstatieren.
Die durchschnittliche Erwerbsbeteiligung im östlichen Teil der Bundesrepublik
lebenden Mütter liegt mit 58 Prozent lediglich drei Prozentpunkte vor den ihrer
westdeutschen Pendants. Eine wesentlich stärkere Diskrepanz lässt sich vergleichend
bezüglich der Arbeitszeiten feststellen. Während von den erwerbstätigen Frauen
im Osten, deren jüngstes Kind das 14. Lebensjahr noch nicht überschritten hat,
mehr als die Hälfte einer Vollzeit-Tätigkeit nachgehen, entschieden sich lediglich
22 Prozent der westdeutschen Mütter dieses Arbeitswochenpensum zu bewältigen.
Ein entscheidender Indikator bezüglich der deutlich schnelleren Re-Integration der
ostdeutschen Frauen in den Arbeitsmarkt dürfte die dort vorherrschende, gut ausgebaute Kleinkinderbetreuung sein, die es den Frauen ermöglicht, früher und in
höherem Umfang ins Arbeitsleben zurück zu kehren. Statistische Erhebungen aus
dem Jahr 2008 verdeutlichen den rascheren Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit
ostdeutscher Mütter auch prozentual im Vergleich zu den in den alten Bundesländern
lebenden Frauen. Es lässt sich dabei eine stets gleichbleibende Differenz von ungefähr
sechs bis sieben Prozent hinsichtlich der Erwerbstätigenquote zwischen beiden Vergleichsgruppen, sowohl mit Kindern im Krippenalter, im Kindergartenalter, als auch
im Grundschulalter konstatieren. Erst nach Erreichen des 10. Lebensjahres gleichen
sich die Quoten bei ost- und westdeutschen Müttern an (vgl. Weinmann 2010).
Zunahme von atypischen Arbeitszeiten
Die von den Müttern vorrangig ausgeübte Teilzeitarbeit, wie oben dargestellt, entspricht schon lange nicht mehr dem traditionellen Bild von einer fünf Tage in der
Woche ausschließlich am Vormittag ausgeübten Tätigkeit. „[...] [E]in gutes Drittel
der Teilzeitbeschäftigten [arbeitet] an mindestens einem Wochentag ganztags, nur
ein Drittel der klassisch oder geringfügig Teilzeitbeschäftigten arbeitet ausschließlich
vormittags“ (Esch, Stöbe-Blossey 2005:135). Ebenso melden „Arbeitgeber [...] Bedarf
an Arbeitskräften in Teilzeit häufig für die Nachmittags- und frühen Abendstunden
an“ (Erler/Sterzing 2005:88).
Das Normalarbeiterverhältnis, im Sinne einer Tätigkeit mit geregelten Arbeitszeiten, wie beispielsweise wochentags von morgens bis spät nachmittags löst sich immer
mehr auf (vgl. Klinkhammer 2005:11). Allein die Hälfte aller Beschäftigten leisten
Wochenend-, Nacht- und/oder Schichtdienst. Vor allem im Dienstleistungs- und
2.2 Kundenorientierung
15
Gesundheitssektor, wo die Arbeitszeiten außerhalb der „normalen“ Betreuungszeiten
in Kindertagesstätten liegen, sind besonders viele Frauen tätig (vgl. ebd.:12). Derzeitige institutionelle Angebote können nicht annähernd diesen Bedarf abdecken. Gut
zwei Drittel der deutschen Kindertagesstätten haben bereits vor 7.30 Uhr geöffnet.
Durchschnittlich 89 Prozent der im Kita-Check16 befragten Kindertageseinrichtungen
bieten eine Betreuung über die Mittagszeit an (vgl. DIHK:8). Laut der öffentlichen
Statistik der Kinder- und Jugendhilfe bieten lediglich 65 Prozent der Einrichtungen
eine Übermittag-Betreuung an.
Das positive Ergebnis im Kita-Check könnte, so die DIHK, aufgrund der freiwilligen
Teilnahme an der Umfrage entstanden sein. Das heißt, dass sich vor allem Einrichtungen beteiligt haben, die sich selbst als attraktiv einstufen (vgl. Henry-Huthmacher
2005:11).
Nur vier Prozent der deutschen Kindertageseinrichtungen betreuen Kinder noch
nach 18 Uhr. Für Eltern, die noch nach 18 Uhr berufstätig sind, besteht demzufolge
kaum bis keine Möglichkeit ihr Kind zu dieser Zeit noch institutionell betreuen zu
lassen (DHIK 2008:8). Betriebskindergärten stellen mit einer Quote von 30 Prozent
eine Ausnahme dar (vgl. Henry-Huthmacher 2005:11).
Auch im Jahr 2008 schließen noch 99 Prozent der Einrichtungen samstags. Dahingehend gibt es kaum Ost-West-Unterschiede. Unterschiede gibt es dagegen zwischen
den Trägern: „Während kommunale, kirchliche sowie von Wohlfahrtsverbänden getragene [...] [Einrichtungen] nah am Durchschnitt liegen, haben immerhin 14 Prozent
der Betriebskindergärten am Samstag geöffnet – ein klares Indiz dafür, dass diese
Einrichtungen sich stark an den Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern
orientieren. Die privat-gewerblichen Einrichtungen liegen mit immerhin acht Prozent
ebenfalls weit über dem Durchschnitt“ (DHIK 2008:9; S.H.).
Ein weiteres Problem stellen die Schließzeiten in den Ferien dar. Dieser Aspekt
ist laut der DIHK schon längst nicht mehr zeitgemäß. Im Gegensatz zu betrieblich
getragenen Betreuungseinrichtungen (88 Prozent davon haben geöffnet), haben
67 Prozent der Kindergärten in den Ferien geschlossen. 40 Prozent davon bieten
immerhin eine Alternativbetreuung beispielsweise in einer anderen Einrichtung an
(vgl. DIHK 2008:9).
Ein kleiner Hoffnungsschimmer stellt die Tatsache dar, dass etwa 58 Prozent
der Kindergärten flexibel reagieren, wenn es um zusätzliche Betreuungsstunden in
Notfällen bzw. Ausnahmefällen geht. Dies ist jedoch angesichts aktueller Rahmenbedingungen und zukünftiger Entwicklungen, wie bereits zuvor beschrieben, ein sehr
kleiner Beitrag zur wichtigen Thematik „Flexibilisierung“. Auch hier sind es wieder
16 „Die DIHK hat 1.700 Kitas in einem so genannten Kita-Check befragt, um die Angebotsstruktur
hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf näher zu untersuchen“.
2.2 Kundenorientierung
16
vor allem die Betriebskindergärten (70 Prozent) und privat-gewerblich geführten Einrichtungen (61 Prozent), die spontane Betreuungsmöglichkeiten anbieten. Ebenfalls
reagieren 64 Prozent der von Wohlfahrtsverbänden getragenen Einrichtungen flexibel
auf derartige Fälle (vgl. ebd.:11).
„Die bekannten traditionellen Formen flexibler Arbeitszeit, [wie Teilzeit oder
Schichtarbeit] werden durch neue Formen und Mechanismen, wie Vertrauensarbeitszeit, Arbeitszeitkonten und Blockfreizeiten ergänzt, mit denen Unternehmen anstreben, ihren Personaleinsatz noch stärker an die Marktrhythmen und Auftragszyklen
anzupassen“ (Klinkhammer 2005:12). Daraus resultieren dann variable tägliche bzw.
wöchentliche Arbeitszeiten für die Beschäftigten. Fast dreiviertel der Arbeitstätigen
unterliegen solchen Arbeitszeitschwankungen (vgl. ebd.:12). Eine einfache quantitative Ausweitung der Kindertagesbetreuung mit dem Angebot einer klassischen
Betreuung (halbtags, Teilzeit oder ganztags) wie das für die nächsten Jahre von
der Bundesregierung geplant ist, greift deshalb nur teilweise. Oft werden Ganztagesplätze suboptimal genutzt, da immer nur eine Betreuungszeit für die gesamte Woche
gebucht werden kann (der längste Tag in der Woche wird als Richtlinie genommen).
Die Eltern zahlen dementsprechend für Stunden, die sie nicht nutzen. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass bei einer stärkeren Orientierung an den Nutzungszeiten
Ganztagesplätze auf mehrere Kinder verteilt werden könnten. Finanziell käme das
auch den Kommunen zu Gute, denn diese zahlen ebenfalls für nicht genutzte Zeiten
(Pauschalzuschüsse).
Eine individuelle Buchung bzw. Abrechnung von Betreuungszeiten wird noch viel
zu selten von Kindertagesstätten angeboten. Lediglich 31 Prozent der Einrichtungen
bieten ihren Eltern solch eine flexible Möglichkeit. Betriebskindergärten (50 Prozent)
und privat geführte Kindertageseinrichtungen (45 Prozent) sind auch in diesem
Fall wieder Vorbild. Und „[a]uch hier sind im Wesentlichen die Träger der [...]
[Einrichtungen] und die Jugendämter die verantwortlichen Akteure, die eine größere
Flexibilität zulassen müssen“ (DIHK 2008:12; S.H.).
2.2.1.2 Wandel der Familienstruktur
Das Familienbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. In früheren
Zeiten waren andere Formen des Zusammenlebens als die bürgerliche Kleinfamilie
(Vater, Mutter und Kind(er)) eher sehr selten. Heute sind nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kind(ern), Patchworkfamilien, Alleinerziehende (Ein-Eltern-Familie)
oder sogenannte Regenbogenfamilien (gleichgeschlechtliche Paare mit Kind(ern))
Normalität (vgl. Klinkhammer 2005:17). „Alleinerziehende, bilden eine feste Größe
unter den Familien Deutschlands“ (Egeler 2010:2; S.H.). Fast ein Fünftel der 8,2
Millionen Familien mit Kindern unter 18 Jahren waren Ein-Eltern-Familien. Vor
2.3 Neue Finanzierungsmodalitäten und Wettbewerbssteigerung
17
allem in Ostdeutschland ist diese Familienform sehr verbreitet (27 Prozent im Osten,
17 Prozent im Westen). Ebenso ist zu konstatieren, dass überwiegend Frauen (90
Prozent) alleinerziehend sind. Auffällig ist weiterhin, dass alleinerziehende Väter (11
Prozent) viel seltener Kinder im Krippen- oder Vorschulalter versorgten als alleinerziehende Mütter (31 Prozent) (vgl. Egeler 2010:6). Da alleinerziehende Mütter die
„[...] alleinige Verantwortung für Kindererziehung, Haushaltsführung und materielle
Absicherung [...]“ (Peltner/Züchner 2006:188; S.H) haben, gehen sie (42 Prozent)
deutlich häufiger Vollzeit arbeiten als Mütter, die mit einem Partner zusammenleben (27 Prozent) (vgl. Egeler 2010:7). „[E]in gut funktionierendes familienexternes
Betreuungsnetzwerk ist infolgedessen gerade für Alleinerziehende von essentieller
Bedeutung“ (Peltner/Züchner 2006:189; S.H.).
2.3 Neue Finanzierungsmodalitäten und
Wettbewerbssteigerung
„Soziale Arbeit muss mit [...] [immer knapper werdenden] Ressourcen haushalten,
sie muss sich selber unter den Zwang stellen, mit begrenzten Mitteln möglichst viel
zu erreichen – dies gebietet auch das ökologische Prinzip, Ressourcen nicht zu verschwenden“ (Klug 2001:17; S.H.). Bereits in den 90er Jahren wurde das Selbstkostendeckungsprinzip abgeschafft und marktwirtschaftliche Instrumente in die Soziale
Arbeit eingeführt, um die monopolartige Stellung der großen Wohlfahrtsverbände
aufzuheben. Denn diese orientierten sich vor allem an ihren eigenen Vorstellungen
und weniger an den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer „Kunden“. Dies war sowohl aus fachlicher als auch ökonomischer Sicht nicht befriedigend. Nun versucht
der Gesetzgeber zusätzliche Wettbewerbsmodelle im Bereich der Kindertagesstätten
einzuführen (vgl. ebd.:14).
Allgemeine Aussagen über die zukünftigen Finanzierungsmodelle lassen sich nicht
machen, da diese Entscheidung in Abhängigkeit von den öffentlichen Geldern und
der politischen Mehrheit in den jeweiligen Bundesländern steht (vgl. ebd.:118). Der
Trend geht aber in Richtung subjektorientierte oder kindbezogene Förderung. In
Zukunft wird in immer mehr Bundesländern – u. a. in Bayern17 , Hamburg18 , Berlin19
und Brandenburg20 – das Angebot über die Nachfrage geregelt. Die Eltern erhalten
17 Bayern: www.stmas.bayern.de/kinderbetreuung/baykibig/index.htm
18 Hamburg: Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (KibeG 2004 § 22)
19 Berlin: Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege (Kindertagesförderungsgesetz – KitaFöG 2005, § 23 Abs. 1 Satz 3)
20 Brandenburg: Zweites Gesetz zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches – Kinderund Jugendhilfe (Kindertagesstättengesetz – KitaG 2004, geändert 2010, §16 Abs. 2)
2.4 Kundenorientierung versus Wertvorstellung
18
einen Gutschein von der Kommune, mit dem sie die Möglichkeit haben, in einer
Kindertagesstätte ihrer Wahl für ihr Kind Betreuungsstunden zu kaufen. Wo das
Betreuungsangebot seitens der Eltern angenommen wird, fließen auch die staatlichen
Mittel hin, weil ja sie als Subjekt die Mittel erhalten (ebd.:118). Kritische Stimmen
meinen jedoch, dass beispielsweise vorrangig die Nachfragemacht der Eltern gestärkt
werden würde und nicht die Qualität des Betreuungsangebots21 .
Seit dem im Dezember 2008 in Kraft getretenen Kinderförderungsgesetzes können
künftig nicht nur gemeinnützige Träger staatliche Zuschüsse bekommen, sondern
auch gewinnorientierte private Betreiber von Krippen und Kindertagesstätten (vgl.
Gandor/Langen 2008:123). Den Kommunen steht es jedoch frei, ob sie den Zuschuss
gewähren oder nicht.
2.4 Kundenorientierung versus Wertvorstellung
Kindertagesstätten müssen sich, nicht zuletzt auf Grund gesellschaftlicher Entwicklungen, wie eben dargestellt, zunehmenden Herausforderungen stellen und stehen
unter großem Handlungs- und Veränderungsdruck. Die Orientierung am Kunden ist
aber gleichzeitig auch eine Frage der Werte. Denn die Orientierung an den eigenen
Werten, seien es sozialistische, humanistische oder christliche, steht im Mittelpunkt
einer jeden sozialen Einrichtung. Mit dem aus der Wirtschaft stammenden Begriff
des „Kunden“ verbinden sich oft Befürchtungen, dass man sich Kundenwünschen
bedingungslos unterwerfen und somit seine Werte dem Markt opfern müsse. „Kundenorientierung an sich stellt eine wertgebundene Einrichtungsphilosophie nicht in Frage.
[...] Vielmehr sind die Werte, die in einer Einrichtung von den Mitarbeiterinnen geteilt
werden, als Teil ihrer Identität nicht prinzipiell marktfeindlich. Ein klares Profil ist
sogar eine Grundvoraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg“ (Klug 2001:38; S.H.). Die
gemeinsamen gelebten Werte vermitteln etwas Gemeinsames unter den Mitarbeitern
und schaffen auch „[...] nach außen eine klare Erkennbarkeit mit der Chance größerer
Resonanz bei den Eltern“ (ebd.:43; S.H.). Die eigenen Werte denen der Kunden
völlig unterzuordnen, würde letztendlich bedeuten, dass das eigene Profil sowohl für
Außenstehende, beispielsweise für potentielle Kunden, als auch für Mitarbeiterinnen
nicht mehr eindeutig erkennbar wäre. Zudem ist es unmöglich, allen Elternwünschen
gerecht zu werden, besonders wenn sie sich entgegengesetzt zueinander verhalten.
Insofern lässt sich sagen, dass es weder von Vorteil ist, die Vorschläge der Eltern
sofort zu übernehmen, noch sie komplett abzulehnen. Pädagogische und organisatorische Zielvorstellungen und deren Umsetzung müssen eher in einem Dialog miteinander
21 Näheres dazu http://www.kindergartenpaedagogik.de/666.html
(Das Hamburger „Kita Gutschein-System“ von Sören Arlt)
2.4 Kundenorientierung versus Wertvorstellung
19
ausdiskutiert werden, um die Ergebnisse später mit in die Marketingentwicklung
einfließen zu lassen.
Um ein Optimum bezüglich der Kundenorientierung erreichen zu können, muss die
Kindertagesstätte in drei Bereichen aktiv werden. „Eine systematische Kundenorientierung spielt sich im Dreieck zwischen Kunde – Konkurrenz – eigene Einrichtung
ab“ (ebd.:42).
20
3 Grundbegriffe des Marketing
3.1 Marketing im Profitbereich
Die Bedeutung des Marketing sowie die Denkhaltung im Marketing haben sich über
die Jahrzehnte vor dem Hintergrund der sich wandelnden Wettbewerbsbedingungen
kontinuierlich weiterentwickelt und somit auch gewandelt. Handelte es sich in den
50er Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg noch um eine reine Produktionsorientierung
– sprich die zentrale Aufgabe, die Produktion der Güter sicherzustellen (Massenproduktion aufgrund sehr hoher Nachfrage zu realisieren) –, verlagerte sich der Handel
nun schon langsam von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Es kam von der
reinen Bewältigung der Produktionsprobleme zum Vertrieb der Produkte (Phase der
Verkaufsorientierung). In den 70er Jahren wurden die Konsumenten zum entscheidenden Engpassfaktor, da die Angebote inzwischen größer als die Nachfrage waren.
Die Unternehmen begannen sich zunehmend darauf zu konzentrieren, die Bedürfnisse
der Kunden zu befriedigen, indem sie das Prinzip der Marktsegmentierung (Aufteilung des Gesamtmarktes in Teilmärkte, Differenzierung der Marktbearbeitung)
heranzogen. Die Bedürfnisse und Wünsche der Konsumenten standen im Mittelpunkt
der Unternehmensführung (Phase der Marktorientierung) (vgl. Bruhn 2010:15f).
Diese ausschließlich auf den Kunden gerichtete Betrachtungsweise musste, aufgrund
der mehr und mehr gesättigten Märkte „[...] und dem daraus resultierenden Verdrängungswettbewerb zu einer stärker kompetitiven22 Ausrichtung des Marketing [...]“, in
den 80er Jahren erweitert werden (Götz, Höschele 1995:4f; S.H.). Anspruchsgruppen,
wie beispielsweise Mitarbeiter, Umwelt und Staat, wurden bei der Betrachtung mit
herangezogen; das strategische Marketing entstand23 (Phase der Wettbewerbsorientierung).
Die Bedeutung von umfeldbezogenen Faktoren nahm Anfang der 90er Jahre
stark zu. Eine zunehmende Orientierung des Marketing an den sich immer schneller
wandelnden gesellschaftlichen, rechtlichen, ökologischen und technologischen Rahmen-
22 Kompetitiv: „auf Wettbewerb beruhend“, „konkurrierend“
23 „Dem Marketing kam - und kommt auch heute noch - die Aufgabe zu, strategische Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten aufzubauen und diese am Markt durchzusetzen
bzw. zu verteidigen“ (Bruhn 2009:16).
3.1 Marketing im Profitbereich
21
bedingungen war zwingend notwendig (vgl. Bruhn 2010:17). Das Anspruchsspektrum
des Marketing erweiterte sich abermals.
Es entstand ein modernes und erweitertes Verständnis von Marketing. Marketing
umfasst nun „[...] jegliche Form eines Austauschs zwischen zwei Kontrahenten, bei
dem beide Parteien durch den Austauschprozess ihre Bedürfnisse zu befriedigen versuchen. Neben der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen werden auch
die Austauschprozesse zwischen nicht-kommerziellen Organisationen und Individuen
in die Betrachtung mit einbezogen. Dabei haben sich heute vielfältige Formen des so
genannten nicht-kommerziellen Marketing24 (z. B. Vermarktung der Leistungen von
Parteien, [...] und Museen) und des Social-Marketing (z. B. [...] Spendenorganisationen) herausgebildet“ (Meffert 2008:10; S.H.).
Die moderne und erweiterte Interpretation des Marketingbegriffs von der American
Marketing Association (2003) wird der Vielfalt des Begriffes gerecht und soll in dieser
Arbeit als Definition dienen:
„Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating and delivering value to customers and for managing
customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders“ (Meffert 2008:11).
In dieser Definition werden spezifische Merkmale des Marketing genannt25 :
1. Marketing als duales Führungskonzept
Marketing wird heute als integrierte, marktorientierte Konzeption der Unternehmensführung verstanden. Es wird sowohl als Leitbild des Managements
als auch als gleichberechtigte Funktion, neben anderen Grundfunktionen der
Betriebswirtschaft (z.B. Finanzierung), in einer Unternehmensorganisation
verstanden.
2. Informations- und Aktionsorientierung
Das Marketing bezieht sich auch auf marktgerichtete (1) und unternehmensgerichtete (2) Prozesse sowie Aufgaben:
(1) die Konzeption, Durchführung und Kontrolle von Marketingaktivitäten,
die sich auf den Nachfrager ausrichten: Gestaltung des Produktangebotes,
Marktforschung usw.
(2) Aufgabe des Marketing innerhalb des Unternehmens: Koordination aller
markt- und nachfragerrelevanten Ressourcen und Fähigkeiten.
24 Dazu mehr im Abschnitt 3.3
25 Mehr dazu in Meffert, H.; Burmann, C.; Kichgeorg, K.: (2008): Marketing, 10. Aufl., Wiesbaden,
S.13-17.
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
22
3. Kundennutzenorientierung
Potentielle Kunden erwerben nur dann ein Produkt oder eine Dienstleistung
eines Anbieters, wenn sie einen Nutzen davon haben. Die Erfassung der Bedürfnisse der Kunden ist demnach die Voraussetzung.
4. Beziehungsorientierung
Das moderne Marketingverständnis hat den Aufbau einer längerfristigen Beziehung zwischen Kunden und Anbieter zum Ziel (Kundenpflege).
5. Wertorientierung
Die Marketingaktivitäten sind an den Zielen des Unternehmens ausgerichtet;
die Unternehmensziele können wiederum auch von den Aktivitäten beeinflusst
werden.
6. Stakeholderorientierung
„[...] die Wirkungen des Marketing [sind] nicht nur in der Erzielung eines
Nachfrager- und Anbieternutzens zu sehen“ (Meffert 2008:17; S.H.). Neben
Anbieter und Nachfrager können auch noch andere Anspruchsgruppen (engl.
Stakeholder) durch die Geschäftstätigkeit im weitesten Sinne betroffen sein,
wie beispielsweise staatliche Institutionen, Bürger, Aktionäre.
„Das Marketing als Management-Instrument ist nicht etwa ausschließlich für erwerbswirtschaftliche Unternehmen von Interesse, sondern ist in höchstem Maße relevant
für Probleme und Herausforderungen, mit denen sich Nonprofit-Organisationen konfrontiert sehen. Alle Organisationen brauchen Austauschbeziehungen mit anderen,
um die von ihnen benötigten Ressourcen zu erwerben, diese in nützliche Produkte
und Dienstleistungen umzuwandeln und schließlich diesen Output auf effiziente Weise
an die Zielmärkte zu verteilen“ (Kotler 1978:14f).
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als
Nonprofit-Organisationen
„Als Grundlage für die Umsetzung eines Nonprofit-Marketing sind zunächst die
Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen [bzw. Kindertageseinrichtungen] näher
zu betrachten, da diese konkrete Hinweise darauf geben, bei welchen Aspekten eine –
im Vergleich zum kommerziellen Marketing – differenzierte Herangehensweise zur
Implementierung der Marketingorientierung notwendig ist“ (Bruhn 2005:41; S.H.).
Folgende sechs Punkte lassen sich als Besonderheiten herausfiltern:
1. Zielinhalte
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
23
2. Definition der Leistung oder des Produktes
3. Anspruchsgruppenorientierung
4. Finanzierung
5. Mitarbeiter- und Organisationsstrukturen
6. Konsequenz der Nachfrageorientierung
1. Zielinhalte
Im Unterschied zu Unternehmen im Profitbereich handelt es sich im Nonprofit-Bereich
um Organisationen, bei denen statt Gewinnerzielung vor allem bedarfswirtschaftliche
beziehungsweise soziale und gesellschaftliche Ziele im Vordergrund stehen. „Monetäre
Ziele beschränken sich lediglich auf die Finanzierung [...] der genannten primären
Ziele“ (Bruhn 2009: 127; S.H.).
Die grundsätzlichen Ziele für die Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege sind im SGB VIII § 22 Abs. 1 und 2 verankert:
„(1) Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für
einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert
werden. Kindertagespflege wird von einer geeigneten Tagespflegeperson
in ihrem Haushalt oder im Haushalt des Personensorgeberechtigten geleistet. Das Nähere über die Abgrenzung von Tageseinrichtungen und
Kindertagespflege regelt das Landesrecht. Es kann auch regeln, dass Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen geleistet wird.
(2) Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen
1. die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern,
2. die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen,
3. den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser
miteinander vereinbaren zu können“.
2. Definition der Leistung oder des Produktes
In den wenigsten Fällen handelt es sich bei Angeboten im Nonprofit-Bereich um
materielle Güter. Vorrangig sind es Beratungen oder andere Dienstleistungen.
