2009-Das römische Imperium und seine Armee

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Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2009
Das römische Imperium und seine Armee
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-22009
Das römische Imperium und seine Armee
Rolf Dieter Müller
Müller Rolf Dieter: Militärgeschichte. Köln 2009. Seite 70-78.
-3-
3. Rom: Imperium und Berufsarmee
S. 70:
Das staatliche Machtvakuum im östlichen Mittelmeerraum und Vorderasien
bereitete darüber hinaus den Boden für das Vordringen des Römischen Reiches.
In dessen Anfängen gab es auffallende Ähnlichkeiten zum Kriegswesen des
archaischen Griechenland. Etruskische Kriegsherren, die als angebliche sieben
Könige in Rom herrschten, hatten sich wohl mit ihren Gefolgschaften des Ortes
bemächtigt. Die mächtigen Familienverbände nährten noch im
S. 71:
5 Jahrhundert v. Chr. selbständig Kriege gegen Nachbarorte. Im Verlauf des 4.
Jahrhunderts verringerte sich zwar die Zahl privater Kriegszüge unter adliger
Führung, blieb aber eine allgemeine Erscheinung. Die Entwicklung lief auch
hier zur Bildung eines Staatswesens, das den Krieg unter seine Kontrolle zu
bringen suchte. Mit der Vergrösserung der Stadt und ihres Einflussbereiches
verbanden sich die gentilen Truppenaufgebote, kämpften Seite an Seite in der
Formation der Legion, die rund 5'000 Bewaffnete umfasste, Fusstruppen, die
anders als bei der griechischen Phalanx - den Nahkampf mit dem Kurzschwert
bevorzugten und sich daher in lockerer Aufstellung bewegten. Sie übten stärker
auch taktische Varianten, die es ihnen erlaubten, in der Verteidigung mit ihren
längeren Schilden zusammenzurücken und sich dahinter auch fast vollständig
gegen Speerwürfe und Pfeilhagel zu schützen. Die adlige Reiterei spielte in der
Schlacht keine grosse Rolle, ebenso wie vereinzelte Streitwagen.57
Die Entwicklung führte von heroischen Zweikämpfen über private Kriege
(bellum familiare) zu völkerrechtlich geregelten Staatskriegen (bellum iustum).
Sie erlaubte in der frühen Republik durch die Wehrpflicht aller wehrfähigen
Bürger und Bauern die Aufstellung grösserer Truppen bzw. den Aufruf nur von
Teilen der Bürgerschaft oder einzelner Jahrgänge. Die Bürgersoldaten muteten
sich eine Ausbildung und Disziplinierung mit grösster Härte zu, die von den
zumeist adligen Offizieren und gewählten Heerführern durchgesetzt wurde. Als
Milizionäre traten sie nur für einzelne Feldzüge unter Waffen und kehrten
danach wieder in ihr meist bäuerliches Alltagsleben zurück. Im Krieg stand eine
Bürgerlegion meist jeweils mit einer Legion italischer Verbündeter zusammen.
Die Volksversammlung mit ihrer begrenzten politischen Mitsprache wurde von
der Heereseinteilung nach Centurien abgeleitet.
57
Adrian Keith Goldsworthy, Roman Warfare. London 2000.
-4In der Republik lag die politische Macht weitgehend in den Händen des Senats
der Adelsoberhäupter. Aus ihrem Kreis wählte man jährlich zwei Konsuln, die
neben den Regierungsgeschäften im Kriegsfalle auch das Imperium, d.h. den
Oberbefehl über die Truppen übernahmen und sich dabei täglich abwechselten,
einschliesslich des Rechts über Leben und Tod, der Züchtigung (Coercitio) und
der persönlichen Verteilung der Beute. So konnte sich ein besonderes Verhältnis
zwischen dem Befehlshaber und den von ihm ausgesuchten Bürgersoldaten
entwickeln, das über die befristeten Mandate und Einsätze hinausreichte, was
dem in der römischen Gesellschaft besonders ausgeprägten Klientelsystem
entsprach. Nur in Zeiten äusserster Not konnte ein Dictator ernannt werden, der
über die absolute Gewalt im Staat verfügte, die aber nach sechs Monaten verfiel.
