WENN ZWEI SICH STREITEN

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WENN
ZWEI
SICH
STREITEN...
Fra i due litiganti il terzo gode
OPER VON GIUSEPPE SARTI
Fra i due litiganti
il terzo gode
(Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte)
Dramma giocoso in drei Akten von Giuseppe Sarti
Auf das Libretto eines unbekannten Verfassers
nach Carlo Goldonis Le nozze di Dorina
Uraufführung: 1782 in Mailand
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Eine Produktion des Studiengangs Gesang/Musiktheater der
Universität der Künste Berlin in Kooperation mit dem Symphonieorchester der UdK sowie den Studiengängen Kostümbild (UdK)
und Bühnenbild (weißensee kunsthochschule berlin)
Aufführungsmaterial
Forschungsprojekt „A Cosmopolitan Composer in
Pre-Revolutionary Europe – Giuseppe Sarti“
Premieren am 2. und 3. Juli 2015
Weitere Vorstellungen am 4.* und 5.* Juli 2015
* Übertragung per Livestream auf www.livestream.udk-berlin.de
Aufführungsdauer
ca. 3 Std. 15 Min. (Pause nach dem 1. Akt)
BESETZUNG
Der Graf Belfiore
Die Gräfin, seine Frau
Dorina, Kammerzofe
Masotto, Verwalter
Titta, Diener
Mingone, Gärtner
Livietta, Dienerin
Musikalische Leitung Regie Bühne Kostüme André Baleiro (2. und 4. Juli) /
SungJin Lee (3. und 5. Juli)
Natalia Perelló (2. und 4. Juli) /
JaeEun Park (3. und 5. Juli)
Corinna Scheurle (2. und 4. Juli) /
JeeEun Kim (3. und 5. Juli)
Pascal Herington (2. und 4. Juli) /
Ya-Chung Huang (3. und 5. Juli)
GyungSeok Han (2. und 4. Juli) /
Jonas Böhm (3. und 5. Juli)
Manuel Gómez Ruiz (2. und 4. Juli) /
Yan Xie (3. und 5. Juli)
Polly Ott (2. und 4. Juli) /
Dorothea Gerber (3. und 5. Juli)
Errico Fresis
Frank Hilbrich
Tom Mairs
Leonie Falke und Marie Katharina Fischer
Das Symphonieorchester der Universität der Künste Berlin
Rezitativ-Begleitung
Thorsten Kaldewei
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Musikalische
Einstudierung
Regieassistenz
Produktionsassistenz
Bühnenbildassistenz
Kostümassistenz
Maske
Ton
Inspizienz Disponent Bühne
Beleuchtung
Werkstätten Gewandmeisterei
Atelier Pink Passion
Jean-Christophe Charron, Thorsten Kaldewei
Caroline Schneider
Lisa Lendaro
Aileen Fischer, Sophie Abraham,
Imogen Wilson
Theresa Möller-Lindenhof
Manou Jacob
Tristan Kühn, Jonathan Richter
Sibylle Gogg
Patrick Reu
Harald Dreher (Ltg.),
Britta Lohmeyer, Eckehard Dybowsky,
Fabian Knabe, Philipp Maier
Detlef Graf (Ltg.),
Anja Bührer, Torsten Frieske,
Michael Karsch
Oliver Brendel (Ltg.),
Frank Prüffert (Tischlerei),
Dennis Pelz (Schlosserei)
Felicitas Sandor (Ltg.),
Sue Viebahn, Stephan Grollmitz,
Kerstin Berner, Christin Wanke
Gudrun Kaindl (Ltg.)
Die Kostümbildnerinnen danken den Dozenten der UdK Berlin, insbesondere
Julia Burde und Marcus Steinweg, und den Dozenten des Studiengangs
Kostümbild (Ltg. Prof. Florence von Gerkan).
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Inhalt
1. Akt
Im Schloss herrscht Streit. Graf und Gräfin können sich nicht einigen, welchen ihrer Diener die Kammerzofe Dorina heiraten soll. Die Gräfin droht mit
getrennten Betten, der Graf damit, sie zu verstoßen. Der Verwalter Masotto
versucht bei der Gräfin vorsichtig zwischen den beiden zu vermitteln, Livietta,
eine weitere Kammerzofe, biedert sich hingegen bei ihr an. Sie befürchtet, bei
dem Wirbel um Dorina leer auszugehen.
Die Gräfin beklagt, dass die schönen Zeiten mit ihrem Gatten (wegen des
Streits um eine Dienerin) vorbei sind. Und Livietta – ahnend, dass Masotto in
all den Querelen eine wichtige Rolle zukommen wird – verlangt von diesem,
dass auch sie einen Bräutigam bekommt. Masotto fasst einen Plan: Im Streit
um Dorina zwischen dem Diener Titta und dem Gärtner Mingone soll es einen
lachenden Dritten geben.
Die beiden Rivalen bedrängen Dorina, während Masotto heimlich versucht,
sich mit ihr zu verabreden. Der elternlosen Dorina ist klar, dass sie heiraten
muss, aber sie steht hilflos zwischen allen Fronten, während andere über ihre
Zukunft entscheiden wollen.
Titta und Mingone geraten in heftigen Streit. Titta – von Mingone bedroht –
bekommt es mit der Angst zu tun und denkt darüber nach, sich mit Livietta zu
begnügen, der allerdings die Rolle des Notnagels nicht behagt.
Im nächtlichen Garten. Dorina und Masotto können sich ihre gegenseitige
Zuneigung immerhin andeuten, bevor sie vom Grafen und Titta gestört werden
und sich verstecken müssen. Der Graf will seinen Diener mit Dorina zusammenbringen, jedoch warten schon die Gräfin und Livietta auf sie, die von dem
Plan erfahren haben. In der Meinung, es sei Dorina, gibt der Graf Titta im Dunkeln die Hand der Gräfin. Er selbst glaubt Dorinas andere Hand zu ergreifen,
hält aber die von Livietta. Frohlockend, dass sein Plan aufzugehen scheint,
lästert er sogar über seine Gattin, nicht ahnend, dass gerade auch sie es ist,
der er das alles anvertraut. Als sie aus dem Dunkel des Gartens in Dorinas
Kammer treten, ist die Überraschung groß und der Akt endet in allgemeinem
Erschrecken über die missglückten Pläne.
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2. Akt
Der Streit geht weiter. Graf und Gräfin bauen darauf, dass Masotto ihre jeweiligen Pläne mit Dorina unterstützt. Der aber verfolgt sein eigenes Ziel und
offenbart Dorina seine Gefühle. Livietta belauscht sie und nutzt ihr Wissen aus,
indem sie von Masotto verlangt, dass er für sie die Ehe mit Titta arrangiert.
Masotto und Dorina gestehen sich ihre Liebe, sie werden aber von Titta und
Mingone unterbrochen. Geschickt gelingt es dabei dem Verwalter, sich Dorinas
zu versichern, gleichzeitig aber die beiden Rivalen in dem glücklichen Glauben
zu lassen, der Auserwählte zu sein.
Unterdessen ist auch die Gräfin auf die Idee gekommen, Titta mit Livietta zu
vermählen, damit Mingone Dorina bekommt. Masotto gelingt es mit doppeldeutigem Taktieren, Graf und Gräfin zu versöhnen, da beide glauben, ihren
Kandidaten vermählen zu können. Doch das hält nur kurz: Als Dorina sich beiden Kandidaten verweigert, wollen Graf und Gräfin sie auf der Stelle zur Heirat
zwingen, doch die Kammerzofe entzieht sich der Autorität und flieht verzweifelt.
Titta und Mingone streiten immer heftiger, ohne dass das Eingreifen des Grafen mit Drohungen und Geld den Zwist beenden kann.
Dorina ist in den Wald geflohen und beklagt – von allen gesucht – ihre Angst
und Ausweglosigkeit. Der Graf ist wütend, dass sie sich seiner Macht entzogen hat, die Gräfin und Livietta sind geeint im Zorn, nicht zuletzt, weil Dorina
von allen Männern umworben wird. Als sie gefunden ist, lässt die Gräfin sie
fesseln, der Graf sie aber gleich wieder befreien. Titta und Mingone beginnen sofort wieder zu buhlen und wollen ihr ihre Liebe gestehen, doch ein
einsetzendes Unwetter lässt alle am Höhepunkt der Aufregung und Konflikte
auseinanderfahren.
