Verein VHL (von Hippel-Lindau) betroffener Familien e.V. Veränderungen der Nieren Inhalt: 1. VHL-Rundbrief März/2016; Heft 1; Jahrgang 17 Vortrag PD Dr. Kim und Dr. Kirste Thema: Strahlentherapie in der Therapie bei VHL-Nierenkarzinomen 2. VHL-Rundbrief Dezember/2015; Heft 4; Jahrgang 16 Patientenorientierte Krankheitsbeschreibung (PKB) Kapitel 5. Kontrolluntersuchungen 3. VHL-Rundbrief März/2014; Heft 1; Jahrgang 15 Langzeitergebnisse organerhaltender Nierentumorresektionen bei Von Hippel-Lindau Nierenzellkarzinomen 4. VHL-Rundbrief Dez./2013; Heft 4; Jahrgang 14 Thermoablation des Nierenzellkarzinoms 5. VHL-Rundbrief Nov./2010; Heft 4; Jahrgang 11 Vorträge Informationsveranstaltung Köln 2010 Thema: Radiofrequenzablation von Nierenzellkarzinomen 6. von Hippel-Lindau (VHL) | Eine patientenorientierte Krankheitsbeschreibung März 2010 Nierenkarzinom und Nierenzysten Dr. Jilg und Prof. Dr. Schultze-Seemann, Freiburg; Dr. Roos und Prof. Dr. Thüroff, Mainz 7. VHL-Rundbrief Nov./2009; Heft 4; Jahrgang 10 Vorträge Informationsveranstaltung Berlin 2009 Thema: Nierenbeteiligung bei der VHL Erkrankung 8. VHL-Rundbrief Nov./2006; Heft 4; Jahrgang 7 Zusammenfassung Vorträge Informationsveranstaltung Mainz 2006 Vortrag Prof. Thüroff, Direktor der Urologischen Klinik der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz, Thema: Organerhaltende Operationen bei Nierentumoren 9. VHL-Rundbrief Nov./2005; Heft 4; Jahrgang 6 Zusammenfassung Vorträge Informationsveranstaltung Dresden 2005 Vortrag Dr. Roigas Thema: Neue Behandlungsmöglichkeiten bei Nierentumoren 10. VHL-Rundbrief Nov./2003 und Feb./2004; Vortrag Dr. Nikolay, KfH (Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation), Dialysezentrum Fürth; Thema: Medizinische Aspekte zur Dialysebehandlung und Nierentransplantation 11. VON HIPPEL-LINDAU ERKRANKUNG - Leitfaden für Patienten und Ärzte - Hrsg. Verein für von der Hippel - Lindau (VHL) Erkrankung betroffene Familien e.V., Nov. 2002 Autor: Prof. Dr. H. Neumann, Medizinische Universitätsklinik Freiburg Beitrag: Veränderungen der Nieren 12. VHL-Rundbrief Nov./2002; Heft 4; Jahrgang 3 Vortrag Prof. Dr. Schulze-Seemann, Urologische Klinik Universität Freiburg Thema: Therapie von Nierenkarzinomen bei der VHL Erkrankung VHL-Rundbrief März/2016; Heft 1; Jahrgang 17 Zusammenfassung Vortrag PD Dr. Kim und Dr. Kirste, Klinik für Strahlentherapie, Universität Freiburg Thema: Strahlentherapie in der Therapie bei VHL Nierenkarzinomen Bei VHL-Betroffenen können Nierentumoren auftreten. Diese Tumoren werden mittels einer Computertomographie (CT) oder Kernspin-Untersuchungen (MRT) diagnostiziert und dann regelmäßig kontrolliert, bis sie eine Größe von 3 - 4 cm erreicht haben. Spätestens dann sollen diese Tumoren chirurgisch entfernt werden, um eine Absiedlung (Metastasierung) der Tumoren in andere Organe zu verhindern. Dies erfolgt im Rahmen einer Teilnephrektomie, bei der ein Teil der Niere, in der sich der Tumor befindet, entfernt wird. Da diese Nierentumoren leider immer wieder auftreten, sind oft wiederholte Operationen erforderlich, welche irgendwann zu einem Nierenfunktionsverlust führen und ein Nierenersatzverfahren (in der Regel eine regelmäßige Dialyse-Behandlung) erforderlich machen. Als weiteres lokales Therapieverfahren steht die Radiofrequenzablation (RFA) zur Verfügung, die hauptsächlich bei kleinen Tumoren gut eingesetzt werden kann. Die Strahlentherapie, die bei vielen anderen Tumoren mit Erfolg eingesetzt wird, wurde bisher nur selten bei der Behandlung von Nierentumoren verwendet, da Nierenzellkarzinome lange als „strahlenresistent" galten und die technische Möglichkeiten es nicht erlaubten, das umliegende Nierengewebe ausreichend zu schonen. Inzwischen haben sich jedoch die technischen Möglichkeiten dramatisch geändert, so dass es heutzutage möglich ist, Tumoren in Organen wie der Niere oder Leber mit einer sehr hohen Strahlendosis zu bestrahlen, ohne dabei das Nachbargewebe zu schädigen. Dies gelingt mit einem Strahlentherapieverfahren, das sich stereotaktische Strahlentherapie nennt. Bei dieser Art von Strahlentherapie wird sehr gezielt, eine sehr hohe Strahlendosis in den zu bestrahlenden Bereich appliziert. Schon in einigen Millimetern Entfernung von dem zu bestrahlenden Bereich ist nur noch die Hälfte der Dosis nachweisbar und in einigen Zentimetern ist gar keine Bestrahlungsdosis mehr nachweisbar. Dadurch ist dieses Verfahren wirksam und schonend. Im Gegensatz zu einer „konventionellen“ Strahlentherapie werden sehr hohe Bestrahlungsdosen in wenigen Bestrahlungssitzungen appliziert. Mit dieser Bestrahlungstechnik können viele Tumoren nicht nur „kontrolliert" und das weitere Wachstum verhindert, sondern auch völlig beseitigt werden ohne dass dabei gravierende Nebenwirkungen auftreten. Diese Behandlungsmöglichkeit steht nun auch Patienten mit Nierentumoren am Universitätsklinikum Freiburg zur Verfügung. Aktuell wird eine Studie zur stereotaktischen Strahlentherapie in der Behandlung von Nierenzellcarcinomen durchgeführt, bei der Informationen über die Eigenschaften des Tumors auf eine Strahlentherapie gewonnen werden sollen. Zusätzlich werden Blut- und Urinproben gesammelt, um Marker zu bestimmen, die es erlauben könnten, eine Aussage über den Erfolg der Behandlung zu treffen und Erkenntnisse zur Entstehung von Nierentumoren bei VHL zu gewinnen. Nebenwirkungen: Die Bestrahlung wird in der Regel problemlos vertragen. Es kann während der Strahlentherapie und einige Tage danach zu Müdigkeit kommen. Während der Bestrahlung kann ein leichtes Druckgefühl im Bereich der Niere auftreten. Wenn Darm in der Nähe der Niere liegt, kann es zu Symptomen einer Darmreizung kommen. Eine Nierenschädigung sollte bei normaler Nierenfunktion langfristig nicht auftreten. Wenn bereits eine Nierenschädigung vorliegt, müssen die Vor- und Nachteile einer Bestrahlung im Vergleich zu einer Operation gegeneinander abgewogen werden. Die Behandlung umfasst folgende Schritte: Zunächst wird geklärt, ob die Patientin, der Patient für diese Behandlung in Frage kommen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn bei VHL-Betroffenen Nierentumoren bis zu einer Größe von ca. 4 cm festgestellt wurden, kein Darmabschnitt in direkter Nachbarschaft zur Niere liegt und bisher keine Indikation für eine chirurgische Intervention gesehen wurde. Sie werden dann von einem Arzt der Klinik für Strahlenheilkunde umfassend über die Behandlung, Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt. Die gesamte Behandlung umfasst in der Regel 5 bis maxi- mal 7 Bestrahlungen. Wenn sie von weiter wegkommen, kann die Bestrahlung unter stationären Bedingungen durchgeführt werden, um eine engmaschige medizinische Überwachung zu garantieren. Wenn Sie in der Nähe von Freiburg leben, kann die Behandlung auch ambulant durchgeführt werden. Vor Beginn der Bestrahlung sind ein bis zwei Vorbereitungstermine notwendig. Bei einem Termin wird eine Computer-Tomographie durchgeführt und eine spezielle Lagerungsmatte individuell angefertigt, um bei jeder Bestrahlung eine exakte Lagerung zu gewährleisten. Weiterhin sind verschiedene Messungen, um die Strahlentherapie präzise berechnen zu können, notwendig. Bei dem zweiten Termin muss, wenn erforderlich, eine aktuelle Magnetresonanztomographie (MRT) der Niere durchgeführt werden und die Nierenfunktion mit einer speziellen nuklearmedizinischen Untersuchung geprüft werden. Mit Hilfe von CT und MRT wird die zu bestrahlende Läsion exakt lokalisiert und ein individueller Bestrahlungsplan errechnet. Die Strahlentherapie erfolgt dann in 2-tägigen Abständen bis zur errechneten Gesamtdosis. Vor jeder Bestrahlung erfolgt eine erneute Kontrolle der Lagerung und der Position des Nierentumors mittels einer Computertomographie direkt am Bestrahlungsgerät. Eine Bestrahlungssitzung dauert ungefähr 10 Minuten. Zusätzlich erfolgen regelmäßige Blutuntersuchungen (vor der ersten, nach der dritten und nach der letzten Bestrahlung) um etwaige Nebenwirkungen der Therapie rechtzeitig zu erkennen und um im Blut Marker, die ein Therapieansprechen anzeigen, zu messen. Zur Erfolgskontrolle wird nach 2 und 6 Monaten eine Kernspin-Untersuchung (MRT) mit Messung der Tumorgröße und der Durchblutung des Nierenzellcarcinoms, durchgeführt. Im Idealfall ist der Tumor dann nur noch als nekrotisches (abgestorbenes) Gewebe nachweisbar und stellt keine Gefahr mehr da. Falls die Behandlung erfolgreich ist, muss der bestrahlte Tumor nicht operiert werden. Da die Behandlung an einer anderen Stelle wiederholbar ist, kann so der Zeitpunkt bis zur ersten Operation verzögert und die Nierenfunktion länger erhalten werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass mit der stereotaktischen Strahlentherapie ein neues lokales Therapieverfahren zur Verfügung steht mit dem Nierenzellcarcinome sehr schonend behandelt werden können. Bisher erfolgt die Behandlung ausschließlich in Form von Studien, bei denen die Effektivität der Behandlung im Langzeit Verlauf untersucht wird und bei denen zusätzlich Biomarker in Blut und Urin untersucht werden, um ein Ansprechen auf die Therapie voraussagen zu können. Abb. 1 stereotaktische Lagerungsmatte mit Kniekeil und Armhalterung Abb. 2 Präzise Fokussierung der Strahlendosis auf ein kleines Zielvolumen VHL-Rundbrief Dezember/2015; Heft 4; Jahrgang 16 Patientenorientierte Krankheitsbeschreibung (PKB) Kapitel 2.3 Nierenkarzinom und Nierenzysten von Prof. Dr. Mahnken, Marburg, PD Dr. Roos und Prof. Dr. Thüroff, Mainz Zusammenfassung Die Manifestationen der VHL-Erkrankung in der Niere sind Nierenzysten und klarzellige Nierenzellkarzinome. 25-45 Prozent der Genträger entwickeln Nierentumoren, beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Das Diagnosealter liegt in der Regel vor dem 40. Lebensjahr. Das Wachstum der meisten Tumoren ist langsam. Spätestens wenn der größte Tumor einen Durchmesser von 4 cm erreicht, sollte die vollständige Entfernung aller Tumoren unter Erhalt der Niere angestrebt werden. Bei kleineren Tumoren kann bereits frühzeitiger eine interventionelle Thermoablation (Radiofrequenz-, Kryo- oder Mikrowellenablation) erwogen werden. Bei Tumoren >5cm sollte eine operative Therapie gewählt werden. Bei Tumoren in Einzelnieren müssen Voroperationen und Vorerkrankungen in der Therapieplanung berücksichtigt werden. Therapieziel ist der Erhalt der Nierenfunktion. Das Nachsorgeintervall beträgt 12 Monate, in der Regel sollten MRT Untersuchungen erfolgen. Medikamentöse Therapien sind nur bei Metastasen angezeigt. Einleitung Der Mensch hat normalerweise zwei Nieren die im rückwärtigen Bauchraum gelegen sind und eine Längsausdehnung von ca. 11-12 cm haben (Abb. 1). Sie dienen der Entgiftung des Körpers und haben eine zentrale Rolle im Rahmen der Regulation des Wasser- und Mineralsalzhaushaltes. Bei den typischen Veränderungen, die im Rahmen der von Hippel-Lindau-Erkrankung auftreten, handelt es sich um Nierenzysten, ebenso wie um solide Nierentumoren (Nierenzellkarzinome). Beide Veränderungen der Nieren kommen nicht ausschließlich bei der VHL-Erkrankung vor. Auch in der Normalbevölkerung ist das Risiko im Laufe des Lebens einzelne oder mehrere Nierenzysten zu entwickeln ca. 20 Prozent, wobei das Risiko mit dem Alter zunimmt. Bei Nierenzysten handelt es sich prinzipiell um harmlose zystische Veränderungen, die eine klare bernsteinfarbene Flüssigkeit enthalten. Bösartige Entartungen sind im Rahmen einfacher Nierenzysten bei der Normalbevölkerung sehr selten. Hingegen sind im Rahmen der VHL-Erkrankung Nierenzysten eine typische Vorstufe oder ein Begleitphänomen von bösartigen Nierentumoren. Abb. 1: Schematische Darstellung der Lage der Nieren im rückwärtigen Raum in Bezug zur Hauptschlagader des Körpers (Aorta). Das Risiko in der gesunden Bevölkerung im Laufe des Lebens einen Nierentumor (meist Nierenzellkarzinom) zu entwickeln, liegt bei 1,3 Prozent („life time risk“). Damit ist er ein eher seltener Tumor, der mit einem Häufigkeitsgipfel um das 62. Lebensjahr auftritt. Nierenzellkarzinome sind Tumoren, die ihren Ursprung vom so genannten Tubulus-Apparat oder dem Sammelrohrsystem nehmen. Auch bei Patienten, die nicht von der VHL-Erkrankung betroffen sind, entstehen die Nierentumoren interessanterweise in 80 Prozent durch eine Spontanmutation oder durch den Verlust des von Hippel-LindauGens. Insofern ist hier der gleiche genetische Mechanismus wie bei der VHL-Erkrankung gegeben, mit dem Unterschied, dass es sich um eine nicht erbliche, spontane genetische Veränderung handelt. Solch eine Veränderung wird als sporadisch bezeichnet. Der Tumortyp, der sich bei der VHL-Erkrankung entwickelt, ist klarzellig. Im Unterschied zur Normalbevölkerung entwickeln VHL-Patienten solche Tumoren im Durchschnitt 20 Jahre früher. Im Gegensatz zu den sporadischen Nierentumoren werden solche Tumoren als hereditäre (vererbliche) Nierentumoren bezeichnet. Abb. 2: Oben: Darstellung mehrerer normaler Nierenzysten (schwarze Kreise) im Ultraschall. Unten: Darstellung einer Bosniak IIf Läsion, mit Septierungen und Kalkeinlagerungen. Die Tumoren entwickeln sich in der Regel in Zysten (Abb. 2), in denen sie eine Zeitlang unentdeckt wachsen und als einfache oder sog. komplizierte Zysten fehlinterpretiert werden können. Mit entsprechender Erfahrung lassen sich Tumoren in Zysten durch MRT oder CT jedoch gut diagnostizieren. Diagnostik der VHL-Nierenveränderungen Prinzipiell sollte von den so genannten Schnittbildverfahren der Kernspintomographie (MRT) des Bauchraumes der Vorzug gegeben werden, da sie ohne Strahlenexposition für die Patienten ist. Wann immer es möglich ist, sollten für die vergleichenden Untersuchungen Schnittbilduntersuchungen, insbesondere MRT`s, herangezogen werden, da sie eine Abbildung in allen drei Ebenen liefern. Hierbei kann sehr klar zwischen zystischen und soliden Veränderungen unterschieden werden (Abb. 3). Nierentumoren sind bereits ab einer Größe von weniger als 5 mm zu erkennen. Aufgrund vergleichender Untersuchungen, die in der Regel in 12 Monatsabständen durchgeführt werden, können unter Heranziehung entsprechender Volumenberechnungen die Tumorverdopplungszeit und die Wachstumsgeschwindigkeit berechnet werden. Ist eine Metastasensuche notwendig, so ist im Bauchraum die MRT-Untersuchung zum Ausschluss von Lymphknoten- oder Lebermetastasen von exzellenter Qualität. Für eine Suche nach Metastasen in den Lungen kommt eine Computertomographie des Brustraums zur Anwendung. Biologie der Nierentumoren Die meisten Nierenzellkarzinome wachsen, sofern sie überhaupt wachsen, langsam mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 0,3 cm pro Jahr. Insgesamt ist relativ wenig über die Wachstumsgeschwindigkeit der Nierenzellkarzinome bekannt, die sich in kleineren Studien oftmals nicht von den gutartigen Tumoren unterscheidet. Generell zeichnen sich die Nierenzellkarzinome dadurch aus, dass sie keinerlei Frühsymptome verursachen. Durch die Lage im hinteren Bauchraum sind sie im Frühstadium weder tast- noch sichtbar. Sie können eine erhebliche Größe annehmen, bevor sie zu lokalen Problemen führen. Durch die jährlichen Kontrolluntersuchungen werden die meisten Tumoren in einem symptomfreien Stadium aufgedeckt. Abb. 3: MRT eines VHL-Patienten Dies hat auch zu einem durchgreifenden Wandel der Therapie geführt, da Tumoren