Projektseminar „Freiheit im 21. Jahrhundert“ – Gruppe 3 Die Debatte um Einschränkungen individueller Freiheit durch hohen sozialen Leistungsdruck Autoren: Daniel Heimerl, David Jung, Ramona Röhner Ziel der Demokratie ist es, den Menschen durch Freiheit ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und die Freiheit von Wissenschaft und Kunst sind nur einige der gesetzlich festgeschriebenen Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung. Trotz dieser von der Legislative gegebenen Freiheiten ist es nicht allen Menschen möglich, ein in der Gestaltung und Entwicklung freies Leben zu führen. Unsere These ist, dass Einschränkungen vor allem durch gesellschaftliche Gepflogenheiten vorgegeben werden. Wir haben uns die Frage gestellt, ob der Einzelne sein Leben noch in der Art und Weise gestaltet wie er es sich vorstellt, oder ob Dinge getan werden, „weil man das eben so tut“. Dem Gefühl einem Druck von außen ausgesetzt zu sein, kann nicht jeder auf Dauer Stand halten. Folge ist eine dauerhafte psychische Belastung. Doch wie kann sich der Mensch dieser Veränderung in der Gesellschaft anpassen? Welche Auswirkungen haben Veränderungen im Bildungswesen und Bildungsniveau, im Konsumverhalten und in der Lebenshaltung? Haben diese Veränderungen auch Folgen auf den einzelnen Menschen in Bezug auf seine Freiheit? Wir wollen auf problematische Entwicklung in der Gesellschaft, die Gefahr der Krankheit Burnout und ihre Auswirkungen hinweisen. Unser Ziel ist es, die Besucher zum Denken anzuregen ‐ vor allem in Bezug auf ihre tatsächlich EIGENEN Vorstellungen und ihr eigenes Leben. Das Burnout‐Syndrom, welches sich bei Betroffenen häufig durch "O‐Töne" kenntlich macht, beschränkt die Freiheit des Individuums, innerhalb der Gesellschaft bzw. der Arbeitswelt, auf eine derartig destruktive Art und Weise, dass es zu teils schweren psychischen und physischen Beschwerden kommt. Das Burnout‐Syndrom ist eine ernstzunehmende Erkrankung und sollte auch vom Staat als solche angesehen werden. Bei einem Blick auf die Historie der Menschheit lässt sich feststellen, dass sich seit dem Mittelalter sehr viel verändert hat. Zu dieser Zeit waren noch Könige die Herrscher, konnten in ihrem Einflussbereich als Monarchen über ihr Volk herrschen und waren auch befähigt Gesetze zu erlassen. Auf diesem Weg war es ihnen möglich ihre Untertanen durch Vorschriften in ihrer Handlungsfreiheit einzuschränken. Seit dem hat sich viel verändert. Als Grund für die Weiterentwicklung kann der Wandel von einer Agrargesellschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft gesehen werden. Ein solcher Wandel bringt zwangsläufig auch Veränderungen mit sich. Neben den Freiheiten entwickelten sich in dieser Zeit jedoch auch Einschränkungen. Durch diese verliert der Einzelne letzten Endes seine individuelle Bedeutung für die Gesellschaft oder auch in seinem Beruf. „Unter sozialem Wandel wird die Veränderung der Sozialstruktur einer Gesellschaft oder einzelner ihrer Bereiche in einem bestimmten Zeitraum verstanden.“1 Diese Struktur wird auch durch den Demografischen Wandel beeinflusst. Durch technischen Fortschritt und Forschung in der Medizin, ist es gelungen, dass der Mensch eine höhere Lebenserwartung hat als früher.2 Im Zusammenhang mit einer gesunkenen Geburtenrate in Deutschland ist die Anzahl von älteren zu jüngeren Menschen im Verhältnis deutlich angestiegen.3 Abb. 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland4 Rainer Geißler beschreibt diese Zusammenhänge in seinem Buch „Die Sozialstruktur Deutschlands“ wie folgt: „Auf einer abstrakt‐formalen Ebene umfasst die Sozialstruktur die Wirkungszusammenhänge in einer mehrdimensionalen Gliederung der Gesamtgesellschaft in unterschiedlichen Gruppen nach wichtigen sozial relevanten Merkmalen sowie in den relativ dauerhaften sozialen Beziehungen dieser Gruppen untereinander.“5 Von der Agrarwirtschaft zur Industrie‐ und Dienstleistungswirtschaft sowie deren Folgen: Seit Mitte des 19. Jahrhundert hat die Mechanisierung deutlich zugenommen, womit Materialien und Produkte in Fabriken und Anlagen weiterverarbeitet werden konnten, was zur Folge hatte, dass es immer weniger Acker‐ und Viehbauern gab. Somit rückte die Agrarwirtschaft immer weiter in den Hintergrund und die Industriewirtschaft gewann an Bedeutung. 1 Betz & Hitzler et al. 2013: 10. 2 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 2016 3 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 2016. 