„Neben der Erstellung individueller Dienstleistungen besteht eine weitere Leistung
von Nonprofit-Organisationen in der Vermittlung bestimmter Werte, Interessen oder
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
24
Ideen“ (Bruhn 2005:42). Die Angebote sind sehr vielschichtig und komplex, so dass
es nicht immer aus der Sicht des Marketing einfach ist, genau zu beschreiben, was
die relevanten Produkte bzw. Leistungen einer Organisation oder Einrichtung alles darstellen (vgl. ebd.:42). Da es sich, wie bereits erwähnt, im Nonprofit-Bereich
größtenteils um Produkte der Kategorien „Dienstleistungen oder Werte-, Interessenund Ideenvermittlungen“ handelt, kann das Nonprofit-Marketing ähnlich dem des
Dienstleistungsmarketing angesehen werden. Die Erkenntnisse aus dem Dienstleistungsmarketing26 können demnach in das Konzept des Nonprofit-Marketing integriert
werden.
Auch das Produkt in einer Kindertagesstätte ist kein normales Wirtschaftsgut.
Das Produkt ist die pädagogische Arbeit mit Kleinkindern (vgl. Dahle/Schrader
1999:15; S.H.). Die Dienstleistung beschränkt sich hier nicht nur auf die reine Betreuung, sondern beinhaltet ethische sowie schwer messbare emotionale Aspekte
(z.B. Zugewandtheit, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit seitens der pädagogischen
Fachkräfte, Beziehungsaufbau, Einfühlung) (vgl. ebd.:18). Die Vermittlung ethischer
Aspekte und das Fördern und Erlernen anderer wichtiger Kompetenzen wird bereits
gesetzlich festgeschrieben:
„(3) Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung
des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und
geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und
Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes
orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen“
(SGB VIII § 22 Abs. 3).
3. Anspruchsgruppenorientierung
Im Nonprofit-Bereich agieren Leistungsanbieter sehr oft im Rahmen nicht-schlüssiger
Tauschbeziehungen, das heißt, dass nicht nur der Leistungsempfänger und der Anbieter in einer Beziehung zueinander stehen, sondern auch noch andere Anspruchsgruppen mit hinzukommen (Bruhn 2005:43). Nonprofit-Organisationen sind nämlich
im Gegensatz zu kommerziellen Unternehmen viel stärker von anderen Personen
und Bezugsgruppen abhängig, sei es, um Gelder zu bekommen oder um einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen. Die Anspruchsgruppenorientierung ist daher von
hoher Relevanz und sollte auch bei der Implementierung eines Nonprofit-Marketing
26 Mehr dazu in Bruhn/Meffert 2009: Dienstleistungsmarketing. Grundlagen-Konzepte-Methoden.
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
25
berücksichtigt werden (vgl. Bruhn 2009:127). Unter einer „[...] umfassende[n] Anspruchsgruppenorientierung [...] [ist dabei] die konsequente Ausrichtung sämtlicher
Aktivitäten einer Nonprofit-Organisation an den Erwartungen der verschiedenen
internen und externen Beziehungspartner“ zu verstehen (ebd.:45; S.H).
„Im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung, handelt es sich
[...] [ebenfalls] nicht um eine eindimensionale Dienstleistung, sondern vielmehr um
mehrdimensionales Planen und Handeln, ein Angebot, das die verschiedenen Bedarfslagen und Wertesysteme berücksichtig[en] [muss]“ (Becker-Textor 1999; S.H.). Die
Herausforderung ist es, den unterschiedlichen oder gar konträren Ansprüchen gerecht
zu werden. Es sind aber nicht nur die Anspruchsgruppen (Kinder, Eltern, Gesellschaft
bzw. Staat, pädagogische Fachkräfte) untereinander, die unterschiedliche Ansichten
vertreten. Jeder hat auf seine individuelle Weise Wünsche und Vorstellungen an die
Kindertageseinrichtung. Innerhalb der Interessengruppe Eltern kann es beispielsweise
dazu kommen, dass die eine Familie gerade die eine Kindertagesstätte aus Gründen
einer bestimmten Weltanschauung auswählt. Eine andere Familie dagegen denkt
vielleicht weltanschaulich ganz anders und muss trotzdem sein Kind, aufgrund des
Wunsches der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in diese Einrichtung bringen,
weil in der Umgegend kein anderer Kindergarten so lange Öffnungszeiten anbietet
(vgl. Tietze/Viernickel 2003:11).
Die Kinder, wie schon erwähnt, sind die primären „Konsumenten“ der Kindertagesstätte. Da sie aber noch nicht entscheiden und deutlich formulieren können, was
sie wollen und was nicht, müssen sie hoffen, dass ihre „Wünsche, Bedürfnisse und
Interessen von ihren Eltern [...] oder durch den Gesetzgeber (per Vorschrift) bzw.
durch den Kindergartenträger und dessen Mitarbeiter/innen [...]“ berücksichtigt und
artikuliert werden (Dahle, Schrader 1999:17; S.H.).
Die Eltern sind also Auftraggeber und Kunden, denn sie entscheiden und wählen
letztendlich die Kindertagesstätte für ihre Kinder aus. Die Eltern werden in ihrer
Entscheidung indirekt vom Arbeitgeber beeinflusst, der in der heutigen Zeit mehr
denn je flexible und kreative Arbeitnehmer wünscht. Eltern befinden sich in einer
Zwickmühle bezüglich eigener Interessen, Arbeitgebervorstellungen und Bedarfslagen
der Kinder. Neben der Implementierung von reformpädagogischen Konzepten, der
seit einiger Zeit verstärkt von den Kindertagesstätten nachgegangen wird, ist es
ebenfalls wichtig, aufgrund der stetig wachsenden Anforderungen in der Arbeitswelt,
neue und vor allem flexible Betreuungsmodelle einzuführen. Trotz der Bedenken der
Kindergärtnerinnen müssen diese Modelle, die heutzutage für die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf wichtig sind, nicht im Widerspruch zum pädagogischen Konzept
der Einrichtung stehen.
„[D]ie ‚Gesellschaft bzw. der Staat, der über seine Jugendämter die Kinderbetreuung
bezuschußt (sic!)‘ [...] [und] durch Gesetze und Richtlinien sowie durch die Ausbildung
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
26
von Fachkräften den Rahmen und inhaltliche Ziele [festlegt]“, ist ebenfalls einer der
Kunden der Tagesstätten für außerfamiliale frühkindliche Bildung, Betreuung und
Erziehung (Dahle/Schrader 1999:16; S.H.). Er gibt auch die Rahmenbedingungen
für die Einführung flexibler Öffnungszeiten vor. Jedes Bundesland hat seine eigenen
Richtlinien, an die sich jeweils die Kindertageseinrichtungen zu halten haben.
Auch wenn eine bestimmte Gruppe meist nicht explizit als Kunde genannt wird,
ist diese ebenso wichtig für die Einrichtung. Gemeint sind die Kindergärtnerinnen.
„Im TQM27 wird die Mitarbeiterorientierung als notwendige Voraussetzung für die
Zufriedenheit der Kunden [genannt] [...]. Mitarbeiterinnen können dementsprechend
als ‚interne‘ Kunden angesehen werden“ (Klug 2001:32; S.H.). Denn nur wenn
sie einen angenehmen (Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Möglichkeit der
Selbstverwirklichung etc.) und familienfreundlichen Arbeitsplatz vorfinden, werden sie
motiviert an ihre Arbeit gehen. Dies wirkt sich wiederum positiv auf das Gesamtbild
der Einrichtung aus. Wie man sieht, ist der Chor der Kundenwünsche und -bedürfnisse
einer Kindertagesstätte nicht einstimmig. Kommunikation mit dem Kunden, in erster
Linie mit den Eltern, hat daher einen hohen Stellenwert. Da sie im wirtschaftlichen
Sinne Nachfrager der Leistungen sind, „[...] bleibt also schon aus diesem Grund nichts
anderes übrig, als sich mit den Intentionen der Eltern auseinander zu setzen und alle
am Erziehungsprozess Beteiligten ins Boot zu holen“ (Klug 2001:42; S.H.).
4. Finanzierung
Die Finanzierung der Nonprofit-Organisationen erfolgt überwiegend aus öffentlichen
Geldern, Spenden o.ä.. Den geringeren Teil übernehmen die direkten Kunden, die die
angebotenen Leistungen nutzen. Zur Finanzierung von Kindertagesstätten kommen je
nach Bundesland verschiedene Modelle zum Tragen. Ein Zuschuss von den jeweiligen
Bundesländern besteht, bis auf das Land Niedersachsen28 , überall. Jedoch gibt es
Unterschiede bezüglich der Höhe und Ausgestaltung (vgl. Jaich:53). Eine Beteiligung
an den Kosten der Kindertagesbetreuung seitens der Eltern sieht SGB VIII § 90
vor, da das Nutzen der Kindertagesbetreuung eine Entlastung der Eltern und eine
Ergänzung zum elterlichen Erziehen, Betreuen und Bilden darstellt (vgl. Kita-PortalMV: „Finanzierung“):
„(1) Für die Inanspruchnahme von Angeboten [...]
3. der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen nach den §§ 22,
27 TQM: Das Total Quality Management-Konzept „[...] geht von einer Aufgabenverteilung zwischen
Träger, Leitung, Team und Mitarbeiterinnen aus, im Mittelpunkt des Modells steht ‚die optimale
Befriedigung der Bedürfnisse des Konsumenten‘[...]“ (Klug 2001, S.32; S.H.).
28 vgl. Jaich 2002:30
3.2 Besonderheiten von Kindertagesstätten als Nonprofit-Organisationen
27
24 können Teilnahmebeiträge oder Gebühren festgesetzt werden. Landesrecht kann eine Staffelung der Teilnahmebeiträge und Gebühren, die für
die Inanspruchnahme der Tageseinrichtungen für Kinder zu entrichten
sind, nach Einkommensgruppen und Kinderzahl oder der Zahl der Familienangehörigen vorschreiben oder selbst entsprechend gestaffelte Beträge
festsetzen“
(SGB VIII § 90 Artikel 1 Abs. 3; S.H.).
Unterschiede herrschen ebenso zwischen Profit-Unternehmen und Nonprofit-Organisationen bezüglich der Finanzierung der Marketing-Aktivitäten. Die monetären
Mittel für Marketing-Aktivitäten im Nonprofit-Bereich sind relativ gering. Allzu oft
wird noch die Ansicht vertreten, dass die für das Marketing aufgewendeten Gelder
sinnlos verschwendet werden und die eigentliche Mission der Organisation bzw. Einrichtung vernachlässigt wird. „In diesem Zusammenhang ist es [, laut Bruhn,] sinnvoll,
den Beitrag des Marketing zur Erfüllung der Aufgaben der Nonprofit-Organisation
den Anspruchsgruppen individuell aufzuzeigen, um so Bedenken gegenüber einem
professionellen Marketing abzubauen“ (Bruhn 2005:46; S.H.).
Auch im Bereich der Kinderbetreuung sind die finanziellen Mittel begrenzt. Vor
allem wird hier die zunehmende Marketing- und Kundenorientierung mit Argwohn
betrachtet. Bisher mussten sich die Eltern mit ihren Kindern nach den Kindertageseinrichtungen und ihren Angeboten orientieren. Inzwischen hat sich dieses Bild
gewandelt. Ebenso wird die finanzielle Unterstützung seitens des Staates immer geringer, so dass Anstrengungen unternommen werden müssen, um die wichtigen, vor allem
zahlenden, Interessensgruppen einer Kindertagesstätte für die eigene Einrichtung zu
gewinnen.
5. Mitarbeiter- und Organisationsstrukturen
In Nonprofit-Organisationen arbeiten sowohl Mitarbeiter hauptberuflich als auch
ehrenamtlich. Ehrenamtliche Mitarbeiter bringen sich als freiwillige und in der Regel
als unentgeltliche Arbeitskraft ein, wovon Nonprofit-Organisationen aufgrund ihrer
finanziellen Lage profitieren. Der Nachteil ist jedoch, dass diese Arbeitskräfte meist
nur mangelnde fachliche Kenntnisse mitbringen und eine gewisse Stabilität aufgrund
einer fehlenden vertraglichen Bindung fehlt. Ein weiteres Problem stellt die Tatsache
dar, dass der Anteil der ehrenamtlich Tätigen in Nonprofit-Organisationen in den
letzten Jahren zurückgegangen ist. Der Wettbewerb um die freiwilligen Mitarbeiter
hat sich demzufolge verschärft, so dass Anstrengungen unternommen werden müssen,
um Ehrenamtliche zu akquirieren (vgl. Bruhn 2005:47f).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die meist ehrenamtliche Leitung in NonprofitOrganisationen. Das Verhältnis von ehrenamtlicher Leitung und hauptamtlichen,
3.3 Marketing im Non-Profitbereich
28
sprich bezahlten, Mitarbeitern kann immer wieder von Konflikten (z.B. wegen eines
mangelnden, unzuverlässigen oder auch zeitaufwendigen Informationsflusses sowie
aufgrund fehlender Fachkompetenz des Vorstandes) geprägt sein. „Die vorgegebene
Hierarchie in einer Nonprofit-Organisation sieht beispielsweise oftmals vor, dass
ehrenamtliche Funktionäre an der Spitze der Organisation stehen, die mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet sind“ (Bruhn 2005:301). Wie bereits im zweiten
Artikel aufgezeigt worden ist, kommt es heutzutage und zukünftig immer mehr darauf
an, auch in Nonprofit-Einrichtungen unternehmerisch zu denken und letztendlich so
zu handeln. Der ehrenamtliche Vorstand und seine Mitglieder bringen nicht immer
die notwendige Erfahrung mit, um eine Organisation bzw. Einrichtung heutzutage
erfolgreich führen zu können (vgl. Gandor/Langen 2008:129).
Motivierte und veränderungsbereite Leitungskräfte von Kindertagesstätten erfahren oftmals wenig Unterstützung von ihren Trägern, die sich meist aus ehrenamtlichen
Mitgliedern unterschiedlicher Berufsfelder zusammensetzen. Die Kompetenzen für
Personal und Budget liegen in der Regel nicht in den Händen der Leitungskraft einer
Kindertageseinrichtung, sondern verbleiben beim Träger (vgl. Klug 2001:26). „Diesen
fehlt [aber] angesichts ihrer eigenen fachlichen Unkenntnis zumeist der Mut, Kompetenzen an fachlich versierte Leitungen zu delegieren. Da sie Vorgehensweisen und
Entscheidungen im Alltag der Tagesstätte vielfach nicht beurteilen können, wollen
sie lieber alles selbst im Griff behalten und haben Angst, dass etwas schief läuft.
Denn dafür müssen sie als Träger wiederum den Kopf hinhalten“ (Gandor/Langen
2008:129).
6. Konsequenz der Nachfrageorientierung
„Nonprofit-Organisationen sehen – im Gegensatz zu kommerziellen Unternehmen –
ihre Aufgabe nicht immer darin, eine erhöhte Nachfrage durch konsequente Zielgruppenausrichtung anzustreben“ (ebd.:49). Oftmals wird auch das Ziel verfolgt, gewisse
Verhaltensweisen bestimmter Teile der Bevölkerung zu verändern, wie zum Beispiel
das Thema Drogenkonsum oder zu schnelles Fahren (vgl. ebd.:49f).
Kindertageseinrichtungen versuchen ebenfalls in ihrer Arbeit mit den Kindern
und den Eltern, wichtige Werte zu vermitteln und bestimmte Verhaltensweisen zu
verändern (z.B. gesunde Ernährung).
3.3 Marketing im Non-Profitbereich
Vom Konsumgüterbereich ausgehend erweiterte sich der Marketinggedanke durch die
sogenannte Broadening (Ausweitung)-Deepening (Vertiefung)-Diskussion Ende der
60er und Anfang der 70er Jahre auch auf andere Bereiche. Das bisherige Verständnis
3.3 Marketing im Non-Profitbereich
29
von Marketing sollte nämlich erweitert – das heißt auch auf andere Organisationstypen
(soziale Nonprofit-Organisationen) bezogen werden – beziehungsweise neu überdacht
– sprich die Erweiterung der Zielsetzungen des bisherigen Marketing um Aspekte,
wie beispielsweise die soziale Verantwortung, Ökologieorientierung, Nachhaltigkeit –
werden; so das Ergebnis einer Umfrage unter Marketingprofessoren in den frühen
70er Jahren (vgl. Bruhn 2005:61f).
Die weiteste Begriffsauffassung stellt die generische Interpretation (Generic Marketing) des Marketing von Philip Kotler (1972) dar, da der „[...] Objektbereich des
Marketing auch auf alle Austauschprozesse im nicht-kommerziellen Bereich [...]“
erweitert wurde (ebd.:62; S.H.):
Marketing versteht sich hier als eine universelle Konzeption der Beeinflussung sowie als Sozialtechnik, die auf jegliche Austauschprozesse
zwischen Individuen und Gruppen angewandt werden kann (vgl. Meffert/
Burmann/Kirchgeorg 2008:10).
Um die Ziele in nicht-kommerziellen Organisationen erreichen zu können, sollten
die bewährten Marketingmethoden konsequent angewendet werden. Das NonprofitMarketing war eine spezifischere Fokussierung des Marketing auf nicht-kommerzielle
Organisationen. Lange Zeit wurde ausnahmslos die Austauschbeziehung zwischen
Anbieter und Leistungsempfänger vordergründig betrachtet. In den letzten Jahren
erkannte man nun auch die Bedeutung anderer relevanter Beziehungen in NonprofitOrganisationen und integrierte sie in das Konzept des Marketing (vgl. Bruhn 2005:62).
„Entsprechend besteht eine zentrale Aufgabe des Nonprofit-Marketing darin, die
Beziehungen zu sämtlichen relevanten Anspruchsgruppen anhand eines integrativen
Managementprozesses zu steuern“ (ebd.:63).
Non-Profit-Marketing kann folgendermaßen definiert werden:
„Nonprofit-Marketing ist eine spezifische Denkhaltung. Sie konkretisiert
sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Aktivitäten, die durch eine Ausrichtung am Nutzen
und den Erwartungen der Anspruchsgruppen (z.B. Leistungsempfänger,
Kostenträger, Mitglieder, Spender, Öffentlichkeit) darauf abzielen, die
finanziellen, mitarbeiterbezogenen und insbesondere aufgabenbezogenen
Ziele der Nonprofit-Organisationen zu erreichen“ (ebd.:63).
Deutlich wird, dass auch Non-Profit-Marketing nicht nur eine Grundfunktion neben
anderen, wie Controlling, Beschaffung usw. ist, sondern als Leitbild des Managements gesehen werden muss. Es stellt für nicht-kommerzielle Organisationen eine
ganzheitliche Philosophie; ein umfassendes Führungskonzept dar.
3.4 Nonprofit-Marketing als Managementprozess
30
Hervorzuheben sind demzufolge fünf wesentliche Merkmale des Nonprofit-Marketing,
die sich aus der Definition ergeben:
(1) Leitidee einer anspruchgruppenorientierten Organisationsführung
Analyse der Bedürfnisse und Vorstellungen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen
(2) Systematisches Planungs- und Entscheidungsverhalten der unterschiedlichen
Marketingaktivitäten
(3) Suche nach kreativen und innovativen Problemlösungen, um sich von Anderen
abheben zu können
(4) Interne und externe Integration sämtlicher Marketingaktivitäten
(5) Ausbalancieren der verschiedenen Zielkategorien
Aufgabenbezogene, finanzielle und mitarbeiterbezogene Ziele stellen allesamt
Grundvoraussetzungen für die Erstellung der Non-Profit-Mission dar (vgl.
Bruhn 2005:64f).
3.4 Nonprofit-Marketing als Managementprozess
Mit Hilfe des Managementprozesses kann die Nonprofit-Organisation bzw. NonprofitEinrichtung systematisch an die Erstellung und Umsetzung eines Nonprofit-Marketingkonzeptes herangehen. „Dieser Managementprozess verdeutlicht, wie das NonprofitMarketing seiner Rolle als Initiator für eine systematische Führung der NonprofitOrganisation gerecht werden kann. Kern des Managements ist die kontinuierliche
Marketingplanung. Sie beschäftigt sich mit der Analyse- und Planungsphase des
Managementprozesses und resultiert in einem Marketingplan, der den Verantwortlichen Antworten darauf gibt, welche Maßnahmen wie und zu welchem Zeitpunkt
durchzuführen sind“ (Bruhn 2005:94).
Folgender beispielhaft dargestellte Managementprozess in einer Kindertageseinrichtung kann als Art „roter Faden“ dieser weiteren Arbeit betrachtet werden.
3.4 Nonprofit-Marketing als Managementprozess
Abb. 3.1: Möglicher Nonprofit-Marketingmanagementprozess
einer Kindertageseinrichtung
31
32
4 Grundlagen zur Strategieimplementierung
Eine geschlossenes und schlüssiges Konzept zur Implementierung ist wichtig, um
die entwickelte Strategie erfolgreich umsetzen zu können. Laut Bruhn ist „[d]ie
Planung und Implementierung einer Marketingstrategie [...] ebenso bedeutend wie die
Strategieentwicklung selbst. Damit Marketingstrategien nicht nur geplant, sondern
auch erfolgreich umgesetzt werden, ist es unabdingbar, sich detailliert mit dem
Implementierungsprozess von Marketingstrategien sowie deren Erfolgsbedingungen
auseinander zu setzen“ (Bruhn 2010, S.82; S.H.).
4.1 Begriff und Inhalt der Strategieimplementierung
Unter der Implementierung [im Allgemeinen] ist ein Prozess zu verstehen,
„[...] der die Strategie in aktionsfähige Aufgaben umwandelt und damit
die Um- und Durchsetzung der Strategie sicherstellt“ (Bruhn 2010, S.82).
Die Strategieimplementierung in Nonprofit-Organisationen ist ein „[...]Prozess, durch
den die Idee und das Konzept des Nonprofit-Marketing in aktionsfähige Aufgaben mit
dem Ziel umgesetzt werden, die Mission der Nonprofit-Organisation unter Beachtung
der Fachlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu erfüllen“ (Bruhn 2005:426f).
Folgende drei Schwerpunkte werden im Rahmen der Implementierung gesetzt:
• Spezifizierung der allgemeinen Marketingstrategie
• Akzeptanzschaffung für die Strategie bei den einzelnen Mitarbeitern
• Anpassung der Strukturen und Kulturen sowie der Systeme in einer Organisation bzw. einer Einrichtung
Leicht verändert lassen sich diese drei Kernaspekte als Implementierungsebenen
darstellen:
1. Konzeptionelle Ebene
Auf dieser Ebene wird das Ziel verfolgt, die Implementierungsinhalte und
-maßnahmen zu spezifizieren. Dieser Aufgabe wird bereits im Rahmen der Strategieentwicklungsphase (Strategische und operative Marketingplanung) nachgegangen. Sie bildet die Grundlage des Implementierungprozesses.
4.2 Prozess der Strategieimplementierung
33
2. Personelle Ebene
Der Motivation sowie der Überzeugung jedes einzelnen Mitarbeitenden kommt
im Rahmen der Implementierung ein hohe Bedeutung zu. Kurz- bis mittelfristig
muss beim Personal eine Akzeptanz, sprich die Bereitschaft („Wollen“) sowie die
Fähigkeit zur Veränderung („Kennen“, „Verstehen“ und „Können“), bezüglich
der Marketingstrategie geschaffen werden. Weiterhin muss sich die bisherige
Unternehmenskultur auf mittlerer bis längerer Sicht zu einer kunden- und
marktorientierten Kultur entwickeln (Anpassung bzw. Schaffung) und von den
Mitarbeitern auch gelebt werden (vgl. Bruhn/Meffert 2009:386).
3. Institutionelle Ebene
„Im Rahmen der Marketingimplementierung werden darüber hinaus auch Anpassungen hinsichtlich der Strukturen (Aufbau- und Ablauforganisation) sowie Systeme (z.B. Informationssysteme) einer Unternehmung notwendig“ (ebd.:387).
4.2 Prozess der Strategieimplementierung
Folgende Abbildung liefert ein Beispiel für einen Implementierungsprozess. Die
Implementierung einer Marketingstrategie stellt sich dabei, wie bereits mehrfach
erwähnt, vor allem auf personeller Ebene als eine komplexe und mehrstufige Aufgabe
dar (vgl. Bruhn 2010:82):
1. Phase: Vermittlung von Informationen und Erklärungen sowie Akzeptanzschaffung für anstehende Veränderungen
2. Phase: Durchsetzung der Veränderung, Vermittlung von Kenntnissen, Erarbeitung von Maßnahmen und Festlegung konkreter Verantwortlichkeiten
3. Phase: Implementieren der festgelegten operativen Maßnahmen sowie Anpassungen der Strukturen, Systeme und der Kultur (vgl. Bruhn 2005:430).
Des Weiteren handelt es sich bei der Implementierung einer Strategie nicht um einen
abgeschlossenen und einmaligen Prozess. Das Nonprofit-Unternehmen muss auch nach
der Implementierung der Strategie kontinuierlich seine Implementierungsumgebung
analysieren und auf Veränderungen reagieren, indem sie ihre Strategie und deren
Maßnahmen daran anpasst.
4.2 Prozess der Strategieimplementierung
34
Abb. 4.1: Strategieimplementierungsprozess
(in Anlehnung an Bruhn 2010:83)
Um die Implementierung der Strategie erfolgreich umsetzen zu können, bedarf es
zunächst einer Entscheidung bezüglich eines geeigneten Implementierungsansatzes.
Folgende Erfolgsfaktoren sollten dabei betrachtet und aufeinander abgestimmt werden
(vgl. Bruhn 2010:86):
• Führungs- und Implementierungsstil
• Implementierungsgeschwindigkeit
• Implementierungsintensität
• Implementierungsorganisation
• Implementierungsträger
Führungs- und Implementierungsstil
„Der Führungs- und der Implementierungsstil sind wesentlicher Bestandteil für den
Erfolg einer Implementierung“ (vgl. Sander 2004:748; Bruhn 2005:86). Es umfasst
den Partizipationsgrad und die Implementierungsrichtung.
