Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? Wolfgang Gaebel Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) WPA Section on Quality Assurance European Psychiatric Association Projekt “European Guidance in Psychiatry” Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie LVR-Klinikum Düsseldorf Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf [email protected] Erklärung zu potentiellen Interessenkonflikten W. Gaebel Symposienunterstützung Janssen-Cilag GmbH, Neuss Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg Servier, München Mitglied der Fakultät der Lundbeck International Neuroscience Foundation (LINF), Dänemark Unterstützung von Forschungsprojekten DGPPN Bundesärztekammer Bundesministerium für Bildung und Forschung Bundesgesundheitsministerium Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? • • • • • Qualität psychiatrischer Versorgung Qualitätsbereiche und -merkmale Schwerpunktsetzung Entwicklung von Qualitätsindikatoren Zusammenfassung Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? • • • • • Qualität psychiatrischer Versorgung Qualitätsbereiche und -merkmale Schwerpunktsetzung Entwicklung von Qualitätsindikatoren Zusammenfassung Was ist Qualität in der Psychiatrie? Qualität als komplexes Konstrukt mit unterschiedlichen … … Betrachtungskategorien Ø Strukturen, Prozesse, Ergebnisse … Betrachtungsebenen (was wird beurteilt?) Ø Makro-/Mikroebene, Systemfunktion Ø Institutionen (stat-amb), Personalausstattung, “Hotel”-qualität; Leitlinienkonformität, Versorgungskoordination; Mortalität, Symptomatik, psychosoziales Funktionsniveau, Lebensqualität … Betrachtern (wer beurteilt Qualität?) Ø Leistungserbringer, Betroffene, Angehörige, Kostenträger, staatliche Institutionen … Unterschiedliche Definition und Schwerpunktsetzung für Qualität und QIs à Q.messung muss verschiedene Indikatordomänen berücksichtigen und zu einem Qualitätsprofil kombinieren modif. nach Wobrock et al. (2010), Die Psychiatrie 7: 1-11 Sektorenübergreifende Qualitätsbeurteilung Vorgaben für einrichtungs- und sektorenübergreifende Maßnahmen der Qualitätssicherung: • Einrichtungsübergreifend: Beurteilung der Qualität durch Vergleiche zwischen Leistungserbringern • Sektorenübergreifend: Beurteilung der Qualität über Sektorengrenzen hinweg: – Sektorenüberschreitende Verfahren: • Mind. 2 Sektoren haben am Behandlungsergebnis Anteil – Sektorgleiche Verfahren: • Die gleiche medizinische Leistung erfolgt in unterschiedlichen Sektoren – Sektorenüberschreitendes Follow-up Verfahren: • Die Ergebnisqualität einer in einem Sektor erbrachten Leistung wird in einem anderen Sektor überprüft Gemeinsamer Bundesausschuss (2010) Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung – Qesü-RL vom 19. April 2010, www.g-ba.de Sektoren, Institutionen, Akteure der Versorgung Hausarzt Behandlungsergänzende Fachberufe Ärztlicher und Psychologischer Psychotherapeut Anderer Facharzt Patient Allgemeinkrankenhaus FA für Psychiatrie/ Psychotherapie bzw. Nervenarzt RehaEinrichtung Fachklinik nach Berger et al., Nervenarzt 1/2005,104ff Prävalenz psychischer Erkrankungen in Deutschland 2005-2007 N= Alle Versicherten der beteiligten Krankenkassen 2005-2007 (10 Mio.) W. Gaebel, J, Zielasek, S. Kowitz, J. Fritze, Manuskript in Vorbereitung Diagnosenverteilung (F0-F5) im Versorgungssystem (2005-2007) Deutschland N = Alle Versicherten mit psychischen Störungen (F0-F5) im Untersuchungszeitraum (2005-2007). Verteilung der Behandlungsfälle (F0-F5) auf die Versorgungssektoren Deutschland Ambulanter Behandlungsfall = abgerechnetes Leistungsquartal bei einem niedergelassenen Arzt. Ambulante Versorgung (2005-2007) nach Disziplinen N = Alle Betroffenen mit ambulanter Behandlung der psychischen Störung 2005-2007 (N=3.197.632 = 97,6% aller Betroffenen mit psychischen Störungen). Stationäre Versorgung (2005-2007) nach Schweregrad der Depression und Fachinstitutionen Anzahl Erkrankte mit stationärer Behandlung mit Hauptdiagnose einer mittelgradigen Depression: n= 22.132 Anzahl Erkrankte mit stationärer Behandlung mit Hauptdiagnose einer schweren Depression: n= 30.878 Mehrfachnennungen pro Betroffenem möglich (Betroffene mit mehrmaligem stationären Aufenthalt in jeweils unterschiedlichen Fachabteilungen) Was sind Daten zur Qualitätssicherung? §14 Arten der Daten (2) Personenbezogene Daten …. (3) Qualitätssicherungsdaten sind die für das jeweilige Verfahren relevanten Behandlungsdaten, die Angaben zum Gesundheitszustand der Betroffenen oder über die erbrachten diagnostischen und therapeutischen Leistungen enthalten, sowie weitere in den themenspezifischen Bestimmungen festzulegende relevante Daten. In der Regel sind sie prospektiv zu erheben. Gemeinsam mit den Qualitätssicherungsdaten wird eine von den Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern für den Dokumentationszeitraum und die Patientin oder den Patienten eindeutig generierte Fallnummer geliefert, die nur ihnen die Reidentifikation der Patientin oder des Patienten in Rückmeldeberichten ermöglicht. (4) Administrative Daten … Gemeinsamer Bundesausschuss (2010) Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung – Qesü-RL vom 19. April 2010, www.g-ba.de Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? • • • • • Qualität psychiatrischer Versorgung Qualitätsbereiche und Merkmale Schwerpunktsetzung Entwicklung von Qualitätsindikatoren Zusammenfassung Qualitätsbereiche und -merkmale des psychiatrischen Versorgungssystems (I) • Strukturen – Technische Ausstattung, Personal (Anzahl, Qualifikation), Infrastruktur • Prozesse – Prävention, Ermittlung von Bedarf, Zugang, Diagnostik, Behandlung, Sicherheit, Zwangsmaßnahmen, Koordination, Kontinuität (Schnittstellen-Management) • Ergebnisse – Mortalität, Kosten - Symptomremission, Suizidraten, Lebensqualität etc. • Klinische Populationen – Diagnostische Gruppen, Komorbide Erkrankungen, Prävalenz, Morbidität, Behandelbarkeit • Spezielle (gefährdete) Personengruppen – Kinder, ältere Personen, kulturelle und ethnische Minderheiten, ländliche Bevölkerung modifiz. nach Hermann & Palmer (2002) Psychiatric Services 53: 281-287 Qualitätsbereiche und -merkmale des psychiatrischen Versorgungssystems (II) • Therapieformen – Pharmakotherapie, andere somatische Therapien, Psychotherapie, psychosoziale Interventionen, Rehabilitation, etc. • Behandlungssettings – stationär, ambulant, teilstationär, integrierte Versorgung, gemeindenahe Versorgung, Pflegeheim, Strafanstalt, etc. • Systemebenen – Bevölkerungsgruppe, Individuum, Einrichtungsebene, Leistungserbringer • Zweck der Qualitätsmessung – Interne und externe Qualitätssicherung und -verbesserung, Wahlentscheidung für Patienten, Forschung, Akkreditierung, Überwachung, etc. à Einzelne Qualitätsindikatoren bilden unterschiedliche Qualitätsbereiche ab und müssen zu einem Qualitätsprofil kombiniert werden modifiz. nach Hermann & Palmer, Psychiatric Services 53: 281-287 Dimensionen und Eckpunkte einer sektorübergreifenden Qualitätssicherung (I) Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses über eine Beauftragung der Institution nach § 137 a SGB V: Entwicklung eines sektorübergreifenden Qualitätssicherungsverfahrens zur Versorgung bei psychischen Erkrankungen vom 15. März 2012 Gemeinsamer Bundesausschuss (2012), http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1458/ Stand 26.06.2012 Erfahrungen von Patienten Qualitätsbereich Patientenzufriedenheit (I) Patientenbefragungen im LVR*-Klinikverbund: • 26 Fragen zur persönlichen Einschätzung des Klinikaufenthaltes zu folgenden Kriterien: • Hygiene / Sauberkeit, Verpflegung, räumliche Umgebung • Mitwirkung an Behandlungsplanung und -entscheidungen • Behandlungsangebot und –organisation • Behandlungserfolg • Medizinische Aufklärung • Empowerment • Behandlung körperlicher Erkrankungen (Konsile) • Multiprofessionelle Zusammenarbeit • Kompetenz der Leistungserbringer (fachlich und interpersonell) • Aufnahme- und Entlassungsmanagement • Befragungsintervall alle 3 Jahre über jeweils 3 Monate *LVR = Landschaftsverband Rheinland Erfahrungen von Patienten Qualitätsbereich Patientenzufriedenheit (II) Systematische schriftliche Patientenbefragung durch die AOK Rheinland/Hamburg (Beginn: 2009) Kategorien Ärztliche Versorgung Organisationsabläufe • Berücksichtigung Wünsche & Bedenken • Wartezeiten während Aufenthalt • Umgang der Ärzte • Ablauf Aufnahme • Information durch den Arzt • Entlassorganisation • Qualität medizinische Versorgung Service Pflegerische Betreuung • Sauberkeit • Berücksichtigung Wünsche & Bedenken • Essensversorgung • Umgang der Pflegekräfte • Zimmer • Information durch Pflegekräfte Weiterempfehlungsbereitschaft • Qualität pflegerische Versorgung Behandlungserfolg Gesamt • 16 Fragen Dimensionen und Eckpunkte einer sektorübergreifenden Qualitätsmessung (II) Gemeinsamer Bundesausschuss (2012), http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1458/ Stand 26.06.2012 Dimensionen und Eckpunkte einer sektorübergreifenden Qualitätsmessung (III) Gemeinsamer Bundesausschuss (2012), http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1458/ Stand 26.06.2012 Dimensionen und Eckpunkte einer sektorübergreifenden Qualitätsmessung (IV) Gemeinsamer Bundesausschuss (2012), http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1458/ Stand 26.06.2012 Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? Beispiel aus der Praxis: kardiovaskuläre und metabolische Komorbidität bei Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen (SMI) – werden diese Kontrollen durchgeführt? àEntwicklung eines Qualitätsindikators zu diesem Thema kann positive Steuerungsaspekte entfalten! Heald A et al., Management of physical health in patients with schizophrenia: practical recommendations. Eur Psychiatry 2010;25:S41-S45. Dimensionen und Eckpunkte einer sektorübergreifenden Qualitätsmessung (V) Gemeinsamer Bundesausschuss (2012), http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1458/ Stand 26.06.2012 Sektorenübergreifende Qualitätsindikatoren – Beispiele Dimensionen des G-BA Beschlusses Beispiele möglicher Qualitätsindikatoren auf der Grundlage von Routinedaten Rate und Zeitdauer bis zum Beginn einer ambulanten Weiterbehandlung nach stationärer Entlassung Generische Qualitätsindikatoren • • • • Sektorenübergreifender Ansatz Prozessqualität