9783941216594_Leseprobe

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2 Theorie
2.1 Biochemische Grundlagen
2.1.1
Rezeptoren und Signaltransduktion
Mehrzellige Organismen bestehen aus einer Vielzahl von größtenteils
differenzierten Zellen, aus denen sich spezialisierte Gewebe zusammensetzen,
die wiederum Organe bilden, aus denen sich insgesamt der Organismus
zusammensetzt. In solch einer Gesellschaft von Zellen müssen ihr Wachstum,
die Proliferation, Differenzierung und die Apoptose (der gesteuerte Zelltod)
genau und fein koordiniert und reguliert werden, damit das Leben des gesamten
Organismus möglich ist. Dies setzt voraus, dass Zellen auf verschiedenen
Ebenen kommunizieren müssen, d.h. elektrische und chemische Signale
aussenden, empfangen und z.B. durch die Anpassung der Zellgestalt und
-bewegung, des Stoffwechsels, sowie der Expression von Genen verarbeiten
können. Die Empfänger von Zellen für Signale werden Rezeptoren genannt.
Rezeptoren im weiteren (pharmakologischen) Sinne sind synonym mit Zielen,
auf die ein äußerer Reiz oder Stoff einwirkt, d.h. der molekulare Schalter, an
dem durch Wechselwirkung mit einer Substanz (oder einem äußeren Einfluss)
eine Wirkung vermittelt wird. Rezeptoren im engeren, biochemisch gebräuchlichen Sinn sind Proteine, die eine Rolle in der Signaltransduktion spielen, also
beim Empfang, der Weiterleitung und Verarbeitung von Signalen im zellulären
Zusammenhang.
Außerdem lassen sich nach ihrer Lokalisierung einerseits lösliche Rezeptoren,
die im Cytoplasma oder dem Zellkern vorliegen (z.B. Transkriptionsfaktoren) und
andererseits membranständige Rezeptoren unterscheiden (transmembranäre
und peripher in der Membran verankerte Rezeptoren). Letztere können sich
sowohl auf der Cytoplasmamembran befinden, und so den Kontakt zur
Außenwelt der Zelle herstellen, oder auf den die Organellen umschließenden
Membranen, wo sie für den koordinierten Ablauf des zellulären Geschehens
sorgen.
In dieser Arbeit
untersucht.
5
wurden
ausschließlich
ligandengesteuerte
Rezeptoren
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
2.1.1.1
Membranständige Rezeptoren
Membranäre Rezeptoren lassen sich unterteilen in Transmembranrezeptoren,
die die Plasmamembran ein- oder mehrfach durchspannen und periphere
Rezeptoren, die entweder von der intrazellulären oder extrazellulären Seite in
der Membran verankert sind (z.B. kleine G-Proteine vom Ras-Typ). Zu den
transmembranären Rezeptoren gehören die Rezeptorklassen der G-Protein
gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), Integrine mit 2 Transmembranhelices,
Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTKs, wie der Insulin-Rezeptor, mit je einer
Transmembranhelix) und weitere.
Ihnen gemeinsam ist die Beteiligung an einer Signaltransduktions-Kaskade,
deren Signal an der Membran „übersetzt“ werden muss, da es diese nicht
ungehindert passieren kann.
2.1.1.2
Transmembranäre Rezeptoren
Viele Botenstoffe (Hormone, Neurotransmitter und Cytokine) sind recht polar
und können daher recht einfach in gelöster Form über Blut, Lymphe oder
interstitielle Flüssigkeit transportiert werden (s. auch Tabelle 1). Aus diesem
Grund sind die aus einer Lipid-Doppelschicht bestehenden und daher
hydrophoben Plasmamembranen jedoch für diese hydrophilen Botenstoffe
weitestgehend undurchlässig. Auch membrangebundene Proteine anderer
Zellen, oder durch Membranproteine präsentierte Moleküle
werden zur
Kommunikation zwischen Zellen eingesetzt (z.B. MHC präsentierte Peptide, die
eine Rolle bei der Vermittlung der Immunantwort spielen).