4.2 Prozess der Strategieimplementierung
35
Die Einführung einer Marketingorientierung im Bereich der frühkindlichen Betreuung, Erziehung und Bildung kann von den Mitarbeiterinnen „[...] als eine Art
‚Entfremdungsprozess‘von den eigentlichen Arbeitsinhalten erlebt [werden]“ (Bruhn
2005:469f). In einer Kindertageseinrichtung ist eine partizipative Form der Führung
von Mitarbeiterinnen, das heißt ein kooperativer Führungsstil mit Führung durch
Zielvereinbarung, von hoher Relevanz. Die Mitarbeiterinnen können sich aktiv am
Einrichtungsgeschehen beteiligen, indem die Leiterin die Mitarbeiterinnen über beabsichtigte Veränderungen und Entscheidungen informiert und ihnen ermöglicht,
frei ihre Meinung zu äußern und ihnen ein Mitwirkungsrecht einräumt (vgl. Walter/
Cornelsen 2005:278). Der Einbezug sowie die Verpflichtung der Mitarbeiterinnen
in den Implementierungsprozess könnten der zum Teil starken Abwehrhaltung entgegenwirken. Die Akzeptanz und Motivation der Mitarbeitenden gegenüber der zu
implementierenden Strategie ist also auch abhängig vom Partizipationsgrad. Dieser Führungsstil führt aber gleichzeitig auch zu einer Komplexitätserhöhung bei zu
treffenden Entscheidungen (vgl. Sander 2004:748).
Bezüglich der Implementierungsrichtung können grundsätzlich zwei Ansätze
unterschieden werden. Zum einen ist das der Top-down- und zum anderen der
Bottom-Up-Ansatz. Von einem Top-down-Ansatz spricht man, wenn die Strategie
vom obersten Management formuliert und „[...] dann für die nachgelagerten Ebenen
als Handlungsrahmen vorgegeben [...]“ wird (Sander 2004:748). Wenn der Entscheidungsfindungsprozess auf den unteren Ebenen durch Eigeninitiative gestaltet „[...]
und durch höhergestellte Ebenen nach eventuellen Modifikationen weitergegeben wird,
handelt es sich um einen Bottom-Up-Ansatz. Eine Kombination beider Ansätze im
Gegenstrom- bzw. Down-up-Prinzip soll die jeweiligen Nachteile – auftretende Implementierungswiderstände bzw. zu detaillierte Vorschläge – vermeiden“ (ebd.:748). Laut
Bruhn ist es wichtig, dass die Initiative und der Anstoß seitens der Führungsebene
kommt (vgl. Bruhn 2005:430). Die schriftlich formulierten einrichtungsübergreifenden strategischen Ziele des Trägers (z.B. Familienförderung sowie -unterstützung,
Marktstellung) werden auf die jeweilige Kindertagesstätte in Zielvereinbarungsgesprächen heruntergebrochen. Aus dem einrichtungsübergreifenden Ziel des Trägers, die
Familien zu unterstützen und die Marktstellung zu verbessern, soll in einer Kindertagesstätte ein flexibleres Betreuungskonzept implementiert werden (vgl. Klug 2001:74).
Wichtig ist dabei, dass die Leitungskraft in der Kindertageseinrichtung vom Aspekt
des Marketing und betriebswirtschaftlichen Denken überzeugt sein und dies im Alltag vorleben muss (Anspruchsgruppenorientierung). An dieser Stelle ist eine offene
und aktive Kommunikation über das Vorhaben und den damit einhergehenden
Maßnahmen von hoher Relevanz. Mit den Mitarbeitern muss auch dahingehend
kommuniziert werden, um Verständnis und Unterstützung für die Implementierung
der Strategien zu erreichen (vgl. Bruhn 2005:468). Nur wenn alle Mitarbeiter von den
4.2 Prozess der Strategieimplementierung
36
Gründen und damit einhergehenden Vorteilen einer Marketingorientierung überzeugt
sind, werden sich die Mitarbeiter an der Zielerreichung beteiligen und letztendlich die
erfolgreiche Umsetzung der Veränderung in der Kindertageseinrichtung ermöglichen
(vgl. ebd.:470).
Implementierungsgeschwindigkeit
Unter der Implementierungsgeschwindigkeit ist der Quotient aus Umfang und Dauer
der Implementierung zu verstehen.
Allgemeine Aussagen lassen sich hinsichtlich der Geschwindigkeit nicht machen,
da diese immer abhängig „[...] von der zu implementierenden Strategie sowie dem
Unternehmens- und Umweltkontext [...]“ ist (Sander 2004:750).
Da es sich bei der Implementierung eines flexiblen Betreuungskonzeptes eher um
eine Mischung von innovationsorientierter und qualitätsorientierter Strategie handelt,
spielt der Faktor Zeit auf den ersten Blick eine nebensächliche Rolle (vgl. ebd.:750).
Heutzutage ist es nicht mehr nur wichtig, ob und wie man auf die Entwicklungen
und sich verändernden Rahmenbedingungen reagiert, sondern auch wie schnell man
auf diese reagieren kann und sich daran anpassen kann. Der Faktor Zeit ist demnach
nicht ganz außer Acht zu lassen.
Implementierungsintensitäten
Die Implementierungsintensität bezieht sich auf den Fortschritt der Implementierung
einzelner Teilbereiche und Maßnahmen (vgl. ebd.:751).
Der Prozess der Implementierung kann auf verschiedene Arten angegangen werden. Zum einen wäre das die Wahl der sofortigen radikalen Restrukturierung. In
einem großen Schritt wird die Strategie in der gesamten Einrichtung umgesetzt. Der
radikale Bruch mit Gewohnheiten und vertrauten Abläufen kann zu einem verstärkten Widerstand seitens der Mitarbeitenden gegen die neue Strategie führen. Zum
anderen gäbe es die Möglichkeit der sukzessiven Veränderung. In dem Fall werden
kontinuierlich und in kleinen Schritten die Elemente in der Einrichtung umgesetzt.
Bruhn empfiehlt eine Vorgehensweise in Form einer Mischung aus beiden. Zunächst
sollte radikal der Anstoß zur Veränderung gegeben werden. Intensive Schulungsmaßnahmen (Seminare, Workshops) können im Kindergarten eingesetzt werden, um die
pädagogischen Fachkräfte mit dem neuen Thema vertraut zu machen und den Wert
des Marketingdenkens für die Einrichtung zu vermitteln. Nach dieser Anschubphase
sollte dann eine schrittweise Umstrukturierung stattfinden (vgl. Bruhn 2005:466).
Implementierungsorganisation
Für die Umsetzung bietet es sich an, die Technik des Projektmanagement anzuwenden.
Jedes Projektteam verfolgt dabei ein klar definiertes Teilziel. Die Mitarbeiterinnen in
den jeweiligen Teams bzw. Arbeitskreisen versuchen anschließend die klar definierten
4.2 Prozess der Strategieimplementierung
37
Teilziele durch konkrete Maßnahmen zu operationalisieren (vgl. ebd.:469): „Durch die
Erfüllung der Teilziele werden die strategischen Gesamtziele erfüllt“ (Klug 2001:74).
Implementierungsträger
Implementierungsträger sind Mitarbeiter in der Einrichtung, die entsprechend ihrer
spezifischen Kompetenzen, Fähigkeiten, aber auch aufgrund ihrer Überzeugung von
der geplanten Strategie in den Implementierungsprozess mit einbezogen werden und
maßgeblich Einfluss auf den Erfolg der Strategieimplementierung haben. „Diese
können entsprechend ihrer Förderungsmöglichkeiten in Macht- und Fachpromotoren
unterteilt werden“ (Sander 2004:753).
Der Machtpromotor hat dank seiner hierarchischen Position in der Aufbauorganisation die Möglichkeit maßgeblich an der Erfüllung der Aufgaben beizutragen (vgl.
ebd.:753). Die Leiterin und die stellvertretende Leiterin einer Kindertageseinrichtung
haben nicht nur eine Vorbildfunktion inne, sondern auch die Aufgabe, Überzeugungsarbeit bei den pädagogischen Fachkräften zu leisten sowie Anreize zu geben und im
Falle eines Konfliktes zu vermitteln und ggf. zu schlichten (vgl. Bruhn 2005:85).
Der Fachpromotor bringt sich mit seinem Wissen und seinen Kompetenzen
ein und fördert somit die Implementierung. Auch er kann eine Konfliktsituation
bzw. Widerstände seitens der Mitarbeiter in eine positive Richtung lenken. Da der
Fachpromotor „[...] bereits an der Strategieentwicklung beteiligt [...] [ist, ist er] in
der Lage, bei Konflikten bezüglich deren Qualität eine geeignete Argumentation [zu]
liefern“ (Sander 2004:753; S.H.).
38
5 Strategieimplementierung
5.1 Strategieentwicklungsphase
Wie bereits am Anfang des dritten Kapitels erwähnt, bildet die konzeptionelle Ebene
(beinhaltet die strategische und operative Marketingplanung) den Ausgangspunkt
einer Implementierung. Hier werden Implementierungsinhalte sowie -maßnahmen
spezifiziert. Dafür bedarf es jedoch wichtiger Informationen und einer gewissen
Vorarbeit im Rahmen der normativen Marketingplanung.
5.1.1 Normative Marketingplanung
5.1.1.1 Interne Analyse
Selbstvergewisserung
Die Marketingentwicklung beginnt in einer Kindertageseinrichtung zunächst mit dem
Prozess der Selbstvergewisserung. Dabei sollen zuerst generelle bzw. allgemeine Werte
und Prinzipien der Einrichtung und des Trägers unabhängig von den Bedürfnissen
des Marktes geklärt werden: Gemeinsam sollte der Frage nach den Wertvorstellungen nachgegangen werden. Die formulierten ethischen Maximen des Trägers (z.B.
Religiosität, Solidarität oder Stärkung sowie Unterstützung der Familie) und die
Wertvorstellungen der Mitarbeiterinnen (z.B. Kollegialität, Professionalität) sollen
zu einem gelebten Selbstbild der Kindertagesstätte werden (vgl. Klug 2001:44).
Verhaltensgrundsätze und grundlegende Ziele der Einrichtung
Auf der Basis der Wertvorstellungen werden Verhaltensgrundsätze gegenüber externen
Anspruchsgruppen erarbeitet (z.B. Gewährleistungen hoher Qualität, Freundlichkeit
und Fairness im Umgang, Offenheit für Anregungen etc.) „Schließlich sollten Ziele
formuliert werden, die die Arbeit näher charakterisieren. Darin sollten auch die
Potenziale der Mitarbeiterinnen Platz haben“ (Klug 2001:46). Zu den Zielen einer
Einrichtung gehören zum Beispiel:
1. Pädagogische Ziele (Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes, Ziele, die sich
aus dem pädagogischen Ansatz ergeben)
2. Anspruchsgruppengerichtete Ziele (Zufriedenheit, Bindung)
5.1 Strategieentwicklungsphase
39
3. Mitarbeitergerichtete Ziele (hohe Zufriedenheit, Motivation, Identifikation mit
den Zielen, hoher Qualifikationsstand)
4. Organisationsbezogene Ziele (Führungsstil, Unternehmenskultur) (vgl. Klug
2001:46; Bruhn 2005:167).
Die Ziele sind lediglich SOLL-Zustände. Anhand der Informationen aus der Marktanalyse und der Zusammenarbeit mit den Eltern und Partnern, wie beispielsweise
anderen Organisationen, müssen diese Ziele weiter differenziert werden, so dass am
Ende konkrete Leistungen, die vom Personal der Kindertagesstätte erbracht werden
sollen, abgeleitet und in einem Zielkatalog festgehalten werden können.
Die Informationen aus der Kommunikation mit dem Kunden werden des Weiteren
für den Strategiefindungsprozess gebraucht. Parallel zur externen Analyse wird eine
einrichtungsinterne Analyse durchgeführt, um Stärken und Schwächen (IST-Zustand)
herauszufinden.
Folgende Punkte sollten im Rahmen der Eigensituationsanalyse erfragt werden:
• Konzept/Pädagogik
Wie sieht das bisherige Konzept aus? Welche pädagogische Grundüberzeugung
haben die Mitarbeiter in der Einrichtung? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?
Ist die Einrichtung fachlich besonders spezialisiert? Gibt es positive Aspekte,
die andere Einrichtungen nicht vorweisen können? Welche Schwächen hat das
Konzept? Wie kann man diese beseitigen?
• Konditionen/Rahmenbedingungen
Welche Konditionen werden angeboten? Welche der spezifischen Rahmenbedingungen und Leistungsangebote unterscheiden sich positiv von anderen Kindertagesstätten? Orientiert sich das Angebot an den Bedürfnissen der Kunden?
Bestehen Potenziale für Veränderungen bzw. Verbesserungen?
• Öffentlichkeitsarbeit/Kommunikation nach außen
Wie gestaltet sich die Kommunikation nach außen? Ist diese stark oder eher
schwach ausgeprägt? Hat die Einrichtung ein klares Leitbild, dass für Außenstehende ersichtlich ist? Gibt es Informationsmaterial über die Einrichtung?
• Mitarbeiterauswahl
Wie schätzen die pädagogischen Fachkräfte das eigene Arbeitsumfeld ein?
„Sind sie mit den Arbeitsbedingungen und der Arbeitsatmosphäre zufrieden, wo
bestehen Verbesserungspotenziale“ (Sen 2006:64f)? Gehen die pädagogischen
Fachkräfte motiviert, kreativ und mit Engagement an ihre Arbeit? Wie ist der
Qualifikationsstand der pädagogischen Fachkräfte? Werden Weiterbildungsund Fortbildungsmaßnahmen angeboten?
5.1 Strategieentwicklungsphase
40
• Effektivität
„Wie hoch ist die Effektivität der Organisations- und Arbeitsabläufe? Wo
bestehen in dieser Hinsicht Verbesserungspotenziale“ (ebd.:65)?
• Kooperationspartner
Bestehen bereits Kooperationen mit Partnern (Unternehmen, Tagespflegepersonen, anderen Einrichtungen)? In welchen Bereichen können erfolgsversprechende Kooperationen eingegangen werden? (vgl. Dahle/Schrader 1999:38-40;
Sen 2006:64f)
5.1.1.2 Externe Analyse
Im Rahmen der Marktforschung sollen Informationen, die den Markt betreffen,
gewonnen und ausgewertet und das Verhalten der Kunden, vor allem das der Eltern,
analysiert werden. Es kann demnach zwischen Sekundär- und Primärforschung
unterschieden werden:
Sekundärforschung
„Bei der Sekundärforschung liegt das Informationsmaterial vor und ist dem
Untersuchungszweck entsprechend auszuwerten. Hierbei können sowohl interne als
auch externe Informationsquellen zur Auswertung herangezogen werden“ (ebd.:120).
Eine Kindertageseinrichtung kann beispielsweise aktuelle Statistiken zum Thema
Bevölkerungsentwicklung und Geburten, Erwerbstätigkeit, Familienstruktur u.ä.
analysieren. Folgende Punkte sollte die Analyse enthalten:
(1) Demografische Entwicklung
Welche demografischen Entwicklungen lassen sich die nächsten Jahre und Jahrzehnte verzeichnen? Was bedeutet das für den Bereich der institutionellen
Kindertagesbetreuung? Wie sieht es auf regionaler bzw. lokaler Ebene aus?
Beispiel Sachsen: Bevölkerungsentwicklung
Seit mehr als 50 Jahren lässt sich in Sachsen ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang verzeichnen. Im Gegensatz zu damals (5,5 Millionen Einwohner) leben
heute über eine Million Menschen weniger in Sachsen (4,15 Millionen ). Der
durchschnittlich Rückgang pro Jahr liegt derzeit bei 0,6 Prozent. Die „[...] aktuelle Prognose geht von einem Rückgang auf 3,78 bzw. 3,65 Millionen Einwohner
bis zum Jahr 2025 aus. Das werden etwa 9 bzw.12 Prozent weniger Einwohner
sein als heute“ (Statistisches Landesamt Sachsen 2011: „Bevölkerungsbestand“;
S.H.). Die Hauptursache für den Bevölkerungsrückgang in Sachsen ist das seit
der Wiedervereinigung 1990 zu verzeichnende Geburtendefizit. In den letzten 20
Jahren (1990-2010) „[...] wurden in Sachsen insgesamt 658.500 Kinder geboren,
5.1 Strategieentwicklungsphase
41
das waren rund 469.500 weniger, als Menschen im gleichen Zeitraum gestorben
sind“ (ebd.:„Geburten und Sterbefälle“; S.H.). Obgleich es in Sachsen 2010
mit 35.100 Lebendgeborenen zu einem, im Vergleich zu den anderen Jahren,
neuen Höchstwert bezüglich der Geburten gekommen ist, lag dieser trotzdem
noch weit unter dem von 1990 (vgl. ebd.:„Geburten und Sterbefälle“). Die
Verluste durch die Abwanderungen in die alten Bundesländer zu Beginn der
1990er Jahre verstärken zudem die negative Bevölkerungsentwicklung. „Die
Wanderungsverluste gegenüber dem früheren Bundesgebiet wurden durch Wanderungsgewinne mit dem Ausland und den neuen Bundesländern verringert.
Zusammen betrugen die Gewinne 145.200 Personen“ (ebd.:„Zu- und Fortzüge“).
Laut einer Studie des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung e.V.
(IÖR) in Dresden wird die Einwohnerzahl in Dresden und näherer Umgebung
bis zum Jahr 2025 voraussichtlich um rund 4.600 auf 715.000 anwachsen. „Die
Region gehört damit zu den wenigen noch wachsenden Regionen in Sachsen und
Deutschland“ (IÖR 2010/2011:1). Der Bevölkerungszuwachs lässt sich vor allem
direkt in der Landeshauptstadt Dresden verzeichnen. Im umliegenden Land
wird die Anzahl der Bewohner dagegen um rund 13.400 auf 180.000 zurückgehen.
Jedoch ist auch hier zu sagen, dass es innerhalb des Umlandes Kommunen gibt,
die weiterhin eine ausgeglichene bis positive Bevölkerungsentwicklung erwarten
können.
Welche Stärken bzw. welche Schwächen hat die eigene Einrichtung im Umgang
mit gesellschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen?
(2) Gesellschaftliche Trends
Welche gesellschaftlichen Trends (z.B. Wandel der Familienstruktur) können
sich auf die Kindertageseinrichtungen auswirken und in welcher Form?
Beispiel Sachsen: Alleinerziehende
Nach Erhebungen des Statistischen Landesamtes sind 2009 in Sachsen 4,9 Prozent Alleinerziehende mit minderjährigen Kinder (vgl. Statistisches Landesamt
Sachsen 2009:30). Laut einer vom sächsischen Sozialministerium in Auftrag
gegebenen Studie waren im Januar 2011 im Freistaat Sachsen ungefähr 6,5
Prozent der etwa 260.000 Arbeitslosen alleinerziehend. In Sachsen haben über
12.500 Alleinerziehende trotz einer abgeschlossenen Berufsausbildung keinen
Arbeitsplatz. Die Betreuungsquote ist mit 95,2 Prozent zwar sehr hoch, reicht
jedoch nicht aus. Berufstätige Eltern benötigen nicht nur einen Betreuungsplatz
für ihre Kinder, sondern auch mehr bedarfsgerechte Öffnungszeiten. Vor allem
in den Abendstunden und am Wochenende, wo viele Eltern häufig arbeiten
müssen, besteht noch Nachholbedarf. Diese Ausweitung müsste zügig vollzogen
5.1 Strategieentwicklungsphase
42
werden, damit in Zukunft alle Alleinerziehenden die Möglichkeit bekommen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl. FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag
2011) „Gerade vor dem Hintergrund des stetig wachsenden Fachkräftebedarfs
in Sachsen [...] [kann es sich der Freistaat] nicht leisten, auf junge Talente zu
verzichten“ (ebd.; S.H.).
Primärforschung
„Bei der Primärforschung werden speziell für die individuellen Informationsbedürfnisse und Problemstellungen des Nonprofit-Marketing zugeschnittene Erhebungen
durchgeführt“(ebd.:120).
Kindergärten sollten Fragebögen für die Eltern anfertigen und sie nach der Zufriedenheit des Angebots befragen. Um neue potenzielle Kunden zu gewinnen, können
Mütter in Mutter-Kind-Gruppen befragt oder telefonische Interviews durchgeführt
werden. Es kann das Leistungsangebot anderer (konkurrierender) Kindertagesstätten
beobachtet und ausgewertet sowie Möglichkeiten bezüglich einer Zusammenarbeit
entwickelt werden. Die Kindertageseinrichtung kann auch andere Einrichtungen befragen, die bereits ein bestimmtes markt- und kundenfreundliches Konzept anbieten
und daraus wichtige Erkenntnisse ziehen.
Das Profil der Kindertagesstätte wird ebenfalls vom Umfeld geprägt. „Gerade im
Bereich Kinderbetreuung entstehen derzeit viele Initiativen und Netze zur Vermittlung und Qualifizierung von Babysittern und Tagesmüttern. Kinderflohmärkte und
Second-Hand-Läden boomen. Überall werden neue Kinder-Kultur- und Freizeitangebote entwickelt“ (Dahle, Schrader 1999:32). Welche Kontakte hat die Einrichtung
und welchen Nutzen hat das Umfeld von der Kindertagesstätte und andersherum?
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Konkurrenz. Denn wenn man sie kennt; weiß,
was für Konditionen mit welcher Qualität sie anbieten, kann man auch entsprechend
auf sie reagieren (Mitbewerberanalyse).
Das Thema Konkurrenz, insbesondere das Verhalten zur Konkurrenz, wird im
sozialen Bereich immer noch mit auffälliger Zurückhaltung behandelt. Es ist im Gegensatz zur freien Wirtschaft nicht selbstverständlich, die Konkurrenz zu beobachten
und Beziehungs- und Verhaltensformen zum Umgang mit ihr zu entwickeln und in
den Arbeitsalltag einzubeziehen und positiv umzusetzen. Mit den im zweiten Kapitel
dargestellten derzeitigen Rahmenbedingungen und zukünftigen Entwicklungen entstehen bereits automatisch Konkurrenzsituationen, auch wenn sich Kindertagesstätten
größtenteils noch mit dem inzwischen stattgefundenen Paradigmenwechsel, d.h. hin
zu betriebswirtschaftlichen Methoden und Kundenorientierung, schwer tun. Letztendlich ist es aber in jedem Falle Voraussetzung, sich mit dem Angebot der Konkurrenz
auseinander zu setzen, um die gesammelten Informationen bei der Marketingentwick-
5.1 Strategieentwicklungsphase
43
lung mit einzubeziehen. Im Rahmen der Entwicklung von wettbewerbsgerichteten
Verhaltensstrategien wird auf diesen Aspekt nochmal eingegangen.
Mit Hilfe der Marktanalyse soll folglich die Position der Kindertagesstätte auf
ihren verschiedenen Märkten analysiert werden (vgl. Kortendieck 2008:54). „Neben
aktuellen oder zu erwartenden Rahmenbedingungen aufgrund der generellen Marktsituation [...] können in diesem Zusammenhang das Verhalten von Wettbewerbern,
die Situation der Leistungsempfänger [...] [Eltern und deren Kinder] und der Einfluss
sonstiger Anspruchsgruppen, wie beispielsweise der Staat und die Kommune], von
Interesse sein“ (Bruhn 2005:96; S.H.). Aus diesen Rahmenbedingungen können dann
Risiken aber auch Chancen für die Kindertageseinrichtung abgeleitet werden.
Die organisations- bzw. einrichtungsinternen Stärken und Schwächen sowie die
ermittelten externen Chancen und Risiken werden anschließend in einer SWOTAnalyse (Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats-Analysis) gegenübergestellt.
Hierbei werden die Informationen lediglich vorsortiert (vgl. Bruhn 2005:125f). Diese
könnte folgendermaßen aussehen (Beispiel):
Chancen
- Standortpolitik: Finanzielle Unterstützung
für flexible Betreuungsangebote seitens
des Freistaates
- steigender Bedarf nach atypischen
Öffnungszeiten
- demographischer Wandel
- gestiegene Erwartungen der Eltern
- Bildungsanspruch
Stärken
- wirtschaftliche Solidität
- Organisationskultur
- gut ausgebildete und
motivierte Arbeitskräfte
Risiken
- Gesetzliche Rahmenbedingungen
- Steigender Wettbewerb
- Privat-gewerbliche Kindertagesstätten mit
kundenorientierten Angeboten
- Verknappung öffentlicher Mittel
Schwächen
- zu starre Öffnungszeiten
- Ferienschließzeiten
- kaum bis keine
Marketingerfahrung
- geringe Öffentlichkeitsarbeit
- Organisationsstruktur
Durch Gegenüberstellung der Ergebnisse der Chancen-Risiken- sowie der StärkenSchwächen-Analyse können Marketingentscheidungen konkretisiert werden. „Dabei
gilt es, Chancen und Risiken mit korrespondierenden Stärken und Schwächen in Verbindung zu bringen“ (Bruhn 2005:127). Zum Schluss wird mit Hilfe dieser Ergebnisse
die Marketingproblemstellung formuliert (vgl. Bruhn 2010:43).
5.1 Strategieentwicklungsphase
44
Die Marketingproblemstellung einer Kindertagesstätte könnte zum Beispiel folgendermaßen sein: Die Erwartungen der Öffentlichkeit, insbesondere die
der Eltern, an Kindergärten sind gestiegen. Der Träger und die Mitarbeiter der
Kindertagesstätte sollten – auch mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Anzahl der
Kinder in den nächsten Jahren zurückgehen wird und immer mehr privat-gewerbliche
Kindereinrichtungen entstehen – um den gesetzlich festgeschriebenen Auftrag (SGB
VIII § 22 Abs. 3) zu erfüllen ein Konzept anbieten, das der derzeitigen Marktlage
entspricht.
