Mathematik IV für Maschinenbau und Informatik (Stochastik

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Mathematik IV für Maschinenbau und Informatik (Stochastik)
Universität Rostock, Institut für Mathematik
Sommersemester 2007
Prof. Dr. F. Liese
Dipl.-Math. M. Helwich
Serie 8
Termin: 1. Juni 2007
Aufgabe 1 (4 Punkte)
Es seien X1 und X2 unabhängige Zufallsvariable, die jeweils eine Poissonverteilung mit den Parametern λ1 bzw. λ2 besitzen. Weisen Sie mit Hilfe der Faltungsformel für diskrete Verteilungen nach,
dass X1 + X2 eine Poissonverteilung mit dem Parameter λ1 + λ2 besitzt.
Lösung: Eine Zufallsgröße K besitzt eine Poissonverteilung mit Parameter λ , wenn die Einzelwahrscheinlichkeiten P (K = k) gegeben sind durch
P (K = k) =
λk −λ
e , k = 0, 1, ...
k!
Demnach gilt für die Zufallsgrößem X1 und X2
P (X1 = k) =
λk1 −λ1
e
k!
und P (X2 = k) =
λk2 −λ2
e , k = 0, 1, ...
k!
Die Verteilung der Summe beider Zufallsgrößen berechnet sich dann für k = 0, 1, ... unter Verwendung
der Unabhängigkeit wie folgt:
X
P (X1 = i, X2 = j)
P (X1 + X2 = k) =
i+j=k
=
=
=
k
X
i=0
k
X
P (X1 = i, X2 = k − i)
P (X1 = i) P (X2 = k − i)
i=0
k
X
i=0
λi1 −λ1 λk−i
2
e
e−λ2
i!
(k − i)!
k
X
λi1 λk−i
2
= e
i! (k − i)!
i=0
k µ ¶
e−(λ1 +λ2 ) X k i k−i
=
λ λ
k!
i 1 2
−(λ1 +λ2 )
i=0
(λ1 + λ2 )k −(λ1 +λ2 )
=
e
,
k!
P ¡ ¢
da nach dem binomischen Satz (λ1 + λ2 )k = ki=0 ki λi1 λk−i
2 . Nach obigen Angaben ist klar, dass
(λ1 +λ2 )k
k!
e−(λ1 +λ2 ) der Einzelwahrscheinlichkeit einer Poissonverteilung mit Parameter λ1 + λ2 ent-
spricht.
Aufgabe 2 (4 Punkte)
Um eine hohe Auslastung von Plätzen in Flugzeugen zu garantieren, werden von den Fluggesellschaften Flugzeuge systematisch überbucht, weil bekannt ist, dass nicht alle gebuchten Reisenden ihren Flug
auch antreten. Es sei gegeben, dass die Passagiere einen Flug mit Wahrscheinlichkeit 1 − p = 0.99
antreten. Für ein Flugzeug mit 100 Passagieren werden 103 Tickets verkauft. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Passagiere nicht befördert werden können?
1
Hinweis: Verwenden Sie für die Binomialverteilung die Näherung durch die Poissonverteilung, d.h.
¡n¢ k
λk −λ
n−k
≈
e ,
k p (1 − p)
k!
für λ = np.
Lösung: Wir betrachten ein Binomialexperiment mit n = 103 Versuchen. Die Anzahl der Erfolge K
sei definiert als Anzahl der nicht zum Flug angetretenen Passagiere, wobei dann die Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben ist als p = 0.01. Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest ein Passagier
nicht befördert werden kann, welches genau dann der Fall ist, wenn weniger als 3 Passagiere nicht zum
Flug erscheinen. Dabei sollen die Einzelwahrscheinlichkeiten der Binomialverteilung durch die Einzelwahrscheinlichkeiten der Poissonverteilung mit Parameter λ = n p = 103 · 0.01 = 1.03 angenähert
werden. Es ist also exakt
P (K < 3) = P (K ≤ 2)
= b103,0.01 (0) + b103,0.01 (1) + b103,0.01 (2)
= 0.355 + 0.370 + 0.190
= 0.915,
beziehungsweise näherungsweise
P (K < 3) = P (K ≤ 2)
1.030 −1.03 1.031 −1.03 1.032 −1.03
=
e
+
e
+
e
0!
1!
2!
= 0.357 + 0.368 + 0.189
= 0.914.
Aufgabe 3 (4 Punkte)
Eine Zufallsvariable X besitzt eine Exponentialverteilung mit dem Parameter λ > 0 , falls X eine
stetige Zufallsvariable mit folgender Dichte ist:
½
0,
für t < 0
fX (t) =
λ exp{−λt}, für t ≥ 0.
Zwei unabhängig arbeitende Bauteile seien
a) in Reihe,
b) parallel
geschaltet. Die Zeiten bis zum Ausfall des ersten bzw. des zweiten Bauteils, X1 bzw. X2 , mögen
jeweils eine Exponentialverteilung mit den Parametern λ1 = 1 bzw. λ2 = 2 besitzen. Berechnen Sie
die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das System nicht vor dem Zeitpunkt 1.5 ausfällt.
