Kapitel 16 Unendliche Symmetrien Während sich das letzte Kapitel zu einem großen Teil mit dem Studium von Objekten mit einer endlichen Symmetriegruppe beschäftigt hat, wollen wir uns in diesem Kapitel Objekten mit abzählbar unendlich vielen Symmetrieoperationen zuwenden. Drei typische Vertreter denen man im Alltagsleben sicherlich schon einmal begegnet ist seien hier gleich zu Beginn aufgeführt. (Natürlich handelt es sich bei den konkreten Beispielen aus dem Alltagsobjekten immer um unperfekte Abbilder eine mathematischen Idee). Das erste Beispiel sind die so genannten Bandornamente. Man findet sie häufig an Sockeln und Friesen von Gebäuden oder als Ziermuster auf Sto↵bändern. Bandornamente sind reguläre Muster die eine Verschiebesymmetrie in einer Richtung aufweisen: wird das Muster um eine bestimmte Länge t in eine Richtung verschoben, so kommet es wieder vollständig mit sich selbst zur Deckung. An diesem Punkt muss allerdings beim Übergang von der Realität in die mathematische Abstraktion ein großer Schritt gemacht werden. Man muss sich ein solches Band-Muster bis ins Unendliche fortgesetzt vorstellen. Andernfalls würde an der Abbruchkannte die Symmetrie zerstört werden. Ein solches ins Unendliche fortgesetzte Band-Muster weißt dann dann automatisch eine unendliche große Symmetriegruppe auf. Genau so wie die Verschiebung um t, sind Verschiebungen um 2t, 3t, 4t, etc. ebenfalls Symmetrien. Ebenso Verschiebungen um t, 2t, 3t, etc. Neben solchen Verschiebungen können übrigens bei Bandornamenten noch Spiegelsymmetrien, und Drehsymmetrien um 180 auftreten. Analog zu einer eindimensionalen Unendlichkeit im Falle von Bandsymmetrien kann man auch das Auftreten von Symmetrien in zwei unterschiedliche Richtungen fordern. Man erhält dann Muster deren Symmetriegruppen im deutschen Sprachraum auch als kristallographische Gruppen oder Ornamentgruppen bezeichnet werden, im Englischsprachigen etwas deskriptiver als wallpaper groups. Charakterisierende Eigenschaft dieser Gruppen ist es, dass Verschiebesymmetrien in mindesten zwei verschiedenen Richtungen vor- 261 262 16 Unendliche Symmetrien liegen. Auch hier muss man sich das Muster natürlich unendlich (diesmal in der Ebene) vorgesetzt vorstellen. Während bei den ersten beiden Beispielen die Symmetrie durch einen bewussten gestalterischen Akt erzeugt wurde, entsteht sie bei unseren dritten Beispiel durch einen physikalischen E↵ekt. Es geht um ein ganz einfaches Kinderkaleidoskop, dass durch Aneinanderkleben dreier identisch bemaßter rechteckiger Spiegel erzeugt wird. Klebt man die Spiegel an ihren Längsseiten zusammen, so entsteht die Form eines Prismas mit einem gleichseitigen Dreieck als Grundfläche. Schaut man durch das Prisma auf darunter liegende Papierschnipsel oder Splitter aus buntem Glas, so ergeben sich faszinierende Muster, die sich ins Unendliche fortzusetzen scheinen. Die bei einem derartigen Prisma entstehenden Symmetrien gehören zu den so genannten Reflektionsgruppen, einer Spezialform der ebenen Ornamentgruppen. Erstaunlicherweise sind sie in vielen Bereichen der Mathematik von grundlegender Bedeutung. Im Folgenden werden wir verschiedene mathematische Aspekte von Reflektionsgruppen und Ornamentgruppen behandeln. Wieder werden sich dabei die Methoden und die Sprache der Linearen Algebra als nützliche Werkzeuge erweisen. Im Gegensatz zur Behandlung platonischer Körper werden diesmal allerdings die affinen Abbildungen und nicht die linearen Abbildungen im Vordergrund stehen. Voraussetzungen: Rechnen mit Matrizen, Gruppentheorie, Skalarprodukt 1 Transformationen Vorwarnung: die folgenden Ausführungen sind ein wenig rechenintensiv aber aufschlussreich. Wer mag kann sie beim ersten Lesen überspringen und sich ab Abschnitt 2 auf sein intuitives Verständnis ebener bewegungstransformationen verlassen. 1.1 Isometrien der Ebene Bei unserem Studium der ebenen Symmetrieoperationen wird es notwendig sein, konkrete Abbildungen anzugeben, die die Ebene R2 wieder auf sich selbst abbilden. Wir wollen uns im Folgenden auf die längenerhaltenden Transformationen, die Isometrien beschränken. Die Länge einer Strecke p1 , q2 mit Endpunkten p1 = (x1 , y1 ) und p2 = (x2 , y2 ) ergibt sich als der Abstand ihrer Endpunkte. Den kann man über den Satz von Pythagoras gemäß p p |p1 , p2 | = (x1 x2 )2 + (y1 y2 )2 = hp1 p2 , p1 p2 i 1 Transformationen 263 berechnen. Hierbei ist h. . . , . . .i das standard Skalarprodukt der Euklidischen Ebene. Man beachte, dass hier unter der Wurzel immer eine nicht-negative Zahl steht, die nur dann Null werden kann, wenn die beiden Punkte zusammenfallen. Anmerkung 16.1. Die so eingeführte Längenmessung ist die, die unserer Alltagserfahrung mit Euklidischer Geometrie entspricht. Man sollte sich aber darüber bewusst sein, dass dies dennoch eine in gewissem Maße willkürliche Festlegung ist, und man in der Mathematik auch durchaus andere Formen der Geometrie studiert bei denen das Abstandsmaß gegebenenfalls auch anders definiert sein könnte (z.B. die Geometrie auf einer Kugeloberfläche, relativistische Raumzeitgeometrie, hyperbolische Geometrie, um nur einige zu nennen). Wir definieren nun Isometrien als genau die Abbildungen der Ebene, die den obigen Längenbegri↵ invariant lassen. Definition 16.1. Eine Abbildung f : R2 ! R2 nennt man Isometrie, wenn sie Abstände abgebildeter Punkte erhält. D.h für alle Paare von Punkten p1 , p2 gilt |p1 , p2 | = |f (p1 ), f (p2 )|. Eine wichtige Eigenschaft von Isometrien ist, dass sie bereits durch das Bild dreier nicht kollinearer Punkte eindeutig festgelegt sind. Dies ist eine direkte Konsequenz aus der folgenden Aussage Lemma 16.1. Es seinen a, b, c drei Punkte der Ebene die nicht auf einer Geraden liegen. Ferner sei p ein weiter Punkt der Ebene. Dann ist die Position von p durch die Längen |a, p|, |b, p|, |c, p| eindeutig festgelegt. Beweis. Wir argumentieren geometrisch und setzen dabei stillschweigend voraus, dass der oben eingeführte Längenbegri↵ übereinstimmt mit dem man typischerweise in Euklidischer Geometrie umzugehen gewohnt ist. Es seinen a, b, c als drei nicht-kollineare Punkte gegeben. Dies bedeutet insbesondere, dass die drei Punkte paarweise verschieden sind. Die Menge aller Punkte die von a den gleiche Abstand wie p haben, ist ein Kreis Ka := {q 2 R2 | |a, q| = |a, p|} mit Mittelpunkt a und Radius |a, p|. Analog definieren wir Kreise Kb und Kc . Der Punkt p liegt auf all diesen Kreisen. Es ist zu zeigen, dass dies der einzige Schnittpunkt aller drei Kreise ist. Die Kreise Ka und Kb haben entweder einen oder zwei Schnittpunkte. Im ersten Fall sind wir fertig, da dann p bereits durch den Abstand von a und b eindeutig bestimmt ist (in diesem Fall liegen a, b, p übrigens auf einer Geraden.) Andernfalls haben Ka und Kb zwei Schnittpunkte p und q. Sollte p durch die Abstände zu a, b, c nicht eindeutig bestimmt sein, so müsste auch c von p und q gleich weit entfernt sein. Dies würde aber erzwingen dass c auf der Geraden durch a und b liegt, was nach unserer Voraussetzung ausgeschlossen war. t u 264 16 Unendliche Symmetrien Gehirngymnastik: Wir haben obige Argumentation auf geometrischen Grunderfahrungen aus der Schule aufgebaut. Führen Sie den Beweis analog rein algebraisch unter Verwendung der oben angegebenen algebraischen p Abstandsdefinition |p1 , p2 | = (x1 x2 )2 + (y1 y2 )2 Das