4 ebd. 5 Geißler 2006: 18‐19 Eine höhere Nachfrage an Dienstleistungen ist die Folge. Dies kann den Bereich der Pflege, Bildung oder den privaten Bereich wie z.B. eine erhöhte Nachfrage nach Tagesmüttern, Kita‐Betreuung oder Haushaltshilfen. So können Frauen nach der Geburt des Kindes, wieder schnell in den Beruf einsteigen. Auch junge Menschen gehen länger zur Schule und beginnen häufiger ein Studium als früher wozu die Dienstleistung eines Lehrers oder Dozenten vermehrt und auf längere Zeit nachgefragt wird. Der Sachverhalt der immer älter werdenden Menschen ruft ebenso eine starke Erhöhung nach Dienstleistungsberufen wie Ärzte und Pflegepersonal hervor. Abb. 2: Studierende, Studienanfängerinnen und –anfänger‐ in Tausend.6 Grund für immer weiterbildende Schulwege ist der Fachkräftemangel. Eine Fachkraft setzt eine gute und solide Ausbildung sowie ein fachbezogenes Studium voraus. Zur Entwicklung und Produktion der immer weiter entwickelten und verbesserten High‐Tech‐Produkte sind wegen der Komplexität der Güter immer besser geschulte Fachkräfte notwendig, von denen ein immer größeres Wissensspektrum erwartet und abgefragt. Förderlich ist hier die vermehrte Nachfrage nach dieser Technologie. Für Dienstleistungsgesellschaft im 21. Jahrhundert kann auch der Begriff Leistungsgesellschaft verwendet werden. Diese Leistungsgesellschaft bringt aber auch ihre Schattenseiten mit sich. Eine Leistungsgesellschaft wird durch typische Verhaltensmerkmale geprägt: ‐ „Status‐ und Prestigestreben, ‐ Individuelles Verantwortungsbewusstsein, 6 Statistisches Bundesamt 2013: 80. ‐ Erfolgsorientierung, ‐ Streben nach persönlicher Unabhängigkeit, ‐ Einkommens‐ und Gewinnmaximierung“.7 Diese typischen Leistungsmerkmale bilden das Verlangen nach Wohlstand und Gesellschaftlicher Anerkennung ab. Unverkennbar sind hier allerdings die negativen Folgen. Im 21. Jahrhundert ist Burnout eine zunehmende Erkrankung geworden. Die Betroffenen fühlen sich überlastet, ausgebrannt und am Ende ihrer Kräfte. Symptome wie Bluthochdruck, Konzentrationsschwierigkeiten, Störungen des Herz‐Kreislaufsystems und muskuläre Beschwerden sind die Folge aus Leistungsdruck, der bei der Erzielung der Leistungsmerkmale entstehen kann. Medizinischer Hintergrund des Burnout‐Syndroms aus dem Buch ‚Arbeitsmedizin, Handbuch für Theorie und Praxis‘: Das Burnout‐Syndrom beschreibt den Zustand eines Menschen, welcher durch psychische bzw. physische Belastung an seine Grenzen kommt und somit nicht mehr in der Lage ist seinem Beruf nachzugehen. Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren(z.B. Leistungsdruck, Angst vor Arbeitslosigkeit, etc.) kann zu solch einer Erkrankungserscheinung führen. "Der Begriff 'Burnout' (aus dem Englischen wörtlich übersetzt mit 'ausgebrannt'), mittlerweile integraler Bestandteil auch der deutschen Umgangssprache, wurde vor mehr als 30 Jahren in den USA geprägt. So publizierte der Psychoanalytiker Freudenberger (1974) eine der ersten wissenschaftlichen Umschreibungen des Burnout‐Syndroms als Energieverlust mit multiplen psychischen und physischen Beschwerden, erhöhtem Krankenstand und vorzeitigem Berufsausstieg."8 Im Allgemeinen hat das Krankheitsbild Burnout in den letzten Jahrzehnten stark an Verbreitung gewonnen, jedoch ist hier eine differenzierte Betrachtung von Nöten. Die öffentliche Meinung und das wissenschaftlich gesicherte Wissen stimmen oftmals nicht überein. Da Burnout eine zentrale Problematik in der heutigen leistungsorientierten Gesellschaft darstellt, befassen sich mittlerweile mehrere Teilgebiete (z.B. Psychologie, Psychosomatik, Arbeitsmedizin) der Wissenschaft mit dieser Thematik. Des Weiteren gewinnt Burnout auch dadurch an Bedeutung, da es durch Berufskrankheiten im Allgemeinen, vermehrt zu betriebs‐/volkswirtschaftlichen Schäden kommt, welche durch Wirtschaft und Gesellschaft kompensiert werden müssen. Schwerwiegend kommt hierbei hinzu, dass die jeweiligen Fachdisziplinen sich nicht auf eine einheitliche verbindliche Definition einigen konnten. Die meist verwendete Definition stammt von den Wissenschaftlern Maslach und Shirom und stellt auf drei grundlegende Elemente ab, welche das Burnout‐Syndrom charakterisieren. Diese sind: ‐ "emotionale Erschöpfung(Gefühl von Überforderung, Frustration, Erschöpfung und Angst vor dem nächsten Arbeitstag), 7 Marx & Penk et al. 2009: 425. 