3. Akt
Das Streiten findet schließlich ein Ende. Masotto präsentiert sich als Dorinas
Auserwählter, Graf und Gräfin arrangieren sich mit der Situation und willigen in
die Hochzeit ein. Titta bekommt Livietta zur Gattin, und Mingone geht leer aus.
Martin Albrecht-Hohmaier
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Giuseppe Sarti (1729–1802)
Eine wechselvolle Lebensgeschichte prägt die Biographie des zu Lebzeiten international gefeierten Giuseppe Sarti. Obwohl er zu seiner Zeit einer der
erfolgreichsten Opernkomponisten war und seine Opern europaweit aufgeführt wurden, ist über ihn heute weit weniger bekannt als beispielsweise über
Wolfgang Amadeus Mozart.
1729 wurde er in Faenza (Norditalien) als Sohn eines Juweliers und Gelegenheitsgeigers geboren. Seine musikalische Ausbildung erhielt er bei dem
berühmten Musiktheoretiker Padre Martini in Bologna. Bereits ab 1748 war
Sarti als Organist in Faenza tätig und wirkte außerdem an Konzerten und
Opernaufführungen mit. Seine erste eigene Oper, Il re pastore auf einen Text
von Pietro Metastasio, wurde 1752 in Pesaro uraufgeführt. 1753 ging Sarti
nach Kopenhagen, wo er zwei Jahre später Hofkapellmeister und Leiter des
Opernensembles wurde.
1765 kehrte Sarti nach Italien zurück und wurde zum maestro di coro am
Ospedale della Pietà in Venedig berufen. In diesen Jahren entstand sein erstes
komisches Bühnenwerk, La giardiniera brillante (Rom 1768). Nach der Rückkehr nach Kopenhagen leitete er von 1770 bis 1772 das dortige Hoftheater
und komponierte neben italienischen Opere serie mehrere dänische Syngespile. Trotz Schließung des Hoftheaters blieb Sarti bis 1775 am dänischen Hof.
Über die Hintergründe seiner Entlassung ist wenig bekannt; er könnte in eine
Korruptionsaffäre oder politische Intrigen verwickelt worden sein. Noch in Kopenhagen heiratete Sarti die Sängerin Camilla Pasi.
In den nächsten Jahren lebte Sarti überwiegend in Bologna, wo Luigi Cherubini 1778 sein Kompositionsschüler wurde. 1779 nahm Sarti die Stelle des
Domkapellmeisters in Mailand an, komponierte aber weiterhin Bühnenwerke,
z. B. seine erfolgreichste Opera seria Giulio Sabino (Venedig 1781) und Fra i
due litiganti (Mailand 1782).
Sartis Ruhm als Opernkomponist breitete sich europaweit aus, was zahlreiche Produktionen seiner Werke nicht nur an italienischen Bühnen, sondern
z. B. in Wien und Berlin, am Esterházy’schen Hof unter Joseph Haydn oder in
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London zeigen. Auch die Berufung nach Sankt Petersburg auf die Stelle des
Hofkapellmeisters bei Katharina II. 1784 lässt seinen hohen Bekanntheitsgrad
erkennen.
Über die Gründe für die Unterbrechung dieser Anstellung kann nur spekuliert
werden. Nachweislich hatte Sarti größere Schwierigkeiten mit der Sängerin
Luiza-Rosa Todi, die möglicherweise aktiv gegen ihn intrigierte. Jedenfalls lag
Sarti schon bald das Angebot einer Anstellung bei Fürst Grigorij Aleksandrovič
Potëmkin vor, der eine repräsentative Musikkultur aufbauen wollte und diese
auch für militärische Zwecke im Krieg gegen die Türken einsetzte. Aufgrund
der günstigen Arbeitsbedingungen und der hohen Bezahlung war die Anstellung für Sarti offensichtlich attraktiv; er behielt die Stelle bis zum Tode des
Fürsten 1791.
Doch schon 1790 nahm Sarti erneut Beziehungen zum Zarenhof auf und
komponierte das Spektakel Načal’noe upravlenie Olega („Die frühe Herrschaft
Olegs“) nach einem Libretto, das die Zarin selbst verfasst hatte. Spätestens
1792 bezog Sarti wieder Gehalt als Angestellter des Hofes, wohl ab 1793
übernahm er erneut das Amt des Kapellmeisters. Unter anderem war er mit
der Gründung eines Konservatoriums nach italienischem Vorbild betraut; ob
dieser Plan tatsächlich umgesetzt wurde, ist unklar. Sartis kompositorisches
Schaffen verlagerte sich während dieser Zeit von der Oper hin zu Vokalmusik
für offizielle Anlässe.
Nebenbei entwickelte Sarti ein Frequenzmessgerät, mit dessen Hilfe er den
Stimmton des Petersburger Orchesters auf 436 Herz festlegen konnte. Diese
Erfindung brachte ihm 1796 die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften ein. Darüber hinaus wurde er mit zahlreichen weiteren Auszeichnungen
und Ehrungen bedacht.
Nach dem Tod des Zaren Paul I. im März 1801 verschlechterte sich Sartis Position bei Hof erneut, so dass er nach Italien zurückkehren wollte. Er unterbrach
die Reise für einen längeren Aufenthalt in Berlin, wo er 1802 verstarb.
Christin Heitmann
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Zu Sartis Opera Buffa Fra i due litiganti…
Fra i due litiganti il terzo gode wurde am 14. September 1782 am
Teatro alla Scala in Mailand uraufgeführt. Der Text basiert auf Carlo Goldonis
Libretto Le nozze, das dieser für die gleichnamige Oper von Baldassare Galuppi verfasst hatte; der Bearbeiter ist unbekannt.
Als eine der beliebtesten Opere buffe des späten 18. Jahrhunderts kam das
Stück an zahlreichen Opernhäusern in ganz Europa auf die Bühne. Neben
mehreren Fassungen in italienischer Sprache existieren auch solche mit deutschem, französischem, dänischem und polnischem Text, wobei es allein ins
Deutsche mehrere Übersetzungen gibt. Die Vielfalt der Überlieferung lässt sich
auch an den unterschiedlichen Titeln erkennen, unter denen Fra i due litiganti produziert wurde: I rivali delusi bzw. The disappointed rivals (London), Le
nozze di Dorina ovvero I tre pretendenti bzw. Le mariage de Dorine ou Les trois
prétendans (Paris), Im Trüben ist gut fischen (Köln), Unter zwey Streitenden
zieht der dritte den Nutzen (Salzburg) usw.
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts lassen sich über 90 Produktionen nachweisen. Circa 40 handschriftliche Partituren sind überliefert, daneben mehrere
Exemplare eines Drucks mit französischem Text, der in Paris herauskam, wo
diese Form der Überlieferung – anders als in Italien – üblich war. Sartis Autograph der Oper ist nicht erhalten, auch von der Uraufführung in Mailand
existiert nach aktuellem Kenntnisstand keine Partitur mehr; nur das gedruckte
Libretto gibt Aufschluss über die bei der Uraufführung gespielte Fassung. In
diesem Libretto sind zwei Arien abgedruckt, die in keiner der überlieferten
Partituren enthalten sind, was bedeuten kann, dass sie noch vor der Uraufführung (aber nach dem Druck des Librettos) oder während der Aufführungsserie
ersetzt wurden. Schon daran zeigt sich die instabile Überlieferungsform von
Fra i due litiganti, die typisch für eine Opera buffa ist.