S. 72:
Für die dienstverpflichteten Soldaten, die von dem Ehrgeiz angespornt wurden,
sich in der Legion gegenüber den Mitbürgern zu beweisen, entsprach ihr Anteil
am Ertrag aus Plünderungen und dem Verkauf der unterworfenen
Zivilbevölkerung in die Sklaverei ihrem Anspruch auf einen Ausgleich für die
erlittenen Gefahren und Strapazen. Kapitulation und Schonung eines Gegners
konnte der römische Feldherr daher nicht in jedem Fall gewähren, wollte er
seine Soldaten nicht enttäuschen. Er selbst verfügte über fast unbeschränkte
Möglichkeiten der persönlichen Bereicherung, konnte höchste Ehrung durch
einen Triumphzug aber nur erreichen, wenn er die Bedeutung seines Sieges
durch den nachweislichen Tod von mindestens 5'000 Gegnern hervorhob, was
seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. häufig zu Fehlzählungen führte. So
wurde es zur Eigenart römischer Kriegführung, einen besonders hartnäckigen
Feind durch Hinrichtung aller Männer und massenhafter Versklavung von
Frauen und Kindern geradezu auszulöschen.58 Um Angst und Schrecken zu
verbreiten, scheute man sich in Extremfällen auch nicht, zusätzlich alle Hausund Nutztiere zu töten.
In der Regel konnte Rom aber die neuen Gebiete integrieren und die pax romana
durch ein Gewaltmonopol gewährleisten, das regionale Kriegsherren
zurückdrängte, im östlichen Mittelmeer sich der Piraten teils bediente, teils
durch eine Zuweisung von Land ruhig stellte. Sofern man es für nötig hielt, sie
zu bekämpfen, galten sie nicht als Staatsfeinde (hostis), denen man durch
58
Siehe Jörg Rupke, Wege zum Töten, Wege zum Ruhm. Krieg in der römischen Republik, in:
Stietencron/Rupke, Töten im Krieg, S. 213-240.
-5Kriegserklärungen und förmliche Verträge einen gewissen Respekt entgegen
brachte, sondern als gemeine Banditen.
Da es der römischen Nobilität seit der lex hortensia (287 v. Chr.), mit denen die
Plebejer ihre Gleichstellung mit den Patriziern erreicht hatten, gelungen war,
eine vergleichsweise extreme Geschlossenheit zu entwickeln und ihre
Führungsrolle zu behaupten, entwickelte sich durch den internen
Konkurrenzkampf um Prestige und Reichtum eine aggressiv expansive
Kriegführung. Nach eigenem Selbstverständnis führte die Republik aber stets
Verteidigungskriege, was sich gegenüber der Volksversammlung besser
vertreten liess, aber auch bei zunehmender Vergrösserung des römischen
Einflussgebietes nicht immer nur auf Vorwänden beruhte. Katastrophale
Niederlagen gegen die in Italien eingedrungenen Gallier (Schlacht an der Allia
387 v. Chr.) und gegen samnitische Bergstämme erinnerten die Römer daran,
dass ihre Legionen nicht unbesiegbar waren. Bei der Ausdehnung ihres
Machtbereichs nach Süditalien stiegen sie auf die militärischen Kräfte der
griechischen Städte in diesem Raum. Diese
S. 73:
wurden von Pyrrhos (319-272 v. Chr.), einem "Condottiere" und König von
Epiros, mit einer grossen Armee unterstützt. Der erfahrendste Heerführer seiner
Zeit setzte auch seine Kriegselefanten ein, die der römischen Reiterei einen
Schrecken einjagten. Nach für beide Seiten verlustreichen Schlachten setzten
sich die Römer mit ihrer furchtlosen Entschlossenheit durch. Pyrrhos war
entsetzt über die Grausamkeit des Gegners und seiner Weigerung, auch bei
eindeutigen Niederlagen keine Verhandlungen anzustreben.
