Open Innovation und Crowdsourcing im Healthcare-Sektor

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Open Innovation und Crowdsourcing
im Healthcare-Sektor
Der moderne Verbraucher als Partner für Innovationen
Das Aufkommen des Internets und der Zugang zu
nahezu endlosen Mengen an Informationen veränderte das Konsumentenverhalten im Laufe der
letzten Jahre grundlegend. Aus Konsumenten und
Abnehmern wurden zunehmend informierte Verbraucher, die Unternehmensbotschaften kritisch hinterfragen und fundierte Kaufentscheidungen treffen.
Der nächste logische Schritt in dieser Entwicklung
zeichnet sich bereits ab: Die Forderungen seitens
der Verbraucher nach Mitsprache und aktiver Mitgestaltung von Produkten oder gar Unternehmensentscheidungen sind lauter denn je. Für Produzenten
und Organisationen liegt darin enormes Potenzial
für Innovationen und langanhaltende Kundenbeziehungen – auch im Bereich der Gesundheitslösungen.
Pharmazeuten oder Pflegern. Jedoch gilt es, das
Wissen der informierten Verbraucher oder Patienten zu berücksichtigen.
Die Dynamik zwischen Unternehmen und Verbrauchern befindet sich seit geraumer Zeit im Wandel.
Dies gilt insbesondere für hochspezialisierte und
wissensintensive Bereiche wie dem Gesundheitsmarkt. Durch die Masse an einfach zu findenden
und öffentlich zugänglichen Informationen verschwimmt die traditionelle Trennlinie zwischen
Experten auf der Anbieterseite und den Laien auf
der Käuferseite zunehmend: Details zu Behandlungsformen oder Wirkungsweisen von Medikamenten lassen sich heutzutage ohne Anstrengung
verständlich aufbereitet im Internet finden. Dies
schmälert keinesfalls die Kompetenzen von Ärzten,
Es ist somit leichter denn je, Gleichgesinnte oder Personen mit gleichen Vorstellungen und Erwartungen
zu finden und von deren Wissen zu profitieren. Folglich steigt der Anspruch der Verbraucher, Lösungen
zu finden, die genau den individuellen Anforderungen und situativen Gegebenheiten entsprechen. Was
für Autos gilt, gilt genauso für den Healthcare-Sektor. Besonders die direkte Verbindung zur eigenen
Gesundheit legt nahe, dass Kunden in diesem Kontext intensiv nach für sie ideal geeigneten Produkten
oder Lösungen suchen.
An dieser Stelle lassen sich selbstverständlich Bedenken hinsichtlich Selbstdiagnose oder Selbstmedikati-
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Wie stark sich die Verfügbarkeit von Informationen
auf unser Verhalten auswirkt, zeigt sich in nahezu jeder größeren Kaufentscheidung. Wer würde
heutzutage noch ein neues Auto alleine auf Basis
der Ausführungen des Händlers anschaffen, ohne
Erfahrungsberichte oder Rezensionen im Internet zu
recherchieren? Selbstverständlich konnte man auch
in der Vergangenheit Meinungen aus dem Bekanntenkreis einholen, der zentrale Unterschied hierbei
ist jedoch, dass der Informationsaustausch über das
Internet nicht durch direkten sozialen Kontakt bzw.
räumliche oder zeitliche Grenzen beschränkt ist.
on äußern. Es ist daher notwendig, Strukturen und
Prozesse zu schaffen, die sowohl den grundlegend
veränderten Erwartungen der Verbraucher gerecht
werden, als auch wichtige Rahmenbedingungen definieren. Glücklicherweise fördert die derzeitige Entwicklung des Internets die Entstehung eben solcher
Strukturen und erste richtungsweisende Beispiele für das zukünftige Verhältnis von Patienten und
Gesundheitsexperten sind leicht zu finden.
Patient Innovation & Patients Like Me
Mit sozialen Netzwerken und Web-2.0-Anwendungen eröffnen sich völlig neue Dimensionen
für den Wissensaustausch zwischen Verbrauchern.
Online-Plattformen und virtuelle Räume ermöglichen es den einzelnen Individuen, nicht nur relevante Informationen zu finden, sondern sich darüber
hinaus untereinander zu vernetzen. Im Zuge dieser
Vernetzung lässt sich oftmals eine zentrale Veränderung beobachten: Während die einzelnen Personen anfangs noch individuelle Ziele verfolgen, rückt
nach und nach Kollaboration in den Mittelpunkt.
Aus dieser Dynamik entstehen Gemeinschaften oder
Communities. Informationen werden nicht mehr
nur gesucht, sondern aktiv zum Nutzen aller Beteiligten und dem Kollektiv geteilt. Solche Communities lassen sich branchen- und industrieübergreifend
finden. So auch im Gesundheitswesen.