Damit diese Signale im Inneren der Zelle ankommen können, müssen sie daher
an der Membran „übersetzt“ werden. Diese Signaltransduktion übernehmen
ligandengesteuerte transmembranäre Rezeptoren. Durch die Bindung der
primären Signalstoffe an deren extrazelluläre Ligandenbindungsdomänen wird
ein sekundäres Signal in der Zelle erzeugt, indem sie z.B. kurzzeitig einen
Ionenkanal öffnen oder intrazellulär einen zweiten Botenstoff („second
messenger“) erzeugen oder freisetzen.
Transmembranproteine durchspannen die Membran mit hydrophoben oder
amphiphilen Helices. Durch die Ligandenbindung wird i.d.R. eine Konformationsänderung des Rezeptorproteins ausgelöst, die die Weiterleitung des Signals
nach sich zieht. Dabei kann entweder der Rezeptor selbst enzymatische Aktivität
besitzen, welche bei Ligandenbindung aktiviert wird (Rezeptor-Tyrosinkinasen)
oder der aktivierte Rezeptor kann über Protein-Protein-Wechselwirkungen das
6
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Signal an Effektorproteine weiterleiten, die ihrerseits das Signal über Botenstoffe
(z.B. cAMP, IP3) oder weitere Wechselwirkungen an ihr Ziel weiterleiten.
Tabelle 1: Diversität von Liganden membranständiger Rezeptoren
Ligand / Hormon
Größe
(in Aminosäuren
AS bzw. Da)
Regulierte Prozesse
Bildungsort
Insulin
6x(21+30) AS
(Hexamer aus
Heterodimeren)
Glucosehaushalt
(Speicherung)
Pankreas
(-Zellen der
Langerhans'
schen Inseln)
Adrenocorticotropes
Hormon (ACTH)
39 AS
Stress
Hypophyse
Neuropeptid Y (NPY)
36 AS
Hunger bzwSättigungsgefühl
Hypothalamus
Endorphine,
z.B. -Endorphin
31 AS
Analgesie, Hunger, Euphorie
Hypophyse
Glucagon
29AS
Glucosehaushalt
(Mobilisierung)
Pankreas
(-Zellen der
Langerhans'
schen Inseln)
Antidiuretisches
Hormon (ADH);
Vasopressin
9 AS
Blutdruck, Wasserhaushalt
Hypothalamus,
Hypophysenhinterlappen
Adrenalin
1 "AS"
(Tyr-, Phe-Derivat)
MW 183Da
Stress, Energiemobilisierung
Nebennierenmark
Serotonin,
oder 5-Hydroxytryptamine (5-HT)
1 “AS“ (TrpAbkömmling)
MW 176 Da
vielfältig, je nach
Konzentration (z.B. in HerzKreislauf-System, MagenDarm-Trakt, Nervensystem)
ubiquitär, z.B.
Magen-Darm-Trakt
Stickstoffmonoxid* NO
30 Da (aus Arg)
Gefäßerweiterung
Endothelzellen,
Neuronen,
Makrophagen,
Mitochondrien
* (diffundiert durch Membranen, bindet an membranassoziierten Rezeptor)
Das Ziel dieser Signalkaskaden ist häufig eine spezifische Veränderung des
Aktivitätszustandes der in der Zelle enthaltenen Proteine (Enzyme, Strukturproteine) oder die Regulation der Genexpression (Transkription, Translation).
Somit können Zellen auf Reize reagieren und ihren Zustand im Rahmen ihrer
genetischen Möglichkeiten ihrer Umgebung anpassen.