Diese Beharrlichkeit zahlte sich auch in der hundertjährigen
Auseinandersetzung mit Karthago aus. In den drei Punischen Kriegen (264-241,
218-201, 149-146 v. Chr.) setzte sich Rom schrittweise durch und vernichtete
den Gegner schliesslich völlig. In diesem wechselvollen Ringen zwischen der
seebeherrschenden Handelsmacht und dem bäuerlichen Kriegerstaat blieb - wie
zwei Jahrhunderte zuvor im Peloponnesischen Krieg - die Landmacht
erfolgreich, weil es ihr gelang, auch eine leistungsfähige Seestreitmacht zu
entwickeln. Bezeichnend war die Entwicklung des Corvus, einer Enterbrücke,
die sich mit ihrem Eisensporn an der Unterseite am feindlichen Deck festkrallte
und den Legionären die Erstürmung des Schiffes ermöglichte. Hier zeigt sich die
ausgeprägte Fähigkeit der Römer zur technischen Innovation und einer
-6Kriegführung, die hauptsächlich auf den Nahkampf der schwerbewaffneten
Legionäre setzte.
In dem Ringen zwischen Land- und Seemacht ragt mit Hannibal Barkas
(246-183 v. Chr.) nur ein karthagischer Heerführer hervor.59 Er unternahm im 2.
Punischen Krieg eine lange Expedition durch Spanien, Südfrankreich, um
überraschend in Norditalien einzufallen und die Römer mit ihren eigenen
Mitteln zu schlagen. Obwohl seine Armee hauptsächlich aus Verbündeten und
Söldnern bestand, die ihre unterschiedliche Kampfweise beibehielten, besiegte
Hannibal die ihm entgegen tretenden schwerfälligen römischen Legionen durch
taktische Finessen und einen Kampf der verbundenen Waffen. Seine
Kriegselefanten spielten nur anfangs eine gewisse Rolle. Gepanzerte Kavallerie
und leichte Truppen überflügelten die Römer, lockten sie in Hinterhalte oder
attackierten die Flanken, während Hannibals Infanterie die Legionen blockierte.
Bei Cannae (216 v. Chr.) gelang ihm mit einer klassisch gewordenen
Kesselschlacht die Vernichtung einer doppelt so starken römischen Armee von
16 Legionen.
Hannibal hatte danach wohl das schutzlose Rom einnehmen können, doch der
überragende Taktiker scheiterte an seinen zögerlichen strategischen
Überlegungen, die ihn an Rom vorbei ziehend in Süditalien zu einem
fruchtlosen,
S. 74:
jahrelangen Kleinkrieg führen liessen. Dagegen wechselten die Römer ihren
"Zauderer" Fabius Maximus aus und griff en die Karthager in Spanien und
Italien nur noch dort an, wo Hannibal abwesend war. Der entschlossene
römische Feldherr Scipio marschierte durch Spanien nach Nordafrika,
veranlasste die numidischen Verbündeten Karthagos zum Frontwechsel, womit
Hannibal seine Reiterei verlor, und belagerte schliesslich die feindliche
Hauptstadt. Hannibal, aus Italien zurückbeordert, erlitt in der Schlacht bei Zama
202 v. Chr. die erste und auch kriegsentscheidende Niederlage gegen die Römer.
Als sich zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. die Gelegenheit bot, das reiche
Spanien zu unterwerfen, kam es zu beispiellosen Raub- und
Vernichtungskriegen, bei denen sich die persönlichen Interessen nicht selten von
der Staatsräson lösten. Es trug mit dazu bei, dass die Durchsetzung des
59
Pedro Barcelo, Hannibal. Stratege und Staatsmann. Stuttgart 2004.