Zentrales Marketingproblem ist daher das „Bekanntmachen“ des neuen flexiblen
Betreuungsangebotes der Kindertagesstätte, um bisherige Kunden weiterhin zu
binden sowie potentielle Kunden zu akquirieren.
5.1.1.3 Marktsegmentierung
Die Segmentierung des Marktes stellt eine weitere Basisentscheidung für NonprofitOrganisationen dar. Vor allem für Kindertageseinrichtungen ist die Marktsegmentierung relevant, denn der Markt wird aufgrund der demografischen Einflussfaktoren
nicht erweitert (die Kinderzahlen bleiben entweder konstant oder gehen eher zurück),
sondern anders verteilt. Die Kindertageseinrichtung muss Leistungen (bedarfsgerechte
Angebote) anbieten, die sich von anderen Einrichtungen abheben, um somit weitere
Marktanteile für sich gewinnen zu können. „Die Marktsegmentierung dient demzufolge
dazu, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen und innerhalb der Leistungsempfänger offen zu legen und Konsequenzen im Hinblick auf eine differenzierte
Marktbearbeitung zu ziehen“ (Bruhn 2005:181). Zunächst sind die Marktsegmente
zu identifizieren und anschließend näher zu beschreiben, um dann zu entscheiden,
für welche man sich entscheidet.
(1) Bildung und Identifikation möglicher Marktsegmente
Die Einrichtungen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung sprechen mit ihrem Produkt bzw. ihren Leistungen einen bestimmten Markt von
Kindern an. Es sind (Klein-)Kinder zwischen 0 und 7 Jahren (Alter der Kinder). Wie bereits erwähnt, sind zwar die Kinder die primären Kunden, jedoch
entscheiden sie nicht über die Wahl der Tageseinrichtung. Da die Eltern für
ihre Kinder entscheiden, sind sie für diese Betrachtung auch wichtige Kunden.
„Die Entscheidung, welches Segment gewählt wird, hängt mit der einrichtungsspezifischen Profilentscheidung einerseits und ihren Vorannahmen bezüglich
regionaler Märkte andererseits zusammen“ (Klug 2001:51). Durch die gezielten
Befragungen bereits im Rahmen der externen Analyse (z.B. Experten, Umfragen in Mutter-Kind-Gruppen oder in den umliegenden Firmen usw.) kann die
Kindertageseinrichtung herausfinden, welche Bedarfe bestehen.
5.1 Strategieentwicklungsphase
45
Im Rahmen der Segmentierung kann auf verschiedene Kriterien zurückgegriffen
werden. In der vorliegenden Arbeit beschränkt sich dies auf das sozioökonomische Segment – die Bedürfnisse berufstätiger Eltern. Dabei können die Eltern
anhand verschiedener Kriterien zunächst grob in Gruppen unterteilt werden.
Die Informationen können dabei aus den Elternbefragungen stammen:
(a) Berufstätige Mütter (Anteil)
(b) Alleinerziehende (Anteil)
(c) Haushaltseinkommen der Eltern
(d) Eltern mit Verwandten (z.B. Großeltern) in der Umgebung (Anteil)
„Aus diesen Faktoren [...] kann [eventuell später] auf die Nachfrage nach zusätzlichen, flexiblen Betreuungsangeboten und auf die Zahlungsbereitschaft für
diese Angebote geschlossen werden“ (Klinkhammer 2008b:68; S.H.).
(2) Beschreibung entsprechender Marktsegmente
Die zuvor identifizierten Segmente werden in diesem Schritt näher beschrieben.
Berufstätige Eltern können sein:
– Alleinerziehende, die einer Teilzeitarbeit nachgehen oder Familien, die
stundenweise zu flexiblen Zeiten arbeiten (z.B. Berufseinsteiger oder Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach der Elternzeit).
Das Interesse für eine stundenweise Betreuung (unterschiedliche
Länge) an einigen (44,8 Prozent) oder an allen (38,8 Prozent) Tagen in
der Woche ist vor allem für Mütter mit Kleinkindern (unter 3 Jahren)
sehr groß.
– Alleinerziehende, die einer geregelten Vollzeittätigkeit nachgehen sowie
Familien, die nicht immer auf einen Ganztagsplatz angewiesen sind und
ihre Kinder auch gern einmal früher abholen bzw. später bringen wollen
oder können (Familienzeit effektiv nutzen)
– Alleinerziehende oder Familien, die in Vollzeit arbeiten und durch Geschäftsreisen oder abendliche Besprechungen auf flexible Betreuungszeiten
angewiesen sind (vgl. Haug-Schnabel et al. 2008:9)
– „Alleinerziehende oder Familien, die generell oder immer wieder zu atypischen Zeiten arbeiten (Journalisten, Ärzte, Krankenschwestern, Schauspieler, Schichtarbeiter, Nachtarbeiter)
– Alleinerziehende oder Familien, wobei eine Person mehrere Jobs zu unterschiedlichen Zeiten hat
– Alleinerziehende oder Familien vorübergehend in besonderen Lebenslagen“
(ebd.:9).
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
46
Wie bereits aufgezeigt worden ist, handelt es sich bei der Kundengruppe
im allgemeinen um die Eltern, die zu ganz unterschiedlichen Zeiten arbeiten
müssen, aber allesamt den Wunsch hegen, Beruf und Familienleben vereinbaren
zu können. Nun ist es die Aufgabe der Einrichtung zu entscheiden, was in ihrem
Rahmen möglich ist anzubieten und auf welche Kundengruppe das Augenmerk
letztendlich gelegt werden soll. Diese Kundengruppe muss dann gezielt mit
Marketingmaßnahmen angesprochen werden.
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
5.2.1 Strategische Marketingplanung
Auf die normative Marketingplanung folgt die strategische Marketingplanung (vgl.
Bruhn 2005:198). Im Rahmen der strategischen Marketingplanung werden die bisherigen Entscheidungen, die getroffen wurden, konkretisiert. Dmit verbunden ist
eine Entscheidung bezüglich der Marktfeldstrategien sowie grundlegender Verhaltensweisen gegenüber Wettbewerbern und den Anspruchsgruppen usw. (vgl. Meffert
2008:22). Zudem zielt diese Planung darauf ab, einen bedingten, globalen sowie langfristigen Verhaltensplan (5-10 Jahre) aufzustellen, um die relevanten Marketingziele
einer Nonprofit-Organisation zu erreichen. Die strategische Marketingplanung stellt
somit das zentrale Bindeglied zwischen der Zielfestlegung und der Planung operativer
Maßnahmen dar (vgl. Bruhn 2005:198). Folgende Fragen sind im Zusammenhang
des strategischen Marketing grundlegend:
• Auf welchen Märkten bleibt oder wird eine Organisation tätig? (Wo bzw. wohin?)
(z. B. Markterschließung und/oder Produktentwicklung)
• Welches ist die Grundausrichtung der Marketingstrategie? (Wie?) (z. B. Preisvorteile oder überlegene Produktqualität)
• Zu welcher Zeit wird eine Organisation in den verschiedenen Märkten tätig?
(vgl. Kleinaltenkamp/Kuß 2009:20).
5.2.1.1 Geschäftsfeldstrategien
Unter Marketinggesichtspunkten gesehen, sollte sich die Kindertagesstätte Gedanken
machen, was die Zielrichtung ihres Marketing werden soll, um am Markt weiterhin
bestehen zu können. Mit Hilfe der Ansoff-Matrix kann beispielsweise eine Marktfeldstrategie für die Kindertagesstätte festgelegt werden, die dann die generelle
strategische Stoßrichtung bestimmt (Bruhn 2005, S.199). In die Strategieentwicklung
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
47
fließen dabei die Inhalte und Ergebnisse aus der normativen Marketingplanung mit
hinein. Es gibt dabei vier mögliche Zielrichtungen:
Abb. 5.1: Ansoff-Matrix
(vgl. Bruhn 2005, S.200)
Für Kindertagesstätten in den neuen Bundesländern lässt sich relativ deutlich
sagen, dass die horizontale Produkt- und Leistungsentwicklung als Marktfeldstrategie
in Frage kommt. In Sachsen, wie auch in den anderen östlichen Bundesländern ist der
relevante Markt weitgehend gesättigt, d.h. genügend Kindergartenplätze vorhanden.
Das Ziel ist es daher, neue Marktsegmente zu gewinnen, „[...] angestrebt durch
spezifisch auf die Bedürfnisse von bestimmten Leistungsempfängern abgestimmte
Leistungsvarianten [...]“ (Bruhn 2005:202).
Diese Marktstrategie der Produkt-/Leistungsentwicklung ist, wie gesagt für
Kindertagesstätten aufgrund der zukünftigen Entwicklungen von größter Bedeutung.
Leistungen werden hier angeboten, die sich an der derzeitigen Marktlage und den
Bedürfnissen der Kunden orientieren.
Dabei kann der Aspekt des Produktausbaus auf drei unterschiedliche Art und
Weisen geschehen:
1. vertikale Produktentwicklung: Hierbei wird ein Anschlussprodukt entwickelt und
somit der Service verbessert. Dabei können Angebote vor- oder nachgelagert
sein: Indem „[...] neben der Betreuungsmöglichkeit für drei- bis sechsjährige
Kinder vorgelagert jetzt auch Betreuungsmöglichkeiten für Kleinstkinder [...]“
angeboten werden. Nachgelagerte Betreuung wäre dann die Aufnahme von
Hortkindern usw. (Möller, Schlenther-Möller 2007:216; S.H.).
2. laterale Produktentwicklung: Hier werden völlig neue Produkte entwickelt. Wie
bei der Diversifikation auch, beschränkt sich die Kindertagesstätte hier nicht
mehr nur darauf, für drei- bis sechsjährige ein Betreuungs-, Erziehungs- und
Bildungsangebot anzubieten, sondern nimmt noch andere Ziele und Aspekte in
das Konzept auf. Zu nennen wäre hier die Implementierung von außergewöhn-
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
48
lichen Angeboten, wie Sprachförderung, Heilpädagogik, Elternberatung usw.
(vgl. ebd.:216).
Die Implementierung von Zusatzleistungen „[...] kann natürlich nur dann eine
gelungene Strategie werden, wenn [die Kindertagesstätte zum einen ihre Kernleistungen bereits bis zum Standard entwickelt hat und zum anderen] das
Know-how [für zusätzliche Angebote] vorhanden ist und die Leistung in das
Profil der Einrichtung passt“ (Klug 2001:48; S.H.).
3. horizontale Produktentwicklung: Hier wird entschieden, welche bestehenden
Produkte bzw. Leistungen weiterentwickelt werden sollen, um mehr Attraktivität sowohl für die aktuelle Kundengruppe als auch für neue Kunden zu
erreichen. Beispiele sind das Angebot einer spezifischen (pädagogischen) Ausrichtung (Waldorf, Montessori, ökologische Orientierung usw.) oder aber die
Flexibilisierung von Betreuungszeiten, wie hier im Rahmen dieser Arbeit (vgl.
ebd.:216).
5.2.1.2 Marktteilnehmerstrategien
Im Rahmen der Marktteilnehmerstrategien wird die Frage gestellt, wie der Markt
bearbeitet werden soll und wie man sich gegenüber Kunden, Konkurrenten und
anderen Anspruchsgruppen verhält (vgl. Bruhn 2010:75).
Die Kindertageseinrichtung kann im Rahmen der Markbearbeitungsstrategien
zwischen drei Strategievarianten wählen:
1. „Undifferenzierte Marktbearbeitung (Standardisierung),
2. Differenzierte Marktbearbeitung (Differenzierung),
3. ‚Segment-of-One‘-Bearbeitung (Individualisierung)“ (Bruhn 2005:215).
In einer Kindertagesstätte wäre eine differenzierte Marktbearbeitung angebracht.
Selbst wenn die Kunden bzw. potentiellen Kunden allgemein den Wunsch nach
längeren und flexibleren Öffnungszeiten hegen, unterscheiden sie sich die Bedürfnisse
je nach Familien- und Berufssituation voneinander. Die differenzierte Bearbeitung
verlangt einen zielgruppenspezifischen Einsatz von Marketinginstrumenten. Die
Kindertageseinrichtung versucht sich folglich auf die verschiedenen Bedürfnisse der
Kunden einzustellen (vgl. Bruhn 2005:215f).
Anspruchsgruppengerichtete Verhaltensstrategien
„Außer den grundsätzlichen Entscheidungen hinsichtlich der Bearbeitung des Marktes
ist ferner festzulegen, welches anspruchsgruppenbezogene Strategiekonzept
die Nonprofit-Organisation verfolgen will“ (ebd.:217). Dabei sollten alle möglichen
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
49
internen als auch externen Anspruchsgruppen in die Betrachtung mit einbezogen werden. Während die Beziehung zu den pädagogischen Fachkräften in der Einrichtung
von der gelebten Kommunikationskultur abhängig ist, werden die einrichtungsexternen Beziehungen gegenüber den verschiedenen externen Anspruchsgruppen
durch die Verhaltensstrategien, für die sich die Einrichtung entschieden hat, bestimmt. Nonprofit-Organisationen haben nicht nur viele Anspruchsgruppen mit oft
verschiedenen Bedürfnissen, sondern befinden sich teilweise in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einigen Anspruchsgruppen. Ein systematisches Beziehungsmanagement
zu den betreffenden Anspruchsgruppen aufzubauen ist dabei von hoher Relevanz.
Dieses Beziehungsmanagement wird in den letzten Jahren von Experten mit dem
Begriff des „Relationship-Marketing“ in Verbindung gebracht (vgl. ebd.:217f). „[...]
[I]nnerhalb des Relationship-Marketing [sind] grundsätzlich drei alternative Anspruchsgruppenstrategien zu unterscheiden“ (ebd.:218). Zum einen wäre das die
Anspruchsgruppenakquisitionsstrategie (1), zum anderen die Anspruchsgruppenbindungsstrategie (2) und die Anspruchsgruppenrückgewinnungsstrategie (3).
Die Kindertagesstätte hat das Ziel der Akquisition neuer und der Pflege vorhandener Kunden. Grundvoraussetzung für die Bindung der Kunden (2) an die Einrichtung
ist die hohe pädagogische Qualität im Umgang mit den Kindern. Regelmäßig sollten
Elternbefragungen durchgeführt werden und die Möglichkeit bestehen, Rückmeldung
geben zu können, auch in Form von negativer Kritik (Beschwerdemanagement).
Ebenso sollten Eltern ausreichend in die Arbeit in der Tageseinrichtung einbezogen
werden (Elternbeirat, Elternabend, Elternbriefe, Elterngespräche). Diese beispielhaft
genannten Methoden müssen gut durchgeführt und strukturell verankert werden
(vgl. Klug 2001:49f). Es ist aufgrund der demografischen Entwicklung zu erwarten,
dass die sinkenden Kinderzahlen in Ostdeutschland es in naher Zukunft notwendig
machen, sich ebenso Gedanken über den Aspekt der Akquisition (1) zu machen. „Um
zukünftige Kunden zu erreichen, muss die Einrichtung [auch] ein Marketingkonzept
entwickeln, indem sie Planung, Organisation und Durchführung von Strategien und
Aktivitäten festlegt, deren Ziel es ist, neue Kunden zu gewinnen“ (ebd.:51).
Eine ebenso wichtige Gruppe stellen die eigenen Mitarbeiter dar. Diese interne
Anspruchsgruppe steht im engen Kontakt zu den Kunden, so dass diese Gruppe
einen hohen Einfluss auf die Zufriedenheit und folglich auch auf die Bindung der
Kunden hat.
Wettbewerbsgerichtete Verhaltensstrategie
„Bei der Entwicklung von wettbewerbsgerichteten Verhaltensstrategien wird die Art
und Weise festgelegt, in der eine Nonprofit-Organisation ihren (Haupt-) Wettbewerbern gegenübertritt“ (Bruhn 2005:222).
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
50
Statt den Aspekt der Konkurrenz komplett zu negieren, gilt es, das Verhältnis zur
Konkurrenz zu gestalten. Dabei gibt es für die Kindertageseinrichtung unterschiedliche
Möglichkeiten bezüglich der Vorgehensweise (vgl. Klug 2001:55):
• Kooperationsbeziehungen sind für Kindertageseinrichtungen relevant, denen
nicht genügend Ressourcen (Personal, finanzielle Mittel usw.) zur Verfügung
stehen, um allein zusätzliche Leistungen anbieten zu können.
Bei dieser punktuellen Zusammenarbeit wird die Absicht verfolgt, gemeinsame
Ziele zu verwirklichen (Den Eltern eine kompetente Hilfe bei der Vereinbarkeit
von Beruf und Familie zu sein).
Eine Möglichkeit wäre die Kooperation mit Tagespflegepersonen, um die Betreuung zu Randzeiten (wenn es sehr wenig Kinder sind) gewährleisten zu können.
Eine andere Variante wären Belegplätze, die von kooperierenden Unternehmen
gebucht werden.
Bei einer Zusammenarbeit sollte immer geschaut werden, welche Leistungen sowie Stärken die jeweiligen Partner einbringen können und in welchen Bereichen
sie sich gegenseitig unterstützen können (vgl. Takkt 2006:3).
• Die Einrichtung kann auch einen anderen Weg gehen und eine Konfliktbeziehung
zur Konkurrenz einschlagen. Ziel der Kindertagesstätte ist es, sich von den
anderen Einrichtungen abzuheben und somit Kunden zu gewinnen. Dabei
heben sie ihre eigene Qualität deutlich hervor (‚Wir sind die Besten‘).
• Im Falle einer Ausweichstrategie, verfolgt die Einrichtung das Ziel mit innovativen Leistungen, neuartigen Marketinganstrengungen oder abgeschirmten
Marktsegmenten dem erhöhten Konkurrenzdruck zu entgehen. Die Kindertageseinrichtung könnte sich beispielsweise auf berufstätige Alleinerziehende
konzentrieren (vgl. Bruhn 2005:225).
• Die Anpassungsstrategie hat zum Ziel, das eigene Verhalten an das der Mitbewerber anzupassen. Diese defensive Ausrichtung ist in Hinblick auf die zukünftigen
Entwicklungen einer Kindertageseinrichtung nicht vorteilhaft (vgl. ebd.:225).
5.2.1.3 Marketinginstrumentestrategien
Nachdem Entscheidungen über die Strategien getroffen worden sind, können nun diese
in Bezug auf den Marketinginstrumentemix29 formuliert werden (vgl. Bruhn 2005:97).
Der Kindertageseinrichtung stehen dabei wahlweise verschiedene Instrumente zur
Verfügung, mit deren Hilfe letztendlich im Rahmen der operativen Marketingplanung
29 Dazu mehr im Abschnitt 5.2.2: „Operative Marketingplanung“
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
51
die Ziele der Einrichtung umgesetzt werden können (ebd.:226). Folgende wären
zunächst für die Betrachtung wichtig:
1. Die Leistungsstrategie ist von hoher Relevanz. Denn wenn die angebotene
Leistung den Bedürfnissen der Kunden entspricht, können darauf die anderen
Instrumente aufgebaut werden und Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Es ist
jedoch wichtig, dass das Konzept/ die Leistung kontinuierlich auf Entwicklungen
und Rahmenbedingungen hin überprüft und gegebenenfalls angepasst wird
(vgl. Sen 2006:80).
2. Bei einer Preis- und Gebührenstrategie könnte festgelegt werden, zu welchen Konditionen die Kindertageseinrichtung die Leistungen außerhalb der Normalöffnungszeiten, d.h. auch gleichzeitig außerhalb des Finanzierungsrahmen
des Landes Sachsen und dessen Kommunen, anbietet (vgl. Bruhn 2005:226).
3. Im Rahmen der Kommunikationsstrategie soll herausgefunden werden, welche Maßnahmen genutzt werden können, um die potentiellen Anspruchsgruppen
zu informieren und zu beeinflussen. „Die jeweilige Kommunikationsstrategie
ergibt sich direkt aus den im Rahmen der Geschäftsfeld- und Marktteilnehmerstrategien formulierten Schwerpunkte“ (ebd.:227). Zwei zentrale Ziele werden
im Rahmen der Kommunikationspolitik der Kindertageseinrichtung verfolgt:
• Mit Hilfe der Kommunikationspolitik soll über die Zusatzleistung (flexible Öffnungszeiten) der Einrichtung informiert werden und letztendlich
bekannt gemacht werden
• Eine intensive Beziehung zu den einzelnen Anspruchsgruppen ist für
die Kindertagesstätte von großer Bedeutung. Sie hat mit den Anspruchsgruppen einen langfristigen Dialog im Sinne eines Beziehungsmanagements
aufzubauen (vgl. Bruhn 2005:395).
Um die zuvor genannten zentralen Aufgabenbereiche erfüllen zu können, bedarf
es einer strategischen Ausrichtung der Kommunikationspolitik. „Im Rahmen
der Festlegung einer Kommunikationsstrategie erfolgt eine Schwerpunktsetzung für die zu ergreifenden Kommunikationsmaßnahmen [...]“ (ebd.:395).
Dabei ist zu sagen, dass eine Kommunikationsstrategie immer anhand vier
Dimensionen spezifiziert wird. Jede Dimension muss im Rahmen der operativen Marketingplanung durch geeignete Teilmaßnahmen umgesetzt werden.
Die Dimensionen sollten dabei nach der Priorität geordnet werden. Für die
Kindertagesstätte ergibt sich folgende Reihenfolge:
(a) bei gewissen Zielpersonen (z.B. Eltern, potentielle Unternehmen)
(b) für gewisse Objekte (Kindertagesstätte im Ganzen)
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
52
(c) in gewisser Art (z.B. informative Gestaltung der Werbung)
(d) für gewisse Zeitabschnitte (z.B. gegen Ende des Schuljahres, zweites und
drittes Quartal)
Nach der Festlegung der grundsätzlichen Gestaltungsart (b und c) sollte in
der Einrichtung über den beabsichtigten Zweck sowie das Ziel der Strategie
entschieden werden. Dabei gibt es verschiedene mögliche Strategietypen, von
denen die Bekanntmachungsstrategie (allgemein neue Leistung bekannt machen)
und die Zielgruppenerschließungsstrategie (potentielle Unternehmen und die
im Rahmen der Marktsegmentierung identifizierten Anspruchsgruppen) im
Vordergrund stehen.
4. Personalpolitische Strategie: In einer Nonprofit-Einrichtung, wie der Kindertagesstätte, ist es sehr wichtig, die Interessen und Bedürfnisse der pädagogischen Fachkräfte wahrzunehmen, zu berücksichtigen sowie diese schlussendlich
auch in Einklang mit den Bedürfnissen und Verhaltensweisen der Anspruchsgruppen zu bringen. Ebenso muss sich Gedanken über personalpolitische Maßnahmen gemacht werden, um beispielsweise die Motivation und Zufriedenheit
der eigenen Fachkräfte zu steigern.
5. Die Finanzierungsstrategie konzentriert sich darauf, wie Geldeinnahmequellen für die geplante Strategie gefunden und diese auch langfristig genutzt
werden können (ebd.:227f).
6. Partnerschaften- und Kooperationenstrategie: Im Zusammenhang mit
der Finanzierungsstrategie sollte sich die Einrichtung Gedanken machen, mit
welchen Einrichtungen, Personen oder Unternehmen sie eine Partnerschaft oder
Kooperation eingehen möchte, damit das flexible Betreuungsangebot in die Tat
umgesetzt werden kann.
5.2.2 Operative Marketingplanung
Die Planungen der operativen Maßnahmen basieren, wie bereits erwähnt und auf der
Abbildung 3.1 sichtbar, auf den Marketinginstrumentestrategien sowie auf den anderen zuvor getroffenen langfristigen strategischen Entscheidungen (Marktsegmente,
Marktforschung usw.). Sie sind der Handlungsrahmen (vgl. Bruhn 2005:292). „Ausgehend von operationalen Subzielen ist der Marketing-Mix [Marketinginstrumente]
zu konzipieren“ (Meffert 2008:22; S.H.). Mit Hilfe des Einsatzes der Marketinginstrumente kann die operative Marketingplanung einrichtungs- und situationsindividuell
umgesetzt werden. Die geplanten Ziele werden durch eine für die Einrichtung entsprechend geeignete Kombination dieser Instrumente erreicht. Der Marketing-Mix
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
53
besteht nach der klassischen Marketinglehre, also nach dem Ansatz der „4 P’s“, aus
vier Instrumenten (vgl. ebd.:22):
Product: Produkt- und Leistungspolitik
„... umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens, die auf die Gestaltung einzelner
Produkte oder des gesamten Absatzprogramms gerichtet sind.
Price: Preis- und Konditionenpolitik
... umfasst alle absatzpolitischen Maßnahmen zur ziel- und marktgerechten
Gestaltung des vom Käufer wahrgenommenen Verhältnisses zwischen dem Preis
und der Nutzenstiftung einer Sach- oder Dienstleistung.
Promotion: Kommunikationspolitik
Hierzu zählen sämtliche Maßnahmen, die darauf abzielen, auf Kenntnisse,
Einstellungen und Verhaltensweisen von Markteilnehmern gegenüber den Unternehmensleistungen einzuwirken.
Place: Distributionspolitik
... bezieht sich auf alle Entscheidungen und Handlungen, die mit dem Weg
eines Produktes vom Hersteller bis zum Endkäufer in Verbindung stehen“
(Kammrath/ Jaschinsky 2008:4).