letzte Lemma impliziert dass Isometrieen im wahrsten Sinne des Wortes seht starre Abbildungen sind, wie der folgende Satz zeigt. Theorem 16.1. Ebene Isometrien sind durch das Bild dreier nicht kollinearer Punkte eindeutig festgelegt. Beweis. Es sei f eine Isometrie in der Ebene und a, b, c 2 R2 drei nicht kollineare Punkte. Es sei p 2 R2 ein beliebiger Punkt. Die Abstände des Bildes f (p) von den Bildern f (a), f (b), f (c) sind gemäß der Isometrieeigenschaft |f (a), f (p)| = |a, p|, |f (b), f (p)| = |b, p|, |f (c), f (p)| = |c, p|. Nach dem letzen Lemma ist dadurch die Position von f (p) eindeutig festgelegt. t u 1.2 Orthogonale Abbildungen Bisher haben wir eine Isometrie allein durch ihre geometrische Eigenschaft der Abstandserhaltung charakterisiert. Wir wollen nun sehen, durch welche algebraischen Operationen sie sich ausdrücken lassen. Hierzu betrachten wir zunächst Isometrien, die den Koordinatenursprung 0 = (0, 0) fest lassen. Es stellt sich heraus, dass derartige Abbildungen exakt durch lineare Abbildungen mit orthogonalen 2 ⇥ 2 Matrizen gegeben sind. Dies sind Matrizen deren Spaltenvetoren senkrecht aufeinander stehen (daher der Name) und die Länge 1 haben. Man kann diese beiden Eigenschaften sehr kompakt durch die Matrienzengleichung AT A = E ausdrücken. Definition 16.2. Eine quadratische Matrix A heißt orthogonal, falls gilt AT A = E. Theorem 16.2. Orthogonale Abbildungen sind Isometrien. Beweis. Da Abstände immer positiv sind, reicht es aus, die Gleichheit für die Abstandsquadrate zu zeigen. Ist f (p) = Ap mit AT A = E ergibt sich die Rechnung Schritt für Schritt als: |p1 , p2 |2 = = = = = = = = hp1 p2 , p1 p2 i (p1 p2 )T · (p1 p2 ) (p1 p2 )T · E · (p1 p2 ) (p1 p2 )T · AT A · (p1 p2 ) (A · (p1 p2 ))T · (A · (p1 p2 )) (Ap1 Ap2 )T · (Ap1 Ap2 ) hAp1 Ap2 , Ap1 Ap2 i |Ap1 , Ap2 |2 1 Transformationen 265 Das beweist die Behauptung T t u Die Gleichung A A = E charakterisiert eine orthoganale Matrix durch eine implizite Eigenschaft. Wir wollen nun für 2 ⇥ 2 Matrizen eine Form angeben, die diese durch explizite geometrische charakterisiert. ✓ Parameter ◆ ac Betrachten wir eine quadratische Matrix A = so bedingt die Orthobd gonalitätsgleichung ✓ ◆✓ ◆ ✓ ◆ ab ac 10 = cd bd 01 dass die folgenden drei Gleichungen in den Parametern erfüllt sind a2 + b2 = 1; c2 + d2 = 1; ac + bd = 0. Die ersten beiden Gleichungen besagen, dass die Spalten der Matrix A Vektoren auf dem Einheitskreis sind. Die dritte Gleichung bedeutet, dass (a, b)T ein Vielfaches von ( d, c)T ist. Ist also die Spalte (a, b)T = (cos(↵), sin(↵))T (genau dies sind die Vektoren auf dem Einheitskreis) so muss die zweite Spalte von der Form (c, d)T = ( sin(↵) · , cos(↵) · )T sein, damit die Bedingung ac + bd = 0. erfüllt ist. Die einzigen -Werte für die (c, d)T wieder auf dem Einheitskreis liegt sind = +1 und = 1. Wir erhalten also Theorem 16.3. Eine orthogonale 2 ⇥ 2 Matrix A hat eine der Formen ✓ ◆ ✓ ◆ + cos(↵) sin(↵) + cos(↵) + sin(↵) A= oder A = . + sin(↵) + cos(↵) + sin(↵) cos(↵) Bedenkt man, dass die Spalten der Matrix den Bildern der Einheitsvektoren e1 = (1, 0) und e2 = (0, 1) entsprechen, so stellt man fest dass die Orthogonalen Abbildungen es gestatten, die drei Punkte 0, e1 , e2 so abzubilden, dass 0 ein Fixpunkt ist und die Abbildung dabei gleichzeitig längenerhaltend ist. Hierbei entspricht die Matrix vom ersten Typ einer Drehung um den Winkel ↵ (die Einheitsvektoren werden orientierungserhaltend abgebildet). Bei der zweiten Matrix liegt eine orientierungsumkehrende Abbildung vor. Diese stellt eine Spiegelung dar (Spiegelungen sind ja auch längenerhaltend). Man kann leicht nachrechnen, dass die Spiegelachse dabei einen Winkel von ↵/2 mit der x-Achse des Koordinatensystems bildet. Kombinieren wir Theorem 16.1 mit 16.2 sehen wir: Theorem 16.4. Eine Isometrie die den Koordinatenursprung 0 festlässt ist immer einer orthogonale Abbildung. Beweis. Eine Isometrie f ist durch das Bild der drei Punkte 0, e1 , e2 eindeutig festgelegt. Gilt zusätzlich f (0) = 0, so müssend die Bilder f (e1 ) und f (e2 ) auf dem Einheitskreis liegen (der Abstand zu 0 muss ja gleich bleiben). Da auch |f (e1 ), f (e2 )| = |e1 , e2 | gelten muss wird das Dreieck mit Eckpunkten 266 16 Unendliche Symmetrien 0, e1 , e2 auf ein dazu deckungsgleiches abgebildet. Somit stehen die Bildvektoren f (e1 ) und f (e2 ) senkrecht aufeinander. Eine Abbildung mit genau dieser Eigenschaft ist die orthogonale Abbildung p 7! Ap bei der die Spalten von A als f (e1 ) und f (e2 ) gewählt wurden. Diese ist wegen Theorem 16.2 eine Isometrie. Wegen Theorem 16.1 ist dies die einzige Isometrie mit dieser Eigenschaft. t u 1.3 Affine Isometrien Um allgemeine Isometrien mit Begri↵en der Linearen Algebra zu beschreiben müssen wir nun lediglich noch untersuchen, was passiert wenn, der Nullpunkt nicht festbleibt. Hierzu betrachten wir zunächst reine Translationen. Diese werden durch Addition eines Vektors dargestellt. Definition 16.3. Eine Translation der Ebene ist eine Abbildung f : R2 ! R2 mit p 7! p + t für einen gegebenen Vektor t. Man sieht sofort: Theorem 16.5. Translationen sind Isometrien. Beweis. |p1 , p2 |2 = hp1 p2 , p1 p2 i = h(p1 + t) (p2 + t), (p1 + t) = |p1 + t, p2 + t|2 (p2 + t)i t u Die Hintereinanderausführung zweier Isometrien ist wiederum eine Isometrie. Dies ermöglicht und eine beliebige Isometrie als Verkettung einer Translation und einer orthogonalen Abbildung ausdrücken. Theorem 16.6. Jede Isometrie f : R2 ! R2 lässt sich als p 7! Ap + t mit einer orthogonlaen 2 ⇥ 2 Matrix und t 2 R2 darstellen. Beweis. Es sei f : R2 ! R2 eine beliebige Isometrie. Wir setzen f 0 (p) := f (p) f (0). Dies ist als Hintereinanderausführung der Isometrie f und der Translation um f (0) wieder eine Isometrie. Zudem gilt f 0 (0) = f (0) f (0) = 0. Somit ist 0 Fixpunkt von f 0 . Nach Theorem 16.4 ist f 0 (p) eine orthogonale Abbildung p 7! Ap. Somit ist f (p) = Ap + f (0). t u Basierend auf diesem Theorem werden wir im Folgenden den Begri↵ der Isometrie synonym zu einer Transformation der Form p 7! Ap + t mit AT A = E verwenden. Da der Begri↵ der Isometrie durch Erhalt beliebiger Längen definiert ist, ist, wie bereits erwähnt, die Hintereinanderausführung von Isometrie wiederum eine Isometrie. Sind also f1 (p) = A1 p + t1 und f2 (p) = A2 p + t2 Isometrie so lässt sich deren Hintereinanderausführung 1 Transformationen 267 f2 (f1 (p)) wieder in der Form Ap + t schreiben. Eine einfache Rechnung ergibt: A2 (A1 p + t1 ) + t2 = A2 A1 p + A2 t1 + t2 also A = A2 A1 und t = A2 t1 + t2 . 1.4 Typen von Isometrien Wir wollen als nächstes untersuchen, welche prinzipiellen Arten von Isometrien in der Ebene es geben kann. Hierzu sollte man sich zunächst überlegen, wann zwei Operationen als prinzipiell verschieden anzusehen sind. Eine mögliche Art dies zu definieren, ist dass zwei Isometrien als äquivalent betrachtet, die durch isometrische Verschiebung des Koordinatensystems ineinander übergehen. Formal ausgedrückt bedeutet dies, dass zwei Isometrien A und B äquivalent sind, wenn es eine Isometrie X gibt mit A = X 1 BX. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass man sich die Ebene frei von einem Koordinatensystem aber dennoch mit einer Längenskaliserung ausgestattet vorstellen kann und Isometrien unabhängig von ihrer geoemtrischen Position und Richtung betrachtet. In diesem Sinne wären z.B. Alle Spiegelungen prinzipiell gleichwertig unabhängig von der konkreten Lage ihrer Spiegelachse. Ebenso wären alle Drehungen um einen vorgegebenen Winkel zueinander gleichwertig. Nicht aber zwei Drehungen mit unterschiedliche Winkel. Wir werden uns im Folgenden zunutze machen, dass wir bereits wissen, dass Isometrien sich als Operationen p 7! Ap + t mit orthogonaler Matrix A darstellen lassen. Das erste entscheidende charakterisierende Merkmal von Isometrien ergibt sich aus dem Vorzeichen der Determinante der beteiligten Matrix A. Gilt nämlich für zwei Matrizen A und B die Beziehung A = X 1 BX, so müssen diese wegen dem Determinantenmultiplikationssatz die gleiche Determinante haben: det(A) = det(X 1 BX) = det(X 1 ) det(B) det(X) = det(B). Nach Theorem 16.3 ergeben sich für die Determinanten orthogonaler Matrizen folgende beiden Möglichkeiten: ✓ ◆ + cos(↵) sin(↵) det = cos(↵)2 + sin(↵)2 = 1 + sin(↵) + cos(↵) und det ✓ + cos(↵) + sin(↵) + sin(↵) cos(↵) ◆ = cos(↵)2 sin(↵)2 = 1. Im ersten Fall erhält die Transformation den Drehsinn der Ebene. Im zweiten Fall kehrt sie ihn um. Wir behandeln beide Fälle getrennt und Klassifizieren die Abbildung jeweils nach der Struktur ihrer Fixpunkte. 268 16 Unendliche Symmetrien Reine Translationen: Angenommen wir haben ein Isometrie p 7! Ap + t bei der A die Identität ist. In diesem Fall haben wir es mit einer reinen Translation p 7! p + t zu tun. Ist t ungleich dem Nullvektor, so hat diese keinen einzigen Fixpunkt. Ist t selbst der Nullvektor, so ist die Abbildung die Identität und jeder Punkt der Ebene ist Fixpunkt. Drehungen: Im Fall, dass A nicht die Identität ist, liegt ein Fixpunkt vor wenn Ap + t = p. Umgeformt ergibt dies (A E)p = t, wobei E die Einheitsmatrix ist. Diese Gleichung hat genau dann eine eindeutige Lösung wenn A E invertierbar ist. Unter der Annahme das wir es mit dem Fall einer orientierungserhaltenden Transformation zu tun haben ergibt sich die Determinante von A E zu ✓ ◆ cos(↵) 1 sin(↵) det = cos(↵)2 2 cos(↵)+1+sin(↵)2 = 2 2 cos ↵ sin(↵) cos(↵) 1 Dieser Ausdruck kann lediglich für ↵ = 0 verschwinden. Somit ist A E sofern A nicht die Einheitsmatrix ist invertierbar und die Abbildung hat dann genau einen Fixpunkt. Isometrien mit genau einem Fixpunkt sind Rotationen um diesen Fixpunkt. Anmerkung 16.2. Die letze Aussage ist insofern in klein wenig überraschend, als dass wir allein aus den algebraischen Eigenschaften der Isometrie folgern können, dass wenn eine Isometrie orientierungserhaltend und keine Translation ist, es immer einen Fixpunkt (ein Drehzentrum) geben muss. Insbesondere ist z.B. die Verkettung einer Rotation und einer Translation wiederum eine Rotation (mit andern Drehzentrum). Im dreidimensionalen Raum ist das nicht mehr der Fall. Dort gibt es orientierungserhaltende Abbildungen, die weder Translationen noch Rotationen sind: die Schraubungen. Orientierungsumkehrende Abbildungen: Kommen wir nun zu den Transformationen mit det(A) = 1. Wir machen den gleichen Ansatz, um nach Fixpunkten zu suchen und erhalten wieder die Gleichung (A E)p = t. Wir betrachten, was bei Einsetzen der orientierungsumkehrenden Matrix A passiert. ✓ ◆ cos(↵) 1 sin(↵) det = cos(↵)2 + 1 sin(↵)2 = 1 1 = 0 sin(↵) cos(↵) 1 Die Matrix ist nicht invertierbar! Somit hängt die Existenz von Fixpunkten davon ab ob t im Bild von A E liegt. Ist dies der Fall, so erhalten wir eine ganze Gerade von Fixpunkten. Diese wird sich als Spiegelachse der Isometrie herausstellen. Andernfalls gibt es keine Fixpunkte und wir erhalten ein so genannte Gleitspiegelung. Die genau geometrische Bedeutung einer solchen Isometrie p 7! Ap + t mit mit det(A) = 1 lässt sich am übersichtlichsten untersuchen, wenn man alle Vektoren in einer Basis aus Eigenvektoren von A darstellt. 1 Transformationen 269 Hierzu betrachten wir zunächst wieder die Situation einer orientierungsumkehrenden Isometrie p 7! Ap bei der kein Verschiebevektor vorliegt, also einer Spiegelung deren Achse durch den Koordinatenursprung verläuft. Dies ist eine lineare Abbildung. Die Eigenvektoren der Matrix A sind die Vektoren, die durch p 7! Ap wieder auf Vielfache ihrer selbst abgebildet werden. Für die also Ap = p gilt. Da wir es hier mit Isometrie zu tun haben kommen für nur die Werte ±1 in Frage. Vektoren die auf der Spiegelachse liegen sind ja Fixpunkte und werden auf sich selbst abgebildet, somit sind sie Eigenvektoren zum Eigenwert = 1. Vektoren senkrecht zur Spiegelachse werden genau auf ihr Negatives abgebildet und sind somit Eigenvektoren zum Eigenwert = 1. Es sei im folgenden v1 6= 0 ein Vektor mit Av1 = v1 (also auf der Spiegelachse) und v2 6= 0 ein Vektor mit Av2 = v2 (also auf der Geraden durch 0 senkrecht zu Spiegelachse). Die beiden Vektoren stehen senkrecht aufeinander und bilden eine Basis des R2 . Nun betrachten wir wieder eine allgemeine Isometrie p 7! Ap + t mit genau der gleichen Matrix A. Wir können sowohl p als auch t bezüglich der Basis v1 , v2 darstellen. Es sei p = ↵1 v1 + ↵2 v2 und t = 1 v1 + 2 v2 . Die Abbildung p 7! Ap + t können wir dann wie folgt umformulieren: Ap + t = A(↵1 v1 + ↵2 v2 ) + ( = ↵1 v1 ↵2 v2 + = (↵1 + 1 )v1 1 v1 1 v1 + + ( ↵2 + + 2 v2 ) 2 v2 2 )v2 Ein Punkt p = ↵1 v1 + ↵2 v2 ist also ein ein Fixpunkt der Abbildung wenn ↵1 + 1 = ↵1 und ↵2 + 2 = ↵2 . Die erste Gleichung impliziert 1 = 0. Die zweite Gleichung impliziert ↵2 = 2 2 . In diesen Gleichungen liegt im Prinzip die ganze Interpretation orientierungsumkehrender Abbildungen enthalten. Spiegelungen: Zunächst beobachten wir, dass wir Fixpunkte nur dann erhalten, wenn 1 = 0 und somit t = 2 v2 ist. In diesem Fall ist t selbst ein Eigenvektor von A zum Eigenwert 1. Die Menge der Fixpunkte p ergibt sich dann als {↵1 v1 + 22 v2 | ↵1 2 R}. Dies ist eine Gerade parallel zum ersten Eigenvektor die genau um die Hälfte des Verschiebungsvektors t aus dem Ursprung herausgeschossen wurde. Diese Gerade aus Fixpunkten ist dann die Spiegelachse der durch Ap + t repräsentierten Spiegelung. 270 16 Unendliche Symmetrien Gehirngymnastik: Machen Sie sich klar, dass einer Isometrie die eine ganze Gerade als Fixpunkte hat nichts anders als eine Spiegelung sein kann. Gleitspiegelungen: Falls 1 6= 0 gilt, so können überhaupt keine Fixpunkte auftreten. Wir können dann Ap + t au↵assen als eine Spiegelung p 7! Ap + 2 v2 gefolgt von einer weiteren Verschiebung p 7! p + 1 v1 entlang der Richtung der Spiegelung. Eine Solche Operation nennt man eine Gleitspiegelung. Leider sind Gleitspiegelungen bei Weitem weniger bekannt als Rotationen, Verschiebungen und Spiegelungen. Vermutlich wissen viele Menschen gar nicht um ihre Existenz. Dabei müsste man sich lediglich das Muster der Fußabdrücke anschauen, die man bei einem geradlinigen Spaziergang am Strand hinterlässt. 2 Spiegel und Spieglungsgruppen Wir wollen uns nun zunächst verschiedenen Formen von Kaleidoskopen zuwenden. Mathematisch ausgedrückt, wollen wir uns dabei mit den so genannten Reflektionsgruppen beschäftigen. Dies sind Symmetriegruppen, die ausschließlich durch Spiegelungen erzeugt werden. 