7
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Wie erwähnt, besitzen einige Membranrezeptoren selbst enzymatische Aktivität,
die durch die Bindung eines Agonisten aktiviert oder durch die Bindung eines
Antagonisten inhibiert wird. Dies ist der Fall bei der Klasse der RezeptorTyrosinkinasen (RTKs), deren Vertreter Transmembranproteine mit einer
einzelnen membrandurchspannenden Domäne sind (s. Abbildung 1). RTKs
binden mit ihrer extrazellulären Bindungstasche ihre Liganden (zu denen
Wachstumsfaktoren und Interleukine gehören), was zu einer Oligomerisierung
der Rezeptoren führt (1). Dadurch kommen sich auch die intrazellulären
(Tyrosinkinase-)Domänen so nahe, dass sich die Rezeptoren wechselseitig
phosphorylieren können (2). Anschließend rekrutieren die so aktivierten
Rezeptoren weitere spezifische Zielproteine, die an die phosphorylierten Motive
der aktivierten RTKs binden (3) und phosphorylieren diese ebenfalls an
Tyrosinen. Dies führt zur Interaktion mit weiteren Partnerproteinen und zur
Aktivierung des zugehörigen Signalweges (4) [Gomperts et al., 2009].
Abbildung
1:
Signaltransduktion
von
Rezeptortyrosinkinasen
(RTKs).
L=(extrazellulärer) Ligand, R=Rezeptor, S=Substrat (2nd Messenger), ex=extrazellulärer Raum, in=intrazellulärer Raum, Cytosol (weitere Erklärungen s. Text)
G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) sind eine Superfamilie von
transmembranären Rezeptoren, die an der Verarbeitung von so zahlreichen und
unterschiedlichen Signalen wie Licht (Rhodopsin), Hormonen, Neurotransmittern, Cytokinen und Geruch (olfaktorische Rezeptoren) beteiligt sind.
Ihnen gemeinsam ist ihre Struktur: Sie durchspannen die Membran mit 7
Transmembranhelices (7TM), wobei der Aminoterminus stets extra- und der
Carboxyterminus intrazellulär lokalisiert ist. Ihre Ligandenbindungstasche wird
8
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
gemeinsam aus den Transmembrandomänen, extrazellulären Schleifen und
dem Aminoterminus gebildet.
Abbildung 2: Mechanismus der Signaltransduktion von GPCRs. L: (extrazellulärer)
Ligand, GPCR: G-Protein gekoppelter Rezeptor; „Stern“: Phosphat; PIP2:
Phosphoinositolbisphosphat; DAG: Diacylglycerin; IP3: Phosphoinositoltrisphosphat; cAMP: cyklisches AMP (weitere Erklärungen s. Text)
Durch die Bindung des Liganden wird eine Konformationsänderung des
Rezeptors verursacht, die auch intrazelluläre Bereiche des Rezeptors betrifft (s.
Abbildung 2, 1): Durch diese gibt der aktive Rezeptor das Signal an ein
intrazelluläres, mit dem Rezeptor assoziiertes Protein (G-Protein) weiter: Das bis
dahin heterotrimere G-Protein, das in seinem inaktiven Zustand ein
Guanosindiphosphat (GDP) als Liganden gebunden hat, löst sich vom Rezeptor
und tauscht das gebundene GDP gegen ein Guanosintriphosphat (GTP) aus (2).
In diesem Zustand dissoziiert es in eine G und eine G Untereinheit (aktive
9
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Form des G-Proteins), die ihrerseits beide weitere Effektorproteine aktivieren
(3). So kann – je nach Art des beteiligten G-Proteins – die aktive G Untereinheit z.B. die Adenylat-Cyclase aktivieren, die ihrerseits Adenosintriphosphat
(ATP) zum second messenger cAMP (cyklisches Adenosinmonophosphat)
umsetzt (4a; Gs), oder die Phospholipase C aktivieren, welche durch Spaltung des
Membranbestandteils Phosphoinositolbisphosphat in Diacylglycerin und
Phosphoinositoltrisphosphat für die Weiterleitung des Signals sorgt (4b; Gq). Es
gibt auch inhibitorische G Untereinheiten (Gi), die die Adenylat-Cyclase hemmen
und damit Antagonisten von Gs-Untereinheiten (und den mit ihnen arbeitenden
Signalwegen) sind [Krauss, 1997; Löffler and Petrides, 2007; Stryer, 1996].