Berücksichtigung von Schnittstellen Verwendung von Routinedaten • • • • Sektorenübergreifender Ansatz (komplementärer Bereich) Ergebnisqualität Prozessqualität Verwendung von Routinedaten • • • • • Sektorenübergreifender Ansatz Ergebnisqualität Prozessqualität Berücksichtigung von Schnittstellen Verwendung von Routinedaten • • • • • • Besondere Berücksichtigung schwer oder schwerst Betroffener Sektorenübergreifender Ansatz Prozessqualität Berücksichtigung von Schnittstellen Krankheitsspezifische Aspekte Verwendung von Routinedaten Anteil aller Patienten mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Diagnosegruppe • • • Ergebnisqualität Krankheitsspezifische Aspekte Verwendung von Routinedaten Anteil aller Patienten mit Erwerbsminderungsrente nach Berentungsdiagnose • • • Ergebnisqualität Krankheitsspezifische Aspekte Verwendung von Routinedaten Häufigkeit und Ergebnisqualität (z.B. Arbeitsunfähigkeitsdauer) medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen Ergebnisqualität (z. B. Berentungsfrequenz) nach ambulanter psychiatrischer Behandlung im Vergleich zur ambulanten hausärztlichen Behandlung Stationäre Wiederaufnahmerate nach Diagnosegruppe, z.B. bei schwer oder schwerst Betroffenen Spezifische Qualitätsindikatoren Erfahrungen der Patienten und deren Angehörigen Berücksichtigte GBA-Eckpunkte keine keine Versorgungspfade bei affektiven Störungen (F3): Outcomes* Versorgungspfad N Anteil Betroffener mit Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychischen Störung (%) 1.„Kontinuierlich ambulant Allgemeinmediziner“ 76.733 6,1% (<2,<3, <4) Durchschnittliche Anzahl an AUTagen aufgrund der psychischen Störung (Mittelwert) Anteil Betroffener mit Frühberentung aufgrund psychischer Störung (%) Anteil Verstorbener (%) 29,0 (>2, <3, <4) 0,18% (>2, <3) 0,06% (>3) Signifikant niedrigste AU-Raten bei kontinuierlich allgemeinmedizinischer Behandlung 2.„Ambulant Allgemeinmediziner (decreasing)“ 3.„Kontinuierlich ambulant psychiatrischer Facharzt“ 9,1% (>1,>3, >4) 22,3 (<1, <3, <4) 0,05% (<1, <3, <4) 0,08% (>3) 262.088 Signifikant höhere Anzahl an AU-Tagen bei fachärztlicher Behandlung erhöhter Anteil an Früh-Berentungen 29.245Signifikant 8,1% (>1, 51,8 1,22%bei <2) (>1, >2, >4) (>1, >2, >4) 0,04% (<2, <1, <4) kontinuierlicher fachärztlicher Behandlung Signifikant niedrigste Mortalitäts-Rate bei kontinuierlich fachärztlicher Behandlung 4.„Ambulant psychiatrischer Facharzt (decreasing)“ 42.277 8,2% (>1, <2) 43,3 (>1, >2, < 3) *Outcomes unter Berücksichtigung des Einflusses der Kovariaten (adjustierte Werte). 0,25% (>2, <3) 0,08% (>3) Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? • • • • • Qualität psychiatrischer Versorgung Qualitätsbereiche und -merkmale Schwerpunktsetzung Entwicklung von Qualitätsindikatoren Zusammenfassung „Mental Health Quality Indicator Project“ der International Initiative for Mental Health Leadership (IIMHL) (I) • IIMHL Clinical Leaders Group: Gruppe klinischer Experten aus 12 Ländern (Vertretung für Deutschland: DGPPN; W. Gaebel, Düsseldorf) • Mehrphasige Initiative zur Entwicklung und Implementierung internationaler Qualitätsindikatoren für die Versorgung bei psychischen Erkrankungen • bei • Projektphase 1: • Review bereits vorhandener Qualitätsindikatoren in 12 Staaten • Erfassung 55 nationaler und drei internationaler Initiativen (OECD, WHO und EU) Spaeth-Rublee et al., Can J Psychiatry 2010;55(9):539–548. „Mental Health Quality