Hinterabschnitt Übungsfall 00010

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Hinterabschnitt Übungsfall 00010
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Fallbeschreibung
72-jährige Patientin. Sie ist seit Jahren bei Ihnen aufgrund von morgendlichen Schulter- und
Beckengürtelschmerzen in Behandlung. Sie erscheint heute ohne Termin und berichtet über
plötzlich aufgetretene, pochende Kopfschmerzen im Bereich der linken Schläfe und Schmerzen
beim Kauen. Diese bestünden seit 4-5 Tagen und sie fühle sich seitdem auch „richtig krank“.
Heute Morgen konnte sie zudem mit Ihrem linken Auge kaum noch etwas sehen.
Anregung:
Listen Sie die Ursachen einseitig auftretender Kopfschmerzen auf!
Auf www.edoctrainer.de finden Sie ein interaktives Material zu diesem Bild.
Funduskopie
Funduskopie
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Fragen zum Fall
1. Welche Struktur des Auges ist bei der klinischen Befundkonstellation‚ äußerlich reizfreies Auge, Schmerzen
und schnell eintretende Sehverschlechterung am wahrscheinlichsten betroffen?
(A)
Hornhaut (Kornea)
(B)
Linse
(C)
Glaskörper
(D)
Netzhaut (Retina)
(E)
Papille
2. Sehen Sie sich die gezeigte Funduskopie an. Welche Aussage ist richtig?
(A)
1 zeigt auf eine retinale Arterie. 2 auf eine retinale Vene.
(B)
1 zeigt auf eine retinale Vene. 3 zeigt auf den Rand der
Papille.
4 zeigt auf einen Normalbefund.
(C)
(D)
(E)
Die mit '1' bezeichneten Gefäße sind deutlich
pathologisch verändert.
Die mit '2' bezeichneten Gefäße sind deutlich
pathologisch verändert.
3. Welche Diagnose liegt am wahrscheinlichsten vor?
(A)
Akutes Winkelblockglaukom
(B)
Arteriitis temporalis
(C)
Migräneanfall
(D)
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
(E)
Arteriosklerotische anteriore ischämische
Optikusneuropathie (AION)
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4. Sie haben den Verdacht einer Arteriitis temporalis. Welche der genannten Untersuchungen ist zur Abklärung
Ihrer Verdachtsdiagnose als nachrangig zu betrachten?
(A)
Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
(B)
Langzeit-Blutdruckmessung
(C)
Kleines Blutbild
(D)
(Doppler-)Sonografie der Arteria temporalis superficialis
(E)
Bestimmung der Kreatinkinase im Serum
5. Welche Therapie muss bei Verdacht auf eine Arteriitis temporalis mit neu aufgetretenem Visusverfall erfolgen?
(A)
(B)
(C)
(D)
(E)
Lokale Applikation von kortikosteroidhaltigen
Augentropfen
Hochdosierte systemische Gabe von Prednisolon
Initiale Gabe von Adalimumab oder Infliximab, danach
Basistherapie mit Kortikosteroiden über eine Woche
Sofortige Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) zur
Durchblutungsförderung und Einschleichen einer
Basistherapie mit Kortikosteroiden für zwei Jahre
Eine Behandlung ist in der Regel nicht erforderlich, da
die verschlossenen Gefäße nicht wieder zu eröffnen
sind.
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DIAG
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DIAGNOSENBLATT
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Diagnose zum Fall
Arteriitis temporalis bei dem weiteren Verdacht auf eine vorbestehende Polymyalgia rheumatica (Schmerzen im
Schulter- und Beckengürtel).
Auflösung der Nummerierung:
1: Retinale Vene
2: Retinale Arterie
3: Rand der Papilla nervi optici
4: Einblutung in der Papilla nervi optici
Anregung:
Listen die verschiedenen Vaskulitiden auf und ordnen Sie Ihre Auflistung nach der Größe der betroffenen Gefäße!
Richtige Lösungen zu den Fragen
1. (E), 2. (B), 3. (B), 4. (B), 5. (B)
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DIAGNOSENBLATT
Didaktische Hinweise
Arteriitis cranialis
Definition:
Die Arteriitis cranialis zählt zu den zu der Gruppe der Riesenzellarteriitis und geht mit einer granulomatösen
Entzündung in der Gefäßwand von mittleren und großen Arterien (zumeist im Versorgungsgebiet der Arteria
carotis) einher.
Synonyme:
Arteriitis temporalis, Morbus Horton, arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie
DIAGNOSENBLATT
Die Erkrankung tritt mit einer jährlichen Inzidenz von 30/100.000 Einwohnern auf, wobei die meisten Patienten
älter als 50 Jahre und häufiger Frauen betroffen sind.