-7römischen Herrschaftsanspruchs auf der iberischen Halbinsel zeitlich
aufwendiger gewesen ist als im übrigen Mittelmeerraum.60 Nach erfolgreichen
Friedensschlüssen zogen Prätoren nicht selten als Legionskommandeure nach
Spanien, nur um neue Kriege vom Zaun zu brechen, weil sich die Aussichten auf
eine erfolgreiche politische Karriere damit verbesserten und sich ihre Kasse
füllen liess. Diese blutige Tradition spanischer Kriege setzten später auch Cäsar
und Augustus noch fort.
Durch die allmähliche Ausdehnung des römischen Machtbereichs, die von
Mittelitalien aus zunächst die ganze Halbinsel, dann Sizilien erfasste, standen
die Legionen erst spät vor dem Problem der Seekriegführung. In der
Auseinandersetzung mit der seebeherrschenden Macht Karthagos erlitten die
römischen Feldherrn im Ersten Punischen Krieg erhebliche Verluste, was 247
zeitweilig sogar zu einem gesetzlichen Verbot der Seekriegführung
Veranlassung gab. Die Volksversammlung wollte auf diese Weise verhindern,
dass einberufene Bauernsoldaten auf See ums Leben kommen konnten.
Mitglieder der römischen Nobilität wurden aber von der Aussicht auf Beutezüge
an fernen Küsten und Kaperfahrten angezogen.61 So wendeten privat
organisierte Kriegszüge einzelner Senatoren schliesslich das Blatt. Ab 245 v.
Chr. hatten die Konsuln zwar wieder die Befugnis, im Namen der res publica
auch zur See Krieg zu führen, doch die römische Flotte, die rasch an Erfahrung,
Kampfkraft und Reichweite gewann, wurde auch künftig von Angehörigen der
Führungselite finanziert und durch angeworbene Freiwillige bemannt.
S. 75:
Die häufigen und an fernen Gestaden durchgeführten Feldzüge erschöpften die
Leistungsfähigkeit der bäuerlichen Milizionäre. Weil der Landzuwachs
hauptsächlich von Adligen genutzt wurde, um eine gewinnbringende, extensive
Weidewirtschaft mit Hilfe von Sklaven zu betreiben, verringerte sich die soziale
Basis der Bürgerarmee und führte zu verschärften inneren Konflikten. So ging
man im 1. Jahrhundert v. Chr. allmählich dazu über, aus der ärmeren
Bevölkerung Berufssoldaten zu rekrutieren und auf Staatskosten auszurüsten.
Dabei spielte Gaius Marius (157-87 v. Chr.), erfolgreicher Feldherr und
langjähriger Konsul eine wichtige Rolle. Beständigkeit und Erfolg gaben dieser
60
Siehe Martin Luik, Der schwierige Weg zur Weltmacht. Roms Eroberung der Iberischen
Halbinsel 218-19 v. Chr. 2. Aufl. Darmstadt 2007.
61
Bruno Bleckmann, Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen
zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik. Berlin 2002.
-8Berufsarmee (militia perennis) die Möglichkeit, ihre Schlagkraft und Fähigkeit
weiter zu entwickeln, obwohl sie in der langen Phase der Bürgerkriege zerrissen
wurde. Die Loyalität der Legionäre band sich dabei sowohl an Ruhm und
Vertrauen einzelner Befehlshaber, die miteinander im Streit lagen, als auch an
deren finanzielle Potenz.