in frühen Stadien mit einer deutlich besseren Prognose einhergehen und häufig in Abhängigkeit der Tumorlokalisation eine Organerhaltung möglich ist. Das Metastasierungsrisiko hängt nicht nur von der Größe des Tumors ab, sondern im Einzelfall wesentlich stärker von der so genannten Tumorverdoppelungszeit, also dem Wachstumsverhalten der Tumoren, ebenso wie der Lage (zentral gegenüber oberflächlich gelegenen) ab. Bislang wurde die Entscheidung getroffen, bei den VHL-Patienten einen operativen Eingriff erst dann anzustreben, wenn der größte Tumor 4 cm Durchmesser beträgt. Im Einzelfall sollte eine solche Entscheidung heute eher vor dem Hintergrund des Tumorwachstums überdacht werden und der Interventionszeitpunkt ggf. vorverlegt werden. Schnell wachsende, zentral gelegene Tumoren sollten möglichst schnell operiert werden, um den Verlust an gesundem Nierengewebe möglichst gering zu halten. Mittlerweile sollten auch interventionelle Techniken in eine derartige Entscheidung einbezogen werden, die einen weniger traumatischen Zugang zum Tumor ermöglichen. Abb. 4: Schematische Darstellung der Entfernung eines am Rande der Niere gelegenen Tumors. Therapie der Nierentumoren Die Therapie der Nierentumoren ist grundsätzlich operativ bzw. interventionell, da Nierenzellkarzinome weder strahlensensibel sind, noch ausreichend auf eine Chemotherapie ansprechen. Eine medikamentöse Therapie ist den metastasierten Nierentumoren vorbehalten, da die Substanzen, die das Wachstum der Nierentumoren hemmen, erhebliche Nebenwirkungen hervorrufen können. Nebenwirkungen, Therapieversagen, Resistenzbildung und nur zeitlich eingeschränktes Ansprechen der Tumoren auf die medikamentöse Therapie, stehen einer Langzeittherapie entgegen. Des Weiteren kommt es nicht selten zu einem „Aufholwachstum“ nach Absetzen der Behandlung. Langzeitbeobachtungen fehlen gänzlich, so dass außerhalb von Studien prinzipiell operablen VHL-Patienten von solchen Therapien abgeraten werden muss. Daher genießt das operative bzw. interventionelle Vorgehen (Entfernung der Nierentumoren) unverändert oberste Priorität. Therapieverfahren im individuellen Fall Nach welchen Therapieverfahren die betroffen Patienten behandelt werden richtet sich zum einen nach Anzahl, Lage und Größe des Tumors und zum anderen nach Tumoren in Einzelnieren und Nierenfunktion. Ganz entscheidend für den Erfolg der Therapie ist die Zentrumserfahrung im Rahmen thermoablativer oder chirurgischer Verfahren. Tumoren <1,5cm sollten observiert werden. Für Tumoren ab 1,5 cm bis 3 cm bietet die Radiofrequenzablation ein sicheres und heilendes Therapieverfahren [3]. Tumoren >3 cm bis <5 cm (eher 4,5 cm) können zunächst interventionell-radiologisch embolisiert und dann thermoabladiert werden oder auch operativ entfernt werden. Tumoren >4,5-5 cm sollten immer einer Operation zugeführt werden. In mancher Situation ist die Operation, in anderen die Thermoablation zu favorisieren. Die thermoablativen Verfahren sollten der Operation vorgezogen werden bei multiplen Tumoren in einer Einzelniere (max. bis zu drei Tumoren) multiple voroperierten Patienten bilateralen Tumoren (bis 3 Tumoren/Niere, je Diagnosezeitpunkt) >3 Tumoren/Niere zunächst organerhaltendes Verfahren mit nierenerhaltender Operation oder Thermoablation der weniger betroffenen Niere, dann gleiches Vorgehen bei der betroffenen Nieren mit dem Versuch des organerhaltenden Vorgehens, immer Lage und Größe der Tumoren berücksichtigend (siehe oben). Die Operation erhält den Vorzug bei klinischem (z.B. Makrohämaturie) oder radiologischem Verdacht einer Hohlsysteminfiltration immer bei Tumoren >4,5 cm immer wenn radiologisch ein vollständiges Erfassen des Tumors (eine sogenannte A0 Situation, Synonym für eine chirurgische R0-Situation) nicht erreicht werden kann. Ganz entscheidend für den Therapieerfolg ist die Zentrums- und Interventionserfahrung, die bei den thermoablativen Verfahren extrem wichtig ist. Der Literatur zufolge gibt es eine klare Lernkurve für die thermoablativen Verfahren (erste 50 Ablationen). Dies ist bei komplexen Patienten, wie VHL Patienten, nicht akzeptabel - da muss man auf einen größeren Erfahrungsschatz (>100 Ablationen) eines erfahrenen Interventionalisten zurückgreifen können. Bei der Operation verhält es sich nicht anders. Man sollte nur an operative Zentren herantreten, die >100 nierenerhaltende Eingriffe/Jahr machen. Operative Verfahren Die Nierenzellkarzinome werden heute in ca. 50 Prozent auch bei sporadisch auftretenden Karzinomen in Abhängigkeit der Lokalisation und der Größe mit einem kleinen Randsaum an normalen Nierengewebe (Sicherheitsabstand) organerhaltend operiert, dabei wird im Fall eines sporadischen Nierenzellkarzinoms in der Regel nur der vorhandene einzelne Tumor entfernt (Abb. 4). Auch bei VHL-Patienten ist die operative Therapie der Eckpfeiler der Behandlung der Nierenzellkarzinome, wobei VHL-Patienten in der Regel mehrere Tumoren haben können. Einzelne Raumforderungen sind die Ausnahme, damit ist das operative Vorgehen komplexer. Da meist zusätzliche zahlreiche Nierenzysten vorliegen, in denen sich kleinste Nierenzellkarzinome bereits verbergen können, sollte auch der Versuch unternommen werden, die Mehrzahl der zystischen Veränderungen operativ zu entfernen. Da die Veränderungen in der Regel in beiden Nieren auftreten können, sollte grundsätzlich immer angestrebt werden eine organerhaltende Operation durchzuführen. Für die organerhaltende Operation ist eine vorübergehende Unterbrechung der Blutzufuhr notwendig, jene sollte eine Dauer von 30 bis 60 Minuten nicht überschreiten. Im Falle einer längeren Unterbrechung der Blutzufuhr geht die Organ-funktion unwiderruflich verloren. Bei der laparoskopischen Operation (minimal invasives Vorgehen - Schlüssellochtech-nik) können allenfalls einzelne Tumoren, entfernt werden. Selbst die robotisch assistierte laparoskopische Nierentumorresektion mittels des da Vinci Systems stößt hier an ihre Grenzen. Die Präparation zystentragender Nieren mit multiplen Tumoren ist minimal invasive schwierig. Aus diesem Grunde hat sich die Laparoskopie bei den VHLTumoren der Nieren nicht durchgesetzt. Auch bei Zweit- oder Dritteingriffen, sollte der Versuch einer Organerhaltung in jedem Fall unternommen werden. In Ausnahmefällen lässt sich eine Tumorfreiheit nur durch komplette Entfernung einer oder beider Nieren erzielen. Während die Entfernung einer Niere meistens unproblematisch hinsichtlich der Entgiftung des Körpers ist, bedeutet das Entfernen beider Nieren unweigerlich die Notwendigkeit einer Dialysebehandlung, d.h. einer regelmäßigen Blutwäsche. Interventionelle Verfahren In den vergangenen Jahren haben sich als interventionelle Techniken so genannte thermoablative Verfahren etabliert, deren Prinzip die Zerstörung des Tumorgewebes durch Kälte oder Wärme ist. Bei einer Kältebehandlung (Kryoablation) wird über einen kleinen Hautschnitt eine spezielle Sonde in den Bauchraum eingeführt und über diese Argongas eingeleitet, welches Temperaturen von ca. -100 °C herbeiführt und zum Absterben des Tumorgewebes führt. Alternativ kann ebenfalls durch unter Bildsteuerung direkt eingeführte Sonden eine Temperatur von über 100° Celsius im Tumor erzielt werden. Auch dies führt zur definitiven Abtötung von Tumorzellen. Zur Verkochung werden v.a. die Radiofrequenz- (RFA) und die Mikrowellenablation eingesetzt (MWA). Trotz vielversprechender Ergebnisse - insbesondere der RFA - ist die operative Therapie als Standard der Therapie anzusehen. Da die Invasivität dieser Eingriffe grundsätzlich deutlich geringer ist, als die eines operativen Eingriffs und auch die potentielle Gefährdung der Nierenfunktion durch die Unterbrechung der Blutzufuhr entfällt, sollte bei jedem neu aufgetretenen Nierentumor bis etwa 3 cm Größe die Diskussion geführt werden, ob eine solche Behandlung durchführbar ist. Dabei muss die Lage eines solchen Tumors berücksichtigt werden, da aufgrund der sehr niedrigen oder sehr hohen Temperaturen umliegendes Gewebe (Dickdarm / Dünndarm / Gallenblase / Bauchspeicheldrüse) mit geschädigt werden kann, deren Folgen lebensbedrohliche Komplikationen sein könnten. In den letzten Jahren wurden Techniken entwickelt diese interventionstechnischen Probleme zu lösen. Insgesamt stellen ablative Verfahren eine wichtige Bereicherung des Spektrums der Therapie der VHL-Tumoren dar. Dies gilt zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nur für Tumoren bis maximal 5 (eher 4,5) cm Größe. Trotz des technischen Fortschrittes und der mittlerweile guten onkologischen Daten für die thermoablativen Verfahren bleibt die Frage der radiologisch als Bosniak IIf oder III eingestuften zystischen Läsionen („komplizierte Zysten“). Eine derartige Läsion, sollte es sich um einen Einzelbefund handeln, sollte chirurgisch angegangen werden. Die hier technisch zwar mögliche lokale Ablation ist derzeit als experimentell anzusehen. Hinsichtlich des Therapieerfolges ist es bei den thermoablativen Verfahren wichtig den postoperativen Verlauf mittels Schnittbildgebung zu überwachen, da im Falle einer inkompletten Therapie diese natürlich im selben Aufenthalt finalisiert werden muss. Therapieverfahren bei metastasierten Tumoren Auch bei Metastasen sollte die Frage einer Operabilität prinzipiell zunächst geklärt werden, da nach der kompletten Metastasenentfernung, gute Überlebensraten beschrieben werden. Wenn eine Operation bei multiplen Metastasen in einem oder in mehreren Organen nicht mehr sinnvoll erscheint, ist eine medikamentöse Therapie angezeigt. Diese kann mit so genannten Multikinaseinhibitoren, Antikörpern oder mTOR-Inhibitoren durchgeführt werden. Jene haben allesamt das Ziel, die Angiogenese, also die Gefäßneubildung, die im Rahmen von VHL-Tumoren deutlich gesteigert ist, zu hemmen. Während Patienten mit sporadischen Nierentumoren unter jener Medikation, bei allerdings erheblichen Nebenwirkungen, eine signifikante Lebensverlängerung auch im metastasierten Stadium erfahren, gibt es bisher keine längerfristigen Erfahrungen aus der Gruppe der VHL-Patienten. Bei knöchernen Metastasen, die eine Bruchgefährdung hervorrufen können oder Schmerzen verursachen, sollte eine Strahlentherapie angestrebt werden (siehe zum Thema „Metastasen“ auch Kapitel 8 Therapiemöglichkeiten bei metastasierenden VHL-Tumoren). Eine Kombination aus interventioneller Zementoplastie zur schnellen Schmerzreduktion gefolgt von einer Strahlentherapie zur Konsolidierung ist eine aktuelle Weiterentwicklung dieses Ansatzes. Tumornachsorge Alle VHL-Patienten müssen regelmäßig im Rahmen einer Tumornachsorge betreut werden, da das Risiko einer neuerlichen Tumorentstehung hoch ist. Nur in Einzelfällen bleiben VHL-Patienten, die einmal einen Nierentumor entwickelt haben, über mehr als 10 Jahre tumorfrei. Es sollten jährliche MRT-Untersuchungen durchgeführt werden. Bei längerfristiger Tumorfreiheit kann das Nachsorgeintervall auch verlängert werden. Einige Tumoren zeigen jedoch bereits im Verlauf eines Jahres Größen- oder Volumenverdopplungen oder sogar darüber hinaus gehende Wachstumsraten. Bei diesen Patienten ist das Risiko einer Metastasierung größer. Daher sollte aufgrund der Wachstumsgeschwindigkeit entschieden werden, ob sechsmonatliche Nachsorgeintervalle gewählt werden. Um dies besser zu erfassen wird die Berechnung des Volumens und nicht nur des größten Tumordurchmessers empfohlen. Dies ist mit den modernen Bildbearbeitungsprogrammen möglich. Literatur 1. Drachenberg DE, Mena OJ, Choyke PL, et al.: Parenchymal sparing surgery for central renal tumors in patients with hereditary renal cancers. J Urol 172:49-53, 2004 2. Grubb RL, III, Choyke PL, Pinto PA, et al.: Management of von Hippel-Lindau-associated kidney cancer. Nat Clin Pract Urol 2:248-255, 2005 3. Georgiades CS, Rodriguez R. Renal Tumor Ablation. Tech Vasc Interventional Rad 16: 230-238, 2013 4. Park BK, Kim CK, Park SY, Shen SH. Percutaneous radiofrequency ablation of renal cell carcinomas in patients with von Hippel Lindau disease: indications, techniques, complications, and outcomes. Acta Radiol. 2013 May;54(4):418-27 5. Jilg CA, Neumann HPH, Gläsker S, et al. Nephron sparing surgery in von Hippel-Lindau associated renal cell carcinoma; clinicopathological long-term follow-up. Familial Cancer 11: 387-394. 2012 6. Bradley S, Dumas N Ludman, M et al. Hereditary renal cell carcinoma associated with von HippelLindau disease: a description of a Nova Scotia cohort. Can Urol Assoc J 1: 32-36. 2009 VHL-Rundbrief März/2014; Heft 1; Jahrgang 15 Langzeitergebnisse organerhaltender Nierentumorresektionen bei Von Hippel-Lindau Nierenzellkarzinomen Von Prof. Sven Gläsker, Dr. Cordula Jilg und Prof. Hartmut P.H. Neumannn, Universitätsklinik Freiburg, Klinik für Neurochirurgie (S.G.), Urologie (C.J.) und Innere Medizin (H.N.) Bis in die 90-er Jahre war die Dialyse (maschinelle Blutwäsche) ein häufiger Begleiter vieler VHLPatienten mit wiederkehrenden Nierenzellkarzinomen. Ursache waren die bis dahin üblichen radikalen Nephrektomien (komplette Entfernung der tumorbefallenen Niere). Die Dialyse führt zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und Lebenserwartung. Die Behandlung erfordert pro Woche 3 Aufenthalte in einem Dialysezentrum über 5 Stunden; die Patienten benötigen zuvor eine Operation am Arm, um die Blutableitung zur Maschine und Rückleitung zum Patienten zu gewährleisten. Um den hohen Anteil der dialysepflichtigen VHL-Patienten zu senken ging man zu weniger radikalen Operationsverfahren über, bei denen nur die erkrankten Teile einer Niere entfernt werden und das restliche Gewebe seine Funktion weiter wahrnehmen kann (organerhaltende Nierentumorresektion). Mit dieser Technik kann eine tumortragende Niere in der Regel bis zu 3mal operiert werden. Eine komplette Entfernung der Nieren wird erst dann erforderlich, wenn das verbliebene Nierengewebe keine Funktion mehr wahrnehmen kann. Ferner wurde die Grenze zur Entfernung der Tumoren von 3cm auf 4cm Durchmesser angehoben. Dies bedingt eine Verzögerung resp. Verringerung der notwendigen Niereneingriffe pro Patient und führt zur weiteren Verbesserung des Erhalts der Nierenfunktion. Auch bei Einhaltung der „4cmGrenze“ kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das Risiko einer Metastasierung (Tochtergeschwüre) sehr gering gehalten werden. In der genannten Arbeit wurden die Langzeitergebnisse der in Freiburg operierten von Hippel-Lindau Patienten zusammengefasst. Dazu wurden die Ergebnisse von 54 Patienten zwischen 1991-2011 untersucht. Der Beobachtungszeitraum betrug hierbei durchschnittlich 67 Monate. Insgesamt wurden 97 Niereneingriffe an 54 Patienten durchgeführt. Bei einigen Patienten wurden die Tumoren bereits ab einer Größe von 3 cm behandelt, bei anderen erst ab 4 cm Durchmesser. Bemerkenswert war, dass auch in der Patientengruppe, bei denen die Tumoren erst ab 4cm Durchmesser entfernt wurden, in keinem Fall eine Metastase im Beobachtungszeitraum nachgewiesen werden konnte. Bei operierten Patienten betrug die Wahrscheinlichkeit für eine zweite (nach Möglichkeit ebenfalls organerhaltende) Behandlung innerhalb der nächsten fünf Jahre 21% und innerhalb 10 Jahre 42%. Die mittlere Dauer zur zweiten Behandlung betrug 149,6 Monate (>12 Jahre). Die tumorspezifische Überlebensrate (keine Entwicklung von Metastasen) betrug 100% innerhalb von 5 Jahren, die Gesamtüberlebensrate lag in diesem Zeitraum bei 96,5 % (andere Todesursachen als Nierenkrebs). Nach 10 Jahren betrugen die Werte 90,5 % und 82,5 %. Durch das Heraufsetzen des Maximaldurchmessers von 3 auf 4 cm kam es zu einem durchschnittlichen Zeitgewinn von 27,8 Monaten bis zur zweiten Nierenoperation. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch den Einsatz organerhaltender Nierentumorresektionen in Kombination mit dem Heraufsetzen des Nierentumordurchmessers bezüglich der OPIndikation von 3cm auf 4cm, in der großen Mehrheit in günstigen stabilen Krankheitsverläufen resultiere. Voraussetzung ist jedoch eine regelmäßige Kontrolle der Nierentumoren mittels Schnittbildgebung (CT oder MRT mindestens einmal im Jahr). Anmerkung der Redaktion: An der Freiburger Universitätsklinik wurden lange Zeit VHL-Patienten erst operiert, wenn der größte Tumor 5cm groß war. In unserer patientenorientierten Krankheitsbeschreibung (Seite 28) wurde bereits die 4cm-Grenze als Maximalwert genannt "Hat der größte Tumor einen Durchmesser von 4 cm erreicht, so sollte die vollständige Entfernung aller Tumoren unter Erhalt der Niere angestrebt werden. Damit soll eine Metastasierung verhindert werden und die Nierenfunktion erhalten bleiben." In diesem Artikel werden nun in einer wissenschaftlichen Publikation die 4cm-Grenze alsObergrenzen vertreten. VHL-Betroffene mit Nierentumoren, die bereits größer als 3cm sind, sollten mit ihren Ärzten über Therapieoptionen sprechen. VHL-Rundbrief Dez./2013; Heft 4; Jahrgang 14 Thermoablation des Nierenzellkarzinoms von Prof. Andreas H. Mahnken, Direktor der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologe des Universitätsklinikums Marburg, Baldingerstrasse, D-35043 Marburg In der US Krebsstatistik für das Jahr 2012 liegt das Nierenzellkarzinom mit 5 Prozent Anteil an allen Krebserkrankungen beim Mann auf dem 6. Platz. Bei den Frauen ist die Häufigkeit geringer und belegt lediglich Platz 10. Im Gegensatz dazu kommen jedoch bei 40-60 Prozent aller VHL-Betroffenen Nierenzellkarzinome vor, die zu dem oft auch beidseitig und/oder wiederholt auftreten können. Es sind in der Regel zystische Tumoren, die im Laufe der Zeit entarten, d.h. bösartig werden und Metastasen entwickeln können. Das Nierenzellkarzinom wird in 4 verschiedene T-Stadien eingeteilt, wobei bei VHL-Betroffenen, sofern diese ihre Kontrolluntersuchungen jährlich machen, nur das Stadium 1 relevant ist. Unter TStadium 1 werden Tumoren gefasst, die maximal 7 cm groß sind. Untersuchungen zeigen, dass bei Nierenzellkarzinomen, die kleiner als 4 cm sind (Stadium T1a), die Lymphknoten nahezu nie befallen sind, während über eine Größe von 4 cm bei etwa 2,5 Prozent der Betroffenen die Lymphknoten von Metastasen befallen sind (Stadium T1b). Damit bieten minimal-invasive Behandlungstechniken bei Tumoren im Stadium T1a eine sehr gute Heilungschance. Es gibt verschiedene Formen der Behandlung. Die teilweise oder komplette Entfernung der Niere, sowohl in offener oder in laparoskopischer Technik ist die am häufigsten eingesetzte Therapieform (Hinweis: Bei VHL-Betroffenen sollte so möglich immer organerhaltend operiert werden.). Während die Chemotherapie über lange Jahre wenig effektiv war bieten nun neuere Substanzen (zumeist sog. Tyrosinkinaseinhibitoren) v.a. beim metastasierenden Nierenzellkarzinom eine aussichtsreiche Behandlungsoption. Schließlich gibt es verschiedene minimal-invasive Verfahren, bei denen Tumoren durch Hitze bzw. Kälte verödet werden. Man spricht hier von thermo-ablativen Verfahren. Aus dieser Gruppe ist die Kryoablation (Erfrierung des Tumors) das älteste an der Niere eingesetzte thermoablative Verfahren. Alternativ können Tumore sehr effektiv verkocht werden. Die bekanntesten Verfahren hierzu sind die Radiofrequenzablation (RFA) und die Mikrowellenablation (MWA), wobei die RFA am besten untersucht ist. Für diese Verfahren gelten weitestgehend einheitliche Empfehlungen auf die im Folgenden eingegangen wird. Indikation Eine RFA kommt bei VHL-Betroffenen insbesondere in Betracht bei: Patienten mit einem oder mehreren Tumoren (bis 4 cm) bzw. bei denen die Gefahr besteht, dass sie zukünftig weitere Nierenzellkarzinome entwickeln (z.B. VHL-Betroffene). Nierenzellkarzinom in der verbleibenden Niere nach vorheriger Entfernung der anderen (kontralateralen) Niere. Patienten bei denen eine erneute Operation wegen Verwachsungen nicht mehr möglich oder riskant ist. Bei Patienten mit einem Risiko ein Nierenzellkarzinom zu entwickeln (z.B. VHL-Betroffener) sollte die Behandlung auch bei Veränderungen erfolgen, die bei nicht erblich belasteten Patienten lediglich als Vorstufen des Karzinoms (sog. komplizierte Zysten - Bosniak III/IV) eingestuft werden. Metastasiertes Nierenzellkarzinom. Hier kann die RFA auch bei Tumoren > 4 cm erwogen werden, wenn eine komplette Ablation mit vertretbarem Komplikationsrisiko erreicht werden kann Bei erblichen Nierenzellkarzinomen wird zunehmend früher die Indikation zur lokalen Ablation gestellt und bereits Tumore ab einem Durchmesser von 1 cm auf diese Art behandelt. Entscheidungsfindung Die Entscheidung wie die Niere behandelt werden soll, treffen Urologen und Radiologen gemeinsam. Der Primärkontakt kann aber gut über den Radiologen erfolgen. Wichtig ist, dass Urologe und Radiologe miteinander reden. Praktisch werden die Patienten nahezu immer auf eine urologische Station aufgenommen. Kontraindikation Grundsätzlich kann die RFA bei Tumoren bis 4 cm je nach Erfahrung des Operateurs technisch fast immer angewandt werden. Gegen eine RFA kann eine zentrale Lage des Tumors sprechen, d.h. wenn das Nierenzellkarzinom so nah am Nieren-Hohlsystem liegt, dass dieses beschädigt werden kann. In erfahrenen Zentren gibt es jedoch Methoden, das Hohlsystem zu schonen z.B. durch innere Kühlung. Zysten oder Voroperationen stellen für die lokale Ablation kein Hindernis dar. Eine Ablation kann oft auch dann durchgeführt werden, wenn eine Operation aufgrund von Vernarbungen nach vorangegangenen Eingriffen als schwierig eingestuft wird. Klinische Anwendung Bei der RFA handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Primärtumor oder seine Metastasen durch Hitze zerstört werden. Dazu wird eine Sonde eingebracht, die am sichersten unter CT-Kontrolle im Tumor platziert wird. Grundsätzlich kann dies über Ultraschall oder MRT erfolgen. Der Ultraschall hat sich jedoch bei manchen Tumorlokalisationen wenig praktikabel bzw. unsicher erwiesen; für die MRT gibt es derzeit nur einen Anbieter der entsprechende Sonden anbietet. Hinzu kommen die hohen Kosten für die MRT. Bei der RFA wird über einen Radiofrequenzgenerator ein hochfrequenter Wechselstrom erzeugt, der an der Sonde zu einem Temperaturanstieg im Gewebe auf 90° bis 105°C führt. Der Tumor wird hierdurch an Ort und Stelle „verkocht“. Im Vergleich zu anderen Verfahren liegt ein Vorteil der RFA in dem kleinen Durchmesser der Sonden (weniger als 2 Millimeter) und der behandelbaren Tumorgröße (bis 4,5 cm ohne Sondenverlagerung). Dies ist dadurch möglich, dass in dem Tumor die Sonde wie ein Regenschirm geöffnet werden kann und somit ein großes Volumen erhitzt werden kann. Durch die Wahl der geeigneten Sondenform und -größe kann die Therapie nahezu jeder Tumorform angepasst werden. Die Kontrolle der Tumorzerstörung erfolgt je nach verwendetem Gerät über eine direkte Temperaturmessung oder eine Bestimmung der Leitfähigkeit des Gewebes während des Eingriffs. Dies geschieht über die Sonde selbst. Zusätzliche Sonden sind nicht erforderlich. Nach erfolgreicher Tumorbehandlung wird der Punktionsweg während der Sondenentfernung koaguliert, d.h. durch die Hitze verschlossen. Eine Tumorzellverschleppung tritt hierbei faktisch nicht auf und das Risiko einer Nachblutung ist minimal. Da die Hitzebehandlung von Metastasen oder Tumoren je nach Lage schmerzhaft sein kann, erfolgt der Eingriff entweder unter lokaler Betäubung und zusätzlicher Schmerzmittelgabe bzw. Narkose. Letzteres ist sowohl für den Patienten als für den Behandler angenehmer, da so sichergestellt wird, dass der Patient gleichmäßig atmet und sich nicht unerwartet bewegt. Die Dauer des Eingriffs beträgt je nach Größe und Anzahl der behandelten Tumoren zwischen einer und drei Stunden. Der Patient kann das Krankenhaus in der Regel am nächsten oder übernächsten Tag verlassen. Das zerstörte Gewebe verbleibt in der Niere und wird vom Körper nach und nach abgebaut bis nur noch eine Narbe überbleibt. Um Tumoren sicher zu behandeln, die größer als 3 cm sind, erfolgt vorab (zumeist am Vortag) eine Angiographie (Gefäßdarstellung) bei der die Gefäße des Tumors selektiv durch eine Embolisation verschlossen werden und die Blutzufuhr des Tumors somit ausgeschaltet wird. Dadurch verbreitet sich die Hitze gleichmäßiger im Tumor. Verlaufskontrolle Unmittelbar nach dem Eingriff sowie nach 3 und 6 Monaten und danach jährlich wird durch CT oder MRT-Aufnahmen der Verlauf kontrolliert. Wichtig ist, dass hier Kontrastmittel gegeben wird, um die Durchblutung in der behandelten Region zu analysieren. Ergebnisse Die Ergebnisse aus 8 größeren Publikationen aus den Jahren 2005-2011 ergaben, dass es in insgesamt 94 Prozent aller Fälle (898 Tumoren) eine komplette Tumorkontrolle gab. Wurden nur die Publikationen genommen, bei denen die Bildgebung durch CT anstatt Ultraschall erfolgte, lag die Tumorkontrolle mit 97 Prozent noch höher und auch schwierige Lokalisationen (z.B. Nähe von Darmanteilen) konnten so behandelt werden. Bei Patienten mit erblicher Komponente wie bei VHL-Betroffenen liegt die Rate von lokalen (in der derselben Niere auftretenden) Tumorrezidiven höher als beim spontan entstandenen Nierenzellkarzinom. Dabei sind für Chirurgie und Ablation identische Raten an Lokalrezidiven mit einer Größenordnung von je 30% beschrieben (Chirurgie: 27-46%; RFA: 27-33%). Die Ursachen hierfür liegen wahrscheinlich in der genetischen Komponente der Erkrankung bei der multifokale (an mehreren Orten in einem Organ) Tumore ein typisches Problem darstellen und zum Zeitpunkt der Behandlung möglicherweise bereits mikroskopische neue Tumore vorliegen, die aber erst im Laufe der Zeit sichtbar werden. Im Vergleich zu anderen Techniken, insbesondere der lange etablierten Kryotherapie ist die RFA häufig schmerzhafter und erfordert daher ein intensiveres Schmerzmanagement während des Eingriffs. Nach dem Eingriff unterscheiden sich die Schmerzen nicht. Ein wesentlicher Vorteil der RFA gegenüber der Kryotherapie ist jedoch die Option mehr gesundes Nierengewebe zu erhalten. Dies ist bei zu erwartenden wiederholten Eingriffen ein wichtiger Vorteil für die RFA. Nebenwirkungen & Komplikationen Nach der Behandlung kann es bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einer durch das Immunsystem hervorgerufenen Abgeschlagenheit oder einem Grippegefühl kommen. Das Ausmaß dieser Beschwerden hängt von der Größe des behandelten Tumors ab und ist bei kleinen Tumore (< 3cm) seltener und weniger ausgeprägt als bei größeren Läsionen. Manchmal kann die Narbe an der Stelle, wo die Sonde eingeführt wurde bei der Atmung bis zu 6 Monaten störend sein. Komplikationen treten in der Literatur bei weniger als 7% der Patienten auf. Dazu zählen auch geringfügige Komplikationen, die den Krankenhausaufenthalt nicht verlängern, als auch solche, die den Krankenhausaufenthalt verlängern. Die häufigste Komplikation ist blutiger Urin. Dies muss zumeist aber nicht behandelt werden. Selten kann Blut in der Harnblase eine Spülung der Harnblase durch einen Katheter erforderlich machen. Nachblutungen oder Verletzungen von Darm oder Hohlsystem der Niere sind bei erfahrenen interventionellen Radiologen sehr selten (deutlich weniger als 1%) und können durch die Wahl der CT für die Interventionssteuerung weiter minimiert werden. Selten kann es auch zu einem Harnstau kommen, der zu Flankenschmerzen und Fieber führen kann. Das Legen einer Harnleiterschiene für eine kurze Zeit kann hier Abhilfe schaffen. Anmerkung der Redaktion: Die RFA wird auch an der Universitätsklinik in Freiburg bei VHLBetroffenen eingesetzt (Ansprechpartner: Prof. Dr. Schäfer, Radiologie) VHL-Rundbrief Dez./2011; Heft 3; Jahrgang 12 Vorträge Informationsveranstaltung Stuttgart 2011 Herr Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor des Robert Bosch Krankenhauses, Chefarzt der Abteilung Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart Thema: Nierenzellkarzinome bei VHL – Das Vorgehen aus Sicht eines Nephrologen Prof. Dr. Alscher ist nicht nur ärztlicher Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses, sondern auch Vorstandsvorsitzender des Instituts für Digitale Medizin (IDM), deren Stiftungszweck das Vorhalten von medizinischen Datenbanken für wissenschaftliche Projekte ist. Das IDM ist Partner der VHLSelbsthilfegruppe bei der Etablierung einer klinik- und forscher-unabhängigen Biomaterialbank. Als Nephrologe legte er den Schwerpunkt seines Vortrages nicht auf die unterschiedlichen operativen Möglichkeiten, sondern darauf, woran VHL-Betroffene denken sollten, wenn sie eine eingeschränkte Nierenfunktion haben, um sich eine hohe Lebensqualität zu erhalten. Der Krankheitsmechanismus bei Nierenzellkarzinomen (NZK) ist bei sporadischen (nicht erblichen) und hereditären (erblichen) – wie VHL – teilweise durch ähnliche Defekte geprägt. Ist eine Zelle durch Mutationen der entsprechenden Gene krankhaft verändert, führt dies zu einer Situation, die dem eines zellulären Sauerstoffmangels entspricht. Daraufhin werden weitere neue Gefäße gebildet und der Tumor wird mit mehr Sauerstoff versorgt und kann weiter wachsen. Sporadische Nierenzellkarzinome treten in der Regel einmalig auf, während VHL-Betroffene das Risiko haben mehrere Tumoren zu entwickeln und in beiden Nieren. Deshalb wird bei sporadischen Tumoren oft auch die komplette Niere entfernt. Da bei VHL-Betroffenen in einer Hälfte des Genoms schon von Geburt an ein Defekt vorliegt, ist nur noch ein Defekt im anderen Allel notwendig, damit eine Zelle sich krankhaft verändert. Bei Nicht VHL-Betroffenen müssen beide Defekte in einer Zelle innerhalb des gesamten Lebens entstehen, daher sind sie deutlich älter als VHL-Betroffene, bei denen ein NZK im Schnitt im Alter von knapp 40 Jahren auftritt (+- 10 Jahre). Neben Nierenzellkarzinomen können bei der VHL-Erkrankung als urologische Manifestationen auch noch Nierenzysten, Phäochromozytome sowie Zystadenome in den Nebenhoden beim Mann und den breiten Mutterbändern bei der Frau auftreten. Das Risiko einer Metastasierung (Fernabsiedlungen) von Nierenzellkarzinomen bei VHL-Erkrankung ist ab einer Größe von 7 cm des Primärtumors sehr hoch. Es gab aber auch Fälle, bei denen Metastasen schon ab einer Größe von 4,5 cm auftraten. Keine Metastasen sind bislang bei einer Größe des Primärtumors bis 3 cm aufgetreten. Daher gibt es die Empfehlung des NIH (National Institut of Health in den USA) ab einer Größe von 3 cm zu operieren. Aber es kann auch möglich sein, bis zu einer Größe von 4 cm mit einer Operation zu warten, wenn die Wachstumsgeschwindigkeit des betreffenden Tumors langsam ist, da dies auf ein geringeres Metastasierungsrisiko hinweist. Anhand von verschiedenen Publikationen, bei denen immer verschiedene Behandlungsmöglichkeiten miteinander