Auch die G Untereinheit ist aktiv: Sie kann direkt Ionenkanäle öffnen oder
weitere Proteine wie die Phospholipase A2 aktivieren.
Die Rückkehr der durch den Rezeptor aktivierten G-Proteine in den
Ausgangszustand, also ihre Inaktivierung, erfolgt durch eine intrinsische
GTPase Aktivität von G (wodurch GTP zu GDP und Phosphat hydrolysiert wird
(5), das G-Protein so wieder mit der G Untereinheit trimerisieren kann und
damit inaktiv wird).
Auch der aktivierte Rezeptor selbst wird durch verschiedene Mechanismen
wieder inaktiviert: So können G-Protein-gekoppelte Rezeptor Kinasen und
cAMP-abhängige Protein Kinasen aktive Rezeptoren phosphorylieren, wodurch
sie desensibilisiert und letztlich inaktiviert werden.
Es gibt verschiedene G-Proteine, die mit den gleichen Rezeptoren wechselwirken
(sofern sie in der Zelle vorhanden, d.h. funktionell exprimiert sind). Andererseits
können sich verschiedene Rezeptoren der gleichen G-Proteine bedienen. Auf diese
Weise sind verschiedene Signaltransduktionswege auf der Ebene der G-Proteine
miteinander vernetzt. In der Zelle erfolgt durch die in ihr gleichzeitig nebeneinander
vorhandenen G-Proteine Gs, Gq und Gi eine genau abgestimmte Antwort auf über
GPCRs eintreffende Signale. Die Verknüpfung und Wechselwirkung der meisten
Signalwege führt dazu, dass sie eher in der Art eines komplexen Netzwerks
verbunden sind als in der Form einer eindimensionalen Kaskade.
Die große funktionelle Bedeutung von GPCRs wird auch dadurch deutlich, dass
sie häufig als molekulare Wechselwirkungspartner von Medikamenten verwendet
werden: Es wird geschätzt, dass über 30% aller verschriebenen Medikamente
direkt an GPCRs als molekularer Zielstruktur wirken [Hausch, 2008]. Etwa 50%
aller bekannten Medikamente wirken über GPCRs und die mit ihnen verknüpften
Signalwege [Alberts et al., 2008].
10
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
2.1.1.3
Spezielle membranäre Rezeptoren
2.1.1.3.1
NPY und NPY Rezeptor
In dieser Arbeit wurde humaner Y5 (Isoform 5 des Neuropeptid Y Rezeptors) als
ein typischer Vertreter der Klasse G-Protein gekoppelter Rezeptoren verwendet.
Der Neuropeptid Y Rezeptor ist ein GPCR vom Rhodopsin-Typ (s. Abbildung 3).
Es sind 5 Isoformen bekannt, von denen Y1 und Y5 eine Rolle in der Steuerung
der Nahrungsaufnahme spielen. Sein Ligand ist das Neuropeptid Y, ein aus 36
Aminosäuren bestehender Neurotransmitter, der im Gehirn und im autonomen
Nervensystem vorkommt (MW 4,14 kDa). Er wurde mit der Regulation des
Energiehaushaltes, dem Lernen und Epilepsie assoziiert.