Dieser Marketing-Mix spiegelt jedoch ausschließlich die absatzmarktorientierte Perspektive wider. Spezifische Maßnahmen zur Ressourcenbeschaffung finden hier keine
Berücksichtigung. „Ausgehend von dem Spannungsfeld von Mission und Wirtschaftlichkeit kommt es aber zu der Überlegung, dass eine Nonprofit-Organisation zunächst
Maßnahmen im Rahmen der Ressourcenpolitik (Personalpolitik, Finanzierungspolitik, Partnerschaften und Kooperationen) zu ergreifen hat, die zur Erfüllung der
Leistungsbereitstellung dienen“ (Bruhn 2005:293).
Das Marketinginstrument Kommunikationspolitik, dass oben im klassischen
Marketing-Mix mit genannt wurde, wird im Nonprofit-Bereich als drittes elementares
und wichtiges Gestaltungselement neben der Ressourcenpolitik und der Absatzpolitik gesehen, da Nonprofit-Organisationen nicht einfach eine standardisierte Ware
verkaufen, sondern in ihrer Arbeit mit Individuen zu tun haben und das Produkt
ein nur geringes Standardisierungspotenzial aufweist. Die Maßnahmen im Rahmen
der Kommunikationspolitik laufen dabei immer parallel zu den Maßnahmen im
Bereich der Ressourcenpolitik und der Absatzpolitik ab. Abbildung 5.2 zeigt einen
modifizierten Marketing-Mix, der den Besonderheiten im Nonprofit-Bereich Rechnung
trägt. Denn dieser Ansatz läuft nicht nur prozessartig ab, sondern enthält weitere
wichtige Marketinginstrumente (vgl. Bruhn 2005:292f).
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
54
Abb. 5.2: Prozess des operativen Marketings im Nonprofit-Bereich
(in Anlehnung an Bruhn 2005:293)
Die Kindertageseinrichtung muss bei der Entscheidung der operativen Strategien
immer auch die Frage nach den vorhandenen und möglichen Ressourcen stellen.
Darauf soll zunächst kurz eingegangen werden.
5.2.2.1 Ressourcenpolitik
Personalpolitik
Das Leistungspotenzial der Kindertageseinrichtung ist vor allem abhängig von den
Fähigkeiten und dem Auftreten seiner pädagogischen Fachkräfte, denn sie stehen
immer in engen Kontakt zu den Kindern und den Eltern (Bruhn/Meffert 2009:358).
Sie haben eine hohen Einfluss auf die Zufriedenheit der Eltern und deren Kinder.
Die Personalpolitik sollte „[a]ufgrund des hohen Interaktionsgrades im sogenannten ‚magischen Dreieck‘ Dienstleister – Mitarbeitende – Kunde [...]“ nicht, wie
bisher, als ein gesonderter bzw. unabhängiger Teil der Unternehmensführung gesehen
werden (Bruhn/Meffert 2009:361; S.H.). Da die enge Beziehung zwischen Einrichtung
und pädagogischer Fachkraft eine integrierte Kundenorientierung voraussetzt, „[...]
lässt sich das Verständnis des Internen Marketing auch als personalorientiertes
internes Marketingkonzept charakterisieren, dessen Kern die innerbetriebliche
Implementierung einer im Hinblick auf externe Märkte konzipierte Marketingstrategie
ist“ (ebd.:363; S.H.). Das personalorientierte Marketing hat zum Ziel, motivierte sowie kundenorientierte Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Sie haben die Aufgabe
Kunden zufrieden zustellen sowie externe Marketingziele effizient umzusetzen. Aus
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
55
diesem Oberziel ergeben sich folgende „[...] Unterziele eines personalorientierten
Internen Marketing im Sinne einer internen Steuerung zu absatzmarktorientierten
Zwecken“ (Bruhn/Meffert 2009:363; S.H.):
• Mitarbeiterauswahl bzw. -einsatz sowohl nach fachspezifischen als auch nach
interaktionsspezifischen Fähigkeiten
• Mitarbeiter über absatzmarktrelevante Aspekte informieren und bei der Erstellung dieser einbinden (z.B. Mission der Einrichtung, Marketingstrategie)
• „Erzeugung von Akzeptanz bei den Mitarbeitenden hinsichtlich einer [...]
kundenorientierten Verhaltensausrichtung“ (ebd.:363; S.H.).
Finanzpolitik
Eine weitere Aufgabe im Rahmen der Ressourcenpolitik stellt die Finanzpolitik
dar. Da eine Kindertagesstätte nicht gewinnorientiert arbeitet, verfügt sie demnach
über geringe bzw. eingeschränkte Budgets (vgl. Bruhn 2010:36). Daher kommen
vorrangig Instrumente zum Einsatz, die sich auf die Finanzierungsplanung sowie die
Beschaffung von Finanzmitteln konzentrieren. Zu nennen sind hier beispielsweise
Gebühren, Beiträge, Spenden, nicht-monitäre Leistungen und staatliche Beiträge
(vgl. Bruhn 2005:310). Die Beiträge der Eltern sind in Sachsen gesetzlich von den
Kommunen festgelegt. Das geplante Angebot bezüglich der Öffnungszeiten geht über
den vom Land Sachsen und den Kommunen gesetzlich festgelegten Rahmen hinaus,
so dass die Tagesstätte andere mögliche Geldeinnahmequellen finden muss.
Eine Variante wären die Eltern. Sie müssten die zusätzliche Betreuung aus eigener
Tasche bezahlen. Das würde jedoch letztendlich dazu führen, dass sich nur gut
verdienende Familien das flexible Betreuungsangebot leisten und nutzen können.
Alleinerziehende oder Familien mit geringem Einkommen, die ebenso dringend solch
eine Unterstützung bräuchten, blieben außen vor.
Eine andere Möglichkeit der Finanzmittelgewinnung könnten Fördermittel darstellen. Hier sollte geschaut werden, „[...] inwieweit Fördermittel für die Umsetzung der
Marketingstrategie genutzt werden können“ (Schwaten 2008:24; S.H.).
Die CDU/FDP-Koalition in Sachsen beispielsweise hat für das Jahr 2011 sowie
für 2012 insgesamt 1,9 Millionen Euro für Projekte zur Schaffung und Erprobung
von flexiblen Betreuungszeiten in den Kindertageseinrichtungen bereitgestellt (vgl.
FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag 2011).
Partnerschaften und Kooperationen
Im Zusammenhang mit der Suche nach „finanzieller Unterstützung“ könnte sich die
Einrichtung nach Kooperationspartnern umsehen.
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
56
Es könnten beispielsweise Bündnispartner in der Umgebung gesucht werden, die
Interesse am Vorhaben zeigen bzw. haben und sie finanziell mit unterstützen. Zum
Beispiel könnte dieses flexible Betreuungskonzept der Kindertageseinrichtung bei
Firmen als eine Art „Ersatz für einen Betriebskindergarten“ angeboten werden
(Belegplätze oder Platzsharing) (vgl. Takkt 2006:16). Die Kindertagesstätte sichert
dem jeweiligen Unternehmen Plätze für die Kinder der Beschäftigen zu und erhält
im Gegenzug eine finanzielle Förderung vom Unternehmen. Um eine Kooperation
mit einem oder mehreren kommerziellen Unternehmen zu schließen, bedarf es einer
gewissen Vorarbeit. In einer externen SOLL-Analyse sollten Informationen (Bedarf,
Arbeitszeiten) gesammelt und Interessen der Mitarbeiter in den potentiellen Unternehmen erforscht werden, damit das Konzept nicht nur familienfreundlich, sondern
auch von den Öffnungszeiten her an der Realität des Unternehmens ausgerichtet ist.
Für die Unternehmen selbst bedeutet eine familienbewusste Personalpolitik, dass
die Einsparungen größer sind als die Investition. Denn sie sparen sich beispielsweise
Kosten für die Überbrückung der Mitarbeiter in Elternzeit durch neues Personal
(Personalsuche, Einarbeitung usw.) oder „verlieren“ wichtige Mitarbeiterinnen, die
aufgrund des Kindes nicht mehr ins Berufsleben zurückkehren. Des Weiteren erscheint
gerade ein familienbewusstes Unternehmen für qualifizierte Fachkräfte mit Kindern
sehr attraktiv.
Zum Schluss hat die Einrichtung die Aufgabe, mit ausgewählten Kommunikationsmaßnahmen das Interesse der Unternehmen an der angebotenen Leistung zu wecken.
Diese Maßnahmen sollen unter anderem im Abschnitt „Kommunikationspolitik“
näher benannt werden.
5.2.2.2 Absatzpolitik
Leistungspolitik
Im Rahmen der Leistungspolitik soll das Leistungsangebot optimal gestaltet und
in regelmäßigen Abständen (Elternbefragungen, Umfragen in der Umgebung) auf
aktuelle Bedürfnisse und Entwicklungen hin überprüft und gegebenenfalls angepasst
werden. Die Leistungpolitik stellt, wie Sen sagt, das „Herz des Marketing“ dar. Es
kann beispielsweise über die anderen Instrumente des Marketing-Mix nur ein Wettbewerbsvorteil erlangt werden, wenn die Qualität der Leistung bzw. des Angebotes
der Tageseinrichtung auch den Bedürfnissen der Kunden (Eltern und Kinder sowie
Mitarbeiter) gerecht wird (vgl. Sen 2006:80).
Die Eltern haben den Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen und flexiblen
außerfamilialen Kinderbetreuung. Das bedeutet, dass die Leistung verändert und
damit verbessert werden muss (Leistungsvariation) (vgl. Bruhn 2005:336). Es wird
eine Leistung über dem Standard hinaus angeboten. „Kernleistungen sind [...] Basis-
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
57
produkte, die dem Standard auf dem Markt entsprechen, z.B. Sicherheit der Kinder,
pädagogisch anerkannter Ansatz, [...] anregende Räume, kommunikative Kompetenz
der Erzieherinnen etc.“ (Klug 2001:47). Kindertageseinrichtungen, die sich aber von
der Konkurrenz abheben wollen, müssen Zusatzleistungen anbieten.
Die Informationen der internen IST-Analyse werden den Informationen der SOLLAnalyse (Befragungen in Unternehmen, Elternbefragungen gegenüberstellt. Aus
diesen Erkenntnissen kann dann ein am Kunden orientiertes Angebot erstellt werden, das kontinuierlich auf den Aspekt der Aktualität hin überprüft werden muss
(Beschwerdemanagement, Elternumfragen, externe Befragungen).
5.2.2.3 Kommunikationspolitik
Die Kommunikationspolitik ist für Einrichtungen und Organisationen im NonprofitBereich von hoher Relevanz. Damit können sie Anspruchsgruppen akquieren, aber
auch weiterhin an die Einrichtung binden. Sie können ebenso ihre Einrichtung in der
Öffentlichkeit darstellen und das Interesse potentieller Geldgeber wecken.
„Als Kommunikationspolitik wird [daher] die Gesamtheit der Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen einer Organisation bezeichnet, die
eingesetzt werden, um die Nonprofit-Organisation und ihre Leistungen
den relevanten Anspruchsgruppen darzustellen und/oder mit diesen in
Interaktion zu treten“ (Bruhn 2005:383f; S.H.).
Wie in der Abbildung 5.3 sichtbar, umfasst die Kommunikationspolitik allgemein
sowohl Maßnahmen der externen als auch Maßnahmen der internen Kommunikation.
Die interne Mitarbeiterkommunikation sowie die Kommunikation zwischen den
Anspruchsgruppen und den Mitarbeitern (Interaktive Kommunikation) sind dabei
von größter Bedeutung (vgl. ebd.:383f).
Abb. 5.3: Maßnahmen der Kommunikationspolitik
(in Anlehnung an Bruhn 2005:384)
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
58
Wie bei allen anderen Marketinginstrumenten auch, läuft bezüglich des Einsatzes
der Kommunikationspolitik ein Prozess ab. Nach einer Analyse des IST-Zustandes
und des SOLL-Zustandes der Kommunikationssituation folgt die Festlegung der
zentralen Ziele. „Um eine differenzierte Kommunikationsarbeit zu realisieren, sind
die relevanten Zielgruppen zu identifizieren, zu beschreiben und ihre Erreichbarkeit
[...] zu ermitteln“ (Bruhn 2010:202; S.H.).
Für die Einrichtung, wie mehrfach erwähnt, sind die Eltern und deren Kinder
sowie potentielle Unternehmen vor Ort oder in der Region zum Beispiel wichtige Zielgruppen, für die geeignete Kommunikationsmaßnahmen ausgewählt und umgesetzt
werden müssen.
Eine Maßnahme der Kommunikationspolitik stellt die Institutionelle Kommunikation dar. Mit Hilfe der Instrumente der Institutionellen Kommunikation kann
die Bekanntheit der Einrichtung gesteigert und die Umsetzung der anvisierten Positionierung erzielt werden. Ebenso soll in diesem Zusammenhang Vertrauen aufgebaut
und die Kompetenzen und die Leistungsfähigkeit der Einrichtung aufgezeigt werden.
Die Öffentlichkeitsarbeit zum Beispiel ist ein unentbehrliches Instrument im Rahmen
der Institutionellen Kommunikation. Sie „[...] beinhaltet die Planung, Organisation,
Durchführung sowie Kontrolle aller Aktivitäten einer Nonprofit-Organisation, um bei
ausgewählten Anspruchsgruppen (extern und intern) um Verständnis sowie Vertrauen
für die Organisation zu werben und damit Ziele der Institutionellen Kommunikation
zu erreichen“ (Bruhn 2005:403; S.H.). Die Öffentlichkeitsarbeit einer Einrichtung
bezieht sich weniger auf ein bestimmtes Angebot bzw. auf eine konkrete Leistung,
denn mehr auf die Darstellung der gesamten Einrichtung in der Öffentlichkeit (vgl.
Sen 2006:93).
Die Tageseinrichtung sollte regelmäßig
• Veranstaltungen (Frühlings- und Sommerfest, Laternenfest, Weihnachtsmarkt
usw.),
• Infoabende (über wichtige pädagogische Themen)
• sowie „Tage der offenen Tür“ durchführen.
Die Termine und Inhalte der Veranstaltungen, interessanten Infoabende sowie Schnuppertage werden über Flyer und in der Lokal- sowie Regionalpresse bekannt gegeben.
Vor allem die Veranstaltungen bzw. „Feste“ haben nicht nur einen Erlebniswert für
alle Beteiligten, sondern gleichzeitig das Ziel, potentielle Kunden in einer ungezwungenen Atmosphäre für die Einrichtung zu gewinnen. Diese Aktionen sollten nicht nur in
der Regionalzeitung bekanntgegeben, sondern auch nachher darüber berichtet werden.
Ebenso kann die Einrichtung eine eigene Homepage erstellen (lassen), auf der das
Konzept des Hauses vorgestellt wird sowie über die Leistungen der Tagesstätte, aber
5.2 Konzeptionelle Implementierungsebene
59
auch über die durchgeführten sowie geplanten „Feste“ (evtl. mit Fotos) informiert
wird.
Zur Erreichung kundenorientierter Zielsetzungen ist aber vor allem die Mitarbeiterkommunikation (internes Kommunikationsinstrument) sehr wichtig (vgl. Bruhn/Meffert 2009:288). Wie bei der externen Kommunikation auch, sollten bei der internen
Kommunikation bezüglich der Qualität ähnliche Ansprüche und Maßstäbe gesetzt
werden (vgl.Bruhn/Meffert 2009:374). „Die Mitarbeiterkommunikation umfasst [folglich] sämtliche Informations- und Kommunikationsabläufe in [...] [einer Einrichtung],
die der Steuerung von Meinungen, Einstellungen und Verhalten der Mitarbeitenden
und Führungskräfte dienen“ (Bruhn/Meffert 2009:375; S.H.). Die pädagogischen
Fachkräfte sollten genauestens über das geplante Vorhaben informiert und in den
Strategieerstellungsprozess eingebunden werden, damit sie sich integriert und motiviert fühlen sowie Akzeptanz und Verständnis für das Konzept geschaffen werden
kann. Diese positive Stimmung und Einstellung kann sich wiederum vorteilhaft auf
die externen Kunden auswirken („Zufriedene Mitarbeiter, zufriedene Kunden“).
Um direkt auf das flexible Betreuungskonzept der Tageseinrichtung aufmerksam
zu machen und letztendlich darüber zu informieren, bedarf es im Rahmen der
Marketingkommunikation, die immer noch viel zu wenig im Nonprofit-Sektor genutzt wird, einer leistungsspezifischen Öffentlichkeitsarbeit. Diese richtet sich ebenso
sowohl an die externen Kunden (erste Zielgruppe) als auch an die Mitarbeitenden
(zweite Zielgruppe). Im zweiten Quartal des Jahres ist es beispielsweise wichtig,
verstärkt Werbemaßnahmen (Tag der offenen Tür, Angebot von Schnuppertage
für interessierte Kinder, Informationsveranstaltung, die zum Ziel haben, über das
Angebot der Einrichtung zu informieren) durchzuführen, da in diesem Zeitraum
Anmeldungen für die Kindergartenplätze starten. Die Tagesstätte sollte auch hier
wieder ihre Angebote auf Flyer und Briefe festhalten und in die Unternehmen geben
oder im Ortsamt auslegen.
Klug empfiehlt beispielsweise einen Stammtisch für Berufstätige (ein oder zweimal
im Monat stattfindend) einzurichten, wo die Möglichkeit besteht, über Probleme
und Wünsche zu diskutieren. Die Mitarbeiter der Unternehmen sowie Eltern in der
Umgebung könnten dazu eingeladen werden (vgl. Klug 2001:64).
Entscheidend ist, dass die Maßnahmen immer auf die potentiellen Kunden bzw.
die gewünschten Ziele ausgerichtet sind. Der Einsatz ist dabei immer „[...] abhängig
von den konkreten finanziellen Möglichkeiten, den persönlichen Fähigkeiten und
sonstigen Ressourcen“ (Klug 2001:53f; S.H.).
Zu beachten ist auch, dass die kundengerichteten Leistungsversprechen immer
auch als mitarbeiterbezogene Leistungsverpflichtung gelten. Die Mitarbeiter sollten
die Leistungsversprechen einerseits vertreten können und andererseits sollten sie auch
leistbar für sie sein.
5.3 Implementierung
60
Die Instrumente der Dialogkommunikation gewinnen in der heutigen Zeit bei
den Anspruchsgruppen eines Unternehmens oder einer Organisation immer mehr an
Bedeutung. Ziel der Dialogkommunikation ist es, den Kunden nicht nur als passiven
Nutzer anzusehen, sondern ihn aktiv mit in den Prozess einzubeziehen. Damit
sollen die Kunden stärker an das Unternehmen oder an die Einrichtung gebunden
werden (vgl. Bruhn 2005:512). Bisher wurde vor allem von der Kundenakquisition
geredet. Die Kundenbindung ist letztendlich ebenso wichtig. Mehrmals im halben
Jahr stattfindende Stammtische zum Unterhalten, Diskutieren u.ä. für die Eltern der
Kinder in der Einrichtung mit dem pädagogischen Fachkräften zusammen, sollen die
Bindung an die Tagesstätte erhöhen sowie Transparenz und Vertrauen schaffen.
5.3 Implementierung
Bezüglich der Implementierungsziele ist zu sagen, dass diese unter Beachtung der
Faktoren Zeit und Kosten festgelegt werden sollten: „Implementierungsfragen sind
[...] unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zu betrachten. Vor diesem Hintergrund ist im
Einzelfall zu klären, ob eine Anpassung der bestehenden Unternehmenspotenziale [...]
realisierbar ist“ (Bruhn 2010:83; S.H.).
Bevor die Marketingstrategie erfolgreich umgesetzt werden kann, muss zunächst
überprüft werden, ob für die Strategieimplementierung Unternehmenspotenziale
vorhanden sind (Strategie-Potenzial-Fit-Analyse). Es muss letztendlich für eine
erfolgreiche Implementierung der Strategie eine Kongruenz („Fit“) zwischen den
Strukturen, dem Managementsystem und der Kultur des Nonprofit-Unternehmens
bzw. der Einrichtung bestehen (vgl. Bruhn/Meffert 2009:389). In aller Regel sind
auf allen drei Betrachtungsebenen (Struktur, System und Kultur) Anpassungen
notwendig.
5.3.1 Implementierungsbarrieren
Im Rahmen der Implementierung des Marketingkonzeptes können zahlreiche Barrieren auftreten, die sich primär auf die Bereiche der Kultur, der Struktur und der
Systeme beziehen (vgl. Bruhn 2005:431). Ebenso können, so Sander, externe (z.B.
staatliche Rahmenbedingungen, Trägerstrukturen der Einrichtung) oder individuelle Faktoren (z.B. Verhalten der einzelnen Mitarbeiter auf Veränderungsprozesse)
Implementierungsbarrieren darstellen (vgl. Sander 2004:774).
Das Konzept des Marketing stößt bei vielen Trägern immer noch viel zu oft auf
Ablehnung. Die Diskussion darüber, ob es notwendig sei, ein professionelles Marketing
in Einrichtungen und Organisationen des Nonprofit-Bereichs einzuführen, werden
nicht erst seit kurzen geführt. „Diese Diskussion verdeutlicht die Legitimationspro-
5.3 Implementierung
61
blematik eines Nonprofit-Marketing, d.h. es besteht für Nonprofit-Organisationen
die Notwendigkeit, gegenüber internen und externen Anspruchsgruppen zu rechtfertigen, Methoden und Instrumente des Marketing einzusetzen“ (Bruhn 2005:66).
Vor allem kirchliche Träger verbinden mit dem Begriff des Marketing ausschließlich
negative Inhalte (z.B. „Kommerzialisierung“, „marktschreierischer Verkauf“ u.ä.)
(vgl. ebd.:66f). Ein nicht unwichtiger Punkt ist dabei, dass der Vorstand der Träger
meist aus Ehrenamtlichen besteht und diese weniger aus betriebswirtschaftlichen
Gründen, sondern eher aufgrund verbandlicher Kriterien ihren Posten innehaben.
Die Anforderungen an eine soziale Organisation sind nicht nur hoch, sondern auch
komplex: „Die Wahrnehmung all dieser Aufgaben jedenfalls setzt hohe Kompetenzen,
Fähigkeiten und Kenntnisse auf ganz unterschiedlichen Ebenen voraus“ (Langnickel/
Gabler 1997:14). Um ein Marketingkonzept in der Einrichtung implementieren zu
können muss der Träger sich mit den tatsächlichen Inhalten des Nonprofit-Marketing
auseinandersetzen und letztendlich bereit und willens sein, sich an den Bedürfnissen
der Kunden zu orientieren (vgl. Bruhn 2005:68).
Um genannte Barrieren, vor allem auf personeller Ebene, abzubauen, sollten verschiedene unterstützende Instrumente zum Einsatz kommen. Zu nennen wären hier im
Rahmen der Implementierungsrealisation (Um- und Durchsetzung) Kommunikations-,
Organisations-, Motivations- und Unterstützungsmaßnahmen (siehe Tabelle 5.1) (vgl.
ebd.:763).
5.3.2 Zusammenhang zwischen externen und internen Prozessen
Um die am externen Kunden ausgerichtete Einrichtungsstrategie erfolgreich und
kontinuierlich umsetzen zu können, bedarf es nicht nur einmaliger und/oder befristeter Maßnahmen. Aufgrund der engen Beziehung zwischen der Leistung bzw.
dem Angebot, dem Kunden und den pädagogischen Fachkräften bietet sich daher
der Einsatz des internen Marketing an (Sander 2004:765). In diesem Zusammenhang kann das interne Marketing gesehen werden als „[...] die systematische
Optimierung unternehmensinterner Prozesse mit Instrumenten des Marketing- und
Personalmanagements, um durch eine konsequente und gleichzeitige Kunden- und
Mitarbeiterorientierung das Marketing als interne Denkhaltung durchzusetzen, damit
die marktgerichteten Unternehmensziele effizient erreicht werden“ (Bruhn 2010:86).
Die interne Kundenorientierung hat demnach Einfluss auf die Erreichung der externen Ziele der Einrichtung. Zur Erhöhung der internen Kundenorientierung können
verschiedene dialogorientierte und zufriedenheitssteigernde Maßnahmen eingesetzt
werden. Als ein sehr wichtiges und zentrales Instrument ist hier das Empowerment zu
nennen. Die pädagogischen Fachkräfte bekommen beispielsweise mehr Verantwortung
zugesprochen und können in einem gewissen Rahmen selbstbestimmt handeln. Im
5.3 Implementierung
62
Tab. 5.1: Unterstützende Maßnahmen zur Implementierung
Kommunikation
Organisation
Unterstüzung
Motivation
• Abwärtskommunikation
(Informationsbriefe,
Aushänge etc.)
• Autonomie• Partizipations• Individualuntermaßnahmen
maßnahmen
stützungsmaßnahmen
(Hierachieabflachung,
(persönlich, repräsen(Aus- und WeiterEinführung
neuer
tativ)
bildung, Seminare
Führungskonzepte:
zu
bestimmten
• Dialog• Anreizmaßnahmen
mitarbeiterorienThemenbereichen
kommunikation
(Leistungsbeurteilung
tiert, Führung nach
etc.)
(Arbeitssitzungen,
etc.)
Zielvereinbarung
• GruppenunterKommunikationsetc.)
runden etc.)
stützungsmaßnahmen
(Coaching,
• Verhaltens• AufwärtsModeratorenänderungskommunikation
maßnahmen
beistellung etc.)
(Mitarbeiterbefragung,
(Organisationsentinternes Beschwerde• Beratungsmaßwicklung, Kulturentmanagement etc.)
nahmen
wicklung)
(Coaching,
• FormalisierungsIT-Beratung etc.)
maßnahmen
(z.B.Regelungssystem)
• Personalveränderungsmaßnahmen
(Veränderung der
Personalzusammensetzung
aufgrund
von Kompetenzen
und Qualifikationen
etc.)