2.1 Gruppentheoretische Grundlagen Wir wollen dazu zunächst den Begri↵ der aus einer Menge von Isometrien erzeugten Gruppe etwas präzisieren. Es sei F = {f1 , f2 , . . . fk } eine Menge von Isometrien. Wir notieren die Verkettung fi (fj (p)) als (fi fj )(p). Fürs Erste beschränken wir uns auf den Fall ebener Isometrien R2 ! R2 . Die von einer Menge von Isometrie erzeugte Gruppe ist die Menge hF i := {f1 f2 f3 · · · fn | n 2 N; fi 2 F oder fi 1 2 F für alle i n}. Dies ist die Menge aller Isometrien die durch eine endliche Verkettung von Isometrien aus F oder ihrer Inversen entstehen können. Man prüft leicht nach, dass für beliebige Ausgangsmengen von Isometrien F die Menge hF i eine Gruppe bildet. Wie in den früheren Kapiteln definieren wir uns den Orbit eines Punktes p 2 R2 unter einer Gruppe G orbG (p) := {f (p) | f 2 G}. 2 Spiegel und Spieglungsgruppen 271 Diese Menge entspricht all den Möglichkeiten den Punkt p durch Abbildungen aus G transformieren. Haben wir es in F z.B. nur mit Spiegelungen zu tun, so liegen in orbhF i (p) alle Spiegelbilder von p aus Spiegelungen in F , ebenso die gespiegelten Spiegelbilder, und die gespiegelten gespiegelten Spiegelbilder und so weiter. Für eine Teilmenge T 2 R2 definieren notieren wir die Anwendung einer Isometrie f auf T als f (T ) := {f (p) | p 2 T }. Damit definieren wir den Orbit einer ganzen Teilmenge T ✓ R2 als als Vereinigung aller Bilder die durch iterierte Anwenden von Abbildungen aus G aus T entstehen können orbG (T ) := {f (T ) | f 2 G}. Der Orbit von T ist mit dieser Definition automatisch symmetrisch bezüglich jeder Transformation in G. Es gilt Theorem 16.7. Es sei G eine Gruppe von Isometrien der Ebene R2 und T ✓ R2 dann gilt für alle g 2 G g(orbG (T )) = orbG (T ) Beweis. Die Abbildung g ist eine Isometrie und damit insbesondere bijektiv. Wir müssen also zeigen dass für p 2 orbG (T ) automatisch p 2 g(orbG (T )) gilt. Ist p 2 orbG (T ) so gibt es in G eine Abbildung g 0 und ein p0 2 T mit g 0 (p0 ) = p. Somit ist auch q = g 1 (g 0 (p0 )) 2 orbG (T ). Somit ist g(q) 2 g(orbG (T )) und es gilt g(q) = g(g 1 (g 0 (p0 ))) = g 0 (p0 ) = p. t u Bei der von uns betrachteten aus Isometrien erzeugten Symmetriegruppen hF i ergibt sich also dass für eine beliebige Teilmenge T die Menge orbhF i (T ) symmetrisch bezüglich allen Symmetrien in hF i ist. 2.2 Gespiegelte Spiegelungen Wir kommen zum konkreten Fall in dem die Menge F = {r1 , r2 , . . . rk } eine endliche Menge von Spiegelungen ist. Jeder dieser Spiegelungen ri ist eine Spiegelachse li zugeordnet. Die gespiegelten Spiegelachsen sind nun wiederum Spiegelachsen von Symmetrien in hF i wie das folgende Theorem zeigt. Theorem 16.8. Es sei hF i die von Spieglungen F = {r1 , r2 , . . . rk } erzeugte Gruppe und es sei l eine eine Spiegelachse die zu einem ri gehört. Dann ist für beliebige Isometrie g 2 hF i die Gerade g(l) die Spiegelachse einer Spiegelung in hF i. Beweis. Es seinen die Voraussetzung wie im Theorem gegeben. Es sei r die zur Achse l gehörende Spiegelung. Wir betrachten die Abbildung s = g r 272 g 1 16 Unendliche Symmetrien . Zunächst bemerken wir dass s s = id. Dies ergibt sich direkt aus s s = (g r g 1 ) (g r g 1 )=g r r g 1 =g g 1 = id. Die Isometrie s ist also ihr eigenes Inverses. Ferner ist sie orientierungsumkehrend da r orientierungsumkehrend ist. Somit muss sie eine Spiegelung sein. Wir zeigen nun, dass g(l) die zugehörige Spiegelachse ist. Dazu müssen wir zeigen, dass s(p) = p für jeden Punkt p 2 g(l). Es sei also p 2 g(l). Somit gibt es ein p0 2 l mit p = g(p0 ). Es ergibt sich s(p) = s(g(p0 )) = (g r g 1 )(g(p0 )) = g(r(g Dies zeigt die Behauptung. 1 (g(p0 )))) = g(r(p0 )) = g(p0 ) = p. t u Die letzte Behauptung hat eine direkte physikalische Interpretation beim Blick in ein Kaleidoskop. Wenn man in ein Kaleidoskop schaut, sieht man ein unendliches Muster, dass sich aus vielen Spiegelungen ergibt. Hierbei sehen die gespiegelten Spiegel aus wie normale Spiegel. Die gespiegelten Spiegleachsen werden wiederum zu Spiegelachsen. Wir werden solche gesiegelten Spiegelachsen im Folgenden manchmal auch als virtuelle Spiegelachsen bezeichnen. 2.3 Der Zoo der Kaleidoskope Welche Anordnungen von Spiegeln ergeben nun sinnvolle Kaleidoskope? Hierzu müssen wir zunächst einmal definieren, was sinnvoll überhaupt heißen soll. Wir haben gesehen, dass bei der von Spiegelungen F = {r1 , r2 , . . . rk } erzeugten Gruppe hF i die Bilder der Spiegelachsen aus F wiederum virtuelle Spiegelachsen sind. Wir sind nun im Folgenden an solchen Anordnungen von Spiegeln interessiert, bei denen die so entstehende Menge von (virtuellen) Spiegelachsen nicht die ganze Ebene gleich dicht überdeckt (wie wir gleich sehen werden, kann dies schneller passieren als man vielleicht erwartet). Man nennt solche Spieglungsgruppen auch diskret. Es sei also T die Vereinigung aller Spiegelachsen von Elementen aus F (also die Position der ursprünglichen Spiegel, die die Symmetriegruppe hF i erzeugen). Die Vereinigung aller durch iterierte Reflektion entstehenden Spiegelachsen erhalten wir als orbhF i (T ). Nach Theorem 16.7 ist die so entstehende Menge von Geraden symmetrisch unter den Operationen von hF i. Insbesondere geht diese Vereinigung von Geraden unter allen in hF i enthaltenen Spiegelungen in sich selbst über. Die Frage nach sinnvollen Kaleidoskopen ist somit zur Frage nach der Existenz von Geraden Arrangements geworden, die unter Spiegelung an jeder der beteiligten Geraden in sich selbst über gehen. Diese Forderung ist überaus restriktiv und es gibt in der Tat nur acht prinzipiell verschiedene Möglichkeiten wie ein solches Arrangement von Spiegelgeraden erzeugt werden kann. Wir wollen diese hier der Reihe nach aufzählen. Der Übersichtlichkeit halber 2 Spiegel und Spieglungsgruppen 273 wollen wir dabei nach der Anzahl von erzeugenden Spiegeln sortieren. Im Indizes zu sparen werden wir im Folgenden die erzeugenden Spiegelungen mit A, B, C, D, . . . bezeichnen. Die zugehörigen Spiegelachsen sind dann lA , lB , lC , lD , . . .. Ein Spiegel: Die Situation, wenn F = {A} nur aus einer Spieglung entlang der Achse lA besteht, ist relativ übersichtlich. Da A2 = id gilt besteht die Menge hF i lediglich aus zwei Elementen A und id. Somit hat ein Punkt p einen Orbit der maximal aus zwei Elementen besteht. Zwei Spiegel: Wir betrachten nun den Fall bei dem F = {A, B} aus genau zwei unterschiedlichen Spiegelungen besteht. Zunächst ein paar prinzipielle Überlegungen zur entstehenden Gruppe. Da sowohl A als auch B Spiegelungen sind, sind diese jeweils ihr eigenes Inverses und es gilt A A = id und B B = id. Wir schreiben im Folgenden der Einfachheit halber AB := A B für die Hintereinanderausführung zweier Abbildungen. In h{A, B}i liegen also alle Transformationen die sich durch fortgesetzte Hintereinanderausführung von A und B erzeugen lassen. Wegen A2 = B 2 = id kann man in solchen Verkettungen o.B.d.A annehmen, dass die beiden Buchstaben sich immer abwechseln, da die Hintereinanderausführung der gleichen Spiegelung sich “wegkürzen” würde. Die Gruppe h{A, B}i besteht also aus den Operationen id, A, B, AB, BA, ABA, BAB, ABAB, BABA, ABABA, BABAB, . . . Hierbei sind Operationen mit einer geraden Anzahl von Buchstaben jeweils orientierungserhaltend. Operationen mit einer ungeraden Anzahl von Spiegelungen sind orientierungsumkehrend. Nun wollen wir die Geometrie der möglichen Anordnungen studieren. Zunächst gilt es zwei mögliche Fälle zu unterscheiden. Die Spiegelachsen schieden sich, oder auch nicht. Im ersteren Fall haben wir also als erzeugende zwei parallele Spiegelachsen lA und lB . Fortgesetzte iterierte Spiegelung