Abbildung 3: links: Neuropeptid Y (Struktur nach [Sjodin et al., 2006] und Kristallstruktur [Monks et al., 1996]); rechts: Rezeptor Y5, schematisch nach [Hazelwood,
1993] und [Alberts et al., 2008]
AS-Sequenz von NPY [Tatemoto, 1982]
YPSKPDNPOEDAPAEDLARYYSALRHYINLITRQRY
Tyr-Pro-Ser-Lys-Pro-Asp-Asn-Pro-GIy-Glu-Asp-Ala-Pro-Ala-Glu-Asp-Leu-AIaArg-Tyr-Tyr-Ser-Ala-Leu-Arg-His-Tyr-IIe-Asn-Leu-Ile-Thr-Arg-GIn-Arg-Tyr-NH2
2.1.1.3.2
Ras Proteine
Die intrazelluläre Signaltransduktion benutzt zentrale Schnittstellen (gewissermaßen Knotenpunkte im Netzwerk), die Signale empfangen, integrieren, modulieren und weiterleiten. Kleine G-Proteine, von denen Ras ein bekannter
11
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Vertreter ist, sind intrazellulär lokalisierte, membranassoziierte kleine GTPasen,
die eine Schalterfunktion erfüllen. Sie besitzen eine Masse von 20 bis 40 kDa.
Wie ihre heterotrimeren Verwandten sind auch kleine G-Proteine mit einem
Lipid-Anker intrazellulär in der Plasmamembran verankert (s. Abbildung 4).
Abbildung 4: Ras. (Struktur nach [Krauss, 1997]; Anker nach J. Kuhlmann (MPI,
Dortmund)). Die gezeigte Struktur wurde mit dem gebundenen GTP-Analog imino-GTP (GppNHp) aufgeklärt; die Loops 2 und 4 besitzen eine Schalterfunktion
bei der GTP-Hydrolyse (Krauss). Der gezeigte Lipidanker war in dem verwendeten
Konstrukt (nicht aber bei der Strukturaufklärung) vorhanden [Brunsveld,L. et al.,
2006a; Brunsveld,L. et al., 2006b].
Im Gegensatz zu den großen heterotrimeren G-Proteinen, bestehen diese nur
aus einer Untereinheit, die jedoch ebenfalls in der GTP gebundenen Form
(RasG) aktiv ist, d.h. in diesem Zustand werden die Wechselwirkungspartner
von Ras aktiviert, wodurch hauptsächlich Zelldifferenzierung, Proliferation und
Wachstum auf der Ebene der Gen-Expression stimuliert werden. Ras Proteine
werden direkt durch Helferproteine, sogenannte Guanin Nukleotid Austausch
Faktoren (GEFs), aktiviert. Diese sorgen für den Austausch eines gebundenen
GDP gegen ein GTP und werden ihrerseits durch membranständige RTKs und
GPCRs reguliert. Durch GTPase-aktivierende Proteine (GAPs) wird RasG
wieder inaktiviert. Auf diesem Weg erfolgt die Aktivierung der weiteren Stationen
z.B. des Ras-Raf-Signalwegs oder des MAPK-Weges (s. Abbildung 5).
12
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Abbildung 5: Ras im zellulären Zusammenhang, nach [Hanahan and Weinberg,
2000] und [Alberts et al., 2008]
Ras Proteine haben seit einiger Zeit großes Interesse durch ihre Funktion als
humane (Proto-)Onkogene hervorgerufen. Es wurde gezeigt, dass durch
Mutationen des ras Gens, die zu einer aktiveren Form von Ras führen, die
Entstehung und Promotion von Krebs begünstigt werden kann: Ende der 1980er
Jahre wurde erkannt, dass nahezu 30% aller solider menschlicher Tumoren
Mutationen des ras-Gens aufweisen, das für das 21 kDa große Ras Protein
(p21) kodiert [Bos, 1989]. Diese Mutationen führen z.B. durch Hemmung oder
Verlust der intrinsischen GTPase Aktivität von Ras zu einem übermäßig
aktivierten Ras Signalweg [Reuter et al., 2000]. Die normalerweise vorhandene
Kontrollfunktion von Ras ist damit vermindert oder ausgesetzt. Da Ras z.B.
Signale für die Proliferation von Zellen überwacht, kann ein daueraktives Ras zu
unkontrolliertem Wachstum und damit zu Krebs führen. Da es sich bei Ras um
einen zentralen Schalter handelt, an dem mehrere Signalwege zusammen-
13
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
führen, und der wiederum unterschiedliche Signalwege aktivieren kann, wird
verständlich, warum gerade dort aktivierende Mutationen Krebszellen besonders
begünstigen, sich also besonders gravierend auswirken können.
