Anhang A Konstruktion der reellen Zahlen Es gibt mehrere Möglichkeiten die rellen Zahlen zu definieren, bei allen Zugängen wird von den rationalen Zahlen mit den üblichen Rechengesetzen ausgegangen. Anschließend kann die Äquivalenz der verschiedenen Definitionen gezeigt werden. Daher macht es Sinn von den reellen Zahlen zu sprechen. In Kapitel 3 wurden die reellen Zahlen als 1. Punkte auf der Zahlengeraden, 2. unendliche Dezimalzahlen, aufgefaßt. Mathematisch präzise können die als 1. rationale Intervallschachtelungen, 2. Dedekindsche Schnitte 3. Cauchyfolgen rationaler Zahlen. definiert werden, was im folgenden kurz beschrieben wird. Die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen rationaler Intervallschachtelungen Man sieht leicht ein, dass eine relle Zahl durch unendlich viele, verschiedene, rationale Intervallschachtelungen beschrieben wird. Um zu einer eindeutigen Definition der reellen Zahlen mittels rationaler Intervallschachtelungen zu gelangen, -1 0 [A] Konstruktion der reellen Zahlen muss man rationale Intervallschachtelungen, die dieselbe reelle Zahl definieren, identifizieren. Definition A.0.1: Zwei rationale Intervallschachtelungen S gleich [an , bn ], n ∈ IIN und S̃ gleich [ãn , b̃n ], n ∈ IIN heißen äquivalent, wenn die Folge an − ãn für n → ∞ in Q gegen Null konvergiert. Wir schreiben dafür S ∼ S̃. Aus der Äquivalenz zweier rationaler Intervallschachtelungen [an , bn ] und [ãn , b̃n ], n ∈ IIN folgt natürlich auch, dass die Folge bn − b̃n für n → ∞ in Q gegen Null konvergiert. Definition A.0.2: Die Menge [S] := {S̃ : S̃ ∼ S} aller zu einer gegebenen Intervallschachtelung S äquivalenten Intervallschachtelungen S̃ heißt Äquivalenzklasse von S. Jede Intervallschachtelung S̃ ∈ [S] heißt Repräsentant der Äquivalenzklasse [S] Definition A.0.3: Eine reelle Zahl x ist eine Äquivalenzklasse [S] rationaler Intervallschachtelungen. Anschaulich ist x der eindeutige Punkt, der im Innersten aller rationalen Intervallschachtelungen der Äquivalenzklasse [S] liegt. Diese anschauliche Vorstellung ist aber nicht notwendig! Nun müss en noch die Addition und Multiplikation von reellen Zahlen im Rahmen dieser Begriffsbildungen definiert werden. Definition A.0.4: Seien S gleich [an , bn ], n ∈ IIN und T gleich [cn , dn ], n ∈ IIN zwei rationale Intervallschachtelungen. Unter der Summe S + T verstehen wir die rationale Intervallschachtelung [an + cn , bn + dn ], n ∈ IIN. Unter dem Produkt S · T verstehen wir im Fall cn > 0, n ∈ IIN die rationale Intervallschachtelung [an cn , bn dn ], n ∈ IIN. Im Fall cn < 0 oder dn < 0 definiert man das Produkt analog im Einklang mit den Monotoniegesetzen der Multiplikation rationaler Zahlen. 1 Die Rechenoperationen für Äquivalenzklassen [S] un [T ] definiert man mittels Repräsentanten. Definition A.0.5: Seien [S] und [T ] Äquivalenzklassen rationaler Intervallschachtelungen. Dann ist iher Summe gleich [S] + [T ] := [S + T ] und ihr Produkt gleich [S] · [T ] := [S · T ]. Man kann relativ einfach zeigen, dass die so definierten Rechenoperationen unabhängig von der Wahl der Repräsentanten sind und somit die Rechenoperationen für die Äquivalenzklassen sinnvoll definiert sind. Mittels elementarer aber langwieriger Überlegungen kann man nachweisen, dass für die so definierten Rechenoperationen die gewohnten Rechenregeln der reellen Zahlen gelten. Das wesentliche an dieser Definition der reellen Zahlen ist, dass man ausgehend von den rationalen Zahlen, eine Menge konstruiert hat, die genau die (zuvor nicht streng bewiesenen) Eigenschaften der reellen Zahlen hat. Die reellen Zahlen als Dedekindsche Schnitte Ein Punkt auf der Zahlengerade teilt die Zahlengerade in zwei Teile, wobei ein Teil links und der andere Teil rechts von dem Punkt liegt. Somit sollte eine reelle Zahl α die Menge A := {x : x ∈ Q, x < α} eindeutig festlegen. Dedekind kehrte diesen Gedanken um und definierte eine reelle Zahl α als einen sogenannten Dedekindschen Schnitt. Definition A.0.6: Eine reelle Zahl α ist eine Menge rationaler Zahlen mit den Eigenschaften: 1. Falls x Element von α ist und y eine rationale Zahl mit y < x ist so ist y Element von α; 2. α 6= ∅; 2 [A] Konstruktion der reellen Zahlen 3. α 6= Q; 4. α besitzt kein größtes Element, d.h. zu jedem x ∈ α existiert ein y ∈ α mit y > x. Die Menge aller reellen Zahlen ist IR. So ist {x ∈ Q : x < 1} der Dedekind’sche Schnitt, der die Zahl 1 festlegt. Die Menge {x ∈ Q : x < −1 oder x2 < 2} ist der Dedekindsche Schnitt für √ 2. Die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen von rationalen Cauchyfolgen Der wesentliche Unterschied zwischen Q und IR besteht darin, dass jede Cauchyfolge in IR konvergiert, während eine Cauchfolge in Q dann nicht konvergiert, wenn ihr “Grenzwert irrational ist, d.h. nicht in Q liegt. Dies legt folgende Definition der reellen Zahlen nahe. Definition A.0.7: Es seien {xn } und {x̃n } zwei rationale Cauchyfolgen. Die beiden Folgen heißen äquivalent wenn lim (xn − x̃n ) = 0 n→∞ gilt. Es ist leicht zu zeigen, dass durch diese Äquivalenzrelation die Menge aller rationalen Cauchyfolgen in Äquivalenzklassen zerlegt wird. Definition A.0.8: Eine reelle Zahl x ist eine Äquivalenzklasse rationaler Cauchyfolgen. Man sagt IR ist die Vervollständigung von Q. IR ist vollständig, d.h. in IR ist jede Cauchfolge konvergent. Bemerkung: Es ist nicht allzu schwierig die Äquivalenz der verschiedenen Definitionen der reellen Zahlen nachzuweisen. Daher ist es gerechtfertigt, von den reellen Zahlen zu sprechen. ♠