verglichen wurden, konnte folgendes gezeigt werden: Die Lebenserwartung und Lebensqualität von VHL-Betroffenen mit einer eingeschränkten Nierenfunktion wird entscheidend beeinflusst von der Art der Operation, der Betreuung durch einen Nephrologen, die Wahl der Dialyseverfahren und dem Zeitpunkt einer Transplantation. VHL-Betroffene sollten, wenn möglich, immer organerhaltend operiert werden. Je länger die Nierenfunktion aufrecht erhalten werden kann, desto besser. Die Nierenfunktion wird durch die KreatininKonzentration im Blut bestimmt. Aus der Kreatinin-Konzentration wird mit Formeln die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) abgeschätzt. Diese stellt das Maß für die Nierenfunktion dar. Ein GFR von über 90 liegt bei einer normalen Nierenfunktion vor und wird als Stadium 1 bezeichnet, während ein GFR von unter 15 im Stadium 5 ein Nierenversagen bedeutet. Ab einem GFR von < 60ml/min sollte ein Nephrologe aktiv in die Betreuung mit einbezogen werden. Dieser kann u. a. durch eine bessere Einstellung des Blutdrucks dafür sorgen, dass die Notwendigkeit der Dialyse zeitlich hinausgezögert werden kann. Lässt sich eine Dialyse nicht vermeiden, sollte sie längerfristig vorbereitet werden. Zunächst muss entschieden werden, ob die Peritoneal- oder Hämodialyse in Betracht kommt. Weiterhin, ob eine sofortige Transplantation bei vorhandenem Lebendspendeorgan eine Option darstellt. Bei Entscheidung für die Peritonealdialyse müssen außer dem Training keine vorbereitenden Maßnahmen erfolgen, der Katheter wird erst bei Dialysepflichtigkeit implantiert. Fällt die Entscheidung für die Hämodialyse muss ab einer GFR < 20ml/min ein Shunt diskutiert und operiert werden. Dabei handelt es sich um eine künstlich herbeigeführte arteriovenöse Fistel, einem „Kurzschluss“ von Arterie und Vene. Die Reifung der arteriovenösen Fistel dauert 3-6 Monate. Der Vorteil eines Shuntes ist, dass nur das venöse Niederdrucksystem für die Hämodialyse punktiert werden muss, bei einem allerdings arteriellen Blutflussvolumen, wie es für die Blutwäsche benötigt wird. Wo die Dialyse durchgeführt wird, zuhause oder im Zentrum, ist ebenfalls von Bedeutung. Es sollte möglichst eine Heimdialyse durchgeführt werden. VHL-Rundbrief Nov./2010; Heft 4; Jahrgang 11 Vorträge Informationsveranstaltung Köln 2010 Vortrag Prof. Dr. Mahnken, Oberarzt an der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Aachen Thema: Radiofrequenzablation von Nierenzellkarzinomen Prof. Mahnken ist Oberarzt an der Klinik für Radiologische Diagnostik und zusammen mit der Urologie am Aachener Universitätsklinikum werden dort seit 8 Jahren Patienten mit Nierenzellkarzinomen regelmäßig mit der Radiofrequenzablation behandelt. In seinem Vortrag ging Prof. Mahnken zunächst auf die Häufigkeit des Nierenzellkarzinoms in der Gesamtbevölkerung ein, um dann die Situation bei VHL-Betroffenen zu betrachten. In der US Krebsstatistik für das Jahr 2009 lag das Nierenzellkarzinom mit 3 Prozent Anteil an allen Krebserkrankungen beim Mann auf dem 10. Platz. Bei den Frauen war die Häufigkeit noch geringer und wurde unter „sonstiges“ mit aufgeführt. Dies zeigt, dass der Nierenzellkarzinom in der Gesamtbevölkerung recht selten vorkommt. Bei VHL-Betroffenen kommen bei 40-60 Prozent aller Betroffenen Nierenzellkarzinome vor, die zu dem oft auch beidseitig und/oder wiederholt auftreten können. Es sind in der Regel zystische Tumoren, die im Laufe der Zeit entarten, d.h. Metastasen (Fremdabsiedlungen) entwickeln können. Das Nierenzellkarzinom wird in 4 verschiedene Stadien eingeteilt, wobei bei VHL-Betroffenen, die ihre Kontrolluntersuchungen jährlich machen, nur das Stadium 1 relevant ist. Unter Stadium 1 werden Tumoren gefasst, die maximal 7 cm groß sind. Untersuchungen zeigen, dass bei Nierenzellkarzinomen, die kleiner als 4 cm sind (Stadium 1a), die Lymphknoten nicht befallen sind, während über eine Größe von 4 cm bei etwa 2,5 Prozent der Betroffenen die Lymphknoten von Metastasen befallen sind (Stadium 2b). Es gibt verschiedene Formen der Behandlung. Die teilweise oder komplette Entfernung der Niere, sowohl in offener oder in laparoskopischer Technik ist die am häufigsten eingesetzte Therapieform. Die Chemo- und Immuntherapie kann beim metastasierenden Nierenzellkarzinom zur Anwendung kommen (siehe PKB, Kapitel 8, Seite 86 ff). Schließlich gibt es neuere Verfahren, bei denen Tumoren durch Hitze bzw. Kälte verödet werden. Zu den sogenannten thermo-ablativen Verfahren gehört die Kryotherapie (siehe auch Vortrag Dr. Gök), bei der Tumoren bei einer Temperatur von – 180 Grad vereist werden. Statt durch Kälte wird bei der Radiofrequenzablation (RFA) der Tumor verkocht. Auf dieses Verfahren wird im Folgenden eingegangen. Indikation Eine RFA kommt insbesondere in Betracht bei: - Patienten, die mehrere Tumoren haben bzw. bei denen die Gefahr besteht, dass sie zukünftig auch Nierenzellkarzinome entwickeln (wie bei VHL-Betroffenen) - nur noch einer Niere - metastasiertem Nierenzellkarzinom - Hochrisikopatienten bzw. Patienten, bei denen eine Operation nicht in Betracht kommt, oder die eine Operation ablehnen (Anm. häufig bei Zeugen Jehovas). Kontraindikation Grundsätzlich kann die RFA bei Tumoren bis 4 cm fast immer angewandt werden. Gegen eine RFA kann sprechen, wenn das Nierenzellkarzinom so zentral gelegen ist, dass die Gefahr groß ist, dass das Nieren-Hohlsystem mitbetroffen ist bzw. beschädigt werden kann. Aber auch hier gibt es Methoden, um z.B. das Hohlsystem zu schonen bzw. das umliegende gesunde Gewebe wird während der RFA weggehalten, um nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Zysten stellen kein Hindernis dar. Klinische Anwendung Bei der Radiofrequenztherapie (RFA) handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Tumor oder die Metastase durch Hitze zerstört wird. Die Hitze wird durch eine Sonde eingebracht, die am sichersten unter CT-Kontrolle in den Tumor platziert wird. Grundsätzlich kann auch die Darstellung der Sonde über Ultraschall oder MRT erfolgen. Der Ultraschall hat sich jedoch bei manchen Tumorlokalisationen als wenig praktikabel bzw. unsicher erwiesen und beim MRT gibt es derzeit nur einen Anbieter der entsprechende Sonden anbietet. Hinzu kommen die hohen Kosten für die MRT. Durch einen Radiofrequenzgenerator wird ein hochfrequenter Wechselstrom erzeugt, der über die Sonde zu einem Temperaturanstieg im Gewebe auf 90 bis 105°C führt. Der Tumor wird hierdurch an Ort und Stelle „verkocht“. Der Vorteil der RFA liegt in dem kleinen Durchmesser der Sonden (weniger als 2 Millimeter) und der erzielbaren Tumorgröße (bis 5 cm ohne Sondenverlagerung). Dies ist dadurch möglich, dass in dem Tumor die Sonde wie ein Regenschirm geöffnet werden kann und somit ein großes Volumen erhitzt werden kann. Die Nierenzellkarzinome sind häufig kugelig bzw. eiförmig, so dass mit entsprechend geformten Schirmen der gesamteTumor abgedeckt werden kann. Bei anderen Tumorformen können entsprechend anders geformte Sonden eingesetzt werden. Die Kontrolle der Tumorzerstörung erfolgt je nach verwendetem Gerät über eine direkte Temperaturmessung oder einer Bestimmung der Leitfähigkeit des Gewebes während des Eingriffs. Dies geschieht über die Sonde selbst, zusätzliche Sonden sind nicht erforderlich. Nach erfolgreicher Tumorbehandlung wird der Punktionsweg während der Sondenentfernung koaguliert, d.h. durch die Hitze verschlossen. Eine Tumorzellverschleppung tritt hierbei nicht auf und das Risiko einer Nachblutung ist minimal. Da die Hitzebehandlung von Metastasen oder Tumoren je nach Lage schmerzhaft sein kann, erfolgt der Eingriff entweder unter Schmerzmittelgabe bzw. Narkose. Letzteres ist sowohl für den Patienten als für den Behandler angenehmer, da so sichergestellt wird, dass der Patient gleichmäßig atmet und sich nicht unerwartet bewegt. Die Dauer des Eingriffs beträgt je nach Größe und Anzahl der behandelten Tumoren zwischen einer und drei Stunden. Der Patient kann das Krankenhaus in der Regel am nächsten oder übernächsten Tag verlassen. Um Tumoren sicher zu behandeln, die größer als 3,5 cm sind, erfolgt vorab eine Angiographie (Gefäßdarstellung) bei der die Gefäße durch eine Embolisation verschlossen werden und die Blutzufuhr des Tumors somit ausgeschaltet wird. Nebenwirkungen Das zerstörte Gewebe verbleibt in der Niere und wird vom Körper nach und nach abgebaut bis nur noch eine Narbe überbleibt. Nach der Behandlung kann es zu einer durch das Immunsystem hervorgerufenen Abgeschlagenheit oder einem Grippegefühl kommen. Bei kleinen Tumore (< 3cm) kommt dies jedoch nur selten vor. Manchmal kann die Narbe an der Niere bis zu einem halben Jahr dem Patienten Probleme machen und die Stelle, wo die Sonde eingeführt wurde, kann bei der Atmung sehr selten hinderlich sein. Verlaufskontrolle Unmittelbar nach dem Eingriff sowie nach 3 und 6 Monaten wird durch CT oder MRT-Aufnahmen der Verlauf kontrolliert. Wichtig ist, dass hier Kontrastmittel gegeben wird, um die Durchblutung in der behandelten Region zu analysieren. Ergebnisse Im Aachener Klinikum gab es bei mehr als 100 Behandlungen bisher einen einzigen Patienten, der am Folgetag nachbehandelt werden musste. Ein Nierenzellkarzinom an der gleichen Stelle (Lokalrezidiv) trat bei einer Nachbeobachtung bis zu 5 Jahren bei keinem Patienten auf. Es gab einige Patienten, die an anderen Stellen Nierenzellkarzinome entwickelt haben; dies kann jedoch bei allen Therapieformen geschehen. Die Rate an neuen Tumoren ist bei VHL Patienten in der Literatur für RFA und operative Therapie identisch. Auch kann die RFA häufiger durchgeführt werden, als eine offene Nierenoperation. Die Ergebnisse aus 6 Publikationen aus den Jahren 2005-2009 ergaben, dass es in insgesamt 94 Prozent aller Fälle (708 Tumoren) eine komplette Tumorkontrolle gab. Wurden nur die Publikationen genommen, bei denen die Bildgebung durch CT anstatt Ultraschall erfolgte, lag die Tumorkontrolle noch höher. Komplikationen Komplikationen treten in der Literatur bei weniger als 7 Prozent der Patienten auf. Dazu zählen auch geringfügige Komplikationen, die den Krankenhausaufenthalt nicht verlängern, als auch welche, die es erforderlich machten, dass der Patient einen Tag länger im Krankenhaus bleiben musste. Die häufigste Komplikation war, dass der Patient durch den Stich der Sonde Blut im Urin hatte, dies muss normalerweise aber nicht behandelt werden. Selten war Blut in der Harnblase, die eine Spülung der Harnblase durch einen Katheter erforderlich machte. Nachblutungen oder Verletzungen des Hohlsystems sind bei erfahrenen interventionellen Radiologen sehr selten. von Hippel-Lindau (VHL) | Eine patientenorientierte Krankheitsbeschreibung März 2010 Nierenkarzinom und Nierenzysten Dr. Jilg und Prof. Dr. Schultze-Seemann, Freiburg; Dr. Roos und Prof. Dr. Thüroff, Mainz Zusammenfassung Die Manifestationen der VHL-Erkrankung in der Niere sind Nierenzysten und klarzellige Nierenzellkarzinome. 25-45 Prozent der Genträger entwickeln Nierentumoren, beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Das Diagnosealter liegt in der Regel vor dem 40. Lebensjahr. Das Wachstum der meisten Tumoren ist langsam. Hat der größte Tumor einen Durchmesser von 4 cm erreicht, so sollte die vollständige Entfernung aller Tumoren unter Erhalt der Niere angestrebt werden. Damit soll eine Metastasierung verhindert werden und die Nierenfunktion erhalten bleiben. Das Nachsorgeintervall beträgt 12 Monate, in der Regel sollten MRT Untersuchungen erfolgen. Medikamentöse Therapien sind nur bei Metastasen indiziert. Zunehmend etablieren sich alternative Verfahren zur Operation, bei denen die Tumoren thermisch zerstört werden (Radiofrequenzablation, Kryotherapie). Einleitung Der Mensch hat normalerweise zwei Nieren die im rückwärtigen Bauchraum gelegen sind und eine Längsausdehnung von ca. 11-12 cm haben (Abb. 7). Sie dienen der Entgiftung des Körpers und haben eine zentrale Rolle im Rahmen der Regulation des Wasser- und Mineralsalzhaushaltes. Bei den typischen Veränderungen, die im Rahmen der von Hippel-Lindau-Erkrankung auftreten, handelt es sich um Nierenzysten, ebenso wie um solide Nierentumoren (Nierenzellkarzinome). Beide Veränderungen der Nieren kommen nicht ausschließlich bei der VHL-Erkrankung vor. Auch in der Normalbevölkerung ist das Risiko im Laufe des Lebens einzelne oder mehrere Nierenzysten zu entwickeln ca. 20 Prozent, wobei das Risiko mit dem Alter zunimmt. Bei Nierenzysten handelt es sich prinzipiell um harmlose zystische Veränderungen, die eine klare bernsteinfarbene Flüssigkeit enthalten. Bösartige Entartungen sind im Rahmen einfacher Nierenzysten bei der Normalbevölkerung sehr selten. Im Rahmen von Krankheitsbildern, wie der VHL-Erkrankung, sind Nierenzysten eine typische Vorstufe oder ein Begleitphänomen von bösartigen Nierentumoren. Das Risiko in der gesunden Bevölkerung im Laufe des Lebens einen Nierentumor (meist Nierenzellkarzinom) zu entwickeln, liegt bei 1,3 Prozent (life time risk). Damit ist er ein eher seltener Tumor, der mit einem Häufigkeitsgipfel um das 62. Lebensjahr auftritt. Nierenzellkarzinome sind Tumoren, die ihren Ursprung vom so genannten Tubulus-Apparat oder dem Sammelrohrsystem nehmen. Auch bei Patienten, die nicht von der VHLErkrankung betroffen sind, entstehen die Nierentumoren interessanterweise in 80 Prozent durch eine Spontanmutation oder durch den Verlust des von Hippel-Lindau-Gens. Insofern ist hier der gleiche genetische Mechanismus wie bei der VHL-Erkrankung gegeben, mit dem Unterschied, dass es sich um eine nicht erbliche, spontane genetische Veränderung handelt. Solch eine Veränderung wird als sporadisch bezeichnet. Der Tumortyp, der sich bei der VHL-Erkrankung entwickelt, ist klarzellig. Im Unterschied zur Normalbevölkerung entwickeln VHL-Patienten solche Tumoren im Durchschnitt 20 Jahre früher. Im Gegensatz zu den sporadischen Nierentumoren werden solche Tumoren als hereditäre (vererbliche) Nierentumoren bezeichnet. Die Tumoren entwickeln sich in der Regel in Zysten (Abb. 8), in denen sie eine Zeitlang unentdeckt wachsen können und insbesondere von unerfahrenen Radiologen als einfache oder sog. komplizierte Zysten bezeichnet werden. Komplizierte Zysten unterscheiden sich von normalen Zysten durch eine verstärkte Randsaumbildung, Kalkeinlagerung und feine unterteilende Membranen (Abb. 8-rechts). Mit entsprechender Erfahrung lassen sich Tumoren in Zysten durch MRT oder CT jedoch gut diagnostizieren. Abb. 7: Schematische Darstellung der Lage der Nieren im rückwärtigen Raum in Bezug zur Hauptschlagader des Körpers (Aorta). Diagnostik der VHL-Nierenveränderungen Prinzipiell sind sowohl Nierenzysten wie Nierentumoren im Ultraschall sehr gut darstellbar. Da jedoch bei den VHL-Patienten der Zysten- und Tumoranteil nach eigenen Untersuchungen zum Teil bis 97 Prozent des Nierengewebes ausmachen kann, ist hier den so genannten Schnittbildverfahren der Vorzug gegeben. Dies sind die Computertomographie oder die Kernspintomographie des Bauchraumes. Wann immer es möglich ist, sollten für die vergleichenden Untersuchungen Kernspintomogramme herangezogen werden, da sie eine Abbildung in allen drei Ebenen liefern und ohne jede Strahlenbelastung für die Patienten sind. Hierbei kann sehr klar zwischen zystischen und soliden Veränderungen unterschieden werden (Abb. 9). Nierentumoren