DIAGNOSENBLATT
Epidemiologie:
Symptome:
Ätiopathologie:
Die Arteriitis cranialis ist eine Autoimmunerkrankung und stellt eine meist bilaterale granulomatöse Vaskulitis der
mittleren und großen Arterien des Kopfes dar. Diese kann segmentweise auftreten und betrifft vorzugsweise die A.
temporalis superficialis, wobei auch andere Äste der A. carotis (z.B. A. ophthalmica) involviert sein können.
Histopathologisch ruft die autoimmun-vermittelte Reaktion eine lympho-histiozytäre Entzündung mit Riesenzellen in
der Intima und Media der betroffen Gefäße hervor. Dieser Prozess kann zu einer Wanderverdickung und
Einengung des betroffenen Gefäßlumens mit konsekutiver Minderperfusion der nachgeschalteten Stromgebiete
und damit zu einer Sehminderung oder zu einem Sehverlust führen kann.
Es besteht ein Zusammenhang mit der Polymyalgia rheumatica, die bei etwa 50% der Patienten Arteriitis cranialis
zusätzlich auftritt.
Die Patienten berichten meist über ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Gewichtsverlust, Leistungsabfall und
Nachtschweiß. Sie empfinden häufig einen starken pochenden, pulssynchronen Schläfen- bzw. Kopfschmerz,
Schmerzen beim Kauen (Masseterschmerz, Claudicatio masticatoria ausgelöst durch Ischämie) sowie
Parästhesien beim Kämmen im Bereich der Schläfe. Die A. temporalis superficialis kann hier auch verdickt,
druckdolent und pulslos sein. Bei einer Beteiligung des Auges (in 30% der Fälle) kann es zu Augenschmerzen oder
auch einer Amaurosis fugax kommen. Bei einer Beteiligung der A. centralis retinae können im Verlauf von wenigen
Tagen bis Wochen zunächst meist einseitige, abrupte Sehverminderung oder sogar eine Erblindung auftreten
(arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie).
Diagnostik: Hier werden die ACR-(American College of Rheumatology)-Kriterien nach Hunder angewandt:
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DIAGNOSENBLATT
DIAGNOSENBLATT
DIAGNOSENBLATT
1. Alter > 50 a
2. Neuartige bzw. neu aufgetrene Kopfschmerzen
3. Abnormer Untersuchungsbefund der Temporalarterie
4. Histopathologischer Befund im Sinne einer Riesenzellarteriitis im Biopsat der Gefäßwand der Temporalarterie
5. Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) > 50 mm/h („Sturzsenkung“)
Liegen 3 der 5 Kriterien vor liegt mit 90%iger Sensitivität und Spezifität eine Arteriitis cranialis vor.
Bei einer Beteiligung des Auges finden sich häufig ein Visusverlust und/oder ein eingeschränktes Gesichtsfeld. In
der Funduskopie kann sich bei Beteiligung der A. centralis retinae eine weißliche und ödematös geschwollene
Papille mit unscharfer Randbegrenzung zeigen. Laborchemisch fallen neben einer Leukozytose und gelegentlicher
Anämie in der Regel erhöhte Werte des C-reaktiven Proteins (CRP) auf. Zu einer Erhöhung der
Kreatinkinasewerte (CK) kommt es nicht, wodurch sich Polymyositis bzw. Dermatomyositis differentialdiagnostisch
abgrenzen lassen. In der Dopplersonographie der A. temporalis superficialis können teilweise ein echoarmes Halo
(konzentrische Wandverdickung) sowie Stenosen (Sanduhrförmiger Verlauf der Arterie) oder Gefäßverschlüsse
beobachtet werden. Ein negatives Ergebnis einer Gewebebiopsie der Arteriitis temporalis superficialis schließt die
Erkrankung aufgrund des segmentalen Entzündungsmusters nicht zwingend aus. Ein promptes Ansprechen auf
die Gabe von Kortikosteroiden spricht für die Diagnose.
Therapie:
Eine Augenbeteiligung stellt einen medizinischen Notfall dar! Es sollte daher sofort eine hochdosierte systemische
Kortikosteroidtherapie erfolgen (250 mg bis 1000 mg Prednisolon i.v.), da die Erkrankung zu einer starken
Sehminderung bzw. zur Erblindung (in 40% der Fälle auch des anderen Auges) oder durch Beteiligung zerebraler
Gefäße zu einem Schlaganfall führen kann. Beachten Sie, dass die Aussagekraft der Biopsie innerhalb der ersten
Tage durch die Steroidtherapie nicht beeinträchtig wird!. Nach Besserung der klinischen Symptomatik und der
Laborparameter (BSG, CRP) kann die Dosis reduziert werden. Zur Rezidivprophylaxe sollte über ein bis zwei Jahre
jedoch eine Erhaltungsdosis verabreicht werden.
Prognose:
Ohne Behandlung tritt eine Erblindung in etwa bei 30% der Patienten auf, während es bei konsequenter Therapie
meist innerhalb von 1 bis 2 Jahren zu einer Ausheilung kommt.
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