Indicator Project“ der International Initiative for Mental Health Leadership (IIMHL) (II) Projektphase 2: • • Eingrenzung der gefundenen Qualitätsindikatoren auf 10 Domänen mit 36 Basisindikatoren (sowie zusätzlichen optionalen Varianten) Bewertung der Indikatoren durch die IIMHL Clinical Leaders Group nach den Kriterien „Relevanz“ und „Validität“, (1-9-Punkt-Skala mit 9 als höchster Bewertung und 7 als Trennpunkt) sowie Implementierbarkeit (hier nicht dargestellt) Basisindikator mit dem höchsten Relevanz-Score: Domäne Basisindikator Relevanz Validität Patientensicherheit Zwangsmaßnahmen bei stationären Patienten Z1: Anzahl der stationären Patienten, bei denen Zwangsmaßnahmen durchgeführt wurden 2 N : Gesamtanzahl der aus stationärer Behandlung entlassenen Patienten 8.3 (0.6)* 7.4 (1.0) Relevanz Validität Basisindikator mit dem höchsten Validitäts-Score: Domäne Basisindikator Ambulante Weiterbehandlung innerhalb von 7 Tagen nach Entlassung aus stationärer Behandlung Z: Anzahl der stationären Aufenthalte wegen einer Diagnose einer Kontinuität und psychischen Störung, bei denen der Patient nach Entlassung 8.2 (0.4) 7.9 (0.5) Koordination der innerhalb von 7 Tagen einen Termin zur ambulanten Versorgung Weiterbehandlung wahrnahm N: Alle stationären Aufenthalte wegen einer Diagnose einer psychischen Störung 1Zähler, 2Nenner; * Mittelwert (Standardabweichung) Spaeth-Rublee et al., 2010;55(9):539–548. Indicator Review: Top domains IIMHL ‚Mental Health Quality Indicator Project‘ der ‚International Initiative for Mental Health Courtesy S. Parameswaran, 8.5.12 Leadership‘ (IIMHL) Priorisierung: Beispiel Nationale Versorgungsleitlinien Priorisierung ist ein “Auswahlverfahren, das entweder anhand definierter Kriterien oder auch auf der Grundlage von Befragung der von einer Maßnahme Betroffenen die Reihenfolge von Themen, Arbeitsschritten oder anderen Elementen festlegt” (www.leitlinien.de) Ablauf Kriteriengestütztes Priorisierungsverfahren* Offene Themensammlung Formale Priorisierung, Prüfen der vorgeschlagenen Themen anhand der Kriterien Formaler Konsensusprozess Liste der priorisierten Themen * Verbesserungspotential durch NVL, sektorenübergreifender Behandlungsbedarf, Häufigkeit der Erkrankung, Krankheitslast ÄZQ (2010) Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien. MethodenReport, 4. Auflage Version 1.0 “Sensible” Qualitätsbereiche und Datenbasen • Schwer und schwerst Betroffene stehen im Vordergrund: hierzu sind Definitionen und Operationalisierungen zu entwickeln • Auch Ergebnis- und Prozessqualität müssen operationalisiert werden – z.B. über Erfassung von Psychopathologie, Schweregrad funktioneller Einschränkungen, Leitlinienkonformität von Diagnostik und Therapie, Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeit und Frührente • Probleme im Übergang zwischen den Versorgungsbereichen (ambulant-stationär, kurativ-rehabilitativ) müssen modelliert werden • Qualitätsparameter sollen bevorzugt aus Routinedaten gewonnen werden • Kassendaten (und ggf Rentenversicherungsdaten) bieten sich hier an, sind aber im Prozess- und Ergebnisbereich (abhängig von stationärer und ambulanter Versorgung) sehr unterschiedlich elaboriert • Patienten- und Angehörigenbeurteilungen müssen durch spezielle Erhebungen ergänzt werden Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? • • • • • Qualität psychiatrischer Versorgung Qualitätsbereiche und -merkmale Schwerpunktsetzung