Eine der ersten Stationen nach der Uraufführung war die nur wenige Wochen
darauf folgende Produktion in Venedig unter dem Titel I pretendenti delusi
(„Die enttäuschten Brautwerber“). Eine der augenfälligen Differenzen gegenüber der Uraufführung ist die Reduktion von drei auf zwei Akte. Am Ende des
10
…il terzo gode
zweiten Akts, dem Höhepunkt des dramatischen Konflikts, ist noch unklar, für
welchen der drei Bewerber sich Dorina entscheiden wird. Dem gegenüber wird
in der ursprünglichen und auch weiter verbreiteten dreiaktigen Fassung im
letzten Akt mit einer Doppelhochzeit eine Lösung für fast alle Konflikte gefunden. So auch in der zweiaktigen Fassung, die in einer Berliner Abschrift
überliefert ist: Das zweite Finale wird um 72 Takte erweitert, in denen sich der
Sturm beruhigt und ein „Lieto fine“ herbeigeführt wird. Nicht so in Venedig: Im
Libretto wird lapidar das „Fine del Dramma“, der Schluss des Stücks, vermerkt.
Für die Verbreitung von Fra i due litiganti außerhalb Italiens waren die Aufführungen in Wien von zentraler Bedeutung. Die Oper wurde dort im Mai 1783
erstmals aufgeführt und ebenfalls gravierend verändert: Gleich mehrere Arien
und Rezitative wurden ersetzt oder gestrichen. Statt der ursprünglichen Ouvertüre findet sich eine andere, ebenfalls von Sarti stammende, die er zuvor schon
für seine Oper Farnace verwendet hat. Gegenüber jener der Uraufführung, die
geradezu einen Strauß musikalischer Ideen offeriert und auch bei den Aufführungen im UNI.T zu hören ist, ist die in Wien gespielte Ouvertüre mit ihrem
dreiteiligen Aufbau mit abschließender Coda deutlich kürzer und straffer. In
Dresden wurde wiederum eine andere Ouvertüre gespielt: Ebenfalls von Sarti,
ursprünglich für seine Oper Le gelosie villane (1776) geschrieben, weist sie
ebenfalls eine einfachere, klarere Form auf als die Ouvertüre der Uraufführung. Allen drei Ouvertüren gemeinsam ist das lang angelegte Crescendo, das
den Schluss der Ouvertüre und damit den Beginn der eigentlichen Handlung
vorbereitet.
Vor allem in der Wiener Fassung eroberten die Litiganti Mittel- und Nordeuropa. Nicht nur alle deutschsprachigen Fassungen, sondern auch der französische Druck des Werks gehen offenbar trotz kleinerer Differenzen auf diese
Fassung zurück.
Die aktuelle Aufführung am UNI.T orientiert sich bei der Auswahl der zu spielenden Fassung allerdings nicht an diesem Überlieferungsstrang, sondern
zunächst an der für die Uraufführung angenommenen Satzfolge und geht
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letztlich mit der Sarti’schen Opera buffa genauso frei um, wie es die Bühnen
schon zu Lebzeiten des Komponisten getan haben. Ausgehend von der besagten eher frühen Version wurden an einigen Stellen Nummern ergänzt, ersetzt
oder gestrichen, geleitet von der Idee, eine musikalisch schöne und stimmige
Fassung von Fra i due litiganti auf die Bühne zu bringen.
Während bei den Produktionen in den ersten Jahrzehnten nach der Uraufführung die Mehrzahl der Änderungen den ersten Akt und damit den jeweiligen
ersten Auftritt einer Figur betrafen, sind für die Aufführung am UNI.T nur im
zweiten Akt Arien ausgetauscht oder eingefügt worden. So die Arie des Masotto am Beginn des zweiten Akts „Dove sei? Perché t’ascondi?“ („Wo bist
Du? Warum versteckst Du Dich?“); sie dürfte für die Uraufführung in Mailand
zumindest vorgesehen gewesen sein, denn der Text ist im Libretto abgedruckt.
Die meisten der frühen musikalischen Quellen weisen an dieser Stelle allerdings keine Arie auf; bei einer Aufführung während Sartis Zeit in Sankt Petersburg (nach 1784) wurde die Arie aber offenbar aufgeführt. In dieser kleinen,
ohne Bläser besetzten zweiteiligen Cavatine fragt sich Masotto, wo denn seine
Liebste Dorina sein möge, und bittet darum, von seinem Liebesschmerz befreit
zu werden. Die Wiener Fassung bietet an dieser Stelle die Einlage „L’onda
placida e tranquilla“ aus der Oper La finta principessa von Felice Alessandri.
Mit zwei Hörnern sowie zwei Oboen größer besetzt und durch kleinere Koloraturen mit gesteigerten musikalischen Mitteln versehen, bietet diese Alternative
Masotto und seiner traurigen Verliebtheit mehr Raum und Gewicht.
Die Übernahme von Pasquale Anfossis Arie „Dolce d’Amor compagna“ aus
der Oper La finta giardiniera bietet in diesem Fall der Gräfin die – hier allerdings ursprünglich nicht vorgesehene – Möglichkeit, ihrem Seelenleben Ausdruck zu verleihen. Es dürfte sich um einen Tribut an die Sängerin handeln, die
sich sonst mit einer einzigen Solo-Arie hätte begnügen müssen. Auch in der
Fassung von Fra i due litiganti, wie sie Joseph Haydn am Esterházy’schen Hof
aufgeführt hat, ist diese Einlage enthalten, in der die Gräfin von Liebe und
Hoffnung singt.
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Während die ursprüngliche Fassung für die Gräfin im zweiten Akt keine eigene
Arie vorsah, ist für den Grafen mit „Bada bene a quel che dico“ („Gib acht auf
das, was ich sage“) eine Arie vorgesehen. Es ist der Versuch des Grafen, mit
einer recht kurzen (in der UNI.T-Inszenierung nochmals reduzierten), wütenden Arie seine Autorität zu wahren und den Diener Mingone in die Schranken
zu weisen, der sich einfach nicht damit abfinden will, auf Dorina zu verzichten.
Auch diese Arie wurde in späteren Fassungen gelegentlich gestrichen, wodurch der Graf ohne Solo-Arie im zweiten Akt blieb.
Die Besonderheiten bei den Aufführungen des UNI.T fügen sich in ein dramaturgisches Konzept, an dem mehrere Dinge erkennbar sind: Die ersten
Solo-Arien erklingen weitgehend in Übereinstimmung mit der vermutlichen
Uraufführungsfassung, d. h. die ursprüngliche Gestaltung der Charaktere und
ihre Verhältnisse untereinander werden nicht angetastet. Auch an der Tatsache, dass die Buffo-Charaktere Titta, Mingone und Livietta sowie die Parti di
mezzo carattere Dorina und Masotto im zweiten Akt mehr im Vordergrund
stehen, wird nicht wirklich etwas geändert, wenngleich ihre Partien innerhalb
der Nummern z. T. gekürzt werden und die ernsten Rollen Graf und Gräfin mit
einer eigenen Solo-Arie in Erscheinung treten.
Dass nicht nur etwaige Vorlieben der jeweils Beteiligten ausschlaggebend für
das Einlegen oder Austauschen von Arien gewesen sein dürften, sondern dass
auch die Interpretation des Charakters einer Rolle – möglicherweise mit Rücksicht auf den Typ des vorgesehenen Solisten – von Bedeutung gewesen sein
kann, lässt sich an der ersten Solo-Arie des Grafen zeigen.
Die Arie „Vuò soffrire a un certo segno“ („Ich werde es bis zu einem gewissen Grad dulden“), die auch in der UNI.T-Produktion erklingt, ist höchstwahrscheinlich jene, die auch bei der Uraufführung musiziert wurde. Im Streit mit
der Gräfin droht der Graf – „bei aller Liebe und Respekt“ – mit Verachtung.