erzeugt eine Schar paralleler Spiegelachsen; alle mit gleichem Abstand t. Hierbei entspricht die Operation AB genau einer Translation senkrecht zu den Spiegelachsen um die Verschiebungslänge 2t. Wenn sich die Achsen der beiden erzeugenden Spiegelungen schneiden, so ist der Schnittpunkt s der beiden Achsen ein Fixpunkt sowohl von A als auch von B. Er muss somit unter allen Isometrie in h{A, B}i fest bleiben. Dies bedeutet dass auch alle virtuellen Spiegelgeraden durch s verlaufen müssen. Wir suchen also Arrangements von Geraden, durch s derart 274 16 Unendliche Symmetrien dass das gesamte Arrangement durch Spiegelung an jeder der Geraden in sich selbst übergeht. Wir haben in Theorem 16.7 gesehen, dass das Arrangement aller Spiegelungsachsen symmetrisch bezüglich allen Operationen in h{A, B}i ist. Somit müssen in dem entstehenden Arrangement alle Geraden eine vollkommen gleichberechtigte Rolle Spielen. Sollen, so wie wir gefordert haben, die Spiegelachsen die Ebene nicht dicht überdecken, so besteht die einzige Möglichkeit darin, dass die Spiegelachsen um den Punkt s herum die Ebene in vollkommen gleichmäßige “Tortenstücke” zerschneiden. Damit dies möglich ist, muss der Eckwinkel eines solchen Tortenstücks ein von eins verschiedener Teiler von 180 sein. Um die Gruppe zu studieren, müssen wir also den kleinsten auftretenden Winkel zwischen zwei realen oder virtuellen Spiegelachsen bestimmen, dieser muss ein Teiler von 180 sein. Also einer der Winkel 90 , 60 , 45 , 36 , 30 , . . .. Für den Winkel zwischen den Spiegelachsen lA und lB der erzeugenden Spiegel bedeutet dies, dass dieser ein rationales Vielfaches von 180 sein muss. (Es ist hierbei klug den Fall ganzzahliger Vielfacher auszuschließen, da dann die beiden Spiegel zusammen fallen). Ist der Winkel kein rationales Vielfaches, so kann man für beliebig kleine Winkel virtuelle Spiegelachsen Finden die diesen Winkel einschließen, wodurch die Geraden die Ebene dicht überdecken. Noch eine wichtige Bemerkung zur Geometrie von Spieglungsgruppen die dem “Tortenstückchen- Muster” folgen. Wir können o.B.d.A. annehmen, dass zwei Begrenzungslinien eines Tortenstückchens die beiden Achsen der erzeugenden Spiegelungen A, B sind. Es sei ↵ = 180 für ein k 2 {2, 3, 4, . . .} k der entsprechende Winkel. In diesem Fall ist die Hintereinanderausführung AB eine Drehung um den doppelten zwischen den Achsen eingeschlossenen Winkel,also 2↵. Dieser ist ein Teiler von 360 . Nach k-malignem Ausführung dieser Drehung erhält man die Identität. Die erzeugte Spiegelungsgruppe ist dadurch endlich und besteht genau aus 2k Elemente. Die Hälfte davon sind Drehungen, die andere Hälfte sind Spiegelungen. , , , , , ,... Drei oder mehr Spiegel: Wir kommen nun zum Fall von mindestens drei erzeugenden Spiegelungen A, B, C, D, . . .. Wir betrachten nun nur Fälle in denen nicht bereits alle Spiegelachsen durch einen gemeinsamen Punkt laufen, da dieser letztlich wieder auf den gerade eben betrachteten Tortenstückchenfall zurück zu führen ist. Wir können also annehmen, dass unser Geradenarrangement A der realen und virtuellen Spiegelungen mehrere Schnittpunkte hat. Wir werden gleich sehen dass es für diese Situation nur fünf weitere prinzipielle Möglichkeiten gibt. Wenn die Geraden die Ebene nicht dicht überdecken so zerlegt das geradenarrangement A die Ebene R2 in viele Zellen, wir nennen diese im Folgenden Fundamentalzellen. Der Name begründet sich daher, dass die Form 2 Spiegel und Spieglungsgruppen 275 eins Muster welches die Symmetrie einer Reflektionsgruppe hat innerhalb der Fundamentalzelle ganz frei gestaltet werden kann. Der Rest des Musters ergibt sich aber vollkommen aus Anwendung der Symmetrieoperationen. Die Fundamentalzelle ist also der einzige Bereich in dem man nach Wahl einer Reflektionsgruppe Gestaltungsfreiheit hat. Jede dieser Fundamentalzellen ist durch Geraden begrenzt. Da jeder der Geraden in A eine Spiegelachse des Arrangements ist, muss jede Zelle spiegelsymmetrisch zu all ihren Nachbarzellen sein. Mit diesem Argument kann man von einer Zelle zur nächsten Wandern und stellt fest, dass alle deckungsgleich sein müssen. Das Arrangement A muss also die Ebene in viele Deckungsgleiche Zellen zerlegen. Ferner beobachten wir, das in der lokalen Umgebung eines Schnittpunktes von Geraden in A Die eingeschlossenen Winkel wiederum alle gleich groß und damit von Teiler von 180 sein müssen. Wobei 180 selbst ausgeschlossen ist, da in diesem Fall kein Echter Schnittpunkt vorliegt. Die Eckenwinkel der Zellen sind also wieder aus vom Typ 90 , 60 , 45 , 36 , 30 , . . .. Den ersten Fall erhalten wir wenn wir ein Arrangement betrachten dass aus zwei Parallelen Spiegeln A und B und einem weiteren dazu senkrechten Spiegel C besteht. In diesem Fall sind alle Zellen nach einer Seite hin unbegrenzte Rechteckige Streifen. Diese Streifen haben 2 Winkel á 90 eine endliche Kante und zwei unendliche Kanten. Dies ist der einzige Fall, in dem bei drei erzeugenden Spiegeln eine unendlich große Zelle auftritt (An dieser Stelle sollte man sich erinnern, dass die Zellen in allen bisher betrachteten Anordnungen von Spiegeln alle unendlich groß waren). Die verbleibenden Möglichkeiten für Zellen haben endliche Flächeninhalt und müssen somit Polygone in der Ebene sein. Betrachten wir zunächst den Fall von Dreieckigen Zellen. Die Winkelsumme im Dreieck ist immer 180 . Sie setzt sich aus den drei Eckenwinkeln zusammen, die ja jeweils Teiler von 180 sein müssen. Man prüft leicht nach, dass die einzigen Kombinationsmöglichkeiten, die sich dafür ergeben, die aus der folgenden Liste sind (60 , 60 , 60 ); (90 , 60 , 30 ); (90 , 45 , 45 ). In der Tat führt auch jede dieser Zellen zu einem zulässigen Arrangement von Spiegeln. Versieht man die Seiten eines solches Dreiecks mit Spiegeln, so ergibt sich auch ein Kaleidoskop, dass die entsprechende Spiegelungsgruppe erzeugt. Der Fall (60 , 60 , 60 ) entspricht dabei dem typischen Kaleidoskop aus Kindertagen. 276 16 Unendliche Symmetrien Falls die Fundamentalzelle ein Viereck ist, stellt sich heraus, dass die einzige Möglichkeit dies mit zulässigen Eckenwinkeln, zu Formen die Kombination (90 , 90 , 90 , 90 ) ist. Es entsteht auch eine Spieglungsgruppe wenn man die Seiten eines Rechtecks mit Spiegeln versieht (jeder der einmal ein einem voll verspiegelten Kaufhausaufzug stand, kennt diesen E↵ekt). Unsere Aufzählung von diskreten ebenen Spieglungsgruppen kommt an dieser Stelle zu einem Ende, da ein nEck mit n > 4 immer mindestens einen Winkel größer als 90 enthält, was in unserer Situation ja nicht zulässig ist. Zusammenfassend erhalten wir die folgenden diskreten Spiegelungsgruppen: • Eine erzeugende Spieglung A: Zwei Zellen die jeweils Halbebenen sind. • Zwei parallele Erzeugende A, B: Alle Spiegelgeraden sind parallel, Alle Zellen unendliche Streifen. • Zwei sich schneidende Erzeugende A, B: Alle Spiegelgeaden gehen durch einen Punkt. Die Zellen sind unendliche Keile deren Spitze ein Teiler von 180 sein muss. Die Spieglungsgruppe ist in dem Fall endlich. • Zwei parallele Erzeugende A, B und eine dazu senkrechte dritte Erzeugende C: Die Zellen sind halb-unendliche rechteckige Streifen. • Drei Erzeugende A, B, C, die die Seiten eines Dreiecks aus obiger Liste bilden: Die Zellen sind Dreiecke. • Vier Erzeugende A, B, C, D, die die Seiten eines Rechtecks bilden: Die Zellen sind Rechtecke. 