Die internationale Plattform Patient Innovation
(www.patient-innovation.com) ist ein erfolgreiches Beispiel dafür. Das Projekt hat es sich zum Ziel
gemacht, Patienten seltener Krankheiten oder deren
Angehörige miteinander zu vernetzen. Aufgrund der
per Definition geringen Marktgröße für Behandlungsmöglichkeiten seltener Krankheiten bleiben kommerziell entwickelte Therapien und Alltagshilfen für
diese Personen oftmals aus. Die Patienten und deren
Familien sind folglich auf eigene Ideen und Lösungen
angewiesen und überdurchschnittlich innovativ und
erfinderisch – in Bezug auf die Ausgestaltung ihres
Alltags oder auch in Bezug auf Therapieformen für
ihre Krankheiten. Die Web-Plattform Patient Innovation ermöglicht es, dass sich Personen mit ähnlichen
Herausforderungen über ihre Ideen austauschen.
Lösungen bleiben somit nicht mehr nur den Erfindern
vorbehalten, sondern können das Leben von Patienten aus der ganzen Welt verbessern. Dank des Community-Charakters und dem übergeordneten Ziel, die
Situation aller Mitglieder langfristig zu verbessern,
werden diese Ansätze nicht nur untereinander geteilt,
sondern auch kollaborativ weiterentwickelt.
Ein ähnliches Beispiel ist die Plattform Patients
Like Me (www.patientslikeme.com). Diese Com-
munity umfasst mittlerweile mehr als 300.000
Mitglieder, die sich über Behandlungen, Symptome und generelle Erfahrungen im Bezug auf ihre
Gesundheit austauschen. Neben dieser Diskussion verfolgt die Plattform noch ein weiteres Ziel:
Indem die Mitglieder gemeinsam konkrete Daten
zu ihrer Gesundheit oder Behandlung sammeln,
ermöglichen oder vereinfachen sie quantitative
Studien, die letztendlich Forschung und medizinischen Fortschritt vorantreiben. Auch hierbei
schaffen die einzelnen Mitglieder Mehrwert für
sich selbst und andere Mitglieder durch Kollaboration – sie generieren Wissen im Schwarm und
ermöglichen die Identifikation von Zusammenhängen allein aufgrund der schieren Masse an
Teilnehmern.
Crowdsourced Innovation
Die beiden genannten Beispiele beschreiben die
Vernetzung von Patienten oder Konsumenten.
Doch welche Rolle können Unternehmen in dieser Entwicklung einnehmen und für sich das
Potenzial von engagierten und aktiven Verbrauchern nutzbar machen? Eine Antwort darauf bietet „Crowdsourced Innovation“. Der Kern dieses
Ansatzes beschreibt die Ergänzung von Innovations- und Entwicklungsprozessen durch die Möglichkeiten von Crowdsourcing – also der Auslagerung von Unternehmensprozessen an große
Gruppen von Menschen über das Internet. Dank
der oben beschriebenen Vernetzung und Community-Dynamik sind Unternehmen in der Lage,
nicht nur auf die Ideen oder das Wissen einzelner,
isolierter Individuen zurückgreifen, sondern die
Schwarmintelligenz und Kreativität eines gesamten Kollektives zu nutzen.
Mit Kunden, die motiviert sind, ihre perfekte
Lösung selbst zu kreieren, anstatt auf existierende
Angebote zurückzugreifen, eröffnet sich enormes
Potenzial, Produkte und Dienstleistungen auf revolutionär neue Art und Weise zu entwickeln. Indem
Unternehmen Schnittstellen schaffen und den Dialog mit Communities suchen oder diese gar selbst
aufbauen, können Entwicklungsprozesse für externes Wissen geöffnet werden, um damit neue Angebote oder Geschäftsmodelle erfolgreicher zu entwickeln. Der direkte Austausch mit Kunden entlang
des gesamten Entwicklungsprozesses ermöglicht
es, Ideen und Konzepte sehr früh zu priorisieren.
Darüber hinaus lassen sich komplett neuartige und
innovative Ideen identifizieren. Die gesamte Entwicklung wird dadurch effizienter und die entwickelten Angebote marktnäher.
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Open Innovation-Plattform www.medical-valley-innovation.de
Die oben beschriebene Kollaboration muss sich
nicht auf Patienten und Verbraucher untereinander
beschränken, im Gegenteil: Gerade Unternehmen
sollten sich in diesen Dialog einschalten – zunächst
zuhören, um dann aktiv mitzureden und letztendlich ganze Communities aktiv in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Von der Entwicklung neuer OTC-Produkte bis hin zu komplexen
Behandlungstechnologien; die Anwendungsszenarien für Crowdsourced Innovation im HealthcareSektor sind nahezu grenzenlos.
sitären Forschungseinrichtungen und verschiedenste Einrichtungen der Gesundheitsversorgung
an Innovationen in der Medizintechnik. Um die
Vernetzung und einen intensiveren Wissensaustausch sowohl innerhalb des Clusters, als auch mit
externen Akteuren zu fördern, wurde die Open
Innovation-Plattform Medical Valley Innovation
(www.medical-valley-innovation.de) ins Leben
gerufen. Basierend auf der innosabi Technologie
ermöglicht diese Plattform die Umsetzung der oben
beschriebenen Crowdsourced Innovation Prozesse.