sind bereits ab einer Größe von etwa 5 mm zu erkennen. Aufgrund vergleichender Untersuchungen, die in der Regel in 12 Monatsabständen durchgeführt werden, können unter Heranziehung entsprechender Volumenberechnungen die Tumorverdopplungszeit und die Wachstumsgeschwindigkeit berechnet werden. Ist eine Metastasensuche notwendig, so ist im Bauchraum die MRT-Untersuchung zum Ausschluss von Lymphknoten- oder Lebermetastasen von exzellenter Qualität. Für eine Suche nach Metastasen in den Lungen kommt eine Computertomographie des Brustraums ohne Kontrastmittel zur Anwendung. Z Abb. 8: Links: Darstellung mehrerer normaler Nierenzysten (schwarze Kreise) Z im Ultraschall. Rechts: Darstellung einer komplizierten Zyste (Z, Bosniak II), mit Septierungen und Kalkeinlagerungen. Biologie der Nierentumoren Die meisten Nierenzellkarzinome wachsen, sofern sie überhaupt wachsen, langsam mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 0,3 cm pro Jahr. Insgesamt ist relativ wenig über die Wachstumsgeschwindigkeit der Nierenzellkarzinome bekannt, die sich in kleineren Studien oftmals nicht von den gutartigen Tumoren unterscheidet. Generell zeichnen sich die Nierenzellkarzinome dadurch aus, dass sie keinerlei Frühsymptome verursachen. Durch die Lage im hinteren Bauchraum sind sie im Frühstadium weder tast- noch sichtbar. Sie können eine erhebliche Größe annehmen, bevor sie zu lokalen Problemen führen. Heute werden die meisten Tumoren in einem symptomfreien Stadium zufällig im Rahmen einer durchgeführten Ultraschall-, Computertomographie- oder Kernspintomographieuntersuchung aufgedeckt. Dies hat auch zu einem durchgreifenden Wandel der Therapie geführt, da Tumoren in frühen Stadien mit einer deutlich besseren Prognose einhergehen und häufig in Abhängigkeit der Tumorlokalisation eine Organerhaltung möglich ist. Aus einer großen Serie in der Freiburger Klinik konnte bis in die frühen 1990er Jahre der Eindruck gewonnen werden, dass das Metastasierungsrisiko der sporadischen Nierentumoren jenseits der Größe von 4 cm Durchmesser deutlich ansteigt, während bei den VHL-Patienten in der Regel Metastasierungen erst ab einer Tumorgröße von 7 cm auftraten. Diese grundsätzliche Einschätzung konnte in den vergangenen Jahren bestätigt werden. Im Einzelfall hängt jedoch das Metastasierungsrisiko wesentlich stärker von der so genannten Tumorverdoppelungszeit, also dem Wachstumsverhalten der Tumoren, ebenso wie der Lage (zentral gegenüber oberflächlich gelegenen) ab. Aufgrund der vergleichenden Arbeit der sporadischen Tumoren mit den VHL-Tumoren wurde die Entscheidung getroffen, bei den VHL-Patienten einen operativen Eingriff erst dann anzustreben, wenn der größte Tumor 4 cm Durchmesser beträgt. Im Einzelfall sollte eine solche Entscheidung heute eher vor dem Hintergrund des Tumorwachstums überdacht werden und der Interventionszeitpunkt ggf. vorverlegt werden. Schnell wachsende, zentral gelegene Tumoren sollten möglichst schnell operiert werden, um den Verlust an gesundem Nierengewebe möglichst gering zu halten. Abb. 9: MRT eines VHL-Patienten Therapie der Nierentumoren Die Therapie der Nierentumoren ist grundsätzlich operativ, da Nierenzellkarzinome weder strahlensensibel sind, noch auf eine Chemotherapie ansprechen. Eine medikamentöse Therapie ist den metastasierten Nierentumoren vorbehalten, da die Substanzen, die das Wachstum der Nierentumoren hemmen, erhebliche Nebenwirkungen hervorrufen können. Nebenwirkungen, Therapieversagen, Resistenzbildung und nur zeitlich eingeschränktes Ansprechen der Tumoren auf die medikamentöse Therapie, stehen einer Langzeittherapie entgegen. Des Weiteren kommt es nicht selten zu einem „Aufholwachstum“ nach Absetzen der Behandlung. Langzeitbeobachtungen fehlen gänzlich, so dass außerhalb von Studien prinzipiell operablen VHL-Patienten von solchen Therapien abgeraten werden muss. Daher genießt das operative Vorgehen (Entfernung der Nierentumoren) unverändert oberste Priorität. Abb. 10: Schematische Darstellung der Entfernung eines am Rande der Niere gelegenen Tumors. Die Nierenzellkarzinome werden heute in ca. 50 Prozent auch bei sporadisch auftretenden Karzinomen in Abhängigkeit der Lokalisation und der Größe mit einem kleinen Randsaum an normalen Nierenparenchym (Sicherheitsabstand) organerhaltend operiert, dabei wird im Fall eines sporadischen Nierenzellkarzinoms in der Regel nur der vorhandene solitäre Tumor entfernt (Abb. 10). Auch bei VHL-Patienten ist die operative Therapie der Eckpfeiler der Behandlung der Nierenzellkarzinome, wobei VHL-Patienten in der Regel mehrere Tumoren haben können. Einzelne Raumforderungen sind die Ausnahme, damit ist das operative Vorgehen komplexer. Da meist zusätzliche zahlreiche Nierenzysten vorliegen, in denen sich kleinste Nierenzellkarzinome bereits verbergen können, sollte auch der Versuch unternommen werden, die Mehrzahl der zystischen Veränderungen operativ zu entfernen. Da die Veränderungen in der Regel in beiden Nieren auftreten können, sollte grundsätzlich immer angestrebt werden eine organerhaltende Operation durchzuführen. Für die organerhaltende Operation ist eine vorübergehende Unterbrechung der Blutzufuhr notwendig, jene sollte eine Dauer von 30 bis 60 Minuten nicht überschreiten. Im Falle einer längeren Unterbrechung der Blutzufuhr geht die Organfunktion unwiderruflich verloren. Bei der laparoskopischen Operation (minimal invasives Vorgehen - Schlüssellochtechnik) können allenfalls einzelne Tumoren, entfernt werden. Aus diesem Grunde hat sich die Laparoskopie bei den VHL-Tumoren der Nieren nicht durchgesetzt. Auch bei Zweit- oder Dritteingriffen, sollte der Versuch einer Organerhaltung in jedem Fall unternommen werden. Zu bedenken ist, dass aufgrund von Narbenbildung und Verwachsungen durch den Ersteingriff, der Folgeeingriff deutlich schwieriger ist und somit bisweilen in einer Nierenentfernung endet. In Ausnahmefällen lässt sich eine Tumorfreiheit nur durch komplette Entfernung einer oder beider Nieren erzielen. Während die Entfernung einer Niere meistens unproblematisch hinsichtlich der Entgiftung des Körpers ist, bedeutet das Entfernen beider Nieren unweigerlich die Notwendigkeit einer Dialysebehandlung, d.h. einer regelmäßigen Blutwäsche. Thermoablative Verfahren In den vergangenen Jahren haben sich so genannte Thermoablative Verfahren etabliert, deren Prinzip die Zerstörung des Tumorgewebes durch Kälte oder Wärme ist. Bei einer Kältebehandlung wird mittels eines kleinen Hautschnitts eine spezielle Sonde in den Bauchraum eingeführt und über diese Argongas eingeleitet, welches Temperaturen von ca. -100 °C herbeiführt und zum Absterben des Tumorgewebes führen soll. Andererseits kann ebenfalls durch eingeführte Sonden eine Temperatur von über 100° Celsius im Tumor erzielt werden. Auch dies führt zur definitiven Schädigung von Tumorzellen mit der Konsequenz des Absterbens. Beide Verfahren müssen für die Nierentumoren noch als experimentell angesehen werden, da Langzeitnachbeobachtungen und Ergebnisse von Vergleichsstudien mit den standardisierten Operationsverfahren der organerhaltenden Nierentumorentferung noch ausstehen. 26 Veränderungen der Nieren Da die Invasivität dieser Eingriffe grundsätzlich deutlich geringer ist, als die eines operativen Eingriffs und auch die potentielle Gefährdung der Nierenfunktion durch die Unterbrechung der Blutzufuhr entfällt, sollte bei jedem neu aufgetretenen Nierentumor bis 2 cm Größe die Diskussion geführt werden, ob eine solche Behandlung durchführbar ist. Dabei muss die Lage eines solchen Tumors berücksichtigt werden, da aufgrund der sehr niedrigen oder sehr hohen Temperaturen umliegendes Gewebe (Dickdarm / Dünndarm / Gallenblase / Bauchspeicheldrüse) mit geschädigt werden kann, deren Folgen lebensbedrohliche Komplikationen sein könnten. Dennoch stellen beide Verfahren eine wichtige Bereicherung des Spektrums der Therapie der VHL-Tumoren dar. Dies gilt zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nur für Tumoren bis ca. 2 cm Größe. Therapieverfahren bei metastasierten Tumoren Auch bei Metastasen sollte die Frage einer Operabilität prinzipiell zunächst geklärt werden, da nach der kompletten Metastasenentfernung, gute Überlebensraten beschrieben werden. Wenn eine Operation bei multiplen Metastasen in einem oder in mehreren Organen nicht mehr sinnvoll erscheint, ist eine medikamentöse Therapie angezeigt. Diese kann mit so genan. Multikinaseinhibitoren, Antikörpern oder mTOR-Inhibitoren durchgeführt werden. Jene haben allesamt das Ziel, die Angiogenese, also die Gefäßneubildung, die im Rahmen von VHL-Tumoren deutlich gesteigert ist, zu hemmen. Während Patienten mit sporadischen Nierentumoren unter jener Medikation, bei allerdings erheblichen Nebenwirkungen, eine signifikante Lebensverlängerung auch im metastasierten Stadium erfahren, gibt es bisher keine längerfristigen Erfahrungen aus der Gruppe der VHL-Patienten. Bei knöchernen Metastasen, die eine Bruchgefährdung hervorrufen können oder Schmerzen verursachen, sollte eine Strahlentherapie angestrebt werden (siehe zum Thema „Metastasen“ auch Kapitel 8 Therapiemöglichkeiten bei metastasierenden VHL-Tumoren). Tumornachsorge Alle VHL-Patienten müssen regelmäßig im Rahmen einer Tumornachsorge betreut werden, da das Risiko einer neuerlichen Tumorentstehung hoch ist. Nur in Einzelfällen bleiben VHL-Patienten, die einmal einen Nierentumor entwickelt haben, über mehr als 10 Jahre tumorfrei. Es sollten jährliche MRT-Untersuchungen durchgeführt werden. Bei längerfristiger Tumorfreiheit kann das Nachsorgeintervall auch verlängert werden. Einige Tumoren zeigen jedoch bereits im Verlauf eines Jahres Größen- oder Volumenverdopplungen oder sogar darüber hinaus gehende Wachstumsraten. Bei diesen Patienten ist das Risiko einer Metastasierung größer. Daher sollte aufgrund der Wachstumsgeschwindigkeit entschieden werden, ob sechsmonatliche Nachsorgeintervalle gewählt werden. Um dies besser zu erfassen wird die Berechnung des Volumens und nicht nur des größten Tumordurchmessers empfohlen. Dies ist mit den modernen Bildbearbeitungsprogrammen möglich. Literatur 1. Drachenberg DE, Mena OJ, Choyke PL, et al.: Parenchymal sparing surgery for central renal tumors in patients with hereditary renal cancers. J Urol 172:49-53, 2004 2. Grubb RL, III, Choyke PL, Pinto PA, et al.: Management of von Hippel-Lindau-associated kidney cancer. Nat Clin Pract Urol 2:248-255, 2005 27 Veränderungen der Nieren VHL-Rundbrief Nov./2009; Heft 4; Jahrgang 10 Vorträge Informationsveranstaltung Berlin 2009 Vortrag: Prof. Dr. Roigas, Vivantes Kliniken für Urologie, Am Urban und lm Friedrichshain Berlin Thema: Nierenbeteiligung bei der VHL Erkrankung Bei VHL Betroffenen treten Nierenzellkarzinome häufig auf, 75 Prozent aller über 60 jährigen VHL Betroffenen haben ein Nierenzellkarzinom. Sie treten oft beidseitig und mehrfach auf. Der Chirurg muss immer abwägen zwischen dem Schutz der Nierenfunktion und auf der anderen Seite dem Risiko, dass der Tumor Metastasen verursacht; auch unter dem Aspekt, das eine Niere mehrfach operiert werden kann. Beim sporadischen (nicht erblichen) Nierenzellkarzinom liegt das Risiko der Metastasierung bei einer Größe von weniger als 3 cm bei unter 5 Prozent und steigt bei einer Größe von 4 cm auf über 8 Prozent an. Beim VHL Patienten liegt das Risiko der Metastasierung mit einer Größe von 3-4 cm bei 4 Prozent und steigt bei einer Größe von 4 - 5,5 cm auf über 20 Prozent an. An Hand dieser Daten rät Dr. Roigas bei einer Größe von 3 cm eher zum Abwarten, eine OP sollte aber ab einer Größe von 4 cm durchgeführt werden, um das Risiko der Metastasenbildung so gering wie möglich zu halten. Das Standardoperationsverfahren ist immer noch die offene Operation, wobei durch einen Flankenschnitt der Tumor entfernt wird und dabei die Nierenfunktion erhalten bleibt (Nierenteilresektion). Eine komplette Entfernung einer Niere (Nephrektomie) sollte nur in Ausnahmefallen durchgeführt werden. Die Nierenteilresektion ist technisch sehr anspruchsvoll. Es ist jedoch ein sicherer Eingriff, wenn sie durch einen erfahrenen Urologen durchgeführt wird. Während der Operation wird die Niere von der Blutzufuhr abgeklemmt. Dies ist jedoch nur für eine gewisse Zeit möglich, ohne die Niere zu schädigen, so dass immer unter Zeitdruck operiert wird. Zudem wird die Niere während der OP gekühlt, welches ebenfalls eine Schädigung zu verhindern hilft. Die Blutstillung erfolgt heutzutage mit neuen Substanzen, wie z.B. dem Flowseal. Auch kommt während der Operation ein Ultraschall zum Einsatz, um tiefer gelegene Strukturen sichtbar zu machen. Die Risiken dieses Eingriffs liegen darin, dass der Tumor nicht komplett entfernt werden kann, eine Blutung oder eine Urinfistel auftreten können. Die sogenannte Schlüssellochchirurgie (Laparoskopie) wird in der organerhaltenden Nierenchirurgie bei der VHL-Erkrankung fast nicht eingesetzt. Ein Nachteil bei dieser Methode ist z. B, dass der Chirurg die Nieren nicht abtasten kann. Hingegen kommen sogenannte thermoablative Verfahren wie die Radiofrequenz Ablation auch bei VHL Betroffenen zum Einsatz. Hierbei wird entweder mit Hitze oder Kälte der Tumor zerstört, in dem eine Sonde durch einen kleinen Schnitt unter CT oder MRT zum Tumor geführt und dann dieser zerstört wird. Es können jedoch bei weitem nicht alle Nierentumoren damit behandelt werden, so dass beim Vorliegen von mehreren Tumoren eine offene Operation angezeigt ist, um mit einer Operation die Niere zu „sanieren“. 28 Veränderungen der Nieren VHL-Rundbrief Nov./ 2006; Heft 4; Jahrgang 7 Zusammenfassung Vorträge Informationsveranstaltung Mainz 2006 Vortrag Prof. Thüroff, Direktor der Urologischen Klinik der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz, Thema: Organerhaltende Operationen bei Nierentumoren Einleitung: Prof. Dr. Thüroff ist Direktor der Urologischen Klinik der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Da bei VHL Patienten Nierentumoren beidseitig (zeitgleich oder auch hintereinander) auftreten können, ist eine organerhaltende Tumorchirurgie für sie zwingend (imperativ), um eine Dialysepflicht zu vermeiden. Die erste organerhaltende Nierenoperation wurde bereits 1890 von Czerny beschrieben. Die Kriterien, wonach imperativ organerhaltend operiert werden muss, wurden schon 1950 von Vermooten festgelegt. Neben dem beidseitigen Auftreten von Nierentumoren gibt es weitere Kriterien: der Patient hat nur noch eine Niere, es droht ein Nierenversagen oder die gegenüberliegende Niere ist erkrankt. Außer der imperativen Indikation gibt es noch die elektive Indikation. Elektiv bedeutet hier, dass es die Wahl zur organerhaltende Operation gibt, sie ist nicht zwingend. Die elektive Indikation kann vorliegen, wenn die Tumoren klein sind und sich am Rande der Niere befinden bzw. wenn unklar ist, ob der Tumor gut- oder bösartig ist. Operative Techniken Je nach Lage des Tumors können verschiedene Operationstechniken zur Anwendung kommen. Die „Polresektion“ bei Tumoren am oberen bzw. unteren Ende der Niere, die „Mittelgeschossresektion“ bei zentral gelegenen Tumoren, sowie die noch nierengewebeschonenderen Keilresektionen und Konusresektionen. Allen gemein ist, dass zunächst die Blutzufuhr zur Niere abgeklemmt und die Niere gekühlt wird. Mit einem Infrarotlaser werden die Blutgefäße zum Tumor verödet (koaguliert) und der Tumor mit einem Saum gesunden Nierengewebes entfernt. Ein Pathologe teilt dem Operateur noch während der Operation mit, ob der Schnittrand tumorfrei ist. Findet er am Rand noch Tumorgewebe, muss der Chirurg weiteres Gewebe entfernen. Mit einem Argonlaser wird die operierte Oberfläche verschorft, um Blutungen zu vermeiden. Bei der Polresektion wird die Niere umgebende Nierenkapsel zum Teil entfernt. Die Niere wird dann mit Bauchfelllappen oder körperfremden Material umgeben und zugenäht. Sind die Tumoren noch klein, sitzen sie oft wie ein Pilz auf den Polkappen auf und können mit einem Sicherheitsabstand von 2 mm entfernt werden (Konusresektion, Keilresektion), so dass ein Maximum an Nierengewebe erhalten bleibt. Mittelgeschossresektion Befindet sich der Tumor in der Mitte der Niere, ist die Operation deutlich schwieriger. Eine Zerlegung der Niere ist dann notwendig. Die Blutgefäße und das Hohlsystem der Niere müssen durchtrennt werden. Bei dieser Operation kann es auch sein, dass die Niere entnommen werden muss, um außerhalb des Körpers auf einer sogenannten Werkbank die Niere zu rekonstruieren und um sie anschließend wieder einzupflanzen. Ist bei der Operation auch das Nierenbecken betroffen, ist es notwendig eine Drainage zu legen, die so lange im Körper verbleiben muss, bis das Operationsgebiet abgeheilt ist. Dies kann bis zu 8 – 14 Tage dauern. Analyse der statistischen Daten Der Anteil organerhaltender Operationen hat in Mainz seit 1980 deutlich zugenommen, wobei die Operationen mit imperativer Indikation prozentual relativ konstant blieben, die mit elektiver Indikation allerdings deutlich anstiegen (1980-1989: 12% / 2000-2004: 33 %) Dies ging zu Lasten der radikalen Nierenentfernung (1980-1989: 85% / 2000-2004: 62%). 