3 Kaleidoskope im Raum Wir wollen uns als Nächstes daran machen, Spieglungsgruppen im Raum R3 zu betrachten. Hierbei sind die Reflektionen Spiegelungen an einer ganzen Ebene. Wieder sind wir an diskreten Spiegelungsgruppen interessiert, bei denen die entstehenden virtuellen Spiegelebenen den Raum nicht vollständig dicht überdecken. 3 Kaleidoskope im Raum 277 3.1 Analogien zur ebenen Situation Vieles können ist hier analog zu zur Situation im 2-dimensionalen, die wir im vorherigen Abschnitt betrachtet haben. Gegeben sei eine Menge F = {r1 , r2 , r3 , . . .} von räumlichen Spiegeln mit zugehörigen Spiegelebenen h1 , h2 , h3 , . . .. Wir betrachten die von diesen Spiegelungen erzeugte Gruppe hF i. Wie im ebenen Fall werden beliebige Bilder g(hi ); g 2 hF i virtuelle Spiegelebenen von Spiegelugnen in hF i sein. Folgende Tatsachen können wir aus dem ebenen Fall einfach übertragen • Das Arrangement A aller Spiegelbenen ist ein Ebenenarrangement, das bei Spiegelung an jeder der enthaltenen Ebenen in sich selbst übergeht. • Schneiden sich zwei Spiegelebenen (egal ob virtuell oder aus F ), so muss der engeschlossene kleinere Winkel von der Form 180 für k 2 k {2, 3, 4, 5, 6, . . .} sein. • Alle durch das Arrangement ausgeschnittenen Zellen müssen deckungsgleich sein und werden durch Spiegelebenen begrenzt Wir wollen im Folgenden betrachten welche Möglichkeiten für solche Arrangements in Frage kommen. 3.2 Situationen die aus ebenen Kaleidoskopen entstehen Zunächst können wir aus jeder der ebenen Spieglungsgruppen, die wir gerade vorher studiert haben auf drei verschiedene Arten unmittelbar eine räumliche Spieglungsgruppe machen. Wir wollen dies ohne all zu sehr auf Details einzugehen, hier kurz skizzieren. Dazu stellt man sich die Ebene R2 als Teilraum des R3 vor. Wir identifizieren sie der Einfachheit halber mir der xy-Ebene E. Nun nehmen wir eine Spieglungsgruppe des R2 und errichten durch die erzeugenden Spiegelgeraden jetzt Spiegelebenen die senkrecht auf E stehen. Die so entständen Spiegelebenen erzeugen eine räumliche Spieglungsgruppe die isomorph zu der entsprechenden ebenen Gruppe ist. Die Fundamentalzellen sind dabei beidseitig unendliche Zylinder über den Fundamentalzellen der ebenen Gruppe. Zu jede der virtuellen Spiegelgeraden der Ebene gehört eine entsprechende darauf senkrecht stehende Räumliche Spiegelebene. Man kann sich diese Konstruktion auch sehr plastisch vorstellen, indem man die Ebene Gruppe auf eine Tischplatte malt und senkrecht auf die erzeugenden Spiegelgeraden Spiegel stellt. Zu dieser Grundkonstruktion gibt es jetzt noch zwei Variationen. Zum einen kann man senkrecht zu allen bisherigen Ebenen eine weitere Spiegelebene einziehen (z.B. die xy-Ebene E). Diese steht dann senkrecht auf allen bisherigen realen und virtuellen Speigelebenen. Es entsteht dabei wieder eine diskrete Spieglungsgruppe. Die Fundamentalzellen sind nun einseitig unbegrenzte Zylinder (halb-Prismen) über den Fundamentalzellen der Ebene. Eine dritte Variante ergibt sich, wenn man statt nur einer Ebene noch eine Weitere Spiegelebene parallel zu E einzieht. Diese erzeugt dann gemeinsam mit 278 16 Unendliche Symmetrien E eine ganze Schar vom parallelen Spiegelebenen. Nun sind die entstehenden Fundamentalzellen endlich. Es sind Prismen über den Fundamentalzellen der zu Grunde liegenden ebenen Spieglungsgruppe. Wenngleich die hier beschriebene Klasse von Spieglungsgruppen noch nicht viel fundamental Neues im vergleich zum Zweidimensionalen bringt, gibt es darin doch einige interessante Vertreter. Darunter ist z.B. die Spieglungsgruppe, die sich ergibt wenn man die Seiten eines Würfels als Spiegelebenen hernimmt. Man stelle sich dazu vor man verspiegelt die Innenseiten eines Würfels hinreichend großen Würfels und lässt sich in diese Kiste einsperren. Hat man nicht vergessen eine Taschenlampe mit zu nehmen bietet dieses Szenario eine Beeindruckende Sicht in die Dreidimensionale Unendlichkeit. 3.3 Ebenen durch einen Punkt Als nächstes wollen wir uns Spiegelungsgruppen anschauen, die Von drei Ebenen erzeugt werden, die durch einen Punkt laufen aber dennoch keine Achse gemeinsam haben. Wiederum müssen die drei Ebenen die Eigenschaft erfüllen, dass für jeweils zwei Ebenen der kleinere der eingeschlossenen Winkel ein Teiler von 180 ist. Es sei s der Schnittpunkt der drei Ebenen. Um die Situation ein wenig übersichtlicher zu machen betrachten wir eine Kugel mit Radius 1 um den Mittelpunkt s und schneiden die Spiegelebenen mit der Oberfläche dieser Kugel. Die Schnitte der Ebenen mit der Kugel werden zu Großkreisen (Kreise mit maximalem Durchmesser) auf der Kugel und die Winkel werden zu sphärischen Winkeln auf dieser Kugel. Wir suchen also auf einer solche Kugel Sphärische Dreiecke, bei denen jeder der Winkel ein Teiler von 180 ist. Wir wollen an dieser Stelle zur mathematisch etwas weniger willkürlichen Längenmessung in Radian übergehen, bei denen Winkel durch 3 Kaleidoskope im Raum 279 das entsprechende Umfangsstück auf einem Einheitskreis gemessen werden. Somit entsprechen 180 die Zahl ⇡. Unsere sphärischen Winkel müssen somit von der Form ⇡/k für k 2 {2, 3, 4, 5, . . .} sein. Der Übergang zur Winkelmessung in Radian ist deswegen sinnvoll, weil wir jetzt auf einen schönen und überaus wichtigen Satz der sphärischen Geometrie zurückgreifen können: Theorem 16.9. Es seien ↵, , die Innenwinkel eines sphärischen Dreiecks auf der Einheitskugel. Dann ist dessen Flächeninhalt gleich ↵ + + ⇡. Wir wollen diesen Satz hier ohne Beweis verwenden. Da die Fläche des Dreiecks nicht negativ werden kann muss insbesondere die Winkelsumme des sphärischen Dreiecks größer als ⇡ sein (im krassen Gegensatz zu Euklidischen Dreiecken, wo sie immer genau gleich ⇡ ist). Wir suchen also Zahlen a, b, c 2 {2, 3, 4, 5, . . .} mit der Eigenschaft. ⇡ ⇡ ⇡ + + > ⇡, a b c oder, was da selbe ist 1 1 1 + + > 1. a b c Die Zahlen a, b, c dürfen dazu nicht alle gleichzeitig zu klein werden. Die Fälle lassen sich leicht enumerieren. Zunächst betrachten wir den Fall a = b = 2. In diesem Fall ist bereits a1 + 1b = 1 und die Zahl c kann ganz beliebig gewählt werden. Übersetzt in Spieglungsgruppen entspricht dies der folgenden Situation. Der Winkel ⇡c ist der eingeschlossene Winkel zwischen zwei Ebenen und die dritte Ebene steht mit Winkel ⇡/2, also senkrecht, auf diesen beiden Ebenen. Dieser Fall wurde schon durch unsere Überlegungen im letzten Abschnitt abgedeckt. Nun müssen also mindestens zwei der Zahlen a, b, c größer als 2 sein. Man prüft leicht nach, dass die einzigen zulässigen Wahlen für a, b, c bis auf Permutation durch die folgenden Werte gegeben sind (2, 3, 3), (2, 3, 4) (2, 3, 5). In Grad ausgedrückt entspricht dies den Winkeltripeln, (90 , 60 , 60 ); (90 , 60 , 45 ); (90 , 60 , 36 ). Für genau diese Werte erhalten wir also zusätzliche Räumliche Spieglungsgruppen, bei denen alle drei Spiegelebenen durch einen Punkt gehen. Dies sind dann sogar endliche Symmetriegruppen. Wir können die Größe der Symmetriegruppe einfach dadurch ausrechnen, dass wir die Größe der gesamten Kugeloberfläche mit der des erzeugten Sphärischen Dreiecks vergleichen. Die Gesamte Oberfläche der Einheitskugel beträgt S = 4⇡. Die Flächen der drei eben betrachteten Dreiecke ergeben sich zu Dreiecke 280 16 Unendliche Symmetrien ⇡ ⇡ ⇡ + + 2 3 3 ⇡ ⇡ ⇡ = + + 2 3 4 ⇡ ⇡ ⇡ = + + 2 3 5 FT = FW FD ⇡ , 6 ⇡ ⇡= , 12 ⇡ ⇡= . 