theory lab lecture series Die Landschaft der Römer. HS 2014 V03 Der territoriale Massstab Die römische Welteroberung beginnt im 3. Jh. v. Chr. Der grösste Unterschied zur Landschaft der Griechen besteht darin, dass die Römer ihr Territorium und ihre Städte systematisch organisieren. Die Landschaft und die Städte der Griechen sind auf bestimmte Heiligtümer hin ausgerichtet: Götter, Glaube und kultische Praxis bestimmen die Einteilung des Territoriums. Das römische Imperium ist durch ein Netzwerk von Strassen und Wasserleitungen (inkl. Viadukte und Aquädukte) strukturiert, die das Territorium zugleich neu organisieren. Die Stadt Rom wird in dieser Organisation symbolisch zur „caput mundi“ (Kopf der Welt). Sie ist in ein dichtes Straßennetz eingebettet, dessen Ausgangspunkt eine am Forum Romanum gelegene Säule war, genannt Miliarium Aureum (Goldener Meilenstein, daher das Sprichwort „alle Wege führen nach Rom“). Auf diesem Meilenstein waren die Hauptstädte aller Provinzen und ihre jeweilige Entfernung zu Rom ein-getragen (zusammengerechnet ergaben die Entfernungen etwa 76 000 km). Dies verdeutlichte zum einen die Grösse des Reiches, zum anderen die zentrale Funktion des Forum Romanum. Im Gegensatz zu den Griechen wird der Raum bei den Römern nicht vorrangig durch topografische Elemente, sondern systematisch defi niert. Wird eine neue Besiedlung gegründet, zeichnet der Augur (Priester) mit seinem Krummstab zwei Hauptachsen in die Luft. Es entsteht ein in vier Teile geteilter Raum, wobei jeder Teil einer Himmelsrichtung entspricht. Die Nord-Süd-Achse wird cardo genannt, die Ost-West-Achse decumanus. Erstere steht für die Achse der Welt, letztere für den „Weg der Sonne“. Das gesamte Land wird so von einem Koordinatennetz überzogen und in Parzellen eingeteilt. Die Landvermessung der Römer geschah in Quadraten. Die Strassen der römischen Stadt orientieren sich ebenfalls an zwei Hauptachsen, sodass ein rasterförmiger Grundriss entstand. Im Zentrum der Besiedlung, wo sich cardo und decumanus schneiden, liegt das Forum, der Marktplatz, welcher neben einer versorgenden auch eine politische Funktion hatte (z.B. Gerichtsverhandlungen). Um das Forum herum wurden mehrere Gebäude des öffentlichen Lebens errichtet. Einen durchgeplanten, öffentlichen Freiraum, wie wir ihn heute kennen, gab es in den römischen Städten nicht. Freiraum wird durch die Gebäude defi niert: entweder, als öffentlicher oder halböffentlicher Raum im Zentrum einer architektonischen Anlage (z.B. das Forum, das Theater, die Thermen oder die Palästra) oder als freier Raum zwischen Tempeln und Gebäuden. Die Palästra ist ein Platz für Sportveranstaltungen, der von einer Säulenhalle (Peristyl) und manchmal von Bädern begrenzt wird. In den Ausgrabungen von Hercula- Römischer Augur (Priester) mit Krummstab bei einer Stadtgründung. In: Norberg-Schulz (1988) Die römische Kolonie Florentina, gegründet 59 v. Chr. In: Kostof (1995) Das römisch Stadtraster nach Vitruv. In: VITRUVIUS (Ausgabe Fensterbusch 1976) www.girot.arch.ethz.ch www.facebook.com/LandscapeArchitectureETHZurich Landschaftsarchitektur HS 2014 Seite 01 neum konnten für die Palästra Haine aus Platanen, ein monumentaler Brunnen im Zentrum der Anlage und ein Schwimmbecken nachgewiesen werden. Daraus lässt sich schliessen, dass die römischen Palästras parkähnliche Anlagen waren. Bei den privaten Wohnhäusern unterscheidet man zwischen dem domus, Stadthaus, und den insulae, mehrstöckige Wohnanlagen. Das domus bestand aus einem Wohnteil mit einem atrium (Hof), das von Wohn- und Arbeitsräumen umgeben war. Der Garten (hortus) des Hauses wurde von einem Peristyl, einem Säulengang umgeben. Die Form des Peristyl wurde von den Griechen übernommen und umgedeutet: Bei den Griechen handelte es sich um einen steinernen Hof mit Säulenumgang, bei den Römern wird der Hof zum Gartenhof, bepflanzt mit