In der Auseinandersetzung der Parteien, Politiker und Heerführer stieg Gaius
Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) zur dominierenden Gestalt empor. Er schuf sich
während seiner Gallischen Kriege eine ausreichende Machtbasis, um, gestützt
auf seinen politischen Einfluss im Senat, seine Popularität im Volke und vor
allem seine Legionen nach der Macht in der Republik zu greifen, gegen seine
Konkurrenten in einem Bürgerkrieg zu behaupten und seine Position als
Diktator auf Lebenszeit zu festigen, bis er von seinen Parteigängern im Senat
ermordet wurde. Er verkörperte den römischen Feldherrn, wie man ihn aus alten
Zeiten kannte. Mit kühnen Vorstössen schlug er Aufstände unterworfener
Völker nieder, erweiterte konsequent das von seinen Truppen beherrschte
Terrain auch durch eine geschickte Bündnispolitik und stiess zweimal sogar
über den Kanal bis weit nach Britannien hinein. Im Gefecht zeigte er sich
entschlussfreudig und führte seine Truppen auch im Brennpunkt der Kämpfe.
Sein Grossneffe Octavian setzte sich im Bürgerkrieg als Nachfolger durch und
begründete als Kaiser Augustus eine lange, wechselvolle Periode monarchischer
Regime, die sich hauptsächlich auf die römische Berufsarmee stützten. Auch bei
der Bildung von Dynastien gaben militärische Erfahrungen und Bindungen
meist den Ausschlag. Onasandros beschrieb in seinem Strategikos die Pflichten
eines Generals, ein Traktat, das in der Renaissance sehr beliebt war.
Die Ausrufung eines Gegenkaiser durch die Truppen war nicht ungewöhnlich.
Eine wichtige Rolle spielten bei der Stützung des Regimes die Prätorianer,
ursprünglich die Leibwache römischer Generale im Feldlager. Unter Augustus
dienten sie zum inneren Schutz und wurden, um den Anschein der Republik zu
wahren, grösstenteils im Nahbereich der Hauptstadt stationiert. Nach seinem
Tod spielten die Prätorianer eine zunehmend ambitionierte und blutige
S. 76:
Rolle. Die Kaiser bevorzugten schliesslich barbarische Söldner zu ihrem
persönlichen Schutz. Konstantin der Grosse löste die Truppe 312 auf, die
innerhalb der römischen Armee keine Sonderstellung ausübte, sondern lediglich
besser bezahlt und ausgebildet worden war.
-9In der Kaiserzeit perfektionierte das römische Militär seine Fähigkeiten und war
in der Lage, auf allen Kriegsschauplätzen erfolgreich zu kämpfen.62
Unbesiegbar waren die Legionen aber nicht, wie die Varus-Schlacht im
Teutoburger Wald 9 n. Chr. bewies.63 Blitzartige Überfälle auf die römischen
Marschkolonnen schwächten die drei Legionen innerhalb weniger Tage soweit,
dass sie samt dem Tross schliesslich überrannt wurden. Im Ergebnis wurde die
Reichsgrenze in Germanien nicht weiter ausgedehnt. Die Armee zog sich hinter
den Limes zurück und konnte so die Grenze für mehr als drei Jahrhunderte mit
einem System von Stützpunkten und Palisadenlinien schützen, wozu auch eine
Politik friedlicher Beziehungen und des Handelsaustauschs mit den
Nachbarstämmen beitrug.64
Gegen die kriegerischen Daker im Balkanraum war Kaiser Trajan 106 n. Chr.
erfolgreicher. Nachdem die Daker römisches Territorium mehrfach mit
Raubzügen heimgesucht hatten, war es Trajan mit einer ersten Strafexpedition
und nach schweren Kämpfen gelungen, den Anführer Decebal zu zwingen, um
Frieden zu bitten. Als nach dem Abzug der Römer dieser aber mit seiner
reorganisierten Stammestruppe wieder römische Vorposten angriff, schlug
Trajan 106 hart zurück. In einer technischen Meisterleistung schlugen seine
Legionäre eine feste Brücke über die breite Donau, durchquerten unter dem
Einsatz von Hilfstruppen das schwierige Gelände der Karpathen und belagerten
die feindliche Hauptstadt Sarmizegetusa. In aussichtsloser Lage begingen die
Daker massenhaft Selbstmord. Dakien wurde Teil des römischen Imperium.