Es besteht die Hoffnung, dass durch das Verständnis, wie die GTPase Aktivität
im Wildtyp-Protein durch GAPs aktiviert wird, in Zukunft Medikamente entwickelt
werden können, die denselben Effekt in den mutierten Ras-Proteinen erzeugen
(und dadurch seine Daueraktivität verhindern). Damit wäre es möglich, einer
weit verbreiteten molekularen Ursache von Krebs gezielt entgegenzuwirken.
Obwohl zur Krebsentstehung in aller Regel mehrere Mutationen und weitere
Veränderungen der Zelle beitragen, ist durch diesen Weg ein erfolgversprechender Ansatz der Bekämpfung dieser Zivilisationskrankheit gegeben [Downward,
2003].
2.1.2
Lipide und Membranen
Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt, sind Zellen, insbesondere
höhere, eukaryotische Zellen, durch biologische Membranen kompartimentiert:
Zum einen umschließt die äußere Abgrenzung einer Zelle, die Plasmamembran,
das Cytosol und grenzt sie so von der Umgebung ab. Andererseits ist auch das
Innere der Zelle durch Membranen in funktionelle Bereiche geteilt: den Zellkern,
in dem die DNA vorliegt, das endoplasmatische Retikulum, das der
Proteinsynthese und -faltung dient, die Mitochondrien, die als „Kraftwerke“ der
Zelle fungieren und Lysosomen, in denen Makromoleküle wieder zu ihren
Bestandteilen verdaut werden.
Viele dieser Funktionen sind ohne eine Kompartimentierung nicht denkbar. So
wird z.B. die Energie in den Mitochondrien durch die Oxidation von Zuckern
„gewonnen“, wobei die frei werdende Energie durch eine Kopplung der
beteiligten Reaktionen dem Aufbau eines Protonengradienten über die innere
Membran der Mitochondrien dient. Dieser Gradient wird dazu genutzt, ebenfalls
über gekoppelte Reaktionen, die stark endergonische Synthese von
Adenosintriphosphat anzutreiben (d.h. die Kondensation von Phosphat und ADP
zu ATP), das als unmittelbarer Energielieferant der Zelle dient (chemiosmotische
Kopplung).
14
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Abbildung 6: Lipid-Doppelschicht: schematische Darstellung (links; beispielhaft
sind transmembranäre und periphere Proteine angedeutet) und rastertunnelelektronenmikroskopische Aufnahme (rechts; Erythrocyten aus [Stryer, 1996])
Ein anderes Beispiel ist der lysosomale Abbau von alten Organellen und
Proteinen, sowie von in die Zelle gelangten Bakterien und Viren. Dieser Verdau
findet bei einem pH von etwa 4.5 durch eine Vielzahl von Enzymen statt, also
deutlich unter dem pH des Cytosols (pH 7.2). Die Kompartimentierung
verhindert hier also den unabsichtlichen Abbau von noch benötigten zellulären
Bestandteilen.
Biologische Membranen dienen also oft der Strukturierung und Isolierung,
sowohl in räumlicher Hinsicht, als auch was den pH und Ionen angeht. Somit
können über Membranen Potentiale erzeugt werden, nämlich elektrische,
osmotische und pH-Gradienten. Außerdem sind in die Membranen periphere
und transmembranäre Protein eingebettet, die zahlreiche Funktionen vermitteln.
Membranen bestehen aus einer amphipatischen Lipid-Doppelschicht (s.
Abbildung 6), die aus einer Vielzahl von Lipiden zusammengesetzt ist: In
eukaryotischen Membranen herrschen Phospholipide vor. Es sind aber auch
Sphingolipide, Glycolipide und Cholesterol am Aufbau von Membranen beteiligt
(s. Abbildung 7).