30 ⇡= Vergleicht man diese mit dem Flächeninhalt der Einheitskugel, so ergibt sich S/FT = 24, S/FW = 48, S/FD = 120. Es ist kein Zufall, dass wir die Flächeninhalte mit T , W und D indiziert haben, denn die Anzahl der Elemente sind genau die Größen der Symmetriegruppen von Tetraeder, Würfel/Oktaeder und Dodekaeder/Ikosaeder, die wir im letzten Kapitel beschrieben haben. Und in der Tat stellen sich die hier entstandenen Reflektionsgruppen als die Symmetriegruppen der Platonischen Körper heraus. Die nachfolgende Abbildung setzt das Icosaeder und das Dodekaeder zu den Spiegelungsgruppen vom Typ (90 , 60 , 36 ) in Beziehung. Auf der Kugel sind ist Unterteilung in Fundamentalbereiche zu sehen. Jeder Großkreis der aus Kanten dieser Unterteilung gebildet wird liegt auf einer Spiegelebene des Platonischen Körpers. Die Folgende Abbildung zeigt einen Blick in ein reales Kaleidoskop welches mit diesen Winkeln gefertigt wurde. Als gespiegeltes Objekt entsteht ein ku- 3 Kaleidoskope im Raum 281 geliger Ball mit einem Muster in voller Dodekaedersymmetrie. 3.4 Tetraeder Zellen Es verbleiben Spieglungsgruppen, die aus mindestens vier Spiegelungen erzeugt werden, die nicht alle durch einen Punkt laufen. Es stellt sich heraus (wir wollen dies hier nicht explizit zeigen), dass der einzig relevante Fall der in unseren bisherigen Beispielen noch nicht enthalten ist, der ist, bei dem die Spiegelebenen durch die Seitenflächen eines (nicht regulären) Tetraeders laufen. Gesucht ist also ein Tetraeder bei dem die sechs Winkel, die zwischen benachbarten Flächen entstehen, wieder von der Form 180 k mit k 2 2, 3, 4, . . . sind. Die Suche nach einem derartigen Objekt ist analog zur Suche nach Dreiecken deren Innenwinkel Teiler von 180 sind im Zweidimensionalen. Diese hat uns im letzten Kapitel zur Aufzählung der möglichen Symmetriegruppen geführt. Im zweidimensionalen Fall hat uns die Eigenschaft geholfen, das die Summe der Innenwinkel im Dreieck stets 180 beträgt. Eine entsprechend einfache Aussage gibt es für die Kanteninnenwinkel eines Tetraeders nicht. Dennoch lässt sich, wenn fünf dieser Winkel bekannt sind, der sechste daraus berechnen. Wir wollen als nächstes diesen Zusammenhang der Kantenwinkel im Tetraeder herleiten. Hierzu muss man wieder ein paar Überlegungen aus der Linearen Algebra anwenden. Wir brauchen zwei Zutaten. Die erste Zutat ist die Berechnung des Winkels ↵ zwischen zwei Vektoren v und w. Aus der Linearen Algebra kennt man folgenden Zusammenhang: cos(↵) = p hv, wi ||v|| · ||w|| . Sind insbesondere v und w Vektoren der Länge 1, so vereinfacht sich die Formel zu 282 16 Unendliche Symmetrien cos(↵) = hv, wi. Die zweite Zutat, die wir brauchen, ist der folgende nützlichen Satz (den man nicht unbedingt in der Lineare Algebra Vorlesung lernt) Theorem 16.10. Seien v1 , v2 , . . . , vk Vektoren im Rn und A = (v1 , v2 , . . . , vk ) die n ⇥ k Matrix, die aus diesen Vektoren als Spalten gebildet wird. Die k ⇥ k Matrix AT A ist genau dann invertierbar, wenn die Vektoren linear unabhängig sind. Beweis. Nehmen wir zunächst an, dass die v1 , . . . , vk linear unabhängig sind. Wir zeigen die Invertierbarkeit von AT A. Hierzu führen wir die Annahmen das w 2 Rd einvom Nullvektor verschiedenes Element im Kern von AT A sei zu einem Widerspruch. Wenn dies nämlich so wäre, dann wäre AT A · w = 0. Somit wäre wT · AT A · w = 0. Dies läßt sich als Skalarprodukt hAw, Awi = 0 schreiben, was Aw = 0 zur Folge hat. Dies bedeutet aber dass die Spalten von A linear abhängig sind. Widerspruch! Seien umgekehrt die v1 , . . . , vk linear abhängig. Dann existiert ein vom Nullvektor verschiedener Vektor w mit Aw = 0. Somit gilt AT A · w = 0, was bedeutet, das AT A nicht invertierbar sein kann. t u Wir betrachten nun ein Tetraeder dessen Seitenflächen von den Ebenen h1 , h2 , h3 , h4 gebildet werden. Welchen Winkel zwei dieser Ebenen zueinander bilden, hängt ausschließlich von deren Richtung ab und ändert sich bei Parallelverschiebung einer Ebene nicht. Die Kantenwinkel können also allein aus den Normalenvektoren der Ebenen berechnet werden. Es seien nun v1 , v2 , v3 , v4 die vier Normalenvektoren, zu den Ebenen, die aus dem Tetraeder heraus zeigen. Wie man leicht einsieht, ist der Winkel zwischen zwei dieser Normalenvktoren vi , vj genau der Gegenwinkel des Kantenwinkels ↵i,j der entsprechenden Ebenen hi , hj (TODO: siehe Zeichnung). Es gilt also cos(180 ↵i,j ) = cos(↵i,j ) = hvi , vj i. Wir betrachten nun die Matrix A = (v1 , v2 , v3 , v4 ). Vier dreidimensionale Vektoren sind immer linear unabhängig und die 4 ⇥ 4 Matrix M = AT A hat somit eine verschwindende Determinante. In dieser Matrix stehen aber genau die Skalarprodukte hvi , vj i zwischen den Vektoren. Es gilt also 0 1 1 hv1 , v2 i hv1 , v3 i hv1 , v4 i Bhv1 , v2 i 1 hv2 , v3 i hv2 , v4 iC C. 0 = det B @hv1 , v3 i hv2 , v3 i 1 hv3 , v4 iA hv1 , v4 i hv2 , v4 i hv3 , v4 i 1 Ersetzt man in diesem Ausdruck die Skalerprodukte durch die entsprechenden Cosinus-ausdrücke ergibt sich: 3 Kaleidoskope im Raum 283 0 1 B cos(↵1,2 ) B 0 = det @ cos(↵1,3 ) cos(↵1,4 ) cos(↵1,2 ) 1 cos(↵2,3 ) cos(↵2,4 ) cos(↵1,3 ) cos(↵2,3 ) 1 cos(↵3,4 ) 1 cos(↵1,4 ) cos(↵2,4 )C C. cos(↵3,4 )A 1 Das Verschwinden der letzten Determinante ist eine rein algebraische Bedingung. Diese ist zwar nicht hinreichend, denn jeder Kantenwinkel kann durch sein Negatives ersetzt werden, ohne das Verschwinden der Determinante zu beeinträchtigen, muss aber notwendig von den Innenwinkeln eines Tetraeders erfüllt sein. Was bringt uns dies nun für die Bestimmung von Tetraedern die sich als Fundamentalzellen für dreidimensionale Kaleidoskope eignen? Wir wissen die Winkel müssen Teiler von 180 sein. Somit kann man für jede erdenkliche Kombination von Winkeln der Form 180 k ; k 2 {2, 3, 4, 5, . . .} durchtesten, ob sie die obige algebraische Bedingung erfüllt. Je nach Geschmack, kann man dies durch eine systematische Analyse der Möglichkeiten tun, oder einfach ein Computerprogramm schreiben, dass der Reihe nach alle Möglichkeiten durchprobiert. Wir sind hier nur am Ergebnis interessiert. Bis auf Permutationen, die sich durch vertauschen der Indizes der Flächen ergeben erfüllen lediglich drei Winkelkombinationen die obige algebraische Bedingung: ↵1,2 90 90 90 ↵1,3 90 90 60 ↵1,4 60 45 60 ↵2,3 90 45 60 ↵2,4 60 90 60 ↵3,4 45 60 90 Dies sind die einzigen Möglichkeiten für dreidimensionale Kaleidoskop Tetraederzellen. Es stellt sich heraus, dass all diese Varianten als verwandt zu der Spiegelung ergeben, die dem innenverspiegelten Würfel entspricht. Die nebenstehende Abbildung zeigt die Tetraederzellen in Verhältnis zu einem Würfel passender Kantenlänge. Insbesondere die erste Variante erzeugt die volle Symmetriegruppe, eines Gitters, dass aus dicht gepackten Würfeln entsteht. Das folgende Bild zeigt eine Computersimulation des Blickes in solch ein Kaleidoskop. 284 16 Unendliche Symmetrien Anmerkung 16.3. Die eben aufgestellte Matrixformel hat natürlich nicht nur im Dreidimensionalen Gültigkeit. Sie gilt in allen Dimensionen, insbesondere auch in der Ebene. Dies bedeutet, dass die Innenwinkel im Dreieck notwendig die folgende Gleichung erfüllen müssen. 