29 Veränderungen der Nieren Auf grund der verbesserten Diagnosemöglichkeiten (zunächst Ultraschall, später CT und MRT) gibt es immer mehr Zufallsbefunde, die dazu führen, dass die Tumoren früher entdeckt werden und dann noch recht klein sind (Anteil der Tumoren <4cm: 1983-1989: 32% / 2000-2004: 48%) Je kleiner der Tumor ist, desto größer ist die Lebenserwartung nach 5 Jahren und desto geringer ist das Risiko Metastasen zu entwickeln. Kleine Tumoren sind eher gutartig. Bei einer Größe von 1 cm oder weniger beträgt der Anteil ca. 50 Prozent. Unterteilt man die Tumoren, die kleiner als 4 cm sind nach ihrer Größe in die Gruppen: 0-2 cm, 2-3 cm und 3-4 cm so kann festgestellt werden, dass je kleiner der Tumor ist, desto geringer ist das Risiko bereits Metastasen entwickelt zu haben (3% bei 0-2 cm, 3% bei 2-3 cm, 6%.3-4 cm). Auch steigt das Risiko an, dass der Tumor bereits in die Nebenniere oder die Fettkapsel eingewachsen ist (3% bei 0-2 cm, 5% bei 2-3 cm, 12%.3-4 cm). Die häufigsten Komplikationen bei der organerhaltender Nierenresektion sind ein Urinom (Urin fließt nicht in den Harnleiter sondern in das Gewebe), Blutungen, eine erneute Operation ist nötig sowie ein akutes oder chronisches Nierenversagen. Seltener muss die Niere entfernt werden und der Patienten überlebt die Operation nicht. Die Komplikationen treten häufiger bei imperativer - als bei elektiver Indikation auf. Dies ist aber durch das Wahlverfahren zu erklären. Große Tumoren bzw. zentral gelegene Tumoren müssen beim imperativen Verfahren organerhaltend operiert werden, während ansonsten die Niere komplett entfernt wird. Auch dürften die Komplikationen mit der Größe des Tumors zunehmen. Die Überlebensrate (5 Jahre nach Operation) ist bei den Patienten, die organerhaltend operiert wurden im Vergleich zu den Patienten, die sich einem radikalen Eingriff (Nierenentfernung) unterziehen mussten, höher. Ausblick: Abschließend führte Prof. Dr. Thüroff aus, dass es mittlerweile auch Operationstechniken gibt, die für den Patienten schonender sind als die offene Operation. Er nannte hier insbesondere die thermoablativen Techniken sowie die laparoskopische Nierenresektion. Bei den thermoablativen Techniken wird der Tumor mittels einer Sonde durch Kälte (Kryoablation) bzw. durch Hitze (Radiofrequenz-ablation) zerstört. Das Problem bei diesen Verfahren ist jedoch die Unsicherheit, ob genug Kälte bzw. Hitze dem Tumor zugeführt wurde, so dass dieser auch ausreichend zerstört ist. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, zuviel gesundes Gewebe mit zu zerstören. Prof. Dr. Thüroff gab hier der Kryoablation den Vorzug, da mit Hilfe des Endoskops besser gesehen werden kann, ob der dabei entstehende Eisball tatsächlich den Tumor zerstört hat. Bei der laparoskopischen Nierenteilresektion wird der Tumor endoskopisch (Schlüsselloch OP) entfernt. Dabei wird die Bauchdecke nicht eröffnet, sondern es werden lediglich zwei oder drei bewegliche Schläuche in den Bauch eingeführt. Durch diese lassen sich die erforderlichen Instrumente und eine Kamera schieben. Dieses Verfahren ist in der Regel für den Betroffenen schonender. Die endoskopische Operation ist zeitaufwendiger und beschränkt sich eher auf Tumoren, die sich nicht tief in der Niere befinden. Auftretende Blutungen sind etwas schwieriger zu stillen. Dieses Verfahren ist aufgrund der aufwändigen Technik und der nötigen Erfahrung des Operateurs auf wenige Zentren beschränkt. Zusammenfassung Die Ergebnisse bei der organerhaltenden OP sind hervorragend, wobei sie bei der elektiven Indikation noch besser sind als bei der imperativen Indikation. Im Vergleich zur radikalen Operation schneidet die organerhaltende Operation nicht schlechter ab. Kleine Tumoren sind nicht harmlos, aber es handelt sich häufiger um die gutartigere Variante. Die Prognose ist umso schlechter je größer der Tumor ist. Es gibt mittlerweile Operationstechniken, die für den Patienten schonender sind. 30 Veränderungen der Nieren VHL-Rundbrief Nov./2005; Heft 4; Jahrgang 6 Zusammenfassung Vorträge Informationsveranstaltung Dresden 2005 Vortrag Oberarzt PD Dr. Roigas, Klinik und Poliklinik für Urologie, Campus Mitte, Charité - Universitätsmedizin Berlin, [email protected] Thema: Neue Behandlungsmöglichkeiten bei Nierentumoren Dr. Roigas ist ein operierender Urologe, der in der Charite viele Patienten mit Nierenzellkarzinomen betreut. Sein Arbeitsschwerpunkt ist u.a. die Immuntherapie. Ziel seiner Arbeit ist es immer, die Nierenfunktion zu erhalten. Circa zwanzig Prozent der Raumforderungen an der Niere sind gutartig, die anderen achtzig Prozent sind bösartig. Hierbei handelt es sich sehr oft um Nierenzellkarzinome, an denen ca. 14.000 Menschen jährlich in Deutschland erkranken. Vor 20 Jahren kamen 40-50 Prozent der Patienten mit drei Symptomen Flankenschmerz, Blut im Urin und einem tastbaren Tumor zum Arzt. Heute ist dieser Anteil auf 10 Prozent zurückgegangen. Der Grund sind die deutlich verbesserten bildgebenden Verfahren, wie Ultraschall, CT und MRT. Bei den anderen 90 Prozent treten oben beschriebene Symptome nicht gemeinsam auf; bei 60 Prozent handelt es sich um Zufallsbefunde. Seit 1969 war die radikale Operation die Standardoperationsmethode. Dabei wurden neben der Niere auch die Nebenniere und die Lymphknoten komplett entfernt. Vor 10-15 Jahren begann man damit, Nierentumoren organerhaltend zu operieren. Zunächst als offene Operation, mit einem großen Schnitt. Hier kam es jedoch oft zu Komplikationen. Seit etwa 10 Jahren wird endoskopisch (Schlüsselloch-Operation) die Niere entfernt. Seit wenigen Jahren ist auch eine organerhaltende Nierenoperation endoskopisch möglich. Ein Nierentumor muss jedoch nicht immer sofort operiert werden, es gibt auch manchmal die Option zu warten, wenn ein geringes Wachstum oder ein geringes Metastasierungsrisiko bestehen. Da die Nieren mit ca. 1,2 Liter Blut pro Minute sehr gut durchblutet werden und die Sauerstoffversorgung der Zellen nicht unterbunden werden darf, sind die Anforderungen an eine organerhaltende Nierenoperation sehr hoch. In folgenden stellte Dr. Roigas zwei Verfahren vor: die Laparoskopie sowie die organerhaltenden ablativen Verfahren. Laparoskopie: Der Begriff der Laparoskopie geht auf den Dresdener Mediziner Georg Kelling (1866-1945) zurück. Unter Laparoskopie versteht man die endoskopische Operation, bei der ein Zugang über den Bauch (von vorne) erfolgt. 1991 wurde erstmals die laparoskopische Entfernung der Nieren beschrieben. Im Jahre 1995 erfolgte die erste laparoskopische Nierenteilresektion, d.h. die Niere wurde organerhaltend operiert. Allein im Jahre 2003 wurden an der Charite über 650 Patienten laparoskopisch operiert, dies stellt einen großen Erfahrungsschatz dar. Insgesamt beträgt die Anzahl laparoskopischer Operationen an der Urologischen Klinik der Charité über 4200. Bei der Laparoskopie wird die Bauchhöhle punktiert und das Gas Kohlendioxid eingefüllt, so dass ein Hohlraum zum operieren entsteht. Oft werden drei oder vier zusätzliche Öffnungen angelegt. Zwei bzw. drei sind für die Operationsinstrumente, eine ist für die Kamera. Das Gewebe wird mit einem Ultraschallmesser oder –schere zerteilt bzw. rundherum gelöst, kleinere Gefäße werden verödet. Schließlich wird der Tumor in einem Organbergebeutel aus Plastik entfernt. Bei der Entfernung einer Niere, ist ein zusätzlicher kleiner Schnitt erforderlich, um die Niere entnehmen zu können. Die organerhaltende Nierenchirurgie wurde früher nur dann angewandt, wenn nur noch eine Niere vorhanden war bzw. wenn der Patient mehrere Tumoren hatte. Dieses Prinzip gilt heute nicht mehr. Es kann laparoskopisch organerhaltend operiert werden bis zu einer Tumorgröße von 5 cm. Wichtig ist jedoch die Lage des Tumors in der Niere. Mit Hilfe der Kernspinbilder kann der Tumor genau lokalisiert werden. Befindet er sich in der Mitte der Niere, ist er schwerer zu operieren als wenn er sich am Rand befindet. Während der Operation wird die Blutversorgung der Niere häufiger unterbrochen. Mit 31 Veränderungen der Nieren einer Ultraschallschere werden die umliegenden Gefäße verödet und dann der Tumor entfernt. In das Tumorbett wird eine gerinnungsaktive Substanz aufgetragen, welche eine Blutung verhindern soll. Die Vorteile der laparoskopischen Operation bestehen für den Patienten in einem geringen Blutverlust, eine Bluttransfusion ist oft nicht erforderlich. Nach der Operation hat der Patient geringere Schmerzen, die Verweildauer im Krankenhaus ist deutlich kürzer und die Erholung von diesem Eingriff verläuft schneller. Die kleinen Narben beschleunigen den Heilungsprozess und sind zu dem kosmetisch schöner. Die Überlebenschancen der Patienten nach einer Krebsbehandlung unterscheiden sich nicht von den Patienten, die sich einer offenen OP unterziehen mussten. Als Nachteil ist die längere Operationszeit zu nennen. Außerdem lässt sich das Operationsverfahren nur schwer in anderen Kliniken einführen, da diese Operationstechnik viel Erfahrung benötigt. Zusammenfassung Heute ist die laparoskopische Operation neben der offenen Operationstechnik ein Standardverfahren in der Behandlung von Nierenkarzinomen. Es ist technisch sehr anspruchsvoll. Auch mehrere Tumoren sind laparoskopisch operierbar. Die Entscheidung, ob eine laparoskopische Operation möglich ist, muss individuell geklärt werden. Sie hängt von der Lage und Größe des Tumors ab sowie davon, ob die Niere bereits vorher operiert wurde. Ablative Verfahren: Unter ablativen Verfahren versteht man Behandlungsmethoden, bei denen die Raumforderung thermisch durch die Einwirkung von Hitze oder Kälte zerstört wird. Hohe Temperaturen können mit hochfrequentem Strom oder Ultraschall erzielt werden, niedrige Temperaturen erreicht man durch die Applikation von flüssigen Edelgasen. Alle Verfahren sich bislang noch experimentell, d.h. sie gelten nicht als Standardtherapie und werden nur in wenigen Kliniken klinisch erprobt. Anders als bei der klassischen Operation verbleibt die Raumforderung im Körper des Patienten. Eine ausführliche Gewebeuntersuchung ist daher nicht möglich, eine Biopsie hingegen schon. Es gibt zur Zeit 3 verschiedene Therapieverfahren: die Radiofrequenzablation (RFA), die Kryotherapie und die hochfokussierte Ultraschalltherapie (HIFU). Da die Ergebnisse der HIFU-Therapie zur Zeit als nicht zufriedenstellend angesehen werden müssen, werden hier nur die RFA und Kryotherapie beschrieben. Ob die Behandlung erfolgreich war und der Tumor völlig zerstört wurde, wird durch ein späteres MRT oder CT überprüft. Radiofrequenzablation (RFA) Bei der Radiofrequenzablation wird der Tumor mittels einer Sonde punktiert. Durch hochfrequenten Strom wird Hitze erzeugt, die den Tumor verbrennt. Die RFA kann sowohl bei einer offenen Operation, als auch endoskopisch angewandt werden. Die beste Möglichkeit ist jedoch, die Sonde direkt durch die Haut (perkutan) unter Zuhilfenahme von bildgebenden Verfahren wie Computertomographie oder Ultraschall zum Tumor zu führen. Damit die Raumforderung zerstört wird, muss sie auf ca. 45-50 Grad Celsius erhitzt werden. Die Temperatur direkt an der Sonde ist dabei mit über 100 Grad Celsius sehr hoch. Daher muss dort gekühlt werden. Die Sonden können wie ein Regenschirm ausgefahren werden, um im Tumor die Wärme gut zu verteilen. Die RFA ist wiederholbar. Sie wird in der Regel ambulant oder mit einem kurzen stationären Aufenthalt durchgeführt, der Patient kann am folgenden Tag die Klinik verlassen. Damit durch die RFA kein umliegendes, gesundes Gewebe durch die Hitze ebenfalls zerstört wird, erfordert diese Therapieform viel Erfahrung. Auch sind eher periphere als zentrale Tumoren behandelbar. Die Raumforderung sollte eine gewisse Größe haben (3,5 cm), sollte andererseits aber auch nicht größer als 5 cm sein. Kryotherapie (Kältetherapie) Die Kryotherapie funktioniert genau umgekehrt wie die RFA. Hier wird die Raumforderung durch wiederholtes Gefrieren und Aufkühlen zerstört. Zum Gefrieren werden flüssiger Stickstoff oder Argon, 32 Veränderungen der Nieren zum Erwärmen Helium verwendet. Es entsteht ein Art Schneeball (Iceball). Die Ausdehnung des Iceballs ist jedoch schlechter voraussagbar, so dass bei dieser Behandlungsmethode ein größeres Risiko vorliegt, umliegendes Gewebe zu zerstören als bei der RFA. Die Kryotherapie kann ebenfalls offenen operativ, endoskopisch oder durch die Haut erfolgen. Zusammenfassung Die Therapie von Nierenkarzinomen hat sich rasant entwickelt. In den letzten 2-5 Jahren hat die Bedeutung von minimal-invasiven Verfahren immer mehr zugenommen. Auch wenn noch keine Langzeitergebnisse vorliegen, wagt Dr. Roigas die Prognose, dass in 5-10 Jahren 50 Prozent der Nierentumoren perkutan durch ablative Verfahren, 30 Prozent laparoskopisch und nur noch 20 Prozent offen behandelt werden. 33 Veränderungen der Nieren VHL-Rundbrief Nov./2003 und Feb./2004; Vortrag Dr. Nikolay, KfH (Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation), Dialysezentrum Fürth; Thema: Medizinische Aspekte zur Dialysebehandlung und Nierentransplantation Dr. Nikolay ist ärztlicher Leiter des Dialysezentrums Fürth. Dieses ist eine Einrichtung des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e.V. Das Dialysezentrum verfügt über 42 Dialyseplätze und versorgt derzeit 180 Patienten ambulant mit allen erforderlichen Behandlungsmethoden. In seinem umfangreichen und sehr interessanten Vortrag ging er auf folgende Punkte ein: 1. Zu Anatomie und Funktion der Nieren 2. Zu den Krankheiten der Nieren und deren Diagnostik 3. Von der chronischen zur terminalen Niereninsuffizienz 4. Die Nierenersatzbehandlung: Hämodialyse (HD), die Peritonealdialyse (PD) und Nierentransplantation Außerdem gab Dr. Nikolay einen Überblick über die Geschichte der Dialyse und Nierentransplantation. Das Dialysezentrum Fürth verfügt über eine umfangreiche Sammlung an alten medizinischen Geräten. Auf diesen Komplex wird in dieser Zusammenfassung nicht eingegangen. 