Die technische und taktische Leistungsfähigkeit der Armee, ihre Flexibilität und
innere Ordnung sowie die Entschlossenheit ihrer Befehlshaber gewährten meist
den Sieg. Militärtheoretische Schriften tradierten Erfahrungen und Lehren. Dazu
gehörte die Arbeit von Frontinus "Strategemata" (103), die hauptsächlich
Kriegslisten beschrieb, die Taktik des Arrian (um 150) und Polyainos Strategica
mit 8 Büchern über militärische Operationen (162).
62
Yann Le Bohec, Die römische Armee. Von Augustus zu Konstantin dem Grossen. Stuttgart
1993; Adrian Keith Goldsworthy, The Complete Roman Army. London, New York 2003.
63
Wilm Brepohl, Neue Überlegungen zur Varusschlacht. Münster 2004; ders., Arminius
gegen Germanicus. Der Germanicus-Feldzug im Jahre 16 n. Chr. und seine Hintergründe.
Münster 2008.
64
Helmuth Schneider (Hg.), Feindliche Nachbarn. Rom und die Germanen. Köln, Weimar
2008.
- 10 S. 77:
Es gab keinen gleichwertigen Gegner, was die äussere Sicherheit des Reiches
lange Zeit bewahrte und die Armee eher zu einer Belastung der Innenpolitik
werden liess. Die Belagerung etwa der Festung Massada in Judäa 74 n. Chr., wo
jüdische Aufständische auf einer nahezu uneinnehmbaren Bergposition durch
den Bau einer aufwendigen Rampe überwunden wurden, zeigte diese überlegene
Kriegskunst ebenso wie die Niederwerfung der kaledonischen Stämme in
Schottland. Dort trafen 84 n. Chr. die Römer auf eine gleichstarke feindliche
Armee, die noch mit Streitwagen auffuhr. Hier übernahm auf römischer Seite
ausnahmsweise die Kavallerie den Hauptangriff. Sie trieb die
Streitwagen-Armada auseinander und fiel den feindlichen Fusstruppen in den
Rücken. Im Nahkampf waren die schwerbewaffneten Manipel den
Stammeskriegern weit überlegen.
Während die Römer den gesamten Mittelmeerraum souverän beherrschten,
mussten sie um die Grenzen in Britannien, Germanien und im Nahen Osten
immer wieder heftige Kämpfe austragen. Die römischen Legionen waren
hauptsächlich in diesen Bereichen gebunden und konnten dank der gut
ausgebauten Infrastruktur des Reiches auch Schwerpunktverlagerungen
vornehmen. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts entwickelten sich noch einmal
Bürgerkriege, in denen die römischen Legionen stark geschwächt wurden. Um
so bedeutsamer wurde die Integration von ausländischen Hilfstruppen und
barbarischen Söldner, die man vorzugsweise heimatfern einsetzte und auf diese
Weise in ihrer Loyalität stärkte. Ausserdem vergrösserte man den Anteil der
Reiterei. Die angeworbenen Soldaten der Infanterie erhielten mit Kettenhemden
und Eisenhelmen einen stärkeren persönlichen Schutz.
Als im 3. Jahrhundert die Raub- und Wanderzuge der Barbaren die Reichsgrenze
immer wieder in Gefahr brachten, zeigten sich die kaiserlichen Legionen
zunehmend überfordert. Über die Ursachen, die schliesslich zum Verfall des
römischen Imperiums führten, wird auch heute noch unter den Historikern
gestritten. Zu berücksichtigen ist, dass es sich um einen langwierigen,
keineswegs unumkehrbaren Prozess handelte. Er spiegelte sich auf jeden Fall im
römischen Heerwesen wider, das sich im Verlauf des 5. Jahrhunderts in seiner
klassischen Form auflöste. Im Osten entstand die byzantinische Armee als
schwer gepanzerte Reiterei, im Westen dominierten die leicht bewaffneten
Kriegshorden wandernder Völker wie der Langobarden, Sachsen und Franken.