Dementsprechend hat Sarti den Text vertont: Selbstbewusst, zwischen eleganter und markanter Melodieführung wechselnd, weist der Graf seine Gattin in
ihre Schranken. Mit der Aufführung in Wien, bei der Francesco Bussani die
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Rolle des Grafen übernahm, wurde diese Arie durch „La donna è sempre instabile“ von Antonio Salieri ersetzt. Nicht nur, dass diese Arie um die Hälfte
länger ist; der Ausdruck ist deutlich verstärkt, geradezu schroff mit zahlreichen
Akzenten und scharfer Rhythmik prangert der Graf die Unzuverlässigkeit der
Frauen an. Wie auch bei anderen ausgetauschten Arien in dieser Wiener Fassung der Litiganti ist die Steigerung der musikalischen Mittel gegenüber den
ursprünglichen Sätzen als Absicht erkennbar, hier etwa beim Vergleich der Frau
mit einer Wetterfahne („come la banderuola“), die Salieri mit schnellen Girlanden nachzeichnet (s. Abb.). Ein merklicher Unterschied in der Gestaltung dieses Moments, der mit der Persönlichkeit des Sängers Bussani korrespondierte,
der über eine langjährige erfolgreiche Bühnenerfahrung verfügte und von dem
der Wiener Theaterdichter Lorenzo Da Ponte in seinen Memoiren schrieb, er
kenne sich in allen Professionen aus, nur nicht in der des Gentleman. In einer
späteren Wiener Aufführung am Kärtnertortheater wurde diese Arie erneut
ersetzt, diesmal aber verbunden mit einer in die entgegen gesetzte Richtung
gehenden Interpretation der Rolle des Grafen. Die eingelegte Arie „Per una
picca per un puntiglio“ stammt aus dem fast 20 Jahre zuvor in Rom uraufgeführten Intermezzo Il finto pazzo per amore von Antonio Sacchini, und in
ihr schildert sich der Graf als großartige Person, die von aller Welt geliebt und
gefürchtet wird – allerdings musikalisch karikiert, geradezu der Lächerlichkeit preisgegeben mittels alberner Tonrepetitionen und atemlos syllabischer
Textunterlegung. Zudem wird die Handlungssituation dadurch verändert, dass
sich der Graf mit dieser Arie an Dorina wendet und nicht, wie ursprünglich
vorgesehen, an seine Gattin.
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So spannend aus heutiger Sicht die Beschäftigung mit Fra i due litiganti ist
– im Laufe des 19. Jahrhunderts verebbte die Begeisterung für diese Oper
und auch für Sarti. Der erfolgreiche, kosmopolitische Komponist geriet in Vergessenheit und ist heute im Grunde nur einem verhältnismäßig kleinen Kreis
von Fachleuten bekannt. Fra i due litiganti wurde in den letzten Jahrzehnten
ganze dreimal aufgeführt: in den 1980er-Jahren in Bologna und an der Vineyard Opera in New York, sowie 1995 an der Cornell University in Ithaca N.Y.
(USA). Ein kleiner Ausschnitt ist Opernliebhabern allerdings auch heute noch
bekannt: die Arie des Mingone „Come un agnello“, die Wolfgang Amadeus
Mozart im zweiten Finale des Don Giovanni zitiert (s. Abb.). Sie ist Teil der äußerst hintersinnigen Anspielung in einer Folge von insgesamt drei Zitaten, die
auf den Untergang Don Giovannis vorausdeuten. Mozart konnte voraussetzen,
dass seine Zeitgenossen diese Anspielungen erkennen würden, gehörte doch
Fra i due litiganti damals zu den bekanntesten Opern überhaupt.
Martin Albrecht-Hohmaier
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EVVIVANO I LITIGANTI – ES LEBE DER STREIT!
Keiner will die Revolution. Niemand spricht von Reform oder davon, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse dringend neu geordnet werden
müssten.
Fra i due litiganti von Sarti scheint auf den ersten Blick eine heitere, unbekümmerte Oper zu sein. Ihre Charaktere kämpfen um die Verwirklichung des
eigenen, persönlichen Glücks.
Eine Buffo-Oper eben. Aber eine, in der auffällig viel und heftig gestritten wird.
Auf den ersten Blick geht es nur um die Frage einer Heirat, des Schließens von
ein oder zwei Ehen und die Zerrüttung einer anderen.
Aber schnell wird klar: Hier kämpft keiner nur für sich. Jeder ist hier auch
Stellvertreter seines Stands, seiner gesellschaftlichen Position. Und so streiten
hier nicht nur verschiedene Personen um Dorinas Hochzeit, sondern auch gesellschaftliche Rollenbilder gegeneinander. Diener streiten mit ihren Herren,
Herren mit ihren Dienerinnen, Frauen gegen Männer, Männer gegen Frauen
und schließlich alle gegeneinander. Rollenbilder und Funktionen werden infrage gestellt. Der Streit verselbständigt sich und wird zur Systemkrise. Wer darf
hier eigentlich was bestimmen? Und mit welchem Recht? Wer entscheidet
über das Leben anderer? Wer kann sich Freiheiten nehmen? Wessen Gefühle müssen respektiert und berücksichtigt werden? Und wer muss gehorchen
und den eigenen Willen zurückstellen? Wenig davon wird geklärt, aber viel
Unzufriedenheit aufgewirbelt. Alle – egal ob Herr oder Diener – sehen sich gedrängt von gesellschaftlichen Erwartungen, beeinträchtigt in den eigenen Entfaltungsmöglichkeiten. Schließlich streiten und kämpfen sie derart enthemmt
um ihr persönliches Recht auf Glück, dass am Ende des zweiten Akts eigentlich
alles in Frage steht, was das bisherige Zusammenleben der Schlossbewohner
ausgemacht hat. Niemand hat zur Revolution gerufen, und dennoch kracht es
gewaltig im Gebälk der gesellschaftlichen Ordnung. Wenn nicht alle vor dem
plötzlich einsetzenden Gewitter fliehen müssten, könnte es in diesem zweiten
Finale sogar Tote geben.
Die Natur greift als Retterin ein und verhindert eine weitere Eskalation des
Streits. Eine Eskalation, die Sarti sich 1782 wohl noch nicht vorstellen konnte
oder darstellen mochte. Wenige Jahre später, 1789, war es dann soweit und in
Frankreich begann eine Revolution, die ganz Europa erschütterte und unsere
Streit- und Lebenskultur entscheidend prägte.
Wundert es, dass die Litiganti in den 1780er Jahren eine der erfolgreichsten
Opern waren?
Und dennoch irritiert und verblüfft, wie diese Komödie endet. Das furios komponierte Gewitter scheint reinigende Wirkung zu haben. Der dritte Akt beginnt mit der Beilegung des Streits. Sind die Protagonisten müde geworden?
Haben sie eingelenkt? Ist es wirklich Masottos aufgehende Intrige, die alle
beruhigt? Oder haben sie verstanden, dass Streit notwendig und wichtig ist,
außer Kontrolle geratend aber alles zerstören kann, was Menschen miteinander verbindet? Dass nun der Verwalter Masotto die Braut Dorina bekommt
und die anderen sich anders organisieren müssen, scheint niemanden mehr
wirklich aufzuregen. Alles geschieht schnell und ohne Widerspruch. Die Welt
und die Lebensverhältnisse ändern möchte keiner mehr, alle suchen nur noch
den schnellsten Weg zum kleinen Glück und sind damit zufrieden. Auch der
Komponist Sarti wirkt weniger interessiert, schreibt hier so, wie es im Rahmen
der Tradition üblich war und fasst sich knapp. Und dennoch verblüfft, wie sehr
er gerade in diesem etwas halbherzig wirkenden Schluss einen Punkt trifft, der
uns heute anzugehen scheint: Eine des Streits müde gewordene Gesellschaft
steht da auf der Bühne. Man ordnet schnell und ohne großes Engagement die
Verhältnisse, so dass Ruhe herrscht. Danach geht man zur Party über. Mehr
fällt den Figuren (noch?) nicht ein. Kommt uns das irgendwie bekannt vor?
In unserer Aufführung wollen wir versuchen, die Zeitspanne erlebbar zu machen, die uns von den Figuren und ihrer Zeit trennt. Und gleichzeitig wollen
wir versuchen, uns Sartis Streitende wieder nah zu bringen. Wir beginnen im
Zeitalter der Entstehung der Oper, also kurz vor der Französischen Revolution
und lassen die Figuren im Laufe der drei Akte über das 19. und 20. bis zum
21. Jahrhundert gelangen. So wird der Streit der Litiganti über die drei Akte
auch zu einer Art Erzählung über Kulturgeschichte: vom lustvollen Aufbruch in
die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im 18. Jahrhundert über die zunehmende Verhärtung im 19. und 20. Jahrhundert bis zum dem streit-müden
Anfang des 21. Jahrhunderts.