Hinweis: Berechnen Sie zunächst die Verteilungsfunktionen von M in(X1 , X2 ) und M ax(X1 , X2 ) !
Lösung: Seien U = M in(X1 , X2 ) und V = M ax(X1 , X2 ). Dann gilt mit der Unabhängigkeit von
X1 und X2
P (U < t) = P (M in(X1 , X2 ) < t)
= 1 − P (M in(X1 , X2 ) ≥ t)
= 1 − P (X1 ≥ t, X2 ≥ t)
= 1 − (P (X1 ≥ t) P (X2 ≥ t))
¡
¢¡
¢
= 1 − e−1t e−2t
= 1 − e−3t
2
und
P (V < t) = P (M ax(X1 , X2 ) < t)
= P (X1 < t, X2 < t)
= P (X1 < t) P (X2 < t)
¡
¢
= 1 − e−1t ) (1 − e−2t
= 1 − e−1t − e−2t + e−3t .
Die Lebensdauer eines Systems zweier Bauteile in Reihe ergibt sich als Minimum beider Lebensdauern
und die Lebensdauer eines Systems zweier Bauteile parallel ergibt sich als Maximum beider Lebensdauern. Somit erhalten wir für
¡
¢
¡
¢
a) P (U > 1.5) = 1 − P (U < 1.5) = 1 − ¡1 − e−3·1.5 = 1 − 1 − e−4.5 ¢ = 1 − 0.989 = 0.011 und
b) P (V > 1.5) = 1 − P (V < 1.5) = 1 − 1 − e−1·1.5 − e−2·1.5 + e−3·1.5 = 1 − 0.738 = 0.262.
Aufgabe 4 (4 Punkte)
Ein spezielles radioaktives Material hat eine Halbwertszeit von 100 Jahren. Wieviel Material ist prozentual nach 150 Jahren zerfallen.
Hinweis: Betrachten Sie den Zerfallszeitpunkt X eines Atoms als eine exponentiell verteilte Zufallsvariable mit dem Median 100 . Bestimmen Sie zunächst λ und dann die Wahrscheinlichkeit
P (X < 150).
Lösung: Dem Hinweis entsprechend berechnen wir aus dem gegebenen Median m = 100 den Parameter λ einer exponentialverteilten Zufallsgröße. Es gilt folgende Gleichheit:
1
FX (m) = FX (100) = 1 − e−λ·100 = .
2
Daraus ergibt sich λ = − ln(1)−ln(2)
=
100
ln(2)
100
≈ 0.00693. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist dann
P (X < 150) = 1 − e−0.00693·150 ≈ 0.6464.
Aufgabe 5 (4 Punkte)
Die ausfallfreie Arbeitszeit T (in Jahren) von Bauelementen einer bestimmten Sorte habe die Dichtefunktion
½
0
für t ≤ 0
fT (t) =
.
t e−t für t > 0
a) Man berechne die Verteilungsfunktion und den Median.
b) Man berechne folgende Wahrscheinlichkeiten:
der Ausfall erfolgt vor dem Zeitpunkt 1;
der Ausfall erfolgt nach dem Zeitpunkt 5;
der Ausfall erfolgt zwischen den Zeitpunkten 0.5 und 2.5.
c) Ein Gerät enthält zwei derartige Bauelemente, die unabhängig voneinander arbeiten. Wie groß ist
die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wenigstens eines dieser Geräte mindestens ein halbes Jahr lang
ausfallfrei arbeitet?
Lösung: Wir beginnen mit der Berechnung der Verteilungsfunktion und des Medians.
3
a) Für die Verteilungsfunktion erhalten wir mit der Regel
Z
FT (t) =
0
uv = uv −
R
0
uv
t
−∞
Z t
fT (x) dx
x e−x dx
=
=
R
¡ 0 −x
¢
−x e − e−x |t0
= −t e−t − e−t + 1
= 1 − e−t (t + 1).
Damit ergibt sich der Median als Lösung der Gleichung
1
FT (m) = 1 − e−m (m + 1) = .
2
Diese wird von Maple näherungsweise angegeben mit m = 1.6783.
b) Die gesuchten Wahrscheinlichkeiten sind:
P (T < 1) = 1 − e−1 (1 + 1) = 1 − 2 e−1 = 0.2642
¡
¢
P (T > 5) = 1 − P (T ≤ 5) = 1 − P (T < 5) = 1 − 1 − e−t (t + 1) = 1 − 0.9596 = 0.0404
und
P (0.5 ≤ T < 2.5) = P (T < 2.5) − P (T < 0.5) = 0.7127 − 0.0902 = 0.6225.
c) Die Arbeitszeit beider Bauteile sei bezeichnet mit T1 bzw. T2 , wobei beide Zufallsgrößen die obige
Verteilung besitzen. Gesucht ist hier die Wahrscheinlichkeit, dass das Maximum beider Arbeitszeiten
größer ist als ein halbes Jahr. Die Unabhängigkeit verwendend erhalten wir
P (M ax(T1 , T2 ) > 0.5) = 1 − P (M ax(T1 , T2 ) < 0.5)
= 1 − P (T1 < 0.5, T2 < 0.5)
= 1 − (P (T1 < 0.5) P (T2 < 0.5))
¡
¢
= 1 − (1 − e−0.5 (0.5 + 1)) ((1 − e−0.5 (0.5 + 1)
¡
¢2
= 1 − (1 − e−0.5 (0.5 + 1)
= 0.9919.