Obstbäumen, Weinreben und Kübelpflanzen, wie z.B, Zitronenbäumchen (siehe Beispiel Pompeji). Die Gartenhöfe waren ein wichtiger Bestandteil des römischen Hauses und erhöhten den Wohnkomfort beträchtlich. Die umliegenden Zimmer waren von Luft und Licht durchflutet. Die Gärten wurden durch Regenwasser bewässert, das oft in Zisternen oder in einem in der Mitte des Gartens gelegenen impluvium (Wasserbecken) gesammelt wurde. Auch das auf die Dächer fallende Wasser floss über Rinnen ins impluvium. Viele Städte wurden über Aquädukte mit Wasser versorgt: Reiche Römer hatten Anspruch auf mehr Wasser als arme. Das Wasser speiste auch die zahlreichen Thermen und Badehäuser. Diese dienten der Hygiene und waren neben den Tempeln und Theatern wichtige Orte des städtischen Lebens. Zeittafel 510–133 v.Chr. Römische Republik ab 3. Jh. v.Chr. Zeit der Expansion ab 133 v.Chr. Bürgerkriege ab 27 v.Chr. Frühe Kaiserzeit «Prinzipat». Ernennung Octavians zum Kaiser Augustus ab 284 n.Chr. Spätantike/späte Kaiserzeit, mit Kaiser Diokletian. Reformen: stärkere Zentralisie- rung und Bürokratisierung 395 n.Chr. Reichsteilung in weströmisches und oströmisches Reich • Das weströmische Reich geht im 5. Jh. n. Chr. im Zuge der Völkerwanderungen unter. (455 n. Chr. Plünderung Roms durch die Vandalen) • Das oströmische Reich besteht staatsrecht- lich bis ins 15. Jh.; ab 640 n. Chr. kann man vom byzantinischen Reich sprechen. Literatur: Bonnin, Jaques: L’eau dans l’antiquité, Paris 1984. Im Imperium Romanum ist die räumliche Organisation der Stadt eingebettet in die Organisation des Territoriums (siehe Miliarium Aureum). Die Stadt sollte einen Mikrokosmos darstellen und die Verwandtschaft zwischen urbis (Stadt) und orbis (Welt) verdeutlichen. Durch diese Art der Weltbetrachtung und Raumorganisation war es den Römern problemlos möglich, jedes neue Land in das römische Reich zu integrieren. Es wurde sofort Teil eines Systems — im Gegensatz zu der politischen Landschaft der Griechen, die als eine Nebeneinanderstellung individueller Gelände betrachtet wurde. Die Raumorganisation der Römer erklärt vielleicht, warum die Römer so viele unterschiedliche Länder in das Reich integrieren konnten. Wichtig für die Vorstellung von Raumorganisation und von Natur und Landschaft ist auch der Limes. Der stellenweise auch mit Wachtürmen ausgestattete Grenzwall grenzt das römische Reich, also das „zivilisierte Land“ gegen die Barbaren ab. Jenseits des Limes beginnt nach römischer Vorstellung das „Land der Wilden“, eine unsichere und auch mit Schrecken assoziierte Landschaft. Ehrlich Tracey: «The Waterworks of Hadrian‘s Villa». In: Journal of Garden History, Vol. 9, Nr. 4, 1989, S. 162–177. Garbrecht, Günther: Mensch und Wasser im Altertum. In: Frontinus-Gesellschaft (Hrsg.): Die Wasserversorgung antiker Städte, Mainz am Rhein 1994, S. 11–42. Grimal, Pierre: Les jardins romains, Paris 1984. Jashmeski, Wilhelmina Feemster: The Campanian Peristyle Garden. In: MacDougall, Elisabeth Blair/Jashemski, Wilhelmina F.: Ancient Roman Gardens, Washington/Dumbarton Oaks 1981, S. 29–48. Jashemski, Wilhelmina F.: The Gardens of Pompeii, 2 Bd., New Rochelle, N.Y. 1979–1993. Kostof, Spiro: A History of Architecture : Settings and Rituals, New York 1995. Anette Freytag Norbert-Schulz, Christian: La signification dans l‘architecture occidentale, Brüssel 1988. Pregill, Philip/Volkman, Nancy: The Mediterrannean Landscape: The Roman Hegemony. In: Landscapes in History. Design and Planning in the Eastern and Western Traditions, New York 1999, S. 80–133. Purcell, Nicolas: Town in Country and Country in Town. In: Ancient Roman Villa Gardens, Washington/Dumbarton Oaks 1987, S. 187–103. Pompeji. Haus der Venus. Wandbild im Peristyl Garten. Foto: Christophe Girot Kreuzung zweier Aquädukte nahe der Via Latina südwestlich von Rom. In: Bonnin (1984) Landschaftsarchitektur HS 2014 Seite 02