Streit kann verstören und verletzen. Die Arien Giuseppe Sartis in den Litiganti
erzählen von den Enttäuschungen, der Verzweiflung, auch der Rachsucht,
eben davon, wie der einzelne sich nicht geschlagen geben kann, weil das
Gefühl, Unrecht erlitten zu haben, zu groß ist. Aber Streit ist auch Teil einer
wichtigen und notwendigen Auseinandersetzung.
Haben wir noch eine Streitkultur? Brauchen wir eine?
Mozart lässt den Diener Leporello im Don Giovanni rufen: „Evvivano i litiganti!“ (Die Streithähne sollen leben!) (s. Abb. S. 15). Was wohl als Referenz
gegenüber Sarti und seiner damals so erfolgreichen Litiganti-Oper gemeint
war, könnte auch eine Aufforderung für uns sein, nicht müde zu werden und
weiter für uns und um unsere Lebensverhältnisse zu streiten.
Frank Hilbrich
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Gestern im Jetzt
Eine vergessene Berühmtheit erblickt wieder das Licht der Bühne und
eine Reihe von Fragen schwirrt im Raum. Wie es der verschlafenen Schönheit
nach 233 Maien im Reich der Lebenden ergehen wird? Welche Textquellen
sind ausreichend konsistent, um unanfechtbare Ergebnisse bei der Aufführung
zu sichern? Ist Unanfechtbarkeit überhaupt relevant? Würde ein Chateau
Latour aus dem Jahr 1782 noch gut schmecken, ließe er sich gar mit dem
Jahrgang 1961 messen?
Und nun auf Zeitreise: Am 14. September 1782 wird im Teatro alla Scala in
Mailand das Dramma giocoso Fra i due litiganti il terzo gode, eine Komposition
des dortigen Domkapellmeisters Giuseppe Sarti, uraufgeführt. Erhalten ist nur
das auf einer Goldoni-Vorlage basierende Libretto, dessen Verfasser allerdings
unbekannt bleibt; das Notenmaterial der Uraufführung ist nicht auffindbar.
Die Oper hat die Runde in der damaligen Musikwelt gemacht, Namen und
Sprachen gewechselt, um dann in Vergessenheit zu schlummern. Fast. Denn
die Zeitreisende verbarg sich gemeinsam mit Una cosa rara von Vicente Martin
y Soler in Form eines Zitats in Mozarts Don Giovanni, ebenso ein Dramma giocoso, das fünf Jahre später komponiert wurde. Es gibt nicht wenige Gemeinsamkeiten: Die Partie des Titta wurde von dem großen Francesco Benucci aus
Livorno gesungen, der vier Jahre später die gleichnamige Partie des Tita [sic]
in der erwähnten Cosa rara und den Figaro in Le nozze di Figaro von Mozart
unter der Leitung des Komponisten sang. Mit ihm sang die ebenfalls berühmte
Engländerin Nancy Storace als Dorina, welche mit Benucci auch die Lilla in
Una cosa rara und die Susanna in Le nozze di Figaro sang.
Musik entfaltet sich im Zeitraum. Neben der räumlichen Dimension, die eher
der Akustik zuzuordnen ist, wird die Zeitdimension oft vernachlässigt – in
vielfältigem Sinne. Musik als Kommunikation ist untrennbar mit kognitiven
Prozessen verbunden. Allein die Tatsache, dass unsere Zeitwahrnehmung anders als damals ist, erfordert analoge Anpassungen. Das Publikum stand damals im Parterre, führte während einer Opernvorstellung Gespräche, knüpfte
Geschäftsbeziehungen und Liebschaften, nahm Imbisse zu sich, ging hinaus,
um – eventuell – später zurückzukommen. Die Logen waren der Klasse der
Adeligen und wohlhabenden Wirtschaftspersönlichkeiten vorbehalten, die neben der gesellschaftlichen Schau, oft hinter geschlossenen Vorhängen, ihre
Intrigen spannen oder Geliebte empfingen. Anders als heute, blieb niemand
die mindestens vierstündige Dauer der Oper still an seinem Sitzplatz.
Aber auch die rezeptiven Aspekte haben sich geändert. Das damalige Publikum hörte die für seine Zeit aktuelle Musik, und schenkte den Unvollkommenheiten der Darbietung kaum Aufmerksamkeit, sondern vielmehr der Komposition und ihren formalen, melodischen und harmonischen Aspekten – Dinge,
die die gewöhnlichen Zuschauer besser als heute beherrschten. Ebenfalls
konnten sie ohne Abhilfe die Sprache verstehen. Das Musiktheater war als
Kunstform definiert, so dass die Logik der musikalischen Morphologie und
nicht der alltagssprachlichen Umsetzung herrschte. Somit waren musikalisch
bedingte Wiederholungen kein Problem, wohingegen heute viele diesen ratlos
gegenüberstehen. Wir leben in einer Zeit, in der schneller (wenn auch nicht tiefer) rezipiert wird. Wir sind kurze, prägnante und effektvolle Formen gewohnt,
und sind dem Realistischen verbundener. Das alles zwingt uns im Sinne des
Kommunikationsprozesses Formen aufzugreifen, die die Oper für uns heute so
greifbar und verständlich machen, wie sie damals war. Vor Jahrzehnten stellte
der große Hermann Scherchen den Nutzen der „Originaltreue“ in Frage. Was
nützt eine originalgetreue Aufführung, wenn sie aufgrund der nicht mehr zeitgemäßen Formen langweilig wirkt?
Für unsere Aufführung sind wir vom einzigen überlieferten Uraufführungsdokument ausgegangen, von dem Libretto. Wir haben Fremdkompositionen, die sich
in den nachfolgenden Fassungen eingebürgert haben, bis auf eine Ausnahme
ausgeschlossen. Und trotzdem mussten wir vieles auslassen, das für den Fluss
der Erzählung aus heutiger Sicht nicht vorteilhaft war. Bei den Proben haben
wir aufgrund der Dynamik der spezifischen Aufführung weiter gekürzt.
Die musikalische Aufführungspraxis hat in den letzten Jahrzehnten so viele
verschiedene und widersprüchliche Facetten gezeigt, welche für den heutigen Musiker einerseits lehrreich, aber auch beruhigend sind: Man kann sich
keinesfalls darauf verlassen, denn sicherlich kann keine dieser Facetten das
letzte Wort für sich beanspruchen. Vielmehr bezeugen Klangdokumente vom
Beginn des 20. Jahrhunderts, dass die größere Nähe der Komposition zur
Entstehungszeit aus heutiger Sicht die am wenigsten akzeptablen Interpretationen liefert. Bei unserer Aufführung mit „klassisch“ ausgebildeten SängerDarsteller/innen, und bei der viel zu kurzen Arbeit mit dem ebenso „klassisch“
ausgebildeten Orchester, galt es musikalisch vor allem den rhythmischen
Reichtum, das „natürliche“ Phrasieren und das „lebendige“ Musizieren im
Jetzt zu erarbeiten. Ein Anspruch einer auf lange Sicht mustergültigen Interpretation ist nicht gewollt – nicht nur mangels der dafür notwendigen Bedingungen. Aus dem Musizieren sollten weder Muster entstehen, noch sollten
damit Aufführungspraxis-Neurosen befriedigt werden. Vielmehr bezweckten
wir, eine von vielen Möglichkeiten zu zeigen, wie diese wunderbare Musik
gesehen und gehört werden kann. Diese Abkehrung von Mustern und festgelegter Praxis steht auch in Verbindung mit dem Stück selbst: Die Zofe Dorina
bricht aus der versteiften Ordnung des Hofes aus und zerstört somit das ganze
System. Kaum ist schließlich ein neues System hergestellt, lässt der Komponist
im abschließenden Stück die Dienerin Livietta durch den Moll-Charakter ihrer
Strophe als die nächste Kandidatin erscheinen, die mit dem neuen System in
absehbarer Zeit brechen wird. Also „Fortsetzung folgt“ – nicht im Gestern
oder Morgen, sondern immer und wieder und nur im Jetzt.