(vgl. Sander 2004:764)
Kontakt mit Anspruchsgruppen hat das zur Folge, dass sie individueller und flexibler
auf deren Bedürfnisse und Vorstellungen eingehen können. Diese aktive Teilnahme hinsichtlich der Belange in der Einrichtung und die Eigenverantwortung bzw.
die Möglichkeit eigene Entscheidungen im Umgang mit den Anspruchsgruppen zu
treffen, steigern die Motivation der Fachkräfte. (vgl. Bruhn 2005:452). Weitere sinnvolle Maßnahmen im Rahmen des internen Marketing und somit zur Sicherung der
Strategieimplementierung sind unter anderem: die Optimierung der internen Kommunikation, Mitarbeiterbefragungen, regelmäßige Mitarbeitergespräche, kontinuierlich
wiederkehrende Schulungsmaßnahmen (Bruhn 2005:91f).
Eine interne Kundenorientierung, wie eben kurz beschrieben, kann jedoch nur
erfolgreich umgesetzt werden und funktionieren, wenn gleichzeitig die Systeme, die
Strukturen sowie die Kultur der Einrichtung ihr angepasst werden. Das bedeutet im
Bereich der Strukturen beispielsweise, dass die Aufgaben nur effizient erfüllt werden
und die pädagogischen Fachkräfte nur flexibel auf Wünsche und Bedürfnisse der
5.3 Implementierung
63
Anspruchsgruppen reagieren können, wenn die Ablauf- sowie Aufbauorganisation
entsprechend modifiziert wurde (z.B. flache Hierarchien, kooperativer Führungsstil, Führung nach Zielvereinbarung). Die verschiedenen Systeme (Informations-,
Personalmanagement-, Kommunikations- und Steuerungssysteme) sollten gleichzeitig
die Strukturen unterstützen (vgl. Bruhn 2005:93). Ebenso muss die Unternehmenskultur so verändert werden, dass ein anspruchsgruppenorientiertes Denken in der
Einrichtung gelebt wird (vgl. ebd.:93).
5.3.3 Problembereiche
Es können aber nicht nur Schwierigkeiten und Probleme aufgrund von „Widerständen“ seitens der Mitarbeiter entstehen, sondern auch mangels unzureichender
bzw. fehlerhafter Vorbereitung. Eine Analyselücke entsteht beispielsweise, wenn die
(interne) Stärken-Schwächen-Analyse nicht gründlich genug durchgeführt wurde und
sich die formulierte Strategie letztendlich nicht kongruent zu den eigenen Ressourcen
und Kompetenzen verhält (vgl. Bruhn/Meffert 2009:385). Zu der falschen Einschätzung und Bewertung eigener Ressourcen und Fähigkeiten kann auch eine falsche
Einschätzung bezüglich der externen Marktsituation sowie -entwicklung erfolgen.
Von einer Planungslücke spricht man, wenn sich die Organisation bzw. Einrichtung zu sehr auf das operative Tagesgeschäft konzentriert und eine längerfristige und
koordinierte strategische Planung außer Acht lässt. Die Ressourcenplanung bedarf
einer längerfristigen Planung mit zielkonformen Maßnahmen. Anstrengungen zur
Akquisition von privaten Geldern sollten kontinuierlich unternommen werden, um in
bestimmten Situationen kurzfristig finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben (vgl.
Bruhn 2005:427f).
Von einer Implementierungslücke spricht man, wenn die formulierte Strategie
und Zielsetzung mangelhaft umgesetzt wird. Dieses Umsetzungsdefizit könnte unter
Umständen aufgrund von Widerständen seitens der Mitarbeiter entstehen.
Anhand der kurz dargestellten Barrieren und Problembereiche „[...] wird deutlich,
dass die Formulierung einer Strategie alleine nicht ausreichend ist, wenn dieser keine
konkreten Maßnahmen zur Um- und Durchsetzung folgen“ (Bruhn 2005:426).
5.3.4 Bezugsrahmen der Strategieimplementierung
Bruhn empfiehlt, die Umsetzungsphase immer in Abhängigkeit von einer Analyse der
Implementierungsumgebung durchzuführen, damit die Strukturen, Systeme und die
Kultur des Nonprofit-Unternehmens erfolgreich an das Strategievorhaben angepasst
werden können (vgl. Bruhn 2010:83): „Eine erfolgreiche Strategieimplementierung
bedingt [...] explizit die Berücksichtigung der Interessen sowohl der internen als
5.3 Implementierung
64
auch der externen Bezugsgruppen einer Nonprofit-Organisation, da die Realisierung
einer externen Anspruchsgruppenorientierung durch eine interne Anspruchsgruppenorientierung mittelbar unterstützt wird. Darüber hinaus [...] [werden die Bereiche
Strukturen, Systeme und Kultur] zusätzlich durch markt-, situations-, umfeld- sowie
konkurrenzbezogene Einflüsse bestimmt“ (Bruhn 2005:434f; S.H.).
Abb. 5.4: Bezugsrahmen der Strategieimplementierung
(in Anlehnung an Bruhn 2005:434)
5.3.4.1 Anpassung der Organisations- und Einrichtungsstruktur
Die bereits vorhandene Struktur der Einrichtung muss so verändert bzw. angepasst
werden, dass der Gedanke des Marketing möglichst effizient umgesetzt werden kann.
„Die Organisationsstruktur lässt sich dabei als das Ergebnis einer durch Regeln geschaffenen Ordnung interpretieren [...]. Sie stellt ein ’strategischer Hebel’ für die
Umsetzung einer stärkeren Anspruchsgruppenorientierung dar, da sie die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Hervorbringung und Umsetzung erfolgreicher Ideen
schafft [...]“ (Bruhn 2005:437; S.H.).
Um sich langfristig als Tageseinrichtung am Markt behaupten zu können, müssen
organisationsintern sowohl Fragen der Verantwortlichkeiten als auch der Kompetenzverteilung geklärt werden: „Häufig leiden Fachkräfte weniger an der Arbeit mit
ihren Klienten, als unter mangelnden Organisationsbedingungen“ (Klug 2001:18).
„Die Hauptkritikpunkte an der Trägerschaft beziehen sich vor allem auf strukturelle
Aspekte. Problemschwerpunkte sind: fehlender, unzuverlässiger oder zeitaufwendiger
5.3 Implementierung
65
Informationsfluss, fehlende Kommunikation zwischen Träger und einzelnen Kindergärten, (...) unklare Entscheidungskompetenz der Leiterinnen [...]“ (Klug 2001:19; S.H.).
Die Ressourcenverantwortung (Personal und Budget) sollte daher der Leitungskraft
obliegen.
Damit eine Veränderung der Unternehmenskultur überhaupt gelingen kann, bedarf
es dezentraler Strukturen. Wie bereits angesprochen30 , sollten die Entscheidungsund Handlungskompetenzen der pädagogischen Fachkräfte erweitert werden, damit
diese ebenso in bestimmten Situationen31 flexibel reagieren können.
In einer Kindertagesstätte empfiehlt sich ein kooperativer Führungsstil32 . Die Leitungskraft der Tagesstätte bezieht die pädagogischen Fachkräfte in die sie betreffende
sowie beabsichtigte Entscheidungen ein, indem darüber informiert und nach den
Meinungen gefragt wird. Ebenso sollten die Mitarbeiter aktiv in den Prozess der
Strategieimplementierung einbezogen werden. Dabei empfiehlt es sich Gruppen bzw.
Teams zu bilden, die sich jeweils um die Erstellung und Umsetzung bestimmter Aufgaben kümmern. Hier bietet sich beispielsweise eine Führung durch Zielvereinbarung
an. Zwischen der Leitungskraft und den pädagogischen Fachkräften werden Ziele
vereinbart. Die Maßnahmen zur Zielerreichung sollten so weit wie möglich von den
Teams selbst entwickelt, geplant und durchgeführt (nach Absegnung der Leitungskraft) werden. Das Team übernimmt dabei gemeinschaftlich Verantwortlichkeit für
die zuvor aufgestellten Aufgaben und entscheidet letztendlich gemeinsam, wer welche
Aufgaben zu übernehmen und zu dokumentieren hat (vgl. Klug 2001:105).
Zusammengefasst kann, auch wenn hier keine allgemeingültige Empfehlung für
eine bestimmte Organisationsform genannt wird, gesagt werden, dass dezentrale
Strukturen notwendig sind, um kundenorientiert arbeiten zu können.
5.3.4.2 Anpassung der Organisations- und Einrichtungskultur
„[Die] [Organisations]kultur lässt sich [...] nicht schreiben wie ein Organigramm,
sie lässt sich nicht planen wie ein Organisationsentwicklungsprozess, sie lässt sich
aber erfragen und durch Interviews ermitteln. Sie ist so etwas wie der ’Geist’ eines
Unternehmens, der jenseits aller Regelungen die Leistungsbereitschaft fördert oder
hemmt“ (Klug 2001:109; S.H.). Die Aktivitäten, Entscheidungen sowie Handlungen der pädagogischen Fachkräfte werden in der Kindertageseinrichtung durch die
30 vgl. „Zusammenhang zwischen externen und internen Prozessen“
31 dazu mehr im Abschnitt 6.3 „Flexible Betreuungszeiten erfordern Modelle zum bedarfsgerechten
Personaleinsatz“
32 vgl. auch Abschnitt 4.2 „Prozess der Strategieimplementierung – Führungs- und Implementierungsstil“
5.3 Implementierung
66
gemeinsamen Werte, Überzeugungen, Normen sowie Denk- und Verhaltensmuster
geprägt.
Die pädagogischen Fachkräfte haben nicht nur einen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und -bindung, sondern beeinflussen auch nachweislich die Implementierung
eines kunden- und marketingorientierten Konzeptes. Sie entscheiden mit ihrem Verhalten zum größten Teil über Erfolg oder Misserfolg der Strategieimplementierung.
Die Organisationskultur wird wie die Organisationsstruktur und -systeme zuerst
einer IST-Analyse (Mitarbeiterbefragung) unterzogen. Anschließend wird die zuvor
bestimmte einrichtungseigene Kulturposition den gestellten Ansprüchen zur Implementierung der Strategie gegenübergestellt. Dabei kann festgestellt werden, an welcher
Stelle Anpassungen bzw. Veränderungen notwendig sind. Oft verhindern psychologische Barrieren eine erfolgreiche Implementierung der Strategie. Ein Veränderungsoder Entwicklungsprozess in der Einrichtung löst bei den Mitarbeitern oft Misstrauen
(fehlender Glaube an die praktische und erfolgreiche Umsetzung) oder eine Ablehnung
(Befürchtung bestimmte Gewohnheiten aufgeben zu müssen) gegenüber dem Aspekt
der stärkeren Marketingorientierung aus (vgl. Bruhn 2005:467).
Eine kunden- und marktfeindlich eingestimmte Organisationskultur, so Bruhn,
kann für die Einrichtung jedoch aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen und
zukünftigen Entwicklungen auf längere Sicht nicht vorteilhaft sein. Daher ist es
notwendig, dass die Leitungskraft Vorbehalte (negative Einstellungen und Denkhaltungen) seitens ihrer Mitarbeiterinnen gegenüber dem Marketing mit verschiedenen
Maßnahmen zerstreut. Folgende Instrumente könnten dafür genutzt werden:
• Die notwendigen Veränderungen gegenüber den pädagogischen Fachkräften
erklären und begründen und welche Auswirkungen solch eine Veränderung auf
jeden Einzelnen hat.
• „Einbeziehung der Mitarbeiter bei der Strategieentwicklung und Verdeutlichung
von positiven Effekten der Marketingorientierung für die [...] [Einrichtung]
• Anbieten von Qualifikationsmaßnahmen [...]“: Seminare zum Thema NonprofitMarketing (Bruhn 2005:462; S.H.).
• „Eine der wichtigsten Möglichkeiten und Potenziale hat die Leiterin in ihrer
Fähigkeit zur Motivation durch Visionen. ’Wenn du ein Schiff bauen willst’,
sagte Antoine de Saint Exupéry einmal, ’dann trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und Arbeit zu verteilen. Lehre
sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer’. [...] [In einer lernenden
Kindertageseinrichtung] ist die Vision das beste Mittel, Mitarbeiterinnen zu
führen. Wenn es der Leiterin gelingt, mit ihren Mitarbeiterinnen zusammen
eine Vision zu entwickeln, wie man in ihrer [...] [Kindertagesstätte] die Arbeit
5.3 Implementierung
67
zum Besten der Kinder und Eltern gestaltet, erzeugt dies die Lust zur Arbeit,
die keine Anweisung erzeugen kann“ (Klug 2001:78; S.H.).
Der Wandel bezüglich der Kultur in der Einrichtung gestaltet sich dabei über einen
längeren Zeitraum: Es bedarf Zeit, „[...] über Jahre gewachsene und fest verankerte
Werte- und Normengefüge[...]“ zu verändern (Meffert/Bruhn 2009:400; S.H.).
In diesem Zusammenhang soll noch abschließend kurz gesagt werden, dass sich die
Kultur des Trägers ebenso zu verändern bzw. anzupassen hat, damit eine Einrichtung weiterhin erfolgreich am Markt bestehen kann. Klug stellt nämlich fest, dass
sowohl öffentliche Kindertagesstätten als auch Einrichtungen in freier Trägerschaft
die unternehmerische Gesamtausrichtung in Form marktstrategischer Entscheidungen fehlt. Gründe hierfür können sein, dass der Vorstand des Trägers mangelnde
Fachkompetenz besitzt oder der Meinung ist, dass professionelles Marketing nicht
notwendig sei. Immer noch findet man ein marktfremdes Denken in den Trägervereinen, Organisationen bzw. Einrichtungen vor (vgl. Klug 2001:28). Meist liegt
es an den ehrenamtlichen Vorständen, die zum größten Teil beruflich wenig mit
Betriebswirtschaft und Marketing zu tun haben und letztendlich aus Unwissenheit
ablehnend der Thematik gegenüberstehen (vgl. Bruhn 2005:67).
5.3.4.3 Anpassung der Organisations- und Einrichtungssysteme
Neben der Überzeugung der pädagogischen Fachkräfte und der Veränderung der
Strukturen bedarf es auch einer Anpassung der Systeme im Rahmen der Strategieimplementierung. „Managementsysteme bezeichnen sämtliche auf Dauer angelegte
(teil-)standardisierte Verfahren, die eine kontinuierliche Bewältigung von Marketingaufgaben sowohl im Beschaffungs- als auch im Absatzmarkt erleichtern. Innerhalb
des Managementsystems lassen sich im Allgemeinen verschiedene Subsysteme, wie
das Planungs-, Kontroll-, Personalführungs-, Organisations- und schließlich das
Informationssystem, unterscheiden“ (ebd.:454f).
Die Einführung von mitarbeiter- sowie kundenbezogenen Informations- und Kontrollsystemen sind dabei von hoher Relevanz.
Ein Mitarbeiter- und kundenbezogene Informationssystem stellt beispielsweise
die regelmäßige Befragungen der internen und externen Kunden (z.B. anonyme
Elternfragebögen und Mitarbeiterbefragungen) dar. Die ermittelten Daten werden
in einer zuvor aufgebauten bzw. angelegten Datenbank gespeichert und können
anschließend verarbeitet werden.
Die Informationssysteme bedürfen gewisser Verantwortungen und Zuständigkeiten.
Der Aufbau solcher Systeme beeinflusst folglich gleichzeitig die Struktur der Einrichtung. Bruhn empfiehlt, am Anfang, d.h. in der Aufbauphase, ein Projektteam
zusammenzustellen, welches sich nur mit dieser Thematik befasst. Anschließend ist in
5.3 Implementierung
68
der Erprobungs- und Durchführungsphase eine feste Verankerung der verschiedenen
Aufgaben (beispielsweise Datenerhebung, Datenpflege und Datenauswertung) in
der Einrichtung notwendig. Da die pädagogischen Fachkräfte in der Regel dahingehend nicht ausgebildet sind, bedarf es gewisser Schulungsmaßnahmen, „[...] um
das Funktionieren und die Sicherheit der Informationssysteme – insbesondere vor
dem Hintergrund restriktiver Datenschutzbestimmungen – zu gewährleisten“ (Bruhn
2005:456; S.H.).
Ebenso sollten Kontrollsysteme im Rahmen der Strategieimplementierung eingeführt werden. Unterschieden werden kann zwischen außen- und innengerichteten
Kontrollsystemen.
In der Kindertagesstätte wird vor allem der Schwerpunkt auf die Kontrollsysteme
der externen Kunden gelegt. Den Eltern sollte die Möglichkeit gegeben werden,
negative wie auch positive Kritik gegenüber der Einrichtung üben zu können. Hierbei
bietet sich neben dem direkten Beschwerdegespräch ein „Eltern-Briefkasten“ an.
Um den Erfolg der Implementierung (Erfassung der Zufriedenheit mit den Leistungen) bei den externen Kunden evaluieren zu können, sollten ebenso regelmäßig
Elternbefragungen (ein oder zweimal im Jahr) durchgeführt werden. Ein in der
Betriebswirtschaft gängiges Modell zur Messung der subjektiv wahrgenommenen
Qualität von Dienstleistungen ist beispielsweise das SERVQUAL-Modell. Entwickelt
wurde es ursprünglich in Kliniken, ist jedoch auch generell für andere Dienstleistungen einsetzbar. Bei dem Modell werden folgende vier Teilleistungen abgefragt, die
hier nur kurz vorgestellt werden sollen:
„Tangibles“ (materielle, technische Ausstattung), z.B.
• Zufriedenheit mit den Räumlichkeiten und deren Ausstattung (Größe, Spielmaterial usw.)
• Essen (Auswahlmöglichkeiten, Qualität usw.)
„Responsivness“ (Bereitschaft, den Kunden bei der Inanspruchnahme der Leistung
zu unterstützen), z.B.
• Zeit der pädagogische Fachkräfte für Eltern und Kinder
• Zeit der Leiterin für Probleme der Eltern
„Assurance“ (Kompetenz und Dienstleistungsbereitschaft), z.B.
• Fachlichkeit, Freundlichkeit
• Erfolgsbeurteilung (Wurden die Elternwünsche umgesetzt?)
5.3 Implementierung
69
• Informationsverhalten (Rückmeldung, Beratung der Eltern usw.)
• Akzeptanz bestimmter Angebote (Kern- und Zusatzleistungen)
„Empathy“ (Bereitschaft auf Kundenwünsche einzugehen, Einfühlungsvermögen),
z.B.
• Beurteilung der Elternarbeit (Elternzeitung, Elternabend)
• Einbeziehung in die Gestaltung der Programme
• Zufriedenheit mit Öffnungszeiten (Was wünschen sich Eltern?)
(vgl. Klug 2001, S.66f).
Abschließend ist zu sagen, dass der Einsatz und die Komplexität der Systeme
immer vom Leistungstyp und der Größe der Organisation bzw. Einrichtung abhängig
ist. Das Oberziel ist, wie gesagt, Informationen der relevanten Anspruchsgruppen zu
ermitteln, um den Implementierungserfolg der Strategie kontinuierlich verfolgen zu
können (vgl. Bruhn 2005:459).
70
6 Maßnahmen für die Implementierung des
flexiblen Angebotes unter
Berücksichtigung von Möglichkeiten und
Grenzen
6.1 Was heißt flexible Betreuung?
Der Begriff der „Flexibilität“ „[...] wird bestimmt durch die Öffnungszeiten, die Lage
der Betreuungszeiten sowie dem täglichen Umfang an Betreuungszeit. Diese drei
Dimensionen liegen in der Umsetzung jenseits der gewöhnlichen ‚Normalzeiten‘“
(Klinkhammer 2005:60; S.H.).
Folgende Kriterien weisen auf eine flexible und erweiterte Angebotsstruktur hin:
1. Betreuung über die „Standard-Öffnungszeiten“ hinaus
Die Kindertageseinrichtung bietet ungewöhnlich lange Öffnungszeiten bzw.
eine Betreuungsmöglichkeit (Kooperation mit Tagespflegepersonen, Babysitterdiensten u.ä.) für Bedarfe außerhalb der Öffnungszeiten (Wochenende, spät
am Abend, in der Nacht) an. Dabei ist festzuhalten, dass es bezüglich der
Öffnungszeiten große Unterschiede je nach Bundesland gibt. „Während eine
Betreuungszeit nach 16.30 Uhr in den Flächenländern in Westdeutschland
schon außerhalb der Standard-Öffnungszeiten der meisten Einrichtungen liegt,
werden in den ostdeutschen Ländern und auch in den Stadtstaaten traditionell
längere Öffnungszeiten vorgehalten (welche im Osten Deutschlands allerdings
ausgedünnt wurden)“ (Stöbe-Blossey 2007:1).
2. Flexible Buchbarkeit
Eltern können die benötigten Betreuungsstunden flexibel buchen. Dabei kann
zwischen flexibler Lage (a) und flexiblen Umfang (b) unterschieden werden:
(a) Es besteht hierbei die Möglichkeit, das Kind vormittags oder nachmittags
in die Einrichtung zu bringen, sprich zu verschiedenen Zeiten betreuen zu
lassen.
6.1 Was heißt flexible Betreuung?
71
(b) Eine flexible Buchbarkeit von Betreuungsstunden kann aber auch bedeuten,
dass die Eltern das Kind an einem Tag für 4 Stunden und am nächsten
Tag für 8 Stunden in die Kindertagesstätten bringen (vgl. Klinkhammer
2008a:13).
3. Notfallbetreuung
„Die Einrichtung bietet kurzfristig buchbare/nutzbare Betreuungsmöglichkeiten,
u.a. für den Fall der Erkrankung des Kindes, Dienstreise der Eltern oder Ausfall
der eigentlichen Betreuungsperson/ -institution“ (ebd.:13)
4. Angebote zur Abend-, Wochenend- und Ferienbetreuung
Da, wie bereits (im zweiten Kapitel) erwähnt, derartige Angebote rar sind,
könnte die Einführung eines solchen Kriteriums in einer öffentlichen Kindertagesstätte einen Marktvorteil bringen.
Diese zuvor vorgestellten Kriterien charakterisieren einen Idealtypus einer Kindertagesstätte mit einem erweiterten und flexiblen Betreuungskonzept. Eine solches
idealtypisches, umfassendes Angebot wird in der Praxis kaum (nur privat-gewerbliche
und ganz wenige in freier Trägerschaft) von einer Einrichtung verwirklicht (vgl.
Klinkhammer 2008a:31). Am häufigsten, so Haug-Schnabel et al., werden verlängerte,
atypische sowie flexible Öffnungszeiten von den Einrichtungen angeboten. Des Weiteren stellt sie fest, dass je nach Bundesland und Kommune „flexible Kinderbetreuung“
unterschiedlich definiert wird (vgl. Haug-Schnabel et al. 2008:6).
6.1.1 Was heißt Flexibilität in den Landesgesetzgebungen?
Der Träger und die Leiterin einer Kindertagesstätte müssen sich, bevor sie ein
flexibles Betreuungsangebot einführen wollen, zunächst im jeweiligen Landesgesetz
informieren, ob und inwiefern ein solches Vorhaben überhaupt möglich ist.
In Sachsen beispielsweise wird auch nach der Verabschiedung des neuen Sächsischen
Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Dezember 2005 wieder
grundsätzlich ein breiter Spielraum hinsichtlich der Öffnungszeiten gegeben:
„Kindertageseinrichtungen sind unter Berücksichtigung der Bedürfnisse
der Kinder und der Erziehungsberechtigten sowie der örtlichen Gegebenheiten offen zu halten; ist für Kinder eine durchgehende Betreuung bedarfsnotwendig, sind Kinderkrippe und Kindergarten über Mittag offen
zu halten. Die Öffnungszeiten werden vom Träger der Kindertageseinrichtung in Abstimmung mit dem Elternbeirat, der Gemeinde und dem
örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt“ (SächsKitaG §5).
6.1 Was heißt flexible Betreuung?
72
Da der Gesetzgeber eine flexible Angebotsgestaltung nicht explizit erwähnt und Betreuungszeiten, die über neun Stunden hinausgehen, nicht finanziert bzw. bezuschusst,
stellt deren Einführung bzw. Umsetzung jedoch keinen Anreiz dar:
„(1) Die Gemeinden erhalten zur Förderung der Aufgaben nach diesem
Gesetz einen jährlichen Landeszuschuss. Maßstab für die Bemessung des
Landeszuschusses ist die Anzahl der am Stichtag, dem 1. April des Vorjahres, in Einrichtungen und in Kindertagespflege im Gemeindegebiet
aufgenommenen Kinder, berechnet auf eine tägliche neunstündige Betreuungszeit. Betreuungszeiten, die über neun Stunden pro Tag hinausgehen,
bleiben unberücksichtigt“ (SächsKitaG § 18 Abs.1).
Nicht nur in Sachsen fehlt im Finanzierungssystem die Unterstützung für flexible
Angebote. Das kann zum einen bedeuten, dass die Tageseinrichtung keine derartigen
Konzepte anbietet oder dass die Finanzierung aus privater Hand zu erfolgen hat.
Kritisch ist dies dahingehend zu betrachten, dass der Zugang solcher, für die Eltern
wichtiger, Angebote über die Finanzstärke der Eltern gesteuert wird: „Eltern mit
gehobenen Einkommen können entsprechend leichter auf dem privat organisierten
Markt ihre Leistungen einkaufen, als Familien mit einem geringen Einkommen.
Dieses Dilemma wäre erst bei einer öffentlichen Grundfinanzierung der Angebote zu
Randzeiten aufgelöst“ (Klinkhammer 2008a:65).