15
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Abbildung 7: Struktur von Phospholipiden und von Cholesterol. Schematische
Darstellung eines Lipids mit hydrophoben Fettsäuren (FS), die mit Glycerol
verestert sind, dessen dritte Hydroxylgruppe mit einem Phosphatsäurester verstert
ist, der polaren Kopfgruppe (P) (links oben); daneben und darunter: Strukturen von
Phosphatidsäure (Fischer-Projektion), die zusammen mit den darunter dargestellten Kopfgruppen (R1) wichtige Phopholipide bilden (veresterte Hydroxylgruppe grau hinterlegt); unten: Cholesterol (Strukturformel und räumliche
Darstellung)
Die Zusammensetzung der am Aufbau von biologischen Membranen beteiligten
Lipide schwankt dabei recht stark (s. Tabelle 3). Ebenso veränderlich ist der
Anteil von Proteinen an der Membran und deren Identität. Die
Zusammensetzung der Membran hat deutlichen Einfluss auf die höchste
Phasenübergangstemperatur (Übergang von gelartigem zum flüssigkristallinen
Zustand, der durch eine deutlich höhere Mobilität der Membranbestandteile
gekennzeichnet ist). Bereits Membranen aus einzelnen Phospholipiden besitzen
(u.a. aufgrund ihrer unterschiedlichen Fettsäuren und deren Packungsdichte)
deutlich unterschiedliche TC (s. Tabelle 2).
Der Anteil von Lipiden zu Proteinen in Membranen tierischer Zellen schwankt –
je nach Zelltyp – zwischen 24-79% an Lipiden zu 76-18% an Proteinen [Löffler
and Petrides, 2007]. Der Anteil von Kohlenhydraten (in Form von Glycolipiden,
Glycoproteinen und als Bestandteil von Lipid-Ankern (z.B. GPI-Anker)) liegt
unter 10%.
16
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Tabelle 2: Schmelztemperaturen verschiedener Phosphatidylcholine
Lipid
TC einer nur aus Lipid bestendenden
Membran [°C]
Di-Lauroyl-PC (DLPC)
0
Di-Myristoyl-PC (DMPC)
22
Di-Oleoyl-PC (DOPC)
-22
Di-Palmitoyl-PC (DPPC)
41
Ei-Lecithin (PC)
10
(PC: -Phosphatidylcholin)
Cholesterol (Abbildung 7) kommt bei der Zusammensetzung von Membranen
eine Sonderstellung zu, da es aufgrund seiner starren Konformation und seines
relativ großen, planaren Ringsystems nicht optimal in die Packung der
aliphatischen Ketten der Fettsäurereste in der Membran passt und so als
Störstelle wirkt. Dadurch trägt es unterhalb der TC zur Erhöhung der Fluidität von
Membranen bei. Oberhalb der TC verringert es die Fluidität eher. Cholesterol
kann alleine keine Membranen oder Vesikel bilden.
Tabelle 3: Häufige Lipide und ihr Vorkommen in Membranen; [Anteil in Massenprozent des Gesamtlipids]
Lipid
Leberzelle
Rotes
Blutkörperchen
(Erythrozyt)
Mitochondrium
(innere und
äußere
Membran)
Bakterium
(E. Coli)
PC
24
17
44
0
PS
4
7
2
(Spuren)
PE
7
18
28
17
Sphingomyelin
19
18
0
0
Glycolipide
7
3
(Spuren)
0
Cholesterol
17
23
3
0
PC: Phosphatidylcholin; PS: Phosphatidylserin; PE: Phosphatidylethanolamin;
nach [Alberts et al., 2008]
Durch seine nur schwach hydrophile Hydroxylgruppe als Kopfgruppe kann es in
einem als Flip-Flop-Mechanismus bezeichneten Vorgang von einer Seite des
Bilayers zur anderen wechseln. Dies ist anderen Membranbestandteilen wie
Proteinen, Phospholipiden etc. nur begrenzt, bzw. bei Lipiden nur langsam bei
17
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Temperaturen im Bereich der TC oder darüber möglich [Kornberg and
McConnell, 1971]. Deshalb können biologische Membranen asymmetrisch
gebaut sein, also eine unterschiedliche Zusammensetzung von äußerer und
innerer Monolage, sowie gerichtet in die Membran eingefügte Proteine
aufweisen.