Errico Fresis
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Die Opera buffa:
Ernsthafte Unterhaltung im Spätabsolutismus
Giuseppe Sartis Fra i due litiganti il terzo gode war Teil einer lebendigen
aufklärerischen Unterhaltungskultur, in der die vielfältigen Formen von Musik
und Theater eine bestimmende Rolle spielten. Dabei prägte die italienische
Oper – mit Ausnahme Frankreichs – ganz Europa. Die Opera seria hatte als höfischer Theatertypus mit antiken Stoffen traditionell das größte Prestige, doch
erreichte die Opera buffa von allen Formen des Musiktheaters im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die größte Verbreitung. Das Spektrum reichte vom Intermezzo mit zwei bis drei ausschließlich komischen Rollen, das üblicherweise
zwischen den Akten einer Opera seria gespielt wurde, bis zum abendfüllenden
Dramma giocoso per musica.
Zum Typus des Dramma giocoso gehört auch Sartis Fra i due litiganti. Solche
Opern zeichnen sich durch die Mischung verschiedener Charaktere aus: An
der Spitze der Rollenhierarchie stehen die sogenannten Parti serie, die ernsten Partien, die dem niederen Adel angehören und musikalisch den Stil und
die Formen der Opera seria aufgreifen. Bis in die 1770er Jahre wurden die
männlichen Parti serie häufig mit Kastraten besetzt; erst danach setzte sich die
Besetzung mit natürlichen Männerstimmen (Tenor oder Bass) durch.
Das besondere Interesse der Theaterschaffenden galt den „mittleren Partien“,
den Parti di mezzo carattere. Sie waren sozial durchlässig – häufig sind etwa
Adlige, deren aristokratische Herkunft sich erst im Lauf des Stücks herausstellt,
oder höher gestellte bürgerliche Persönlichkeiten. Musikalisch profitierten die
Parti di mezzo carattere sowohl von der Sphäre der Opera seria als auch der
komischen Genres und waren insofern die vielfältigsten und flexibelsten Rollen des Stücks. Je nach Belieben konnten diese Rollen stärker als ernste oder
stärker als heitere Charaktere perspektiviert werden; für die weiblichen Parti
di mezzo carattere war oft auch ein empfindsam-sentimentaler Charakter prägend. Die Männerrollen wurden mit natürlichen Stimmlagen besetzt. Während
20
im Dramma giocoso jeweils ein aus Frau und Mann bestehendes Paar von Parti
serie und Parti di mezzo carattere auftrat, waren drei komische Rollen (Parti
buffe) üblich: zwei Männer und eine Frau aus dem einfachen Volk – Diener,
Gärtner, Handwerker, Bauersleute etc. mit einfachen, liedhaften Arien. Dass
diese Männerrollen mit natürlichen Stimmlagen besetzt wurden, versteht sich
von selbst. Auch eine unterschiedliche sprachliche Stilhöhe charakterisierte die
verschiedenen Rollentypen; den Parti buffe kamen dialektale Wendungen und
der (derbe) Witz zu, der je nach Stück, aber auch je nach institutionellem Kontext verstärkt oder abgeschwächt werden konnte.
Unterschiedlich deutlich, aber doch immer präsent war ein gewisser Bildungsanspruch oder zumindest eine naive Moral, die sich schon im Titel niederschlagen konnte, beispielsweise Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni („Der
bestrafte Wüstling oder Don Giovanni“), der den Untergang des Verführers
Don Giovanni zeigt, oder La scuola de’ gelosi („Die Schule der Eifersüchtigen“), der die Folgen der Eifersucht thematisiert. Beliebt waren Spruchweisheiten – in Così fan tutte ossia La scuola degli amanti („So machen es alle
[Frauen] oder Die Schule der Liebhaber“) mit einem aufklärerischen Anspruch
verknüpft – oder regelrechte Sprichwörter wie bei Sartis Fra i due litiganti il
terzo gode („Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte“). Dabei blieb die
Moral keine äußerliche Zutat, sondern sie wurde oft musikalisch im Stück verankert. So nimmt Mozart den Untergang des Don Giovanni musikalisch schon
in der Ouvertüre vorweg, und auch in Così fan tutte zitiert er den Titelspruch,
der unmittelbar vor dem letzten Finale erklingt, bereits in der Ouvertüre. Von
Anfang an ist klar, worauf alles hinausläuft. In diesen Kontext gehören auch
die Sujets, bei denen zumeist eine Adlige unerkannt im Volk lebt. Das Erkennen
ihrer Herkunft und die damit verbundene Wiederherstellung einer vermeintlich
natürlichen Ordnung hatten durchaus eine politisch stabilisierende Funktion.
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Die Opera buffa war nämlich keineswegs eine rein bürgerliche Angelegenheit;
sie wurde auch an Hoftheatern und Theatern gepflegt, die eng mit höfischen
Kontexten verbunden waren. Fra i due litiganti wurde etwa am Teatro alla
Scala in Mailand uraufgeführt – das Repräsentationstheater der Lombardei,
die von dem österreichischen Erzherzog Ferdinand, einem Sohn Kaiserin Maria
Theresias, regiert wurde. Wie bei fast allen Stücken, die an diesem Theater zur
Aufführung kamen, wurde das gedruckte Textbuch dem Regenten und seiner
Gemahlin, Maria Ricciarda Beatrice von Este, gewidmet. Dies unterstreicht die
enge Beziehung zum Hof, denn solche Widmungen durften nicht ohne Zustimmung erfolgen. Aufgrund der engen dynastischen Beziehungen war das
Mailänder Kulturleben an Wien orientiert, wo an den Hoftheatern kaum noch
Opere serie gespielt wurden. Auch am Hof des kunstsinnigen Fürsten Nikolaus
Esterházy, wo Joseph Haydn als Kapellmeister wirkte, wurden bis 1783 fast
ausschließlich Opere buffe gegeben.
Auch wenn die Theater dem allgemeinen Publikum zugänglich waren, wie insbesondere in Venedig, aber auch in Mailand oder Wien, ergab sich eine soziale
Distinktion aufgrund der Eintrittspreise. Nicht jeder konnte sich überhaupt eine
Theaterkarte leisten oder zumindest nicht in jedem Theater, so dass sich eine
soziale Abstufung zwischen den Theatern ergab. Mancherorts wurden Logen
sogar nur für die ganze Saison vermietet. Unabhängig davon aber, ob es darum ging, den Geschmack eines Fürsten zu befriedigen oder ein zahlendes
Publikum – stets war es das Ziel der für die Produktionen Verantwortlichen,
Stücke möglichst erfolgreich auf die Bühne zu bringen.
Dies geht einher mit der Ausbildung eines Repertoires von erfolgreichen Bühnenwerken, die europaweit in zahlreichen Produktionen gespielt wurden.
Neben Giuseppe Sarti sind als Autoren solcher Repertoireopern heute kaum
noch bekannte Komponisten wie Pasquale Anfossi, Giovanni Paisiello, Niccolò
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Piccinni, Antonio Salieri oder Domenico Cimarosa zu nennen. Allerdings führte
der Wunsch nach möglichst erfolgreichen Aufführungen dazu, dass die Stücke stets den jeweils neuen Bedingungen angepasst wurden, so dass sie sich
ständig veränderten und heute in zahlreichen Fassungen vorliegen. Die Veränderungen konnten im Einfügen, Streichen oder Ersetzen ganzer Arien und
Ensembles bestehen, aber auch in der Transposition einer Nummer, wenn diese nicht dem Tonumfang eines Sängers oder einer Sängerin entsprach. Waren
Instrumente vorgesehen, die in einem Theater nicht zur Verfügung standen,
musste die Orchestrierung geändert werden. Auch kleinere Modifikationen
wie die Veränderung einzelner Takte, Tempoänderungen u. ä. waren möglich.
Gelegentlich wurden sogar ganze Rollen weggelassen oder hinzugefügt.
Die Komponisten rechneten mit solchen Veränderungen, die sie nicht als Notlösungen begriffen, sondern die Teil des Gattungskonzepts waren, und sie
beteiligten sich aktiv daran: Mozart arbeitete beispielsweise seinen in Prag
uraufgeführten Don Giovanni um, als dieser in Wien auf die Bühne kam, und
schrieb neue Nummern für Le nozze di Figaro, als die Oper mit einer neuen Besetzung wiederaufgenommen wurde. Auch für Stücke anderer Komponisten,
die in Wien zur Aufführung kamen, schrieb er zahlreiche Ersatzarien.