- 11 Die innere Schwäche des Kaiserreichs und der Verfall einer zentralen
Staatsführung beförderten eine zunehmende regionale Herrschaftsbildung, von
der auch die Armee betroffen wurde.65 Infolge ihrer nachlassenden Mobilität
und
S. 78:
einer starken Durchdringung mit Hilfstruppen verlor sie ihren eigentümlichen
Charakter. Usurpatoren griffen nach der Macht und stützten sich auf grosse
Heeresverbände, die zur Legitimation der Kaisergewalt wurden.
Bereits gegen Ende des 3. Jahrhunderts hatte Kaiser Diokletian auf die ständigen
Revolten und Invasionen, die das Reich bedrohten, mit einer Teilung der Macht
reagiert. Zeitweilig konkurrierten zwei Kaiser und vier Cäsaren um die Macht
im Reich, dessen Mittelpunkt sich immer starker nach Osten verlagerte. Eine
Ausnahme bildete die Herrschaft von Konstantin I. (272-337), der das Reich im
Zeichen des Christentum 323 n. Chr. noch einmal vereinte. Ausgelöst durch den
Vorstoss der innerasiatischen Hunnen, deren Reiterarmeen selbst kriegerische
europäische Stämme und Völker nicht gewachsen waren, begann ab 375 n. Chr.
eine Völkerwanderung, die zur Zerstörung des römischen Reiches beitrug und
Europa grundlegend veränderte.
Das von Konstantinopel aus regierte Weströmische Reich konnte sich gegen die
Angriffe vom Norden und Osten aus trotz einiger Einbrüche weitgehend
behaupten, wozu nicht zuletzt der aufwendige Bau einer Mauer zum Schutz der
reichsten Stadt der Welt beitrug. Sie war im 5. Jahrhundert, noch vor dem Bau
der Chinesischen Mauer, das stärkste Bollwerk der Welt und sicherte die
Hauptstadt für rund eintausend Jahre.
Die Herrscher des Weströmischen Reiches mussten sich der Unterstützung
germanischer und gotischer Stämme versichern, die schliesslich keinen Kaiser
mehr akzeptierten und eigene Staatsgründungen betrieben. Die Hauptstadt Rom
war mit ihren Befestigungen nicht unüberwindbar. Bei der Schlacht gegen die
Hunnen unter Attila (406-453) auf den Katalaunischen Feldern trugen Römer
und Westgoten gemeinsam den Sieg davon. Die beiden feindlichen Heere
bildeten freilich jeweils ein buntes Volkergemisch.
65
Arther Ferrill. The Fall of the Roman Empire. The Military Explanation. London 1986.
- 12 Für das Oströmische Reich war bereits 224 n. Chr. mit dem neu-persischen
Sassaniden-Reich ein gleichwertiger Gegner entstanden.66 Dessen hoch
entwickelte Kriegskultur stützte sich auf gut trainierte, disziplinierte
Panzerreiter, gegen die sich die römischen Legionen in blutigen Kriegen nur
schwer behaupten konnten und die sich deshalb in Ausrüstung und Kampfweise
dem Gegner immer stärker anpassten. In einem Jahrhunderte andauernden
Ringen erschöpften sich beide Seiten, bis das Vordringen des Islam durch die
Araber das Sassaniden-Reich zerstörte und die Byzantiner ihre Ostprovinzen
verloren. Damit ging nach dem Verständnis mancher Historiker die Spätantike
zu Ende.
66
James Howard-Johnston (ed.), East Rome, Sasanian Persia and the End of Antiquity:
Historiographical and Historical Studies. Aldershot 2006.
Internet-Bearbeitung: K. J.
Version 04/2011
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