2.1.3
Cytosolische Rezeptoren, Transkriptionsfaktoren
Im Gegensatz zu den in Kapitel 2.1.2 beschriebenen membrangebundenen
Rezeptoren dienen intrazelluläre Rezeptoren der Umsetzung von Signalen,
welche entweder die Zellmembran passieren können oder von intrazellulär
erzeugten Signalen (wie z.B. p53, das als „Wächter des Genoms“ bei
auftretenden DNA-Schäden u.a. über transkriptionelle Aktivierung für deren
Reparatur sorgt [Lane, 1992]). Bei den hier besprochenen cytosolischen
Rezeptoren handelt es sich um Transkriptionsfaktoren.
Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die an spezifische DNA-Sequenzen binden
können und dadurch die Aktivität der RNA-Polymerase steuern. Dieses Enzym
ist verantwortlich für die Durchführung der Transkription, also der Synthese einer
RNA aus der kodierenden DNA, die dann (im Fall von messenger-RNA, mRNA)
ins Cytosol geschleust und dort zu Proteinen translatiert wird. Diese Funktion
nehmen Transkriptionsfaktoren oft in Proteinkomplexen zusammen mit anderen
Proteinen (z.B. Kofaktoren, Polymerase etc.) wahr. Viele Transkriptionsfaktoren
sind ligandengesteuert, also Rezeptoren im engeren Sinn.
Bei den Liganden dieser Transkriptionsfaktoren handelt es sich in der Regel um
hydrophobe Substanzen, beispielsweise um Steroidhormone, Retinolsäure oder
Trijodthyronin, aber auch um hydrophobe Fremdstoffe (Dioxine, PCBs), die an
derartige Rezeptoren binden können. Tabelle 4 nennt einige bekannte
Transkriptionsfaktoren und deren Liganden.
Wie alle Proteine werden Transkriptionsfaktoren im Cytosol synthetisiert; ihr
Wirkungsort ist jedoch der Zellkern, wo die DNA vorliegt. Häufig gelangen sie
erst nach der Bindung ihrer Liganden an den Rezeptor dorthin, d.h. der LigandRezeptor-Komplex wird in den Zellkern importiert, wo er an die DNA bindet und
die Transkription spezifischer Gene steuert.
18
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Tabelle 4: Cytosolische / lösliche Rezeptoren
Name
Abkürzung
Klasse /
Nomenklatur
Ligand(en)
Aryl hydrocarbon
receptor (Dioxin
receptor)
AhR
bHLH/PAS
Arachidonsäure,
Bilirubin, Dioxin, PCBs
Aryl hydrocarbon
receptor nuclear
translocator
ARNT
bHLH/PAS
- (Bindungspartner von
aktiviertem AhR)
Thyroid hormone
receptor
TR
NR1A1
TR
NR1A2
Vitamin D receptor
VDR
NR1I1
1,25-Dihydroxy Vitamin
D3, Litocholsäure
Estrogen receptor
ER
NR3A1
Estradiol-17,
Tamoxifen, Raloxifene
ER
NR3A2
Estradiol-17,
verschiedene
synthetische Liganden
Androgen receptor
AR
NR3C4
Testosteron, Flutamid
Liver receptor
homologous protein
1
LRH1
NR5A2
(Orphan)
Thyroid hormon T3
(Englische Namen, die daraus abgeleiteten gebräuchlichen Akronyme, systematische Nomenklatur, Bindungsmotiv und typische Liganden)
Unter den 48 bekannten NRs, die das menschliche Genom enthält, sind nur für
die Hälfte Liganden bekannt