Die Vielgestaltigkeit der Bühnenwerke, die sich daraus ergibt, ist als Ausdruck
eines lebendigen Theaterbetriebs zu werten. Er ermöglicht auch für eine aktuelle Aufführung ganz neue Perspektiven: Statt mit einem gesicherten Werktext
hat man es mit einer Fülle von Möglichkeiten zu tun, die sich aus dem Material
ergeben. So wäre es etwa denkbar, eine konkrete historische Fassung zu rekonstruieren. Vielleicht noch interessanter erscheint die Möglichkeit, aus dem
überlieferten Material eine eigene Fassung zusammenzustellen – im Hinblick
auf eine aus heutiger Perspektive stimmige und attraktive Aufführung.
Christine Siegert
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A Cosmopolitan Composer in
Pre-Revolutionary Europe – Giuseppe Sarti
Das von der Einstein Stiftung Berlin finanzierte Drittmittelprojekt
zu Giuseppe Sarti an der UdK Berlin nahm 2013 unter der Leitung von Prof.
Dr. Christine Siegert in Kooperation mit Prof. Dr. Dörte Schmidt seine Arbeit
auf. Als Wissenschaftliche MitarbeiterInnen sind Dr. Martin Albrecht-Hohmaier,
Dr. Christin Heitmann und Kristin Herold, M. A. an dem Projekt tätig. Kooperationspartnerin ist Dr. Bella Brover-Lubovsky (Hebrew University Jerusalem).
In Jerusalem entstehen im Rahmen des Projekts eine umfassende Monographie über Giuseppe Sarti sowie eine kritische Print-Ausgabe des russischen
Spektakels Načal’noe upravlenie Olega („Die frühe Herrschaft Olegs“). An der
UdK werden zwei digitale Editionen italienischer Opern Sartis erarbeitet: Ediert
werden die Opera buffa Fra i due litiganti il terzo gode („Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“), die ihre Uraufführung 1782 am Teatro alla Scala in
Mailand erlebte, und seine Opera seria Giulio Sabino, die, uraufgeführt 1781
in Venedig, bald in ganz Europa gespielt wurde. Bei den Wiederaufnahmen
wurden die Opern jeweils mehr oder weniger stark umgearbeitet, um sie den
örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Dieses generelle Charakteristikum der
italienischen Oper des 18. Jahrhunderts wird in unserer Edition erstmals adäquat berücksichtigt, indem verschiedene ausgewählte Fassungen jeder Oper
in die Ausgabe einbezogen werden. Mit der Sarti-Edition wird es erstmals
möglich sein, zwei der erfolgreichsten italienischen Opern des späten 18. Jahrhunderts in der Breite ihrer Überlieferung und damit in einer der historischen
Werkauffassung entsprechenden Form darzustellen.
Christin Heitmann
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Fra i due litiganti
– Aufführung an der UdK
Es ist erklärtes Ziel des Sarti-Projekts, mit den digitalen Opern-Editionen nicht nur die Forschung zur Operngeschichte des 18. Jahrhunderts zu
bereichern, sondern auch Aufführungen dieser fast vergessenen Werke zu ermöglichen. Bereits vor der endgültigen Fertigstellung der Editionen wurde dieses Ziel umgesetzt: Im März 2015 fanden an der Jerusalem Academy of Music
and Dance zwei Aufführungen von Giulio Sabino statt, die auf Grundlage der
an der UdK erstellten Partitur erarbeitet wurden. Die Produktion von Fra i due
litiganti im Juli 2015 an der UdK ist das Ergebnis enger fakultätsübergreifender Zusammenarbeit: Sie entstand unter Federführung des Studiengangs
Gesang/Musiktheater in Kooperation mit dem Symphonieorchester der UdK
und den Studiengängen Kostümbild (UdK) und Bühnenbild (weißensee kunsthochschule berlin) sowie, und das ist neu, mit dem Forschungsprojekt A Cosmopolitan Composer in Pre-Revolutionary Europe – Giuseppe Sarti (Fakultät
Musik/Musikwissenschaft) und mit dem Studiengang Tonmeister, der zwei der
vier Aufführungen per Livestream im Internet überträgt. Das Aufführungsmaterial, bestehend aus Dirigierpartitur sowie Instrumental- und Gesangsstimmen, wurde auf der Grundlage der von Martin Albrecht-Hohmaier herausgegebenen Edition in Zusammenarbeit mit den anderen ProjektmitarbeiterInnen
erstellt und für die Erfordernisse der Probenarbeit eingerichtet.
Die Fassung der Oper Fra i due litiganti, die in dieser Produktion zur Aufführung gelangt, wurde durch den musikalischen Leiter Errico Fresis und den Regisseur Frank Hilbrich eigens zusammengestellt und im Laufe der Probenarbeit
noch weiter angepasst. Hierbei spielten verschiedenste Kriterien eine Rolle,
angefangen bei der weitgehenden Beibehaltung der Uraufführungs-Fassung
bis zur Entwicklung des Regie-Konzepts dieser Inszenierung, für das eine Balance gesucht wurde zwischen Treue gegenüber zeitgenössischen Gattungs­
traditionen und einer das heutige Publikum überzeugenden Dramaturgie.
Auch bei dieser Auswahl stand das Sarti-Team mit seiner genauen Kenntnis
der überlieferten Fassungen und ihrer unterschiedlichen Charakteristika beratend zur Seite, betonen diese doch jeweils andere Aspekte der beteiligten
Figuren und des Handlungsverlaufs.
Christin Heitmann
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Digitale Edition
Digitale Editionen haben – in ihrer Möglichkeit, eine große Anzahl verschiedener Fassungen adäquat zu präsentieren – enorme Vorteile gegenüber
Druckausgaben. Sowohl für die Erarbeitung als auch für die online Präsentation der digitalen Editionen von zwei Opern Giuseppe Sartis nutzt das Sarti-Projekt die vom Musikwissenschaftlichen Seminar Detmold/Paderborn entwickelten Edirom Tools. Der musikalische Text wird in dem XML-basierten Standard
der Music Encoding Initiative MEI ausgezeichnet bzw. codiert.
Die Struktur der Codierungen unterscheidet in der Auszeichnung zwischen
einer Mikro- und einer Makroebene der Opern. Die Makroebene beschreibt
dabei die Abfolge der einzelnen Nummern, wie Arien und Rezitative. Die Mikroebene beinhaltet die Struktur innerhalb dieser einzelnen Nummern, also
Taktabfolge, Systeme und Noten. In einer gedruckten Edition müsste man
diesen Unterschieden begegnen, indem, bei teilweise auch kleineren Differenzen im Material, ein Großteil an musikalischem Text gedoppelt würde. Mit
einer digitalen Edition ist dies effizienter und eleganter darzustellen. Einzelne
Nummern, die in mehreren Fassungen vorkommen, werden nur einmal in MEI
codiert. Aus diesem so entstehenden Pool aus einzelnen Nummern können
dann die jeweiligen Fassungen der Oper flexibel generiert werden. Oder eben
auch eine den eigenen Wünschen entsprechende – so wie in der Inszenierung
am UNI.T.
Neben einer hohen Redundanzvermeidung beim Erzeugen des musikalischen
Textes ist ein weiterer großer Vorteil einer digitalen Edition die Möglichkeit der
Repräsentation von Scans der bearbeiteten Quellen. So können ForscherInnen
neben dem Studium der Anmerkungen auch die Abbildungen der zugrunde
liegenden Quellen zu Rate ziehen und so Editionsentscheidungen besser
nachvollziehen. Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass auch die erwähnten
Anmerkungen in einer digitalen Edition sehr viel komfortabler zu nutzen sind,
da sie an den entsprechenden Stellen verlinkt sind, statt in den Anhang einer
gedruckten Edition verschoben zu werden. Bei aller Euphorie aus technikaffi26
ner Sicht soll das codierte MEI aber auch als „menschenlesbarer“ Notentext
in der digitalen Edition angezeigt und eine freie Downloadoption angeboten
werden. Dies ist möglich durch die Verwendung einer JavaScript basierten
Renderingbibliothek wie beispielsweise Verovio, die eine Visualisierung des
Notentextes erzeugt. Ein Screenshot der digitalen Edition des Sarti Projekts ist
unten abgebildet: Sichtbar ist das Faksimile mit zugehörigem Rendering des
codierten Notentextes.