Übungsaufgaben sind verfügbar unter:
http://www.math.uni-rostock.de/ ∼ helwich/Uebungen.html
4
Es seien hier noch zwei weitere Aufgaben für die Übungen besprochen.
ZA 1: Die Lebensdauer X des Bauteils eines Autos möge eine Gleichverteilung in
[0 km , 150 000 km ] besitzen. Es ist bekannt, dass das Bauteil bis
a) 50 000 km bzw.
b) 80 000 km
gearbeitet hat. Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten 10 000 km ausfällt!
Welche Werte würden sich ergeben, wenn X eine Exponentialverteilung mit dem Parameter λ =
1
10
10 000 ln 9 hätte?
Lösung: Zunächst sei X auf [0, 150 000] gleichverteilt. Die Verteilungsfunktion ist dementsprechend
FX (t) = 150t000 1[0,150 000] (t) + 1(150 000,∞) (t) .
a) Wir berechnen
P (50 000 ≤ X < 60 000|X ≥ 50.000) =
P (50 000 ≤ X < 60 000)
1/15
1
=
=
P (X ≥ 50 000)
10/15
10
sowie
b)
P (80 000 ≤ X < 90 000|X ≥ 80.000) =
P (80 000 ≤ X < 90 000)
1/15
1
=
=
P (X ≥ 80 000)
7/15
7
Nun sei X exponentialverteilt mit Parameter λ =
FX (t) = 1 − exp(− 10 x000 ln 10
9 ) . Daher gilt im Fall
a)
1
10 000
ln 10
9 . Die Verteilungsfunktion ist dann
P (50 000 ≤ X < 60 000)
P (X ≥ 50 000)
FX (60 000) − FX (50 000)
=
1 − FX (50 000)
10
exp(−5 ln 10
9 ) − exp(−6 ln 9 )
=
exp(−5 ln 10
)
µ
¶9
10
= 1 − exp − ln
9
1
= .
10
P (50 000 ≤ X < 60 000|X ≥ 50 000) =
und im Fall
b)
P (80 000 ≤ X < 90 000)
P (X ≥ 80 000)
FX (90 000) − FX (80 000)
=
1 − FX (80 000)
10
exp(−8 ln 10
9 ) − exp(−9 ln 9 )
=
exp(−8 ln 10
)
µ
¶9
10
= 1 − exp − ln
9
1
= .
10
P (80 000 ≤ X < 90 000|X ≥ 80 000) =
Dies ist die so genannte Eigenschaft der Gedächtnislosigkeit der Exponentialverteilung.
5
ZA 2: X habe die Verteilungsfunktion FX (t) . Ermitteln Sie die Verteilungsfunktion für die folgenden
Zufallsvariablen:
a) Y1 = a X + b mit a > 0,
b) Y2 = X 2 ,
c) Y3 = min(X, 2) und
d) Y4 = max(X, 4) !
Lösung: a) Wir berechnen die Verteilungsfunktion FY1 (x) = P (Y1 < x) wie folgt:
FY1 (x) = P (Y1 < x)
= P (a X + b < x)
= P (a X < x − b)
µ
¶
x−b
= P X<
a
µ
¶
x−b
= FX
.
a
b) Für x ≤ 0 ist offenbar FY2 (x) = P (X 2 < x) = 0 . Für x > 0 ist
√
√
√
FY2 (x) = P (Y2 < x) = P (X 2 < x) = P (|X| < x) = P (− x < X < x)
√
√
√
√
= P (X < x) − P (X ≤ − x) = FX ( x) − FX (− x + 0)
also
(
0,
x ≤ 0,
FY2 (x) =
√
√
FX ( x) − FX (− x + 0), x < 0.
c) Da stets M in(X, 2) ≤ 2 gilt, ist FY3 (x) = 1 für x > 2 . Sei x ≤ 2
FY3 (x) = P (min(X, 2) < x) = P (X < 2, M in(X, 2) < x) + P (X ≥ 2, M in(X, 2) < x)
= P (X < x) + 0 = FX (x),
folglich
(
FX (x), x ≤ 2,
FY3 (x) =
1,
x > 2.
d) Da stets M ax(X, 4) ≥ 4 gilt, ist FY4 (x) = 0 für x ≤ 4 . Sei x > 4
FY4 (x) = P (M ax(X, 4) < x)
= P (X < 4, M ax(X, 4) < x) + P (X ≥ 4, M ax(X, 4) < x)
= P (X < 4) + P (4 ≥ X < x) = FX (x),
folglich
(
FY4 (x) =
0,
FX (x),
x ≤ 4,
x > 4.
6
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