Entwicklung von Qualitätsindikatoren Zusammenfassung Von der Definition zur Messung von Qualität • Explizite Definition qualitätsrelevanter Merkmale verschiedener Versorgungsdomänen • Transparente und strukturierte Entwicklung und Anwendung von standardisierten, evidenzbasierten Messungen, z.B. Evaluation, Monitoring, Benchmarking • Einbezug von Experten, Betroffenen und Angehörigen mit dem Ziel einer Konsensbasierung • Identifizierung und Nutzbarmachung geeigneter Datenquellen (administrative Daten, Befragungen von Patienten und Leistungserbringern, medizinische Daten) • Sektoren- und einrichtungsübergreifende, spezifische und generische Qualitätsmessung Beispiel: Entwicklung der DGPPN-Qualitätsindikatoren Auswahl von Krankheitsbildern anhand der relativen und absoluten Häufigkeit der Störungen sowie der Auswirkungen auf die Lebensqualität Auswahl von Leitlinienempfehlungen und Versorgungsaspekten nach den folgenden Kriterien: • Relevanz der Versorgungsaspekte in Hinblick auf Verbesserungspotentiale, Häufigkeit, Krankheitslast sowie Ziele und Nutzen qualitätsfördernder Maßnahmen • Stärke des Empfehlungsgrads (wenn möglich, nur hoher Empfehlungsgrad) • Eignung der hier zugeordneten Empfehlungen in Hinblick auf die Messbarkeit, d.h. Spezifität und Eindeutigkeit. Ableitung von Indikatorvorschlägen aus den Leitlinienempfehlungen und Abgleich mit bestehenden Qualitätsindikatoren (Indikatorensynopse) Vorauswahl der Qualitätsindikatoren durch die Projektgruppe anhand folgender Kriterien: a. Validität b. Reliabilität c. Veränderungssensitivität d. Praktikabilität QUALIFY-Bewertung der Qualitätsindikatoren durch die Expertengruppe anhand verschiedener Kriterien der Kategorien Relevanz, Wissenschaftlichkeit und Praktikabilität Abstimmung über die Qualitätsindikatoren in einem Konsensusprozess Finalisierte Qualitätsindikatoren-Sets Falkai P, et al. Entwicklungsprozess der DGPPN Qualitätsindikatoren, Manuskript in Vorbereitung Klassifizierung der DGPPN Qualitätsindikatoren (I) Bezeichnung Patienteninformation / Psychoedukation (Schizophrenie, Demenz, Depression, Alkoholabh.) Angehörigeninformation / Psychoedukation Dimension (Struktur, Prozess, Ergebnis) Geltungsbereich (generisch, störungsspezifisch) Versorgungsbereich (präventiv, akut, chronisch) Funktion der Intervention (Screening, Diagnostik, Behandlung oder Follow-up) Art der Intervention Operationalisierung (Ratio, Proportion) P G/S A Behandlung Aufklärung P P G/S A Behandlung Aufklärung P P (Schizophrenie, Demenz, Depression, Alkoholabh.) Ambulante Weiterbehandlung nach stationärem Aufenthalt P G/S C Follow-up Kontakt niedergel. Arzt, Medikation, Psychotherapie P G/S A/C Behandlung / Follow-up Psychotherapie P P G/S A/C Behandlung / Follow-up Psychotherapie P P G/S A/C Behandlung / Follow-up Untersuchung P P G/S C Follow-up Rehabilitation P P G/S A/C Diagnostik Körperliche Untersuchung P (Schizophrenie, Depression, Alkoholabh.) Angebot einer Psychotherapie (Schizophrenie, Depression, Alkoholabh.) Durchführung einer Psychotherapie (Schizophrenie, Depression, Alkoholabh.) Einschätzung des Suizidrisikos (Schizophrenie, Depression) Berufliche Wiedereingliederung (Schizophrenie, Alkoholabh.) Medizinische Anamnese (Schizophrenie, Demenz) Klassifizierung der DGPPN Qualitätsindikatoren (II) Bezeichnung Dimension (Struktur, Prozess, Ergebnis) Geltungsbereich (generisch, störungsspezifisch) Versorgungsbereich (präventiv, akut, chronisch) Funktion