Auch für die Repräsentation von Unterschieden innerhalb einzelner Nummern,
also der oben erwähnten Mikrostruktur, eignet sich das Datenformat MEI in
besonderem Maße, indem auch hier – ohne eine Duplizierung von Notenmaterial – individuelle Differenzen Berücksichtigung finden. Diese werden innerhalb des MEI-Dokuments codiert. So können beispielsweise abweichende
Lesarten über Elemente (<app/> und <rdg/>) beschrieben und bei Abruf der
jeweiligen Fassung dargestellt werden. In der Illustration unten ist eine sich
unterscheidende Tonabfolge zweier Quellen abgebildet.
Die Vorteile einer digitalen Edition sind also vielschichtig. Neben dem Angebot, die Scans der Originale innerhalb der Edition einfach nur zur Verfügung
zu stellen, ist darüber hinaus der Zugang und Umgang für weitere Forschungsarbeiten durch differenzierte Navigationsmöglichkeiten und Verlinkungen sehr
komfortabel wie z. B. Konkordanzen, die sich entsprechende Takte aus allen
präsentierten Fassungen mit einander verbinden und diese parallel abrufbar
machen.
Durch diese Präsentationsform sind die Beziehungen der Quellen zueinander
besonders gut nachvollziehbar, wenngleich unsere Editionen – da sie auf einer
Auswahl von Quellen beruhen – nicht komplett sein können; doch auch hier
wird eine weitere Stärke der digitalen Edition sichtbar: Anders als bei einem
abgeschlossenen gedruckten Format bietet unsere Edition die Möglichkeit,
diese jederzeit um weitere Quellen zu ergänzen.
Kristin Herold
27
Livestreams
an der Universität der Künste Berlin
Seit 2012 werden regelmäßig Konzerte des Symphonieorchesters der UdK
Berlin, der Musikreihe crescendo sowie die Preisträgerkonzerte des Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerbes als Video- oder auch als AudioLivestream übertragen.
Diese Veranstaltungen werden von „betont“, dem Label der Universität der
Künste Berlin produziert, bei dem auch CD- und DVD-Produktionen veröffentlicht sowie in Form einer Mediathek online zugänglich gemacht werden. Die
Oper Fra i due litiganti il terzo gode ist für „betont“ ein großartiges Projekt,
da erstmalig an der UdK eine Oper in Bild und Ton per Livestream übertragen
wird. Sehen Sie zwei Aufführungen am 4. und 5. Juli 2015 live im Internet bei
„betont“ www.livestream.udk-berlin.de.
Das Livestream-Projekt der Fakultät Musik unterstützt in besonderem Maße
Studierende verschiedener Studiengänge, Fachbereiche und sogar Universitäten. In den diversen Gewerken Musikübertragung, Bildregie, Kamera, Moderation und Redaktion arbeiten viele Studierende zusammen an einem gemeinsamen Projekt.
Der Studiengang Tonmeister zeichnet für die Musik und die Bildregie verantwortlich, der Studiengang Kamera der Beuth-Hochschule für Technik Berlin für
die Bildübertragung, der Studiengang Schauspiel stellt Sprecher und Moderatoren. Die redaktionelle Arbeit unterstützt die Fachgruppe Musiktheorie, in
diesem Falle der Studiengang Musikwissenschaft an der Humboldt Universität
Berlin.
Die Durchführung der Livestreams dient vorrangig der Lehre. Im Rahmen des
Unterrichts ermöglichen diese Projekte einen sehr starken Praxisbezug. Vorrangig sollen diese Projekte allen mitwirkenden Studierenden vor und hinter
den Kulissen eine Plattform für Ihr Engagement und Ihren Einsatz bieten – deren großartige Leistungen auch außerhalb der Konzertorte erfahrbar machen.
Wenn Sie mehr über unsere Livestreams wissen wollen, schauen Sie doch einfach einmal vorbei – http://livestream.udk-berlin.de.
Sollten Sie einen Livestream verpasst haben, besuchen Sie unsere Mediathek
– http://mediathek.udk-berlin.de.
Livestream Fra i due litiganti il terzo gode
(Wenn zwei sich streiten…)
Musikübertragung
& Beschallung
Balthasar Effmert, Dominik Zehnder,
Christoph Binner, Erik Brauer, Simon Hertling,
Juliane Richter | Tonmeister
Jonas Pohl | Sendetonmeister
Tristan Kühn, Jonathan Richer | Beschallung
Produktionsleitung
Livestream
Anusch Alimirzaie Bildübertragung
Kamera
Markus Austel, Johanna Bischof, Thomas Loos,
Mathias Söhn | Beuth-Hochschule
Bildregie
Roman Müllers | Beuth-Hochschule
Wanja Hüffell | TonBildMediator
Laura Schneider, Gabriel Dernbach | Zuspielung
Projektsteuerung
Andreas Wolf, Valentin Kahl
Moderation
Fabian Raabe, Anton Weil | Studiengang Schauspiel
Sprecher
Adrienne von Mangoldt, Owen Read,
Solvejg Schomers | Studiengang Schauspiel
Redaktion
Alena Churikova, Marja Haglund, Marcel Just,
Theresa Menard, Avischag Müller, Alexander Peise,
Lukas Sabionski | Studiengang Musikwissenschaft,
HU Berlin
Betreuung
Markus Mittermeyer | Projektsteuerung
Christian Feldgen | Musikübertragung
Prof. Rene Möller | Musikübertragung
Prof. Wolfgang Loos | Bildübertragung
Simon Schlingplässer | Studiengang Schauspiel
Anne Uerlichs, Ullrich Scheideler | Studiengang
Musikwissenschaft, HU Berlin
IT/Streaming
Markus Lilge
VORBESTELLUNG DER DVD ZUR AUFFÜHRUNG
Die Aufführungen dieser Oper werden von Studierenden der Beuth-Hochschule für Technik und des Tonmeister-Instituts der Universität der Künste
Berlin mitgeschnitten und auf „betont“, dem Label der Universität der
Künste Berlin als DVD veröffentlicht.
Hier können Sie die DVD bereits jetzt unverbindlich vorbestellen. Wir informieren Sie dann über das Veröffentlichungsdatum und schicken Ihnen, nach
eingegangener Zahlung, Ihre gewünschte Anzahl zu.
Bitte geben Sie diesen Bestellschein im Foyer des UNI.T an der Garderobe
ab oder schicken Sie diesen an: „betont“ – Label der Universität der
Künste Berlin, Fasanenstr. 1 B, 10623 Berlin
Hiermit bestelle ich die DVD zur Aufführung unverbindlich vor:
Name, Vorname
Straße, Hausnummer
Postleitzahl, Ort
E-Mail
Anzahl DVDs (Stückpreis: 15,00 Euro)
Bemerkungen
Bitte informieren Sie mich weiterhin per E-Mail über Veröffentlichungen
von „betont“, dem Label der Universität der Künste Berlin.
Impressum
Herausgeber
Universität der Künste Berlin
Postfach 12 05 44
10595 Berlin
www.udk-berlin.de
Prof. Martin Rennert
Präsident der Universität der Künste Berlin
Fakultät Darstellende Kunst
Dekan: Prof. Errico Fresis
UNI.T - Theater der Universität der Künste Berlin
Fasanenstraße 1 B
10623 Berlin
Probenfotos © Thomas Loos
Abbildung S. 14: Wien, ÖNB Musiksammlung Mus.Hs.17888
Abbildung S. 15: Permalink http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b550025008/f19.item
Abbildungen S. 21 und 24: Staatsbibliothek zu Berlin – PK, Musikabteilung mit
Mendelssohn-Archiv, Mus.Ms.19493 1_2
Redaktion: Patrick Reu
Titelmotiv: Foto © Jannis Keil
Gestaltung: Christina Giakoumelou, www.melgrafik.de
Druck: Pinguin Druck GmbH
Redaktionsschluss: 24. Juni 2015
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UNI.T - Theater der UdK Berlin
Fasanenstr. 1 B . Berlin-Charlottenburg
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