1. Zu Anatomie und Funktion der Nieren Die Nieren sind paarig angeordnet und liegen beidseitig rechts und links der Wirbelsäule hinter der Bauchhöhle. Eine gesunde Niere wiegt bei einem Erwachsenen ca. 150 Gramm, ist etwa 12 cm lang und 5 cm breit. Die Nieren haben ein typisches bohnenförmiges Aussehen. Das eigentliche Nierengewebe setzt sich aus ca. zwei Millionen kleinster Funktionseinheiten zusammen. Eine solche Funktionseinheit gliedert sich in Nierenkörperchen (Glomeruli) und Harnkanälchen (Tubuli) mit den Sammelrohren. Die Nierenkörperchen stellen ein Knäuel von kleinsten Blutgefäßen dar, versehen mit zahlreichen winzigen Poren. Für rote und weiße Blutkörperchen, die Blutplättchen und größere Substanzen wie Eiweiß ist der Weg durch diese Poren versperrt. Andere Stoffe und Flüssigkeit werden aus diesem Netz von Blutgefäßchen in die Tubuli abgegeben. Der endgültige Harn, normalerweise ca. 1 bis 1,5 Liter pro Tag, gelangt über die Sammelrohre in das Nierenbecken und weiter durch den Harnleiter zuletzt in die Harnblase. Eine der wichtigsten Funktionen der Nieren ist die Ausscheidung von Harn. Mit dem Urin werden sogenannte harnpflichtige Substanzen, z. B. Harnstoff, Kreatinin und Harnsäure, ausgeschieden. Diese Substanzen stammen aus dem Stoffwechsel der Zellen des Körpers. Daneben können die Nieren überschüssige Mengen an Wasser und Salzen ausscheiden sowie die durch die Stoffwechselvorgänge fortlaufend entstehenden Säuren neutralisieren. Die gesunden Nieren sind in der Lage, im Durstzustand durch entsprechend geringere Urinproduktion den normalen Wasser- und Salzgehalt des Körpers zu bewahren. Auch viele körperfremde Stoffe, beispielsweise Medikamente, können nur über die Nieren ausgeschieden werden. Darüber hinaus haben die Nieren eine Drüsenfunktion mit innerer Sekretion. Sie bilden das sogenannte Renin, das in der Regulation des Blutdrucks eine bedeutende Rolle spielt. Außerdem produzieren sie das Erythropoetin, das für die Bildung der roten Blutkörperchen verantwortlich ist. Die mangelhafte Erythropoetinerzeugung in den Nieren ist eine der Ursachen der Blutarmut, der sogenannten Anämie bei chronischem Nierenversagen. Die Nieren greifen ebenfalls in den hormonellen Regelkreis des Knochenstoffwechsels ein. Hiervon sind vor allem der Vitamin D-Stoffwechsel sowie die Calcium- und Phosphataufnahme bzw. -ausscheidung betroffen. 2. Zu den Krankheiten der Nieren und deren Diagnostik Glomeruläre Erkrankungen Wie der Name besagt, handelt es sich um eine Entzündung aller in der Nierenrinde gelegenen Nierenkörperchen. In aller Regel betrifft sie beide Nieren in gleichem Ausmaß. Ein akutes Auftreten ist beispielsweise kurze Zeit im Anschluss an eine Mandelentzündung möglich. Diese akute Verlaufsform kann ausheilen, manchmal aber auch in die sogenannte chronische Glomerulonephritis übergehen, die oft über Jahre hinweg ohne irgendein vom Patienten bemerkte Symptom besteht. Gekennzeichnet ist diese Erkrankung typischerweise durch eine erhöhte Ausscheidung von Eiweiß und roten 34 Veränderungen der Nieren Blutkörperchen im Urin. Heute gibt es zahlreiche Formen der Glomerulonephritis mit unterschiedlichem Verlauf und unterschiedlicher Prognose. Durch die Entnahme einer Gewebsprobe ist es möglich, Erkenntnisse über Ursache und Verlauf einer Erkrankung zu gewinnen, um dann festzulegen, ob und welche Medikamente den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen können. Interstitielle und tubuläre Erkrankungen der Niere Hier sind zunächst die bakteriellen Entzündungen der Niere, die akute und die chronische Pyelonephritis oder auch bakterielle interstitielle Nephritis zu nennen. Bei der bakteriellen interstitiellen Nephritis sind zunächst das Nierenbecken und das benachbarte Nierengewebe betroffen, oft nur einseitig. Die Krankheit verläuft meist in Schüben mit Fieber und Schmerzen im Nierenlager oder auch beim Wasserlassen. Diese Erkrankungen werden durch Bakterien verursacht. Daneben entsteht die chronische Pyelonephritis oft bei angeborenen (z. B. Nierenbeckenmissbildungen) oder erworbenen (z. B. durch Nieren- und Harnleitersteine) Harnabflussstörungen, die eine bakterielle Besiedlung der Harnwege begünstigen. Die chronische Pyelonephritis tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Sie führt oft langsamer als die sogenannte Glomerulonephritis und in höherem Lebensalter zum chronischen Nierenversagen. Daneben gibt es sogenannte nichtbakterielle, chronische interstitielle Nierenerkrankungen, die z. B. durch jahrelange Einnahme von Schmerzmitteln verursacht werden können. Stellvertretend für die Formen der hereditären (erblichen) Krankheiten sollen die sogenannten Zystennieren erwähnt werden, die allmählich durch Entwicklung zahlreicher flüssigkeitsgefüllter Räume, sogenannter Zysten, zur Verdrängung und Zerstörung des funktionierenden Nierengewebes führen. Vaskuläre (gefäßbedingte) Nephropathien Hier ist vor allem der hohe Blutdruck (arterielle Hypertonie) von Bedeutung. Jahrelang bestehender erhöhter Blutdruck oder arteriosklerotische Gefäßveränderungen führen häufig zum chronischen Nierenversagen. Seltenere entzündliche Gefäßerkrankungen können ebenfalls Ursache einer chronischen Niereninsuffizienz sein. Ein erhöhter Blutdruck ist oft Folge einer der genannten chronischen Nierenleiden. Der hohe Blutdruck kann jedoch auch umgekehrt die Ursache einer chronischen Nierenerkrankung mit chronischem Nierenversagen sein. Sekundäre Nierenerkrankungen Hier sind zum Beispiel Nierenfunktionsstörungen beim Diabetes mellitus, die sogenannte Schwangerschaftsnephropathie, Nierenfunktionsstörungen bei Drüsenerkrankungen und Nierenfunktionsstörungen bei Lebererkrankungen zu nennen. Die wichtigste Rolle in diesem Bereich spielt sicherlich der Diabetes mellitus, die Zuckerkrankheit. Bedeutung des chronischen Nierenversagens Die geschilderten Erkrankungen müssen nicht zwangsläufig, können aber zur chronischen Niereninsuffizienz, dem chronischen Nierenversagen, führen. Mit welchen Symptomen bzw. Folgen muss ein Patient rechnen? Die anfangs beschriebenen Aufgaben der Niere können beim chronischen Nierenversagen nicht mehr erfüllt werden. Es kommt damit zur verminderten Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen wie Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure. Die Folgen davon sind Müdigkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Blutarmut, Herzbeutelentzündungen, Bewusstseinstrübungen und eine veränderte Hautfarbe. zur verminderten Ausscheidung von Salzen und Wasser. Dies führt zu Ödemen, das heißt Wasseransammlungen, sowohl im Gesicht und in den Beinen als auch in der Lunge, zur arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) und einer vermehrten Belastung des Herzens, zur verminderten Ausscheidung von Säuren, zur Verminderung der Ausscheidung von Kalium. Die Folge sind Herzrhythmusstörungen, die bis zum Herzstillstand gehen können, zu Störungen des Calcium-Phosphat-Haushaltes. Es kommt zu erheblicher Knochenschädigung durch eine Überfunktion der Nebenschilddrüse. Das im Überschuss produzierte Parathormon verursacht einen Kalziumverlust der Knochen, zu verminderter Bildung von Erythropoetin. Die Folge ist Blutarmut, die aber heute durch die Gabe eines gentechnologisch hergestellten Erythropoetins behebbar ist, zu erhöhter Reninaktivität mit der Folge einer arteriellen Hypertonie, zur verminderten Ausscheidung von Medikamenten. Es droht eine Vergiftung des Körpers durch zu hohe Wirkspiegel dieser Mittel, zu Veränderungen im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel mit der Folge von Blutgefäßerkrankungen. 35 Veränderungen der Nieren 3. Von der chronischen zur terminalen Niereninsuffizienz Im Verlauf der chronischen Niereninsuffizienz gibt es vier Stadien der Erkrankung. Das Stadium I stellt eine geringgradige Einschränkung der Nierenfunktion dar und ist meist ohne Symptome. Der arterielle Blutdruck kann leicht erhöht sein. Harnstoff und Kreatinin sind normal, lediglich die Kreatinin-Clearance ist verringert. Im Stadium II ist die Nierenfunktion etwas stärker eingeschränkt. Die Kreatinin-Clearance sinkt bis unter 50 % des Normalwerts. Dies führt noch nicht zu einer großen Beeinträchtigung. Es treten u. a. Ruhelosigkeit und ein erhöhter Blutdruck auf. Im Stadium III kommt es zu einer weiteren Einschränkung der Nierenfunktion bis auf ca. 15 % der Normalfunktion. Es bestehen eine vermehrte Blutungsneigung, Juckreiz, Schlaflosigkeit, häufiges Erbrechen sowie manchmal Flüssigkeitsansammlungen (sogenannte Ödeme) in den Beinen und in der Lunge; letzteres führt zu vermehrter Atemnot, auch in Ruhe. Beginn der Dialyse Wenn in Stadium III eine auf ca. 15 bis 20 % eingeschränkte Kreatinin-Clearance (10 ml/min) erreicht ist, wird im allgemeinen die Dialysetherapie eingeleitet. Stadium IV bezeichnet das End- oder Terminalstadium, Vollbild der sogenannten Urämie (Harnvergiftung) und allerspätester Termin für den Beginn der Dialysebehandlung, weil eine tödlich verlaufende Harnvergiftung droht. 4. Behandlungsmöglichkeiten der chronischen Niereninsuffizienz Neben der Nierentransplantation sind die Hämodialyse (HD) und die Peritonealdialyse (PD) als eigentliche Nierenersatzverfahren zu benennen. Beide Therapien können sowohl in einem Dialysezentrum wie auch unter Anleitung des behandelnden Nephrologen zu Hause durchgeführt werden. Die Frage, welches der beiden Nierenersatzverfahren durchgeführt werden sollte, kann nicht allgemein beantwortet werden. Nur eine gute, individuelle Beratung durch den behandelnden Nephrologen und sein Pflegeteam ist der Entscheidungsfindung dienlich. Dabei schließen sich die HD und PD als Therapieformen nicht aus. Hämdialyse (HD) Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Hämodialyse: Heimhämodialyse oder die Zentrumsdialyse. Dr. Nikolay ging insbesondere auf die Zentrumsdialyse ein. Ablauf der Hämodialysebehandlung und deren Überwachung Das körpereigene Blut wird bei der Dialyse beim Durchfließen eines Filters von den harnpflichtigen Substanzen gereinigt. Dieser Filter wird Dialysator genannt. Im Dialysator sind Blut und Spülflüssigkeit (Dialysat) durch eine hauchdünne Membran mit mikroskopisch feinen Poren getrennt. Durch die Poren in dieser Membran wandern die Giftstoffe vom Blut in die Spülflüssigkeit, die später verworfen wird. Blutkörperchen und Eiweiß ist der Weg durch die Poren versperrt, sie gelangen mit den gereinigten Blutanteilen wieder in den Körper zurück. Der Patient muss über einen geeigneten Gefäßzugang (Fistel/Shunt) verfügen. Die Verbindung von Arterie und Vene hat eine stärkere Blutfüllung der dicht unter der Haut liegenden Vene zur Folge. Die Vene erweitert sich und kann dadurch leicht mit einer Kanüle punktiert werden. Außerdem führt die Vene infolge dieser Veränderung eine so große Blutmenge, dass für die Hämodialyse problemlos 200 bis 300 ml Blut pro Minute entnommen werden können. Zentrale Steuerungs- und Überwachungseinheit bei der Hämodialyse ist das Hämodialysegerät. Es steuert den Blutfluss, den Dialysatfluss und den Filtratfluss. Es werden ein Wasserkreislauf und ein extrakorporaler Blutkreislauf unterschieden, die ihren Berührungspunkt im Dialysator haben, dort jedoch durch eine Membran getrennt sind. In dem Dialysegerät wird aus aufbereitetem Reinwasser und Konzentraten die Dialyselösung (Dialysat) gemischt. Die Zusammensetzung der Dialyselösung wird so gewählt, dass die Entfernung der Stoffwechselgifte aus dem Blut begünstigt und gleichzeitig das Übertreten von fehlenden Substanzen in das Blut ermöglicht wird. Nach der Punktion eines Blutgefäßes (Shunt, Fistel) wird kontinuierlich körpereigenes Blut entnommen und über ein Schlauchsystem (arterieller Teil) dem Dialysator zugeführt. Über ein zweites Schlauchsystem (venöser Teil) gelangt das gereinigte Blut vom Dialysator zurück. 36 Veränderungen der Nieren Vor- und Nachteile der Zentrumsdialyse Pro Contra Ärztliches und nicht-ärztliches Personal ist immer vor Ort Medizinische Hilfe ist in Notfällen schnell zur Stelle Kontakt mit anderen Patientinnen Das Dialysegerät samt Material steht zur Verfügung, es muss nicht zu Hause lagern Hämodialyse in der Regel 3 Mal wöchentlich Ihnen (zunächst) nicht bekanntes Personal wird mit Ihnen zusammenarbeiten Dialysetag und -zeit können vorgegeben sein Fahrten zu und von der Einrichtung dreimal wöchentlich Mahlzeiten während der Dialyse sind je nach Einrichtung und Tageszeit unterschiedlich Die Peritonealdialyse (PD) Alle PD-Verfahren nutzen das Bauchfell als Filter zur Entfernung von Giftstoffen und überschüssigem Wasser aus dem Körper. Ihre Konzentration im Blut und im Gewebe wird damit verhindert. Das Bauchfell wird auch als Peritoneum bezeichnet, welches diesem Dialyseverfahren den Namen gab. Das Peritoneum ist eine dünne Haut, die alle Bauchorgane und die Innenwand der Bauchhöhle auskleidet. Es ist stark durchblutet. Die Oberfläche wird von einer Schicht winziger Körperzellen gebildet, die wie ein Sieb (Filter) wirken. Dieser Filter wird bei der PD benutzt, um Stoffwechselgifte und Wasser mittels einer speziell zusammengesetzten Dialyselösung zu entfernen. Voraussetzung für die PD ist ein Zugang zu dem natürlicherweise geschlossenen Bauchraum, über den die Dialyselösung einund ausgelassen werden kann. Dieser wird mit einem weichen Kunststoffschlauch, dem Peritonealkatheter, ermöglicht. Vor Beginn der Behandlung wird der Katheter in die Bauchwand implantiert. Die Austrittsstelle des Katheters durch die Bauchwand ist in der Regel mit einem kleinen Verband versehen. Die Dialyselösung befindet sich in einem Beutel. Neben diesem Lösungsbeutel gibt es noch einen Leerbeutel, in den nach erfolgter Dialyse das Dialysat abgelassen wird. Zur Vermeidung von Infektionen sind die Systeme sterilisiert. Der Katheter stellt einen Dauerzugang zum Bauchraum dar. Bei unsachgemäßer Handhabung des Wechsels der Dialyselösung oder bei Missachtung der hygienischen Regeln im Umgang mit dem Katheter droht eine Bauchfellentzündung (Peritonitis). Vor- und Nachteile der continuierlichen ambulanten Peritonealdialyse (CAPD) : Pro Contra Kann vielerorts durchgeführt werden und ist daher sehr reisefreundlich Keine Punktion Mehr Flexibilität in der Behandlung Es wird keine Maschine benötigt Einfacheres Training als bei der Heimhä- modialyse Mehr Unabhängigkeit Beutelwechsel täglich alle vier bis sechs Stunden Nicht alle Dialyseeinrichtungen bieten CAPD an Dauerkatheter im Bereich des Bauchnabels Absolute Sauberkeit während des Beutelwechsels notwendig Erhöhtes Risiko einer Infektion des Bauchfells oder der Kathetereintrittsstelle Lagerkapazität erforderlich Der Bauch ist immer voller Flüssigkeit Nierentransplantation Aufnahme auf die Warteliste und Organverteilung Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Transplantation ist die Meldung eines potentiellen Empfängers auf die Warteliste für eine Organtransplantation bei der Eurotransplant Foundation (ET) in Leiden (Niederlande). Grundsätzlich hat jeder betroffene Mensch, bei dem aus medizinischer Sicht keine strengen Gründe gegen eine Organtransplantation bestehen, das Recht, auf eine Warteliste für eine Organtransplantation aufgenommen zu werden. 37 Veränderungen der Nieren Zur medizinischen Abklärung vor der Aufnahme auf die Warteliste, werden zahlreiche Untersuchungen benötigt. Diese dienen dazu, Risiken, die nach einer Transplantation zu einer Gefährdung führen könnten, zu erkennen und wenn immer möglich auszuschalten. Ferner muss gerade in Hinblick auf die Knappheit der Transplantate sichergestellt sein, dass bei jedem Transplantatempfänger die größtmöglichen Erfolgsaussichten für eine Transplantation bestehen. Nachdem Betroffene auf die Warteliste für eine Nierentransplantation aufgenommen worden sind und als „transplantierfähig“ gemeldet wurden, erfolgt die Zuteilung der Transplantate individuell durch ET. Die Kriterien sind hierbei vor allem die Gewebsübereinstimmung zwischen dem Empfänger und Spender, die Wartezeit und die Konservierungszeit (Distanz zwischen dem Transplantat und dem Empfänger). Die Transplantation Wenn ein Organangebot von ET vorliegt, wird der betreffende Patient in das Transplantationszentrum einbestellt und für die Operation vorbereitet. Bevor die Transplantation stattfinden kann, muss aber zunächst noch das sogenannte Crossmatch abgewartet werden. Hierbei wird überprüft, ob eine direkte Reaktion zwischen Zellen des Spenders und des Empfängers auftritt, nur wenn dies nicht der Fall ist darf eine Transplantation erfolgen. Bei der Transplantation wird das Spenderorgan oberhalb der Beckenschaufel, außerhalb des Bauchraums, transplantiert. Das Transplantat wird an die Beckengefäße und der Transplantatharnleiter an die Blase angeschlossen. Die Transplantation selber dauert ungefähr 2 Stunden. Die eigenen Nieren werden nur im Ausnahmefall entfernt. Verlauf nach einer Transplantation Beim Patienten werden engmaschig die Urinausscheidung, die Serumkreatinin- und die Harnstoffwerte beachtet. Außerdem wird die Durchblutungssituation des Transplantats mit einer DuplexSonographie überprüft. Hierbei kann überprüft werden, ob und wie gut das Transplantat durchblutet ist. Einschränkungen der Durchblutung können ebenso wie ein Anstieg des Serumkreatinins oder ein Rückgang der Urinausscheidung ein Hinweis auf eine Abstoßungsreaktion sein. Sollte der Verdacht einer Abstoßungsreaktion vorliegen, kann eine Punktion des Transplantats erforderlich sein. Ergebnisse nach einer Nierentransplantation Die Funktionsrate der Transplantate beträgt nach einem Jahr 80 – 90 %. Nach 5 Jahren beträgt die Funktionsrate noch 75 % und nach 10 Jahren 50%. Generell sind die Ergebnisse nach einer Lebendspende-Transplantation wesentlich besser als nach einer Leichennieren-Transplantation. Eine Nierentransplantation kann heute insgesamt ohne große Risiken durchgeführt werden. Die Mortalität innerhalb des ersten Jahres nach Transplantation beträgt in großen Statistiken ungefähr 5%. Vor- und Nachteile der Nierentransplantation: Pro Contra Mehr Lebensqualität Mehr Leistungsfähigkeit Geringere Einschränkung bei Flüssigkeitszufuhr und Diät Unabhängigkeit von einer Maschine Lebenslange Immunsuppression mit möglichen Nebenwirkungen Erhöhtes Infektionsrisiko Risiko äußerer körperlicher Veränderungen Das Transplantat kann nach einer gewissen Zeit versagen Literaturempfehlung „Nierenversagen“ herausgegeben vom Dialysepatienten Deutschlands e.V. http://www.dialysepatienten-deutschlands.de 38 Veränderungen der Nieren VON HIPPEL-LINDAU ERKRANKUNG - Leitfaden für Patienten und Ärzte Hrsg. Verein für von der Hippel - Lindau (VHL) Erkrankung betroffene Familien e.V., Nov. 2002 Autor: Prof. Dr. H. Neumann, Medizinische Universitätsklinik Freiburg Beitrag: Veränderungen der Niere Der Mensch hat zwei etwa 12 cm lange Nieren, die im hinteren Bauchraum liegen. Bei der Von Hippel-Lindau Erkrankung können flüssigkeitsgefüllte Nierenzysten oder Nierentumoren entstehen (Abb. 14 -17). Typischerweise findet man mehrere verschieden große Zysten und mehrere Tumoren (Abb. 14). Meistens sind beide Nieren betroffen (Abb. 16). Die Nierentumoren sind Karzinome und somit prinzipiell bösartig. Krankheitszeichen entwickeln sich sehr spät. Sie sind meist Ausdruck einer Absiedlung, d. h. von Tochtergeschwülsten (Metastasen) (Abb. 15). Nierentumoren sollten deshalb rechtzeitig erkannt und entfernt werden (Abb. 17). Abb. 14: Großer rechtsseitiger Nierentumor und Zysten in der linken Niere. T = Tumor, Z = Zyste, N = Nierenanteile. Computertomographie mit intravenösem Kontrastmittel. 39 Veränderungen der Nieren Abb. 15: Lungenmetastase (Pfeil) bei einem großen Nierentumor (Selber Patient wie Abb. 14). Computertomographie des Brustraumes. Abb. 16: Etwa 3 cm großes Nierenkarzinom (Pfeil) am unteren Pol und eine Zyste am oberen Pol der rechten Niere. Die gegenseitige Niere wurde wegen eines Nierenkarzinoms einige Jahre zuvor entfernt. Kernpintomographie, frontale Abbildung. Kernspintomographie mit Gadolinium. 40 Veränderungen der Nieren Abb. 17a und b: Computertomogramme (CT) mit beidseitigen Nierenkarzinomen bei VHL-Erkrankung. Zwischen den Aufnahmen liegen 10 Jahre. Der Pfeil kennzeichnet in der linken Abbildung den sehr kleinen Tumor der Gegenseite im Anfangsstadium; im rechten Bild hat er sich zu einem sehr großen Tumor entwickelt. CT mit Kontrastmittel. Üblicherweise werden Nierenkarzinome durch eine vollständige Entfernung der betroffenen Niere behandelt. Für VHL-Patienten, die häufig Tumoren in beiden Nieren haben, würde dies eine beidseitige Nierenentfernung und damit die Notwendigkeit einer regelmäßigen sogenannten Dialysebehandlung (Blutwäsche) bedeuten. Man ist deshalb dazu übergegangen, bei VHL-Patienten nur die Tumoren zu entfernen. Dabei werden die Nieren freigelegt, die Durchblutung durch Abbinden der Blutgefässe vorübergehend unterbrochen, das Organ gekühlt. Dann werden alle Tumoren ausgeschält. In erfahrener Hand ist der Eingriff nahezu immer erfolgreich. Die neueste Entwicklung geht dahin, dass man Nieren-erhaltende Operationen auch endoskopisch durchführen kann. Ob ein Eingriff endoskopisch durchgeführt werden sollte, hängt jedoch von dem genauen Befund und letztlich auch von der Erfahrung des Operateurs. Eine zentrale Frage ist, ob man jeden Nierentumor operieren soll. Die Empfehlungen sind verschieden. Die meisten Zentren haben die amerikanischen Empfehlungen übernommen, nach denen Tumoren ab einer Größe von 3 cm entfernt werden sollen. Allerdings hat eine vom Freiburger Zentrum koordinierte internationale Untersuchung ergeben, dass nur bei Tumoren von 7 cm Durchmesser Metastasen gesehen wurden (Abb. 14 / 15), und dass die Tumoren sehr langsam wachsen. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, erst ab einer Tumorgröße von 4 - 5 cm Durchmesser zu einer Operation zu raten. Die Entscheidungen sollten in ausführlichen Gesprächen mit den Patienten getroffen werden, wobei auch weitere Gesichtspunkte, insbesondere die Lage der Tumoren innerhalb der Nieren berücksichtigt werden sollten. Für Diagnostik und Verlaufskontrollen ist eine Kernspintomographie mit Gadolinium als Kontrastmittel zu empfehlen. Eine konventionelle Computertomographie ergibt etwa gleich gute Resultate. Der jüngste bekannt gewordene VHL-Patient mit einem Nierentumor war 16 Jahre alt, so dass ab diesem Alter Vorsorgeuntersuchungen für Nierenveränderungen bei der Von Hippel-Lindau Erkrankung anzuraten sind. Bei den Kontrolluntersuchungen ist es wichtig, dass die Befunde sehr genau hinsichtlich der radiologischen Schnittführung und der Größe verglichen werden. Nicht selten schien ein Größenwachstum vorzuliegen, das durch stärkere Vergrößerungen, andere Schichtdicken oder andere Schichtwahl vorgetäuscht war. Die Nierentumoren können bei der Von Hippel-Lindau Erkrankung so zahlreich, so ungünstig gelegen und so groß sein, dass sich keine der beiden Nieren mehr erhalten lässt. Dann wird eine lebenslange Dialysebehandlung notwendig. Solche Patienten können Nieren-transplantiert werden. In diesem Zusammenhang ergeben sich eine Reihe von Fragen, die mit einem Nieren-Spezialisten (Nephrologen) besprochen werden sollten. 41 Veränderungen der Nieren VHL-Rundbrief Nov./2002; Heft 4; Jahrgang 3 Vortrag Prof. Dr. Schulze-Seemann, Urologische Klinik Universität Freiburg Thema: Therapie von Nierenkarzinomen bei der VHL Erkrankung Herr Prof. Schulze-Seemann ist Leitender Oberarzt der Urologischen Klinik der Universitätsklinik in Freiburg. Er hat in den letzten Jahren viele organerhaltende Nierenoperationen bei VHL-Patienten durchgeführt. Herr Prof. Schulze-Seemann referierte in seinem Vortrag den derzeitigen Stand der Behandlung des Nierenkarzinoms bei der Von Hippel-Lindau Erkrankung. Der Vortrag hatte besondere Aktualität, weil immer wieder Personen neu als Anlageträger und VHLPatienten erkannt werden, bei denen eine Niere wegen eines Tumors entfernt wurde. Auch kommt es hin und wieder vor, dass Patienten Kontakt zum Freiburger Zentrum oder zur Selbsthilfegruppe aufnehmen, die berichten, dass bei Ihnen die Entfernung einer Niere geplant ist. Die organerhaltende Behandlung des Nierenkarzinoms ist eine relative neue Behandlungsmethode bei VHL-Patienten, die im Zusammenhang mit den diagnostischen aktuellen Möglichkeiten gesehen werden muss, worauf Prof. Schulze-Seemann ausführlich einging. Die Qualität der radiologischen Abbildungen und damit das Auflösungsvermögen für Feinstrukturen von Nierentumoren sowohl in der Computertomographie als auch der Kernspintomographie hat sich enorm verbessert. Daher stellt sich die Frage: „Warum wird eine Niere – oftmals mit Nebennieren – komplett entfernt?“ Bis heute ist die organerhaltende Nierenoperation noch immer nicht in den Lehrbüchern als Standardverfahren benannt. Vor zehn Jahren wurde in der Freiburger Urologischen Klinik angefangen Nierentumoren organerhaltend zu operieren. Mittlerweile werden jährlich 40-45 organerhaltene Operation pro Jahr durchgeführt, insgesamt sind über 300 Patienten in Freiburg operiert worden. Über neunzig Prozent der klarzelligen Nierenkarzinome sind sporadisch, d.h. sie sind nicht erblich. Die restlichen zehn Prozent der Tumoren sind erblich, davon sind die Nierenkarzinome bei der VHLErkrankung die häufigsten. Auch bei den sporadischen Tumoren findet sich oft eine Mutationen des VHL Gens, so dass es auf molekularer Ebene Gemeinsamkeiten gibt. Für das operative Vorgehen gibt es jedoch Unterschiede, daher sollte keine erbliche Form übersehen werden. Gegenüber den Patienten mit sporadischen Tumoren sind die Patienten mit erblichen Nierenkarzinomen deutlich jünger. Auch treten häufig mehrere Tumoren in beiden Nieren auf. Die erblichen Tumoren wachsen hingegen in der Regel langsamer, und sie verursachen deutlich später Metastasen. Es steht somit mehr Zeit für die OP Planung zur Verfügung. Auch ist die Überlebenschance sehr viel größer als bei sporadischen Nierentumoren. Indikation Bei sporadischen Tumoren wird operationstechnisch anders verfahren als bei erblichen Tumoren. Bei sporadischen Tumoren wird ein 3-5 Millimeter breiter Saum von gesundem Nierengewebe um den Tumor mitentfernt, um sicher zu sein, den Tumor komplett entfernt zu haben. Bei erblichen Tumorerkrankungen bleibt die genetische Veränderung bestehen. Sechzig Prozent der Betroffenen werden in den nächsten Jahren wieder Tumoren entwickeln. Die Erhaltung von möglichst viel gesundem Gewebe ist daher von großer Bedeutung. In einer von Freiburg koordinierten Studie fanden sich Metastasen nur bei VHL - Nierenkarzinomen, die eine Größe von 7 cm Durchmesser hatten. In der Literatur finden sich inzwischen Einzelfälle von VHL, bei denen der Tumor kleiner war. Vor diesem Hintergrund werden in Freiburg Tumoren, die 42 Veränderungen der Nieren größer als 4 cm sind, als operationswürdig angesehen. Bis zu dieser Größe besteht, soweit nur ein zu vernachlässigendes Risiko bei VHL Patienten für Metastasen. Die OP Bei einem Ersteingriff wird in der Regel von der Flanke her operiert. Die Niere wird vor Ort, also im Körper, mit Eis gekühlt. So kann etwa eine Stunde bei unterbrochener Blutzufuhr operiert werden, ohne dass das Gewebe Schaden nimmt. Die Blutgefäße werden mit Gummibändern abgeklemmt. Um den Saum so gering wie möglich zu haben, wird mit Hilfe eines mikrochirurgischen Instrumentariums der Tumor entfernt. Mit Argongas werden die Blutgefäße verödet (koaguliert). Die Wundfläche wird nach dem Eingriff nicht vernäht, sondern sie wird mit einem Kollagenflies verklebt, welches sich später auflöst. In letzter Zeit werden die Tumoren angefärbt, dies ermöglicht es den Chirurgen aufgrund eines Enzymdefekt, die Grenze zwischen gesunden und tumorösen Gewebe sichtbar zu machen. Alle erreichbaren kleinen Tumoren werden bei einer Operation mitentfernt. Ziel ist es dann, Tumorfreiheit zu erlangen. Auch bei der Operation eines Nebennierentumors (Phäochromozytoms) werden manchmal Nierentumoren gleich mitentfernt, oder umgekehrt. Bei einer organerhaltenden Nierenoperation kann es in seltenen Fällen zu Komplikationen kommen: Beispielsweise zu Blutungen, die in den allermeisten Fällen so gering sind, dass Transfusionen nicht notwendig werden. Wundeinfektion kommen in etwa drei Prozent vor. Ebenfalls selten kann es zu Harnabflussstörungen kommen. Alternative Behandlungsmöglichkeiten: Im Freiburger VHL Zentrum wird immer wieder die Frage gestellt: Wie lange geht es bei immer neuen Tumoren gut? Geht es weniger eingreifend? Mit anderen Verfahren? Es werden verschiedene Verfahren erprobt, die jedoch bei VHL Patienten keine Anwendung fanden, sondern nur bei sporadischen Nierentumoren: Die Kältebehandlung (Kryo), die laparoskopische (Schlüsselloch-) Operationsmethode sowie mit „RITA“ und „HIFO“ zwei Behandlungsformen, die mittels Hitze den Tumor zerstören. In Freiburg wird derzeit die laparoskopische Nieren-Operation noch nicht bei einer Teilentfernung der Niere, d.h. mit Ausschälen von VHL-Tumoren durchgeführt. Unter verschiedenen Problemen ist derzeit das größte, dass die VHL-Tumoren oft nicht an der Nierenoberfläche gelegen sind. RITA und HIFO sind thermische Behandlungsmethoden, bei denen Tumoren und somit auch Nierenkarzinome mittels Hitze zerstört werden. Beide Verfahren haben jedoch den Nachteil, dass auch gesundes Gewebe oder der Tumor selbst nicht komplett zerstört werden. Immer verbleibt das zerstörte Gewebe im Körper, was anhand von Nachuntersuchungen mit CT oder MR verfolgt werden kann. Bei der Kältebehandlung gibt es ebenfalls einen ziemlich großen Saum von 0,5 bis 1 cm. Der Tumor wird mit einer Sonde oder kleinem Schnitt mit Stickstoff vereist und wie ein Eisball herausgenommen. Fazit Bei der organerhaltenden Nierenoperation handelt es sich um einen sicheren Eingriff, der in der Regel komplikationsfrei verläuft. Mehrfache Operation an einer Niere sind möglich. Neue Tumoren treten anlagebedingt bei der VHL-Erkrankung mit zeitlichem Intervall leider häufig auf. Als bildgebendes Verfahren ist die Kernspintomographie (MRI) zu empfehlen. Sie ermöglicht die Darstellung in allen drei Ebenen. Die Computertomographie ist von geringerer Abbildungsqualität und liefert derzeit nur Abbildungen in einer Ebene. Immer ist das CT eine (Röntgen-) Strahlenbelastung 43