der Intervention (Screening, Diagnostik, Behandlung oder Follow-up) Art der Intervention Operationalisierung (Ratio, Proportion) Zwangsbehandlung (Schizophrenie) P S A Behandlung Medikation, Restriktion P Verschreibung von Antipsychotika (Schizophrenie) P S A/C Behandlung / Follow-up Medikation P P P Monitoring von Nebenwirkungen (Schizophrenie) P S C Follow-up Körperliche, neurologische, LaborUntersuchung Erfassung des Schweregrads (Depression) P S A Diagnostik Befragung / Erfassung der Symptome Depressionsscreening (Demenz, Depression) P G/S A Screening / Diagnostik Befragung / Erfassung der Symptome Verschreibung von Antidepressiva (Depression) P S A Behandlung Medikation P Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie (Depression) P S A Behandlung Medikation / Psychotherapie P EKT bei Therapieresistenz (Depression) P S C Behandlung / Follow-up Elektrokrampftherapie P P Klassifizierung der DGPPN Qualitätsindikatoren (III) Bezeichnung Dimension (Struktur, Prozess, Ergebnis) Geltungsbereich (generisch, störungsspezifisch) Versorgungsbereich (präventiv, akut, chronisch) Funktion der Intervention (Screening, Diagnostik, Behandlung oder Follow-up) Art der Intervention Operationalisierung (Ratio, Proportion) Information über Selbsthilfegruppen (Depression, Alkoholabh.) P G/S A/C Behandlung / Follow-up Aufklärung, Therapie P Erkennen alkoholbezogener Störungen (Alkoholabh.) P S A Screening / Diagnostik Befragung / Erfassung der Symptome P Suchtspezifisches Angebot nach Entgiftung (Alkoholabh.) P S C Follow-up Therapie P Motivationsbildende alkoholspezifische Gesprächsintervention (Alkoholabh.) P S C Follow-up Psychotherapie P Medikamentöse Rückfallprophylaxe (Alkoholabh.) P S C Follow-up Medikation P Komorbidität (Alkoholabh.) P S A Behandlung Medikation / Psychotherapie P Labordiagnostik (Demenz) P S A Diagnostik Laboruntersuchung P Klassifizierung der DGPPN Qualitätsindikatoren (IV) Bezeichnung Dimension (Struktur, Prozess, Ergebnis) Geltungsbereich (generisch, störungsspezifisch) Bildgebung (Demenz) P S Versorgungsbereich (präventiv, akut, chronisch) Funktion der Intervention (Screening, Diagnostik, Behandlung oder Follow-up) Art der Intervention Operationalisierung (Ratio, Proportion) A Diagnostik Bildgebung P P Kognitive Einschränkung (Demenz) P S A Screening / Diagnostik Detektion und Einschätzung des Schweregrads Ätiologie (Demenz) P S A Diagnostik Ätiologische Zuordnung P Therapie mit Azetylcholinesteraseinhibitoren (Alzheimer Demenz) P S A Behandlung Medikation P Psychische und Verhaltenssymptome (Demenz) P S A Behandlung Medikation P Anmerkung: Auf der Grundlage dieser weitgehend störungsspezifischen Indikatoren können auch generische Indikatoren für wiederkehrende Themen in verschiedenen Erkrankungsbereichen entwickelt werden, z.B. Häufigkeit somatischer Diagnostik bei allen psychisch Kranken, Sicherstellung einer zeitnahen ambulanten Weiterbehandlung für alle psychisch Kranken (die stationär behandelt worden sind) Qualitätssensible Punkte in der psychiatrischen Versorgung: wo sollte Qualitätsmessung die Schwerpunkte setzen? • • • • • Qualität psychiatrischer Versorgung Qualitätsbereiche und -merkmale Schwerpunktsetzung Entwicklung von Qualitätsindikatoren Zusammenfassung Zusammenfassung • Qualitätsmessung dient als Optimierungsgrundlage sektorenübergreifender psychiatrisch-psychotherapeutischer Krankenversorgung • Qualitätsindikatoren müssen