8 Weber 2011: 425. ‐ Depersonalisation (gefühllose, zynische oder gleichgültige Einstellung gegenüber Klienten, Kunden, Patienten oder Kollegen), ‐ verminderte Leistungszufriedenheit (negative Einschätzung der persönlichen Kompetenz und beruflichen Leistungsfähigkeit)."9 Die hier aufgeführten Faktoren bilden eine Art Grundgerüst der Burnout‐Erkrankung, jedoch sollte jedem bewusst sein, dass eine jede Erkrankung einer gewissen Individualität unterliegt und somit auch eine Vielzahl von äußeren bzw. inneren Einflüssen dafür verantwortlich sind. Zudem ist zu beobachten, dass eine kontinuierliche Ausbreitung von Burnout über mehrere Branchen hinweg erfolgt, und nicht wie angenommen, sich auf soziale Berufe, in denen teils ein hohes Maß an Engagement und Idealismus vorhanden ist, beschränkt. In der Arbeitsmedizin sind Wissenschaftler zunehmend der Auffassung, dass die Ursache für diese enorme Verbreitung eine Folge des strukturellen Wandels innerhalb der Arbeitswelt und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ist, und nicht wie teilweise angenommen ein Scheitern des jeweiligen Individuums darstellt. Die gesellschaftliche Umstrukturierung hin zu einer durch und durch leistungsorientierten Gesellschaft, könnte für die Entstehung sowie die Verbreitung von Burnout verantwortlich sein. Über grundlegende ätiologische bzw. pathogenetische Aspekte werden derweil kontroverse Diskussionen geführt. Für die international renommierten Burnout‐Forscher Leiter und Maslach (2007) sind insbesondere sechs Schlüsselpositionen des Berufslebens für die Entstehung und Verhinderung eines Burnout‐Syndroms wesentlich. Im Einzelnen sind dies: ‐ "Arbeitsbelastung (u. a. zu große Menge, Zeitmangel, permanente Verfügbarkeit), ‐ Kontrolle(u. a. enge Handlungsspielräume, Fremdbestimmung, Kontrollverlust), ‐ Belohnung (u. a. zu geringe Entlohnung oder Anerkennung, unbefriedigende Arbeit), ‐ Gemeinschaft (u. a. schlechte Kommunikation, Konflikte, Mobbing, Entfremdung), ‐ Fairness ( u.a. empfundene Ungerechtigkeit, Intransparenz von Entscheidungen), ‐ Werte (u.a. Sinnhaftigkeit der Arbeit, Integrität des Unternehmens, ethische Aspekte)."10 Diese Fragen wirken sich auch unmittelbar auf die Freiheit aus, die wir im 21. Jahrhundert haben. 9 ebd.: 426. 10 ebd.: 427 – 428. Quellenverzeichnis Betz Christine & Hitzler Anita et al. (2013): Gesellschaft im 21. Jahrhundert, Entwicklung und Herausforderungen, Bamberg: C.C. Buchners Verlag Geißler, Reiner (2006): Die Sozialstruktur Deutschland, Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. 4. Überarbeitete und aktualisierte Auflage, Wiesbaden: Vs Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH, 19. Marx, Peter & Penk Andreas et al. (2009): Volkskrankheiten im Wandel der gesellschaftlichen Entwicklung Medizinische und pharmazeutische Forschung im Übergang von der Industrie zur Wissensgesellschaft. Verfügbar unter [http://www.kas.de/upload/dokumente/verlagspublikationen/Volkskrankheiten/Volkskrank heiten_penk‐marx.pdf (Zugriff am 01.06.2016)]. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.) (2011): Bevölkerungs‐ und Haushaltsentwicklung in Bund und Ländern. Verfügbar unter [http://www.statistik‐ portal.de/Statistik‐Portal/demografischer_wandel_heft1.pdf (Zugriff am 21.06.2016)]. Statistisches Bundesamt (Destatis) & Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) et al (Hrsg.) (2013): Datenreport 2013.Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Verfügbar unter [https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Datenreport/Downloads/Datenreport2013.pdf? __blob=publicationFile (Zugriff am 14.06.2016)], 80. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2016): Anzahl der Geburten in Deutschland von 1991 bis 2014. In: statista.com von 2016. Verfügbar unter [http://de.statista.com/statistik/daten/studie/235/umfrage/anzahl‐der‐geburten‐seit‐1993/ (Zugriff am 22.06.2016)] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2016): Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburten in Deutschland nach Geschlecht in den Jahren von 1950 bis 2060 (in Jahren). In: statista.com von 2016. Verfügbar unter [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/273406/umfrage/entwicklung‐der‐ lebenserwartung‐bei‐geburt‐‐in‐deutschland‐nach‐geschlecht/] Weber, Andreas (2011): Burnout und Mobbing. Burnout‐Syndrom, Ätiopathogenese. In: Kentner, Michael & Schiele, Rainer et al. (Hrsg.): Arbeitsmedizin. Handbuch für Theorie und Praxis. 3. Auflage. Verlag, Stuttgart, S. 426‐428.