0 1 1 cos(↵) cos( ) 1 cos( )A 0 = det @ cos(↵) cos( ) cos( ) 1 Expandiert ergibt die rechte Seite den Ausdruck: 1 2 cos(↵) cos( ) cos( ) cos(↵)2 cos( )2 cos( )2 =: X Dieser wird zu Null, wenn die beteiligten drei Winkel in der Summe 180 ergeben. Es kann aber auch noch andere Situationen geben, in denen dieser Ausdruck verschwindet. Durch die beteiligten Cosinus Operationen verliert der Ausdruck nämlich die Information über das Vorzeichen. Die Tatsache, dass die Winkelsumme 180 ist lässt sich algebraisch auch folgendermaßen ausdrücken. ✓ ◆ ↵+ + cos = 0. 2 In der Tat stellt sich (nach einigen Umformungen heraus dass die folgende Gleichung gilt: ✓ ◆ Y ±↵ ± ± 2 X = 16 cos 2 alle Vorzeichen 4 Weitere Symmetriegruppen 285 4 Weitere Symmetriegruppen In den vorangegangenen Abschnitten haben wir uns ausführlich den verschiedenen Arten von Reflektionsgruppen der Ebene gewidmet. Wir haben insbesondere gesehen, dass es in der Ebene nur vier verschiedene Möglichkeiten gibt, Reflektionsgruppen mit kompakter (d.h. hier endlicher) Fundamentalzelle zu haben (also einem endlichen Bereich der durch fortgesetzte Spiegelung die Ebene nahtlos ausfüllt). Diese entsprachen den vier Kaleidoskoptypen, die durch ein Polygon berandet waren. Die Polygone waren: das Rechteck, das gleichseitige Dreieck, das rechtwinklige gleichschenklige Dreieck und das halbierte Gleichseitige Dreieck. Die nebenstehenden Abbildungen zeigen zweidimensionale Muster, die symmetrisch bezüglich eben dieser Reflektionsgruppen sind (man muss sich die Bilder dabei natürlich bis ins Unendliche fortgesetzt denken). Gehirngymnastik: Ordnen sie die Bilder den eben genannten Symmetriegruppen zu und identifizieren Sie Fundamentalbereiche und Spiegellinien. Identifizieren sie in diesen Bildern ferner Rotationssymmetrien, Gleitspiegelungen, und Translationssymmetrien. Die Möglichkeiten symmetrische Muster zu erzeugen, sind mit den Reflektionsgruppen allerdings bei weitem noch nicht erschöpft. In diesem Abschnitt wollen wir abschließend noch einen kurzen Überblick über weitere Möglichkeiten interessanter Symmetriegruppen geben. 4.1 Ornamentgruppen und Parkettierenden Eine besondere Rolle unter den Symmetriegruppen spielen die so genannten Ornamentgruppen (auch kristallographische Gruppen genannt, oder im englischsprachigen Raum sehr tre↵end wallpaper groups. Dies sind Symmetriegruppen der Ebene, die ausgedehnte zweidimensionale Muster ergeben. Die charakterisierende Eigenschaft dieser Gruppen ist die, dass sie Verschiebungssymmetrie ein in mindestens zwei verschiedene Richtungen aufweisen. Der einfachste Typ eines solchen Ornamentes entsteht, wenn man rautenförmige Kacheln gleicher Art in zwei Richtungen fortgesetzt aneinanderlegt. Da ausser der Verschiebesymmetrie Nichts weiter gefordert ist, können für die Grundform der Kacheln beliebige Rauten gewählt werden (dies kann sich ändern, sobald weitere Symmetrien ins Spiel kommen). Zu den Translationssymmetrien können nun noch weitere ebene Symmetrien (also Rotationen, Spiegelungen, oder Gleitspiegelungen) hinzu kommen. Diese führen dazu, dass die Muster Auf den rautenförmigen Kacheln selbst wieder innere Symmetrien aufweisen. In vielen Fällen erzwingt dies sogar dass für bestimmte Ornamentgruppen nur sehr Spezielle Rauten (z.B. Recht- 286 16 Unendliche Symmetrien ecke oder Quadrate) in Frage kommen. Die nachfolgende Figur zeigt ein Flächenornament und hebt im mittleren Bilde die Unterteilung in Rauten (in diesem Fall Quadrate) hervor die das Ornament durch reine Verschiebung erzeugen. Das letze Bild Zeigt einen Fundamentalbereich dieses Musters mit dem Man durch Drehung Spiegelung und Verschiebung das ganze Muster erzeugen kann. Eine erschöpfende Behandlung von Ornamentgruppen würde an dieser Stelle zu weit führen. Es sei nur soviel erwähnt. In ganz ähnlicher Weise, wie bei den Reflektionsgruppen, gibt es auch bei Ornamentgruppen bedingt durch die inneren Symmetrien nur vergleichsweise wenige Möglichkeiten wie eine solche Gruppe aussehen kann. Eine erste vollständige Klassifikation gelang Fedorov im Jahre 1855. Er konnte zeigen, dass als Ornamentgruppen der Ebene nur genau 17 verschiedene Möglichkeiten in Frage kommen. In Anbetracht der Tatsache welche Vielfalt an Ornamenten es quer durch alle Kulturen der Menschheit gibt, ist dies eine erstaunliche Tatsache. Mathematisch lassen diese sich in Genau 17 Schubladen einsortieren von denen jede etwas andere Symmetrieeigenschaften hat. Vier dieser Gruppen sind die vorher betrachteten ebenen Reflektionsgruppen mit endlicher Fundamentalzelle. Sie stellen in gewissem Sinne die wiederholungsreichsten Ornamentgruppen dar. Am anderen Ende der Skala finden wir die triviale Ornamentgruppe bei der nur Verschiebesymmetrien und keinerlei Rotationen, Spiegelungen oder Gleitspiegelungen auftreten. Dazwischen tummeln noch 12 weitere Typen, mit interessanten Symmetrieeigenschaften. Das folgenden Ornamente gehören zu etwas komplexeren Ornamentgruppen, die weder trivial noch Spiegelungsgruppen sind. 4 Weitere Symmetriegruppen 287 Gehirngymnastik: Versuchen sie in diesen Bildern transitorische Fundamentalzellen zu identifizieren. Versuchen sie in diesem Bilder Fundamentalzellen bezüglich der vollen Symmetrie zu identifizieren. Gibt es Bilder dabei die keinerlei Spiegelachsen aufweisen? Sind die Fundamentalzellen eindeutig bestimmt? Zum erzeugen von Ornamenten dieser art Sei an dieser Stelle das die iPhone/iPad App iOrnament empfohlen oder das im Browser lau↵ähige Programm MorenamentsEuc. 4.2 Atomitter und Kristalle Genau so wie es Spiegelugnsgruppen in allen Dimensionen gibt, lässt sich auch das Konzept der Ornamentgruppen auf beliebige Dimension verallgemeinern. Bereits im dreidimensionalen Raum ergibt sich hier eine ausgesprochene Vielfalt. Betrachtet man räumliche Objekte, die Verschiebesymmetrien in mindestens drei voneinander unabhängige Richtungen aufweisen, so stellt man fest, dass es insgesamt 230 verschiedene Typen von zugrunde liegenden Symmetriegruppen gibt. Diese wurden erstmalig von Fedorov und Schönflies zum Ende des 19. Jahrhunderts klassifiziert. Die zugrunde liegenden Symmetriegruppen werden räumliche kristallographische Gruppen genannt. Sie spielen nicht nur in der Mathematik eine Rolle, sondern haben auch viele Anwendungen. Eine o↵ensichtliche Anwendung liegt darin, dass durch sie mögliche Anordnungen von Atomen in einem Kristallgitter beschreiben werden. Die nach aussen hin sichtbare regelmäßige Struktur eines Kristalls hat ja ihren Ursprung in einer regelmäßigen Anordnung der Atome aus denen das Kristall 288 16 Unendliche Symmetrien besteht. So wechseln sich z.B. in einem Kochsalzkristall (NaCl), welches zu gleichen Teilen aus Natrium und Chlor besteht, die Atome der beiden Typen in einem räumlichen Würfelgitter dreidimensional schachbrettartig ab. Makroskopisch bilden sich dabei (wenn man den Atomen die Gelegenheit gibt sich langsam und regelmäßig anzulagern) Kristalle heraus, deren Form zumindest grob die selber Symmetrieeigenschaften wie ein Würfel hat. Im Falle von Kochsalz sind dies zumeist tatsächlich kleine Würfelchen. Neben der vergleichsweise einfachen Atomanordnung in Kochsalzkristallen gibt es viele weitere Möglichkeiten der symmetrischen Atomanordnung. Jede dieser Möglichkeiten lässt sich aber einer der zugehörigen 230 Raumgruppen zuordnen. Die nachfolgende Abbildung zeigt neben dem Kochsalzgitter noch die Atomstruktur in einem Zinkblendekristall.