aus relevanten Bereichen, z.B. zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, gewonnen und zu einem Qualitätsprofil kombiniert werden • Bei der Auswahl müssen inhaltliche und formale Kriterien des GBA berücksichtigt werden • Der Nutzung vorhandener Datenquellen ist Vorrang einzuräumen, wobei Aufwand und Nutzen zusätzlicher Quellen abzuwägen sind • Entscheidungen für bestimmte Qualitätsbereiche sowie die Entwicklung von spezifischen wie generischen Indikatoren müssen evidenzbasiert und auf breiter Konsensbasis verschiedenster Interessengruppen erfolgen • Die anschließende Implementierung von Qualitätsindikatoren, ihre Evaluation sowie ihr Einsatz im Qualitätsmanagement sind zentrale Aufgaben der nächsten Zukunft – auch im Hinblick auf die Einführung eines neuen Entgeltsystems in Psychiatrie und Psychosomatik Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Qualitätsmessung: Formale Aspekte • Sollwerte – Istwerte • Messgrößen – Kriterien - Qualitätsindikatoren • Referenzbereich - Referenzwert • Qualitätsdimension (z.B. Struktur, Prozess, Outcome) • (Krankheits-)spezifisch - generisch • Versorgungsbereich (z.B. akut, chronisch) • Intervention (Art, Funktion) • Aggregierte Daten – Einzelereignisse (sentinel events) modifiz. nach W.H. Jäckel, in: äzq 2009 Stationäre und teilstationäre Versorgung (2005-2007) nach Hauptdiagnosen (F0-F5) und Fachinstitutionen Deutschland (I) N= Alle Betroffenen mit stationärer Behandlung mit Hauptdiagnose einer psychischen Störung F0-F5 (2005-2007). Mehrfachnennungen pro Betroffenem möglich (Betroffene mit mehrmaligem stationären Aufenthalt in jeweils unterschiedlichen Fachabteilungen) Stationäre und teilstationäre Versorgung (2005-2007) nach Hauptdiagnosen (F0-F5) und Fachinstitutionen Deutschland (II) N= Alle Betroffenen mit stationärer Behandlung mit Hauptdiagnose einer psychischen Störung F0-F5 (2005-2007). Mehrfachnennungen pro Betroffenem möglich (Betroffene mit mehrmaligem stationären Aufenthalt in jeweils unterschiedlichen Fachabteilungen) Stationäre und teilstationäre Versorgung (2005-2007) nach Fachinstitutionen Stationäre Fälle mit Hauptdiagnose einer psychischen Störung NRW vs. andere Bundesländer N= Alle Betroffenen mit stationärer Behandlung mit Hauptdiagnose einer psychischen Störung F0-F5 (2005-2007) in den jeweiligen Bundesländern. Mehrfachnennungen pro Betroffenem möglich (Betroffene mit mehrmaligem stationären Aufenthalt in jeweils unterschiedlichen Fachabteilungen) Beispiele 4 ambulanter Versorgungspfade (4 Quartale) Von 4.095 möglichen Versorgungspfaden bei einem Betrachtungszeitraum von einem Jahr (4 Quartalen) fanden sich insgesamt 4 Versorgungspfade unabhängig von der Diagnosegruppe (F0-F5) der Indexdiagnose jeweils unter den 12 häufigsten Versorgungspfaden: Ambulant Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Nervenarzt Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Kontinuierlich ambulant „psychiatrischer Facharzt“ Kontinuierlich ambulant „Allgemeinmediziner“ Ambulant Allgemeinmediziner/ somatischer Facharzt Ambulant „Facharzt (decreasing)“ Kein dokumentierter Kontakt Ambulant „Allgemeinmediziner (decreasing)“ Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Anteil Betroffener mit AU (2005-2007) nach Diagnosen (F0-F5) Deutschland Anteil Betroffener mit mind. 1 AU-Fall (ohne Berücksichtigung mehrfacher AU) N = Betroffene mit psychischen Störungen (F0-F5) im erwerbsfähigen Alter (15-65 Jahre).