Weiterhin ist kurz festzuhalten, dass sich die Finanzierungslogik in Deutschland
nicht einheitlich gestaltet. Die öffentliche Bezuschussung der Bildungs- und Betreuungsangebote in den einzelnen Bundesländern kann wie folgt aussehen:
(1) Buchungszeit des Kindes (bestimmte Wochenstundenzahl des Personals pro
aufgenommenes Kind)
(2) Personal-Kind-Relation (Personalschlüssel ist an Kinderzahl gebunden, 1:12)
(3) Anstellungsschlüssel (Personalstunden sind an Kinderstunden gebunden)
(4) Personalschlüssel pro Gruppe (Personalanzahl pro Gruppe bei definierter
Höchstgröße der Gruppe) (vgl. Stöbe-Blossey 2007:3f).
Von den eben dargestellten Finanzierungsmodellen bieten nicht alle die Möglichkeit
flexible Betreuungszeiten einzuführen, ohne dass diese aus privaten Ressourcen
finanziert werden müssen.
Laut Klinkhammer schränkt beispielsweise die in Sachsen praktizierte Finanzierungslogik der Personal-Kind-Relation und zusätzlich gebunden an eine neunstündige
Betreuungszeit die Umsetzung flexibler Angebote ein. Wenn in Sachsen ein PersonalKind-Schlüssel von 1:13 gesetzlich vorgegeben ist und nur 10 Kinder eine atypische
6.1 Was heißt flexible Betreuung?
73
Betreuung benötigen, entsteht für den Träger zusätzlicher Kostenaufwand. Für diese
Angebote müssen andere Möglichkeiten gefunden werden. Zum Beispiel wird im
Sächsischen Kita-Gesetz im § 12 Abs. 1 Satz 2 explizit die Förderung der Mitarbeit
von anderen geeigneten (z.B. nebenamtlichen sowie ehrenamtlichen) Kräften erwähnt:
„[...] Die Arbeit der Fachkräfte kann durch weitere geeignete Mitarbeiter
sowie durch Eltern unterstützt werden“.
Dieser im Gesetz stehende Satz wäre beispielsweise eine Lösungsmöglichkeit, um
erweiterte und/oder flexible Angebote kostengünstig umsetzen zu können.
Auffällig ist ebenso, dass in den Gesetzen der neuen Bundesländer flexible Angebote
weder ganz ausgeschlossen werden noch richtig geregelt sind. Die Ganztagsbetreuung
hat hier nicht nur Tradition, sondern es besteht auch ein großes Angebot an derartigen
Plätzen, so dass auf den ersten Blick von den Eltern wenig Bedarf nach flexiblen
Angeboten geäußert wird (vgl. Haug-Schnabel et al. 2008:7; Stöbe-Blossey 2007:6).
Anzumerken wäre hier noch kurz, dass viele Eltern selbst gar nicht auf den
Gedanken kommen, nach, bisher für sie „unbekannten“, Angeboten zu fragen. In
den Bundesländern, so Esch und Stöbe-Blossey, wo ohnehin ein Platzmangel besteht,
verzichten viele Frauen auf eine Erwerbstätigkeit und fragen diesbezüglich auch
nicht nach. Die beiden empfehlen, dass man flexible Angebote als Modellprojekt in
der Einrichtung einführt, damit die Eltern „erste Erfahrungen“ auf diesem Gebiet
sammeln können (vgl. Esch/Stöbe-Blossey 2005:145).
6.1.2 Form und Startvoraussetzungen der Flexibilität
Es gibt nicht die eine flexible Kinderbetreuung, sondern jede Einrichtung, die kundenund markorientiert arbeiten möchte, nutzt zum überwiegenden Teil nur bestimmte
Aspekte der Flexibilität. Dies hat natürlich ganz unterschiedliche Konsequenzen für
die Kinder und für die Einrichtungsorganisation und die pädagogischen Fachkräfte.
Kindertagesstätten, die als „[...] einzigen Flexibilitätsaspekt lange Öffnungszeiten
anbieten und bei denen die Kinder zumindest einen großen Teil jeden Tages in
Gruppen mit der gleichen Zusammensetzung betreut werden, brauchen hinsichtlich
ihrer Kontinuität im Gruppengeschehen und der Voraussehbarkeit von Ereignissen
nicht hinterfragt werden“ (Haug-Schnabel et al. 2008:7).
Es gibt aber auch Einrichtungen, wo die Möglichkeit besteht, die Kinder nur an
bestimmten Tagen betreuen zu lassen. Bei solchen hochflexiblen Modellen muss
geschaut werden, wie sich dieser Aspekt mit der pädagogischen Qualität und der
Organisationsstruktur vereinbaren lässt (vgl. ebd.:7).
Ebenso gibt es Unterschiede bezüglich der Startvoraussetzungen von Einrichtungen,
die eine flexible Betreuung anbieten wollen bzw. schon anbieten. Zu nennen wäre
hier die:
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
74
(1) Intendierte Flexibilisierung
Das sind Kindertageseinrichtungen, die bereits mit dem Ziel eröffnet haben,
den Eltern ein flexibles Betreuungskonzept anbieten zu können. Ihre Rahmenbedingungen, ihr ganzes Konzept und ihre Tagesstruktur ist von Anfang darauf
ausgelegt und gestaltet.
(2) nachgebesserte oder nachträgliche Flexibilisierung
Eine Kindertagesstätte, die im Zuge der Entwicklungen sich nachträglich und
eventuell aus der Not heraus (unbelegte Betreuungsplätze) flexibilisieren möchte,
kann nicht die erforderlichen Strukturen aufweisen. Dabei sollte unterschieden
werden, ob die nachträgliche Flexibilisierung in der gesamten Einrichtung
umgesetzt wird oder sich nur auf eine ausgewählte Gruppe beschränken soll (vgl.
ebd.:8). Im Gegensatz zu Einrichtungen, die sich komplett für einen Wechsel in
Richtung flexibler Angebote entscheiden und damit sehr große Veränderungen
auf allen Ebenen vornehmen müssen, betreffen die Veränderungen bei der
Beschränkung auf eine Gruppe, wo beispielsweise nur Ganztagesplätze für eine
flexible Belegung geteilt werden, folglich nur diese Gruppe (vgl. Haug-Schnabel
et al. 2008:29f)
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
In Tageseinrichtungen für (Klein-)Kinder treffen verschiedene Interessensgruppen, wie
Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte, aufeinander. Welche Bedingungen sind
notwendig, um eine qualitativ hochwertige flexible Kinderbetreuung als Tagesstätte
anbieten zu können? Wo sind mögliche Grenzen bei der Implementierung eines
flexiblen Betreuungsangebotes für die pädagogische Arbeit mit Kindern sowie für die
Einrichtungsstruktur und deren alltäglichen Abläufe? In der Kindertageseinrichtung
sind folglich drei Perspektiven auf Flexibilität zu betrachten und dessen Konsequenzen
im (Betreuungs-) Alltag zu erfassen. Zu nennen sind hier die:
(1) Elternperspektive (z.B. Flexibilität, Beratung)
(2) Kinderperspektive (z. B. Kontinuität, Stabilität, Offenes Konzept) und
(3) Erzieherinnenperspektive (z. B. Elternarbeit, Teamarbeit, Dienstplan,
Arbeitszeitkonten)(vgl. Klinkhammer 2005:61f)
6.2.1 Elternperspektive
Die Erwartungen der Eltern, dass die Kindergärten ein Konzept anbieten, welches
der derzeitigen Marktlage entspricht, sind gestiegen. „In vielen Einrichtungen haben
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
75
sich Regeln, Öffnungszeiten, Angebote etc. über etliche Jahre nicht geändert [...]“,
obwohl es längst zu gesellschaftlichen Veränderungen hinsichtlich Familien- und
Arbeitsstrukturen gekommen ist (Dahle, Schrader 1999:3; S.H.). „Familien sind
wachsenden Anforderungen ausgesetzt. Berufsarbeit wird flexibler, fordernder und
intensiver, Berufstätigkeit ist für die meisten Frauen – anders als noch eine Generation
vorher – selbstverständlich, es wird [daher] zunehmend komplizierter, Familienleben
und Berufsleben in Einklang zu bringen“ und vor allem schwieriger für die Kinder
eine geeignete Kindertagesstätte zu finden (ebd.:3; S.H.). Eltern sind auf passgenaue
infrastrukturelle Betreuungsangebote angewiesen, wie oben noch einmal (siehe auch
Kapitel 2) skizziert. Damit verbunden ist auch vielfach der Wunsch, die arbeitsfreie
Zeit eben mit ihren Kindern verbringen zu können. Wie im Kapitel 2 dargestellt,
arbeiten vor allem die Mütter sehr oft in Teilzeit mit unregelmäßigen Arbeitszeiten,
so dass der traditionelle Ganztagesplatz, wie er in den östlichen Bundesländern vor
allem üblich ist, über den Bedarf der Eltern hinausgeht (Haug-Schnabel et al. 2008:7).
Eine ebenso wichtige Rolle für die Eltern ist der Faktor Vertrauen. Denn Eltern
vertrauen ihre Kinder einer institutionellen Einrichtung an und erwarten, dass die
Einrichtung mit ihrem Vertrauen verantwortungsbewusst umgeht. Nichts beschäftigt
Eltern mehr, als die Frage nach dem Wohl und der Entwicklung ihres Kindes (vgl.
Klinkhammer 2005:61). Dafür muss die pädagogische Arbeit nicht nur qualitativ
hochwertig sein, sondern auch für Eltern transparent gemacht werden. Das bedeutet,
dass die Eltern ausreichend mit eingebunden und angesprochen werden und ihnen die
Chance gegeben wird, zu gewissen Zeiten am Alltagsgeschehen teilzunehmen. Aufgrund unterschiedlicher Abholzeiten in einer flexiblen Kinderbetreuungseinrichtung
haben die Eltern bereits fast den ganzen Tag Zugang zur Einrichtung und können
einen Einblick in den Tagesablauf ihres Kindes bekommen.
An die Stelle der klassischen Elternarbeit (ein oder zweimal im Jahr ein Gespräch,
Elternabende) ist inzwischen eine Erziehungspartnerschaft gerückt. Dabei sollte das
Prinzip der „Koproduktion“ herrschen: „Der Pädagoge kann seine Leistung nur
in Zusammenarbeit mit dem Nutzer erbringen“ (Klug 2001:41). Nur so kann eine
Erziehungspartnerschaft gelingen.
Auch „[d]urch die [in einer flexiblen Tageseinrichtung notwendigen und] vermehrten
Absprachen und den Austausch mit den Eltern wird eine Vertrauensbasis zwischen
Familie und Tageseinrichtung aufgebaut“ (Klinkhammer 2005:95; S.H.).
Bereits von Anfang an bedarf es einer ausreichenden Kommunikation zwischen
den pädagogischen Fachkräften und den Eltern. Die Leiterin und die pädagogischen
Fachkräfte haben die Aufgabe, beratend und unterstützend bei der Erstellung des
individuellen Betreuungsvertrages zur Seite zu stehen. Hier werden nicht nur die Betreuungszeiten, sondern auch die pädagogischen Bildungs-, Förder- und Spielangebote
sowie andere mögliche Module (z.B. Abendessen oder Mittagessen), die den Eltern
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
76
zur Auswahl stehen, festgelegt (vgl. Klinkhammer 2007:2). Pädagogische Fachkräfte
sollten sich bezüglich der Themas „Buchungsberatung“ fortbilden lassen. Denn die
Beratung sowie Erstellung eines individuellen Betreuungsvertrages ist professionelle
Elternarbeit. „Es braucht klare Informationen, viel Transparenz, was möglich ist und
was nicht, damit Eltern sich tatsächlich entscheiden können [...]“ (Haug-Schnabel et
al. 2008:34; S.H.). Zum einen müssen die pädagogischen Fachkräfte die Bedürfnisse
und Wünsche der Eltern verstehen, zum anderen aber auch „Anwalt“ des Kindes
sein, damit unter anderem das Kindeswohl gesichert und der Beziehungsaufbau
gewährleistet werden kann (vgl. ebd.:33). „Die beste Lösung [laut Haug-Schnabel
et al. ist]: die Eltern äußern Wünsche, die Einrichtung stellt pädagogisch gesicherte Angebotsvarianten vor und erarbeitet [daraus] mit den Eltern ein individuelles
Betreuungsmodell [...]“ (ebd.:34; S.H.). An dieser Stelle endet die Arbeit zwischen
Erzieherin und Eltern nicht, sondern es besteht die ganze Zeit eine Erziehungspartnerschaft. Die pädagogischen Fachkräfte sollten weder die Vorschläge der Eltern
sofort übernehmen, noch sie komplett ablehnen. Pädagogische und organisatorische
Zielvorstellungen und deren Umsetzung müssen eher in einem Dialog miteinander
ausdiskutiert werden. Dabei ist es wichtig, dass immer eine Balance zwischen den
Bedürfnissen und Wünschen der Eltern, den Bedürfnissen und Interessen des Kindes
und den Rahmenbedingungen der Einrichtung herrscht. Wenn dies nicht möglich ist,
sollte das Kindeswohl immer oberste Priorität haben (vgl. Klug 2001:42).
6.2.2 Pädagogische Fragen
6.2.2.1 Was ist pädagogische Qualität?
Zu erwähnen wäre eingangs, dass der Begriff der pädagogischen Qualität unter
anderem „[...] durch kontextuelle, zeitliche, örtliche, gesellschaftliche und personelle Bedingungen [beeinflusst wird]“ (Roux 2002:53; S.H.) und somit keine feste,
unveränderbare Größe darstellt.
In der aktuellen Fachpraxis bezieht sich pädagogische Qualität dabei auf Aspekte,
die im SGB VIII § 22 als Aufgaben für Kindertageseinrichtungen festgelegt worden sind, zum Beispiel die Förderung der Entwicklung des Kindes und Sicherung
des Wohlbefindens sowie die Unterstützung der Eltern in ihrer Betreuungs- und
Erziehungsaufgabe im Rahmen einer Erziehungspartnerschaft (vgl. Tietze 2003:11).
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
77
Nach Wolfgang Tietze et al. (1998:21-23) kann das komplexe Konstrukt „Pädagogische Qualität“ durch folgende drei pädagogische Bereiche beschrieben werden:
• Pädagogische Strukturqualität: ist der gebotene „Input“, die situationsunabhängigen, zeitlich stabilen Rahmenbedingungen des Kindergartens, die zum
größten Teil von Seiten der Politik reguliert werden. Sie beinhaltet räumlichmaterielle Merkmale (wie z.B. die Anzahl der zur Verfügung stehenden Räume,
Gestaltung oder sonstige Ausstattung der Räume), soziale Merkmale (wie
beispielsweise die Größe und Organisation der Gruppen sowie der ErzieherKind-Schlüssel) sowie Merkmale der personalen Dimension (z.B. die Ausbildung
und berufliche Erfahrung der pädagogische Mitarbeiter sowie die zur Verfügung
stehende Vor- und Nachbereitungszeit).
• Pädagogische Prozessqualität: „umschreibt [...] alles, was in den Einrichtungen an pädagogischer Arbeit im weitesten Sinne stattfindet. [Sie] bezieht
sich [...] auf das Gesamt der Interaktionen und Erfahrungen, die das Kind in
der Kindergartengruppe mit seiner sozialen und räumlich-materialen Umwelt
macht“ (Tietze/Viernickel 2003:11; S.H.): z.B. die Erzieher-Kind-Interaktion,
Erzieher-Eltern-Interaktion oder Interaktion unter den Kollegen.
• Pädagogische Orientierungsqualität: hierunter werden die Vorstellungen,
Überzeugungen sowie Auffassungen verstanden, die die pädagogischen Fachkräfte bezüglich der kindlichen Entwicklung, der pädagogischen Ziele und
Normen besitzen. Diese Faktoren lenken das pädagogische Handeln.
(vgl. Tietze 1998:22).
Die Merkmale der eben genannten Qualitätsbereiche beeinflussen dabei bis zu einem
gewissen Grad einander. In der Studie über die Bewertung der Qualität in Kindergärten von Tietze et al. 1998 wird gezeigt, dass ungefähr 50 Prozent der pädagogischen Prozessqualität durch die politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen, das
heißt durch Aspekte der Strukturqualität, bestimmt werden (vgl. Tietze/Viernickel
2003:12f).
6.2.2.2 Ist Bildung in einer flexiblen Angebotsstruktur möglich?
In den verschiedenen Studien, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden sind, ist
festzustellen, dass die Einstellungen der Befragten zu flexiblen Angeboten teilweise
sehr weit auseinander gehen: „[...] von einer offenen, verhandlungsbereiten Einstellung
bis hin zu ablehnender Haltung und überzogenen Vorstellungen über Flexibilität
[...]“ (Klinkhammer 2008a:31; S.H.) Das Spannungsverhältnis bezieht sich dabei
weniger auf das Verhältnis zwischen der von den Eltern gewünschten Flexibilität und
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
78
dem Bildungsauftrag, sondern vielmehr auf organisatorische Aspekte. Diejenigen,
die eine ablehnende Einstellung zu flexiblen Betreuungszeiten haben, nehmen meist
die Rahmenbedingungen von Einrichtungen (z.B. Personalstruktur, -situation und
-einsatz; Zeitabläufe), die traditionell Ganztagesplätze anbieten, als Grundlage der
Betrachtung. „Folglich ist für einige Befragte ein flexibles Betreuungssetting im
Grunde nicht zusammen zu denken mit der Umsetzung von Bildungsangeboten
bzw. der Förderung kindlicher Bildungsprozesse. Dies ist, nach den Ausführungen
mancher Befragten, nur in einem auf Regelmäßigkeit angelegten Ganztagsangebot
möglich“ (Klinkhammer 2008a:31). Wer bereits persönliche (positive) Erfahrungen
mit flexiblen Betreuungszeiten in Tageseinrichtungen machen konnte, sieht, dass
es möglich ist, die auf den ersten Blick polarisierenden Begriffe (Flexibilität und
Bildungsauftrag und pädagogische Qualität) in der Praxis zu vereinen. Es ist jedoch
wichtig, die Organisation und die Abläufe auf die in der Einrichtung (geplanten)
flexiblen Angebotsform anzupassen. Dabei sollten unter anderem bestimmte Eckwerte
festgelegt werden. Diese geben einen gewissen Rahmen, an den sich die Eltern zu
halten haben. Wichtige Eckpunkte wären hier zum Beispiel die Festlegung von
Mindestanwesenheitszeiten, zeitliche Absprachen und zeitlich festgelegte Projekte
für die Kinder (vgl. ebd.:31).
Wie an anderen Stellen dieses Kapitels noch deutlich werden wird, bedarf es gewisser
Mindestanwesenheitszeiten, damit eine Beziehung zwischen Kind und Erzieherin
aufgebaut werden kann und ein pädagogisches Angebot sowie pädagogische Förderung
zu ermöglichen. Im Allgemeinen werden Mindestanwesenheitszeiten von 10 bis 20
Stunden pro Woche empfohlen. Dabei sollte auch auf die Verteilung der Stunden
über die Woche geachtet werden . Die Mindestbuchungszeiten sollten des Weiteren
die Kernzeiten (Vormittag und/oder Nachmittag) abdecken, da in diesen Zeiten
angeleitete Projekte durchgeführt werden (vgl. Haug-Schnabel et al. 2008:35).
Fazit ist, dass in beiden vorherigen Abschnitten deutlich wird, dass pädagogische
Qualität stark von organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen abhängt;
diese mit anderen Worten eine essentielle Grundlage für qualitativ hochwertige und
flexible Betreuungssangebote darstellen.
6.2.3 Kinderperspektive
Bei der Kinderbetreuung handelt es sich im Gegensatz zu Produkten aus der Wirtschaft nicht um eine gewöhnliche Ware, die angeboten wird, sondern „das ‚Produkt‘
ist hier die pädagogische Arbeit mit Kindern. Dabei geht es um Individuen, um
Beziehungsaufbau und Einfühlung [...]“ (Dahle, Schrader 1999:15; S.H.). Kindertageseinrichtungen müssen daher, wenn sie eine flexible Betreuung anbieten wollen,
auch den pädagogischen Alltag entsprechend qualitativ hochwertig gestalten. Das
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
79
heißt, dass die Anpassung der Kinderbetreuung an die Rhythmik des Arbeitsmarktes
unter Beachtung der kindlichen Interessen sowie Bedürfnisse zu erfolgen hat. Welche
Möglichkeiten gibt es hinsichtlich der Gestaltung des Kindergartenalltages? Wo
sind die Grenzen von Flexibilität und Zunmutbarkeit für Kinder? Welche positiven
Effekte kann eine qualitativ hochwertige flexible Kinderbetreuung für Kleinkinder
und Kinder haben?
6.2.3.1 Die Notwendigkeit der konzeptuellen Veränderung
In Tageseinrichtungen mit dem Angebot flexibler Betreuungszeiten bietet es sich
vom pädagogischen Konzept her an, eine offene Gruppenarbeit bzw. eine gruppenübergreifende Arbeit zu wählen und einzusetzen.
Bei einer offenen Gruppenarbeit werden die bisherigen festen und geschlossenen
Gruppen komplett aufgelöst, während bei der gruppenübergreifenden Arbeit eine
teilweise Öffnung stattfindet. Das heißt, die Stammgruppen bleiben in dem Fall
erhalten und für die Kinder besteht in regelmäßigen Abständen über den Tag verteilt,
die Möglichkeit zwischen unterschiedlichen gruppenübergreifenden Angeboten, die
jeweils in verschiedenen Themen- bzw. Funktionsräumen stattfinden, zu wählen
und diese wahrzunehmen. In jedem Raum sind je nach „Themengebiet“ und Größe
ein oder mehrere pädagogische Fachkräfte zuständig (vgl. Gärtner 2003). „Grundannahmen dieser Pädagogik sind das selbstbestimmte Lernen durch Einsicht und
die Eigenverantwortlichkeit des Kindes, das sich seine Aktivitäten nach Interesse
sucht und Entscheidungen selbst treffen kann und will“ (ebd.). Außerdem ermöglicht
solch eine offene Gruppenarbeit, flexible Betreuungszeiten in der Tageseinrichtung
anzubieten. Kindern, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Einrichtung gebracht
werden, wird somit nicht das Gefühl gegeben, etwas in der Gruppe am Vormittag
verpasst zu haben und nun nicht mehr die Möglichkeit zu haben, Anschluss zu finden.
Auf das Prinzip der Modularisierung der Angebote wird im übernächsten Abschnitt
näher eingegangen.
Fazit ist, dass in einer Tageseinrichtung, die bisher klassisch, d.h. in geschlossenen
Gruppen, gearbeitet hat, die Öffnung der Gruppen prozessartig und schrittweise
angegangen werden sollte. Denn in der Kindertagesstätte sind verschiedene Akteure
und individuelle Persönlichkeiten, deren Bedürfnisse auf unterschiedliche Weise
sehr wichtig sind und denen bei einer so großen Veränderung Beachtung geschenkt
werden muss. Ebenso gibt es kein theoretisches und allgemeingültiges Konzept zur
Implementierung für Kindertageseinrichtungen. Jede Einrichtung ist einmalig. Denn
in ihr arbeiten und wirken einmalige Menschen mit (vgl. Becker-Textor 1998).
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
80
6.2.3.2 Altersheterogenität
Eine offene Gruppenarbeit bedeutet auch, dass Kinder unterschiedlichsten Alters
aufeinander treffen. „Eine erweiterte Altersmischung in den Tageseinrichtungen [, so
Klinkhammer,] wird angesichts der demographischen Entwicklungen nicht nur aus
planerischer, sondern vor allen Dingen aus pädagogischer Sicht immer wichtiger“
(Klinkhammer 2005:116; S.H.). Denn wenn die Frauen, wie in der Einleitung dieser
Arbeit erwähnt, ihren Kinderwunsch aufgrund verschiedener Gründe verschieben,
liegt die Vermutung nahe, dass in den nächsten Jahren sowie Jahrzehnten der Anteil
der Familien mit nur einem Kind steigen wird. Bereits jetzt wird von den in der Studie33 befragten pädagogischen Fachkräfte beobachtet, dass sich geschwisterähnliche
Beziehungen unter den Kindern entwickeln. „Eine beliebte Regelung bei Kindern sind
[zum Beispiel] die Patenschaften, die Kinder für andere Kinder im Haus übernehmen
können“ (ebd.:102). Dabei haben ältere Kinder die Möglichkeit, Verantwortung für
andere, meist jüngere, Kinder zu übernehmen und ihr eigenes Wissen über bestimmte
Regeln im Haus (Ziel: Stärkung des Selbstbewusstseins) o.ä. zu vermitteln. Neben
der erwachsenen Bezugsperson stellt solch ein Pate für das Kind einen zusätzlichen
Halt im flexiblen Alltag dar (vgl.102f).
6.2.3.3 Modularisierung von Angeboten
Die Orientierung an den Vorstellungen und Bedürfnissen der Arbeitswelt stehen nach
Meinungen vieler im Widerspruch zu den Bildungsaufträgen in den einzelnen Bundesländern. „Die Umsetzung dieses Bildungsauftrages, so ist in der Fachdiskussion
immer wieder zu hören, erfordert kontinuierliche Anwesenheitszeiten einer Kindergruppe [...]“ (Esch/Stöbe-Blossey 2005:141; S.H.). Jedoch ist es weder sinnvoll, auf
pädagogische Qualität zugunsten der Bedarfe der Eltern zu verzichten, noch arbeitsmarktbezogene Rahmenbedingungen völlig außer Acht zu lassen. Es bedarf Lösungen,
die beide wichtigen Aspekte möglichst in Einklang bringen. Eine organisatorische
Lösung ist zunächst die Veränderung des Konzeptes (wie im vorherigen Abschnitt
dargestellt), welches als weiteren Schritt eine Modularisierung der Aktivitäten bzw.
Angebote vorsieht (vgl. ebd.:141). Der Tag sollte, laut Experten, in freie Spielzeiten
und in angeleitete, meist themenbezogene Projektarbeit unterteilt werden. Diese
Projektarbeiten sind als Bildungszeiten und die Spielphasen vorrangig als Betreuungszeiten zu sehen. Damit können auch flexiblen Einrichtungen dem gesetzlich
festgelegten Trias Bildung, Erziehung und Betreuung gerecht werden. So können am
Vormittag und am Nachmittag feste Module (Sprache, Musik, Naturwissenschaften
u.ä.) zur Auswahl angeboten werden und in der restlichen Zeit (früh und abends)
33 mehr dazu in: Klinkhammer 2005
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
81
freies Spiel in der gesamten Einrichtung (in den Themenräumen) stattfinden (vgl.
Klinkhammer 2007:8). Die Möglichkeit eine Tätigkeit unter vielen auswählen zu
können fördert zugleich den Aspekt, dass das Kind lernt für sich Entscheidungen zu
treffen und deren Konsequenzen zu tragen (vgl. Klinkhammer 2005:117).
6.2.3.4 Notwendigkeit: Strukturierung des Tages
Auch in Einrichtungen, die flexible Betreuungszeiten anbieten, ist der Tag klar
strukturiert. Dieser unterscheidet sich jedoch von einer Regeleinrichtung.
Um Unruhe zu vermeiden, „[...] haben Einrichtungen z. B. je nach Kern- oder
Ruhezeiten klar definierte Bringzeiten am Tag. Für diese Ankunft ist eine ruhige
Atmosphäre, z. B. ein eigener Empfangsraum, angebracht, in dem Kontakt zum
Elternteil, zum Kind und eine gute, vertrauensvolle Übergabe möglich sind“ (HaugSchnabel et al. 2008:32; S.H.). Die pädagogischen Fachkräfte haben die Aufgabe,
dem Kind den Start in den Tag mit einer individuellen Begleitung zu erleichtern.
Dabei bedarf es in der Einrichtung eines sehr guten Erzieherin-Kind-Schlüssel. In
vielen flexiblen Tagesstätten gibt es neben dieser Begleitung in den Tag ebenso eine
Phase des „Abschiednehmens“. Das Kind wird nicht mitten aus dem Spiel gerissen,
wenn die Eltern es abholen kommen wollen, sondern die Erzieherin wie auch die
Eltern geben dem Kind Zeit, beispielsweise sein Spiel zu beenden und je nach Bedarf
seine Sachen wegzuräumen sowie sich von anderen Kindern zu verabschieden.
Wiederkehrende Abläufe, Rituale und pädagogische Gestaltungselemente sind in
flexiblen Tageseinrichtungen von sehr großer Bedeutung. Sie stellen Punkte dar, an
denen sich die Kinder orientieren können; die ihnen Stabilität und Sicherheit in einem
flexiblen Kindergartenalltag geben. Empfohlen wird beispielsweise, dass sich die
Kinder mehrmals am Tag zusammenfinden. Anbieten würde sich dabei ein Morgen-,
Mittags- sowie Nachmittagskreis. In diesem Rahmen können Kinder erzählen, wie
ihr Tag bisher war, mit wem sie noch spielen wollen oder welche (Spiel-)Wünsche sie
allgemein haben. Diese Dinge sollten von der jeweilig anwesenden Erzieherin in das
Übergabebuch eingetragen werden, damit die nächste Erzieherin, die nicht zu dieser
Zeit anwesend ist, darüber auch informiert wird (vgl. Haug-Schnabel et al. 2008:32f).
Des Weiteren ist es wichtig, die Kinder bei Entscheidungen, die den allgemeinen
Alltag in der Kindertagesstätte betreffen, mit einzubeziehen. Gemeinsam sollten zum
Beispiel Regeln aufgestellt oder Tagesabläufe bestimmt werden. Diese Vorgehensbzw. Arbeitsweise, konstatiert Ingeborg Becker-Textor, vermittelt „[...] Schlüsselqualifikationen für die Zukunft. Sie tragen dazu bei, dass Kinder Wege zu dialogischem
Handeln, zu vorausschauender Planung, zu Kommunikation und Einfühlung mit
anderen und in die Bedürfnisse anderer finden“ (Becker-Textor 1999).
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
82
Neben den oben genannten Punkten bieten sich auch verschiedene andere pädagogische Gestaltungselemente in der offenen Gruppenarbeit an. Eine räumliche
Orientierung für Kinder als auch Erwachsene (pädagogische Fachkräfte und Eltern)
könnte eine Magnetwand darstellen, auf der sich alle (Themen-) Räume befinden.
Die Kinder zeigen mit der Lage ihres persönlichen Magneten, wo sie sich in der
Einrichtung gerade befinden. Das hilft zum Beispiel dem Freund des einen Kindes, der
zu einem späteren Zeitpunkt in die Einrichtung kommt, wo sich dieses gerade aufhält.
Hier lernen Kinder ein Stück weit Verantwortung für sich selbst zu übernehmen (vgl.
Klinkhammer 2005:104).
Die gemeinsamen Mahlzeiten sind für Kinder ebenso ein wichtiger Orientierungseckpfeiler. Denn diese Zeitpunkte bedeuten gleichzeitig auch, dass das Kind eventuell
selbst abgeholt wird oder andere Kinder (evtl. Freunde) gehen und andere wiederum erst kommen (vgl. ebd.:106f). Aufgrund der individuellen Betreuungszeiten,
die beispielsweise eine variable Gruppenzusammenstellung sowie einen Wechsel der
Spielpartner zur Folge haben, lernen Kinder schon früh, flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen einzustellen. Die Kinder werden in einer Einrichtung mit
atypischen Betreuungszeiten auf die heutige Gesellschaft vorbereitet, in der flexibles
Handeln von großer Bedeutung ist (vgl. ebd.:119).
6.2.3.5 Erzieherinnen-Kind-Beziehung
Kinder und Kleinkinder brauchen Verlässlichkeit sowie Regelmäßigkeit. Jedoch weniger in Hinblick auf eine Gruppe bzw. Gruppenstruktur, denn mehr hinsichtlich einer
Kontinuität der Betreuungspersonen. Dieses kindliche Bedürfnis kann auch, so Esch
und Stöbe-Blossey, erfüllt werden, wenn ein Kind nur aller zwei Tage die Einrichtung besucht. „Je flexibler die Einrichtung oder das individuelle Betreuungsmodell
eines Kindes ist, desto mehr braucht es ‚seine‘ Erzieherin als anfänglichen Halt“
(Haug-Schnabel et al. 2008:30). Eine Erzieherin, die gleichzeitig die „Bezugsperson“
ist, begleitet das Kind bzw. die Kinder, die erst zu einer späteren Tageszeit in die
Einrichtung kommen, schrittweise in den Alltag und versucht auf die individuellen
kindlichen Bedürfnisse einzugehen. Es gibt jedoch auch Einrichtungen, die von vornherein eine gewisse Mindestanwesenheitszeit als einen Eckwert vorgeben, an den sich
die Eltern dann zu halten haben (vgl. Esch/Stöbe-Blossey 2005:142).
Fazit ist, dass „[d]ie Erzieherin-Kind-Beziehung [...] ein Haupteinflussfaktor für
das Wohlergehen des Kindes in der Einrichtung und ein entscheidender Faktor für
seine zukünftige nicht nur soziale Entwicklung [ist]“ (Haug-Schnabel et al. 2008:12;
S.H.). In mehreren Untersuchungen konnte festgestellt werden, das eine feste und
sichere Bindung zur Erzieherin sich positiv ausgewirkt hat. Die Kinder waren „[...]
empathischer, kooperativer, unabhängiger und zielorientierter. Sie konnten positive
6.2 Flexibilität als perspektivenabhängiges Konstrukt
83
Emotionen intensiver zeigen und verfügten über größere soziale, sprachliche und
kognitive Kompetenzen“ (Textor 2007; S.H.).
6.2.4 Erzieherinnenperspektive
Nicht nur für Kinder stellen flexible Betreuungsangebote große Veränderungen dar,
sondern auch für den Arbeitsplatz der Erzieherin. Es reicht schon lange nicht mehr
aus, sich nur auf die Arbeit mit den Kindern zu konzentrieren. „Zum Aufgabenspektrum von Tageseinrichtungen für Kinder gehören heute auch Familienorientierung,
Bildungsauftrag, Dienstleistungsauftrag, individuelle Bedarfsorientierung und Gemeinwesenorientierung“ (Klinkhammer 2005:27). Diese neuen und vor allem komplexen Aufgaben können nur qualitativ hochwertig angegangen und gelöst werden,
wenn die pädagogischen Fachkräfte entsprechendes Wissen erlernt und Kompetenzen
erworben haben. Bereits ausgebildete Fachkräfte benötigen daher regelmäßig Fortund Weiterbildungen zu relevanten Themen. Angehende Erzieherinnen sollten bereits im Rahmen ihrer Ausbildung dahingehend geschult bzw. ausgebildet werden.
Dies verweist auf einen sehr kritischen Punkt: die Ausbildung der Erzieherinnen.
Im Rahmen der Ausbildung zur Erzieherin wird nämlich immer noch „[...] nicht
auf die Arbeit in einer flexiblen, offenen Tageseinrichtung vorbereitet. Es fehlt die
Vermittlung von alltagspraktischen wie pädagogischen Kompetenzen und Konzepten für eine Bewältigung eines immer komplexer und anspruchsvoller werdenden
Betreuungsalltags“ (ebd.:73; S.H.). Es ist also nicht nur notwendig die bisherigen
Finanzierungsmodelle, wie im anderen Abschnitt beschrieben, zu überarbeiten, sondern auch die Ausbildungsstrukturen. Pädagogische Kräfte müssen für die Arbeit in
flexiblen Einrichtungen professionalisiert werden. Ein flexibles Angebot bzw. Konzept
kann nur mit gut qualifizierten Fachkräften angeboten werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt stellt auch die persönliche Einstellung zu den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen sowie zu der Thematik „Flexibilisierung
in Tageseinrichtungen“ dar. Denn „[k]ritisiert wird, dass Erzieherinnen oft der gesamtgesellschaftliche Bezug fehlt, den sie benötigen, um die Bedarfe der Eltern zu
verstehen und die Entwicklungen reflektieren zu können. Die Ursache wird wiederum
in der reformbedürftigen Ausbildung gesehen, welche die Aufgabe haben sollte, mit
dem Beruf der Erzieherin auch genau diese gesellschaftlichen Bezüge herzustellen“
(ebd.:73).
Veränderungsprozesse, trotz dass sie notwendig sind, werden oft aufgrund psychologischer Barrieren negativ beeinflusst. Die Leitungskraft hat die Aufgabe, Einstellungen
und (negative) Haltungen der pädagogischen Fachkräfte zu verändern.
Aufgrund der flexiblen Betreuungszeiten müssen die pädagogischen Fachkräfte
pädagogisch anders arbeiten als in einer klassischen Tageseinrichtung. Das bedeutet
6.3 Flexible Betreuungszeiten erfordern Modelle zum bedarfsgerechten Personaleinsatz
84
für die pädagogischen Fachkräfte, dass sie sich nicht nur auf neue Arbeitsformen
einstellen, sondern auch für organisatorische Veränderungen offen sein müssen (vgl.
Haug-Schnabel et al. 2008:30). Es ist sehr wichtig, dass pädagogische Fachkräfte die
Bereitschaft sowie Kompetenzen besitzen, um im Team zu arbeiten. Denn dies ist
vor allem in Einrichtungen mit flexiblen Angeboten Gang und Gebe. Der Austausch
von Informationen, beispielsweise bezüglich der Kinder (z.B. geäußerte Wünsche,
individuelle Bedürfnisse) oder andere wichtige Absprachen untereinander sind hier
noch viel intensiver und die Teamsituation folglich viel enger (vgl. Haug-Schnabel et
al. 2008:29). Zu den organisatorischen Veränderungen mehr im nächsten Abschnitt.
6.3 Flexible Betreuungszeiten erfordern Modelle zum
bedarfsgerechten Personaleinsatz
Die Entwicklung und Einführung von flexiblen Angeboten hat ebenso Konsequenzen
auf personalwirtschaftlicher Seite. In Kindertageseinrichtungen sind die bisher genutzten starren und eher konstanten Konzepte sowie Abläufe von Zeit und Arbeit mit
der eingeführten Flexibilität nicht mehr vereinbar. Der Einsatz der pädagogischen
Fachkräfte muss mit dem Betreuungsbedarf in Einklang gebracht werden (vgl. Cramer/Schaffranke 2000:21). Daher müssen Arbeitszeit- und Dienstplanmodelle34 zum
Einsatz kommen, die sowohl die Anforderungen der pädagogischen Arbeit als auch
die zeitlichen Betreuungsbedarfe (tatsächliche Anwesenheit der Kinder) angemessen
berücksichtigen.
Die Nutzerfrequenzanalyse35 könnte zum Beispiel bei der Einsatzplanung des
Personals helfen. Dabei werden die Bring- sowie Abholzeiten der Kinder dokumentiert
und anschließend statistisch ausgewertet. Meist ist es nämlich so, dass es weniger an
der Ressource „Personal“ liegt, denn mehr an der fehlenden Zeit-Flexibilität. Die ist,
so Scheitz, aber gerade eine gute Voraussetzung für Optimierungsprozesse.
Ein geeignetes Arbeitszeitmodell für eine Kindertageseinrichtung stellt das Konzept
der jahresarbeitszeitlichen Dienstplanung dar. Gründe dafür sind folgende:
„1. Es reagiert weitgehend bedarfs- und situationsorientiert.
2. Es integriert saisonale Schwankungen [(Schuljahresbeginn/-ende, Ferienzeiten)].
3. Es bezieht Jahresereignisse ein.
34 Das Thema wird der Vollständigkeit halber in dieser Arbeit erwähnt, jedoch nur kurz angerissen.
Mehr dazu in Cramer, Martin: Arbeitszeitmodelle und Dienstplangestaltung. Beltz-Verlag:
Weinheim, Basel 2003. (Team- und Organisationsentwicklung praktisch. Wie Kindergärten TOP
werden, Hrsg.:Pesch, Ludger/ Sommerfeld, Verena)
35 Im Rahmen dieser Arbeit wird darauf nicht näher eingegangen.
6.3 Flexible Betreuungszeiten erfordern Modelle zum bedarfsgerechten Personaleinsatz
85
4. Es erhöht durch Einbeziehung der Mitarbeiter in die notwendigen Regelungsprozesse den Grad der Selbstorganisation und den der Verantwortung.
5. Es reagiert sehr flexibel auf Veränderungen“ (Scheitz 2005; S.H.).
Kurz gesagt, werden in diesem Modell die jährlich gearbeiteten Stunden (Stundenkontingent) jeder einzelnen Erzieherin dem jeweiligen Bedarf von pädagogischer
Arbeit, Urlaub, Fort- und Weiterbildungen u.ä., die innerhalb des Jahres anfallen,
gegenübergestellt und anschließend auf die Wochenarbeitszeit hochgerechnet (vgl.
Scheitz 2005).
Eine täglich bedarfsgerechte Einsatzplanung erfordert ebenso eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Nach Cramer sollte es möglich sein, die vertraglich festgelegte
Wochenarbeitszeit der Erzieherin ungleichmäßig auf die Arbeitstage zu verteilen
(täglicher Stundeneinsatz differiert). Dies ermöglicht ein flexibles Reagieren auf die
verschiedenen Bedarfe im Tagesverlauf, sichert zugleich aber auch die Kontinuität in
der Gruppe (Cramer/Schaffranke 2000:25). „Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
wird nur noch im Durchschnitt eines längeren Zeitraums erreicht“ (Cramer/Schaffranke 2000:26).
„Die Veränderungen in der täglichen Arbeitszeit, z.B. wegen Vertretungen oder der
Möglichkeit früher zu gehen, werden in einem persönlichen Jahresarbeitszeitkonto
festgehalten und der Jahresarbeitszeit gutgeschrieben oder davon abgerechnet“
(Scheitz 2005). Die Einsatzplanung des Personals nach Bedarf erfordert von den
pädagogischen Fachkräften Flexibilität. Denn keiner, so Cramer und Schaffranke,
könnte in einer Einrichtung mit flexiblen Angebot besser den Dienstplan gestalten,
die Arbeitszeitkonten führen sowie die Arbeitszeit abrechnen als diejenigen, die
direkt am Geschehen sind. Die Erzieherin selbst hat am besten im Blick, wie viel
Kinder anwesend sind und kann darauf flexibel reagieren. „Nur die Erzieherinnen
einer Einrichtung können sich bei Bedarfsschwankungen zeitnah absprechen [und
untereinander darauf Acht geben, dass nicht ohne ‚Grund‘ Überstunden gemacht
und letztendlich gesammelt werden]“ (Cramer/Schaffranke 2000:24; S.H.).
Fazit ist, dass die Vorgehensweise der dezentralisierten sowie beteiligungsorientierten Dienstplan- und Arbeitszeitgestaltung letztendlich sowohl den Anforderungen
an die Einrichtung als auch den Interessen der pädagogischen Fachkräfte (mehr
Souveränität bei der Arbeitszeitgestaltung) gerecht werden und somit im Idealfall
eine „win-win“ Situation entstehen kann.
86
7 Zusammenfassung und Ausblick
„Wer zu neuen Ufern will, darf das Meer nicht fürchten.“
(Ovid)
Die Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Verantwortlichen haben sich
im Bereich der Kinderbetreuung in den letzten Jahren deutlich verändert und sind
nicht mehr mit den traditionellen Denkweisen und Argumentationen, wie „Der Staat
wird’s richten“ oder „Was heißt hier Kunde? Wir sind eine soziale Einrichtung und
nicht in der Wirtschaft“, kompatibel. Die Zeiten, in denen Kindergartenplätze noch
Mangelware waren, kaum oder keine Konkurrenz herrschte und die Eltern sich
mit den Angeboten einfach „zufrieden“ gegeben haben, sind vorbei. Nicht zuletzt
aufgrund des demografischen Wandels entwickelt sich der Markt der institutionellen
Kinderbetreuung von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Käufer sind vorrangig
die Eltern mit ihren Kindern. Deren Erwartungen und Bedürfnisse gegenüber der
Kindertageseinrichtung sind in den letzten Jahren gestiegen. Die Lebenswelten der
Familien haben sich beispielsweise stark gewandelt. Das traditionelle Familienbild
bestehend aus Vater, Mutter und Kind sowie das klassische Alleinernährermodell
verlieren zunehmend an Bedeutung. Vor allem die Zahl der Alleinerziehenden in
Deutschland wächst und mit ihnen die Herausforderung Beruf, Familienleben und
Erziehung des Kindes in Einklang zu bringen. Aber auch die Flexibilisierungs- sowie
Deregularisierungstendenzen in der alles dominierenden Arbeitswelt erschweren das
familiale Zusammenleben (vgl. Klinkhammer 2005:14).
Eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf lässt sich nur verwirklichen, wenn geeignete und passgenaue Betreuungsangebote zur Verfügung stehen. Der überwiegende
Teil der Kindertagesstätten biete jedoch immer noch zu kurze und bzw. oder starre
Betreuungszeiten an.
Die ökonomischen und politische Rahmenbedingungen sowie der wachsende Wettbewerb führen letztendlich dazu, dass es für Kindertagesstätten notwendig ist, und
auch in Zukunft weiterhin notwendig sein wird, marktwirtschaftlich zu denken und
zu handeln. Die Arbeit hatte sich daher zum Ziel gesetzt, die Implementierung einer
möglichen Marketingstrategie aufzuzeigen, um sowohl den Bedürfnissen der Eltern
gerecht zu werden als auch gleichzeitig das Fortbestehen der Einrichtung am Markt
gewährleisten zu können.
7 Zusammenfassung und Ausblick
87
Das betriebswirtschaftliche Marketing kann, wie festgestellt werden musste, nicht
analog auf Kindertagesstätten übertragen werden. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Nonprofit-Organisationen, die, wie aufgezeigt worden ist, auch
für Kindertageseinrichtungen gelten, wurden die Ansätze des kommerziellen Marketing bereits in den letzten Jahrzehnten von der Marketingwissenschaft aufgegriffen
und dahingehend angepasst. Für den Bereich der institutionellen frühkindlichen
Bildung, Betreuung und Erziehung wurde für die vorliegende Arbeit ein möglicher
und idealtypischer Managementprozess erstellt und erläutert.
In einer Kindertageseinrichtung sind normalerweise eine Vielzahl von unterschiedlichen Anspruchsgruppen zu berücksichtigen. Hierbei wurde der Schwerpunkt auf
die Eltern mit ihren Kindern, da sie die primären Kunden der Einrichtung sind,
sowie auf die pädagogischen Fachkräfte, da sie als wichtige interne Kunden gesehen
werden können, gelegt. Die Berücksichtigung der Mitarbeiter ist von hoher Relevanz.
Der Erfolg der Implementierung ist maßgeblich abhängig von ihren Einstellungen,
Engagement, ihrer Motivation sowie ihrer Professionalität. Sie sind es auch, die
im engen Kontakt zu den Kunden stehen. Faktoren wie Kundenzufriedenheit und
Kundenbindung werden nicht zuletzt von dem Handeln und Auftreten der Mitarbeiter
bestimmt.
Die Strategien und Instrumentarien im Rahmen der strategischen und operativen
Marketingplanung wurden hinsichtlich dieser oben genannten Anspruchsgruppen
ausgewählt und kurz erläutert.
Abschließend wurde aufgezeigt, dass eine Implementierung einer Strategie letztendlich eine Veränderung des Status quo in allen Bereichen (Struktur, Systeme und
Kultur) bedeutet. Dabei ist festzustellen, dass weniger strukturelle und technische
Probleme denn mehr psychologische Aspekte eine erfolgreiche Implementierung erschweren oder sogar verhindern können: „In zahlreichen Nonprofit-Organisationen
sind starke Vorbehalte, Barrieren und Berührungsängste bei der Anwendung von
Marketingprinzipien und -methoden zu beobachten“ (Bruhn 2005:512). Die Leitungskraft hat dabei die Aufgabe mit Hilfe verschiedener Maßnahmen die negativen
Haltungen zu ändern. Dabei bieten sich zum Beispiel Schulungen und Seminare zur
Marketingthematik an.
Abschließend wurden Maßnahmen sowie Möglichkeiten und Grenzen bezüglich
eines flexiblen Betreuungskonzeptes in einer Kindertagesstätte dargestellt und dabei
deutlich gemacht, dass eine Einrichtung immer die Aufgabe hat, „[...] eine gute
Balance zwischen der von Eltern und Arbeitgebern gewünschten Flexibilität und der
für Kinder erforderlichen Kontinuität sowie der [...] [eigenen] erwarteten Qualität [...]
[zu]“ finden (AG 78 2008:6; S.H.). Ein standardisiertes Modell zur flexiblen Betreuung
von Kindern existiert dabei nicht. Stattdessen bedarf es bei der Erstellung eines
7 Zusammenfassung und Ausblick
88
Konzeptes bzw. einer Leistung der Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften,
Eltern und Trägern.
Die Auseinandersetzung mit dem Marketing bietet der Kindertageseinrichtung
die Chance einer Organisationsentwicklung mit einem klaren Konzept. Zum Teil
veraltete einrichtungsinterne Abläufe, die Kommunikation sowie Zusammenarbeit
können optimiert und damit Schwachstellen behoben werden.
Damit Kindertageseinrichtungen auf die gestiegenen Anforderungen in der Gesellschaft professionell reagieren können, sind seitens des Gesetzgebers dringend Reformen
und Veränderungen notwendig. Es müssen Finanzierungsmodelle entworfen werden,
die eine praktische Umsetzung von flexiblen Betreuungsangeboten möglich machen.
In den meisten Bundesländern mussten bisher die Kindertagesstätten, die kundenund marktorientiert arbeiten wollten, ohne eine zusätzliche Finanzierung seitens
des Staates sowie der Kommunen auskommen und andere individuelle Lösungswege
finden.
Eine konzeptionelle Weiterentwicklung in den Kindertagesstätten verlangt gleichzeitig eine Reformierung der Erzieherinnenausbildung. Denn „[f]lexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind langfristig nur mit gut qualifizierten und motivierten
[...] [pädagogischen Fachkräften umsetzbar und] vertretbar“ (Klinkhammer 2005:151;
S.H.).
Abschließend ist zu sagen, dass nicht nur für die Kindertagesstätten allein Handlungsbedarf aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und des Strukturwandels in
der Arbeitswelt besteht, sondern ebenfalls auf Seite der Unternehmen selbst. Es
sind ebenso Konzepte und Modelle für kinderfreundlichere Arbeitsplätze erforderlich.
Sie können mit geeigneten Arbeitszeitmodellen, Betriebskindergärten oder anderen
Angeboten einen bedeutenden Beitrag zu diesen Veränderungen leisten.
89
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_122.psml (30.01.2011)
94
Erklärung
Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die beiliegende Masterarbeit selbständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und
die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.
Die Masterarbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.
Freital, den 30.01.2011
Unterschrift
95
Tabellarischer Lebenslauf
Persönliche Daten
Name:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Familienstand:
Sabrina Heinz
23.04.1985
Dresden
ledig, zwei Kinder
Schulbildung
1991 – 1995
Grundschule Weißig
1995 – 2003
Kreisgymnasium Freital-Deuben
Abschluss: Abitur
Auslandsjahr
Sept. 2003 – März 2004
AuPair in Lyon/Frankreich
Studium
Okt. 2004 – März 2007
Magisterstudium an der TU-Dresden
Hauptfach: Französisch/Spanisch Sprachwissenschaft
Nebenfach (I): Erziehungswissenschaften
Nebenfach (II): Angewandte Linguistik
April 2007 – Sept. 2008
Bachelorstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin
Kernfach: Französisch
Zweitfach: Erziehungswissenschaften
Seit Okt. 2008
Erziehungszeit mit begleitendem Fernstudium zum
Master in Sozialmanagement
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