Open Innovation in der Medizintechnik
Die involvierten Unternehmen können so die gesammelten Kompetenzen einer aktiven Community nutzen und die Vorzüge und Synergien eines Clusters
noch weiter ausbauen. Ziel der Plattform ist es, den
Medizintechnikunternehmen des Netzwerks neue
Wege zu innovativen Lösungen aufzuzeigen. Mit Hilfe
der Plattform werden unternehmensintern ungelöste
Forschungs- und Entwicklungsfragen an eine große
Ein Beispiel, das verdeutlicht, wie Unternehmen mit
externen Communities zusammen arbeiten können, ist „Medical Valley Innovation“. Im Cluster
Medical Valley arbeiten über 180 Medizintechnikunternehmen, die insgesamt ca.16.000 Mitarbeiter
beschäftigen, 18 Hochschulen, 22 außeruniver-
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Catharina van Delden, MBA
ist Mit-Gründerin
und Geschäftsführerin der Münchner
innosabi GmbH,
einem Anbieter für
Crowdsourced Innovation-Plattformen.
Darüber hinaus
engagiert sie sich
im Präsidium des
Branchenverbands
BITKOM. Sie hält einen MBA von der UC Berkeley und TU München in „Innovation und
Business Creation“, ist Autorin des Buchs
CROWDSOURCED INNOVATION und zählt der COMPUTERWOCHE zufolge zu Deutschlands einflussreichsten
Frauen in der IT Branche.
© innosabi GmbH
und fachlich heterogene Community gestellt. Bei
den bisherigen Projekten haben sich neben Unternehmern und Angestellten aus dem Medizintechnikbereich auch Studenten und Doktoranden verschiedenster Fachrichtungen eingebracht. Dies ermöglicht
den teilnehmenden Unternehmen von externem
Wissen und Erfahrungen zu profitieren und somit
die Effizienz des eigenen Innovationsprozesses zu
steigern. Das Medical Valley handelt dabei als vertrauensvoller Intermediär in der Beziehung zwischen
Teilnehmer und Unternehmen. Projektgeber und
externe Akteure können sich auf der Plattform austauschen, miteinander diskutieren und gemeinsam
Konzepte erarbeiten. Durch solche innovationsfördernden Strukturen kann das Medical Valley großen
Mehrwert für die Mitgliederorganisationen schaffen
und bietet Experten oder Patienten die Möglichkeit,
ihre Ideen oder Erwartungen direkt einzubringen.
Zukünftige Entwicklungen
[email protected]
Doch diese Wechselwirkung wird nicht der einzige
Aspekt bleiben, den Unternehmen im HealthcareBereich neu gestalten müssen. Auf längere Sicht wird
sich mit der Flut an Daten, Big-Data-Technologien
und Smart-Health-Angeboten die Rolle aller involvierten Unternehmen wandeln. Diese werden zunehmend zu Knotenpunkten in einer vernetzten Welt.
Neben dem bloßen Herstellen oder Anbieten von
Produkten werden zusätzliche Leistungen wie beispielsweise das frühe Erkennen von gesundheitlichen
Risiken oder das Bereitstellen individueller Therapielösungen notwendig sein, um den Anforderungen
der modernen Verbraucher gerecht zu werden und
letztendlich den gesamten Gesundheitsmarkt weiterzuentwickeln. Mit Crowdsourced-Innovation-Ansätzen können – und sollten – die Grundsteine für diese
Zukunft bereits heute gelegt werden.
David Chia
ist Crowdsourcing
Analyst bei innosabi,
München. Sein Bachelorstudium in Kommunikationswissenschaft und Psychologie absolvierte er an
der LMU München
sowie der University
of Cincinnati (Ohio),
um sich im anschließenden Masterstudium Consumer Affairs an der
TU München auf Innovationsmanagement und
Konsumentenforschung zu spezialisieren. David
Chia ist seit Anfang 2014 Teil des innosabi-Teams
und Co-Autor des Buchs CROWDSOURCED INNOVATION.
© innosabi GmbH
Parallel zur wachsenden Bedeutung von Communitys und Online-Plattformen entwickeln sich weitere
Trends, die zukünftig signifikante Auswirkungen auf
Crowdsourced-Innovation-Prozesse in der Gesundheitsbranche haben werden: Die Möglichkeiten,
unsere Gesundheitsdaten wie z.B. gelaufene Schritte, Blutdruck oder Art und Dauer unseres Schlafs
minutiös nachzuvollziehen, aufzuzeichnen und auszuwerten – zusammengefasst unter dem Oberbegriff
„quantified self “ – werden zu noch weitreichenderen
Chancen für Innovationen durch Nutzer und Patienten führen. Je besser wir unseren Körper und die Einflüsse darauf selbst verstehen, desto besser können
wir mitreden. Umso wichtiger wird für Unternehmen
dann auch die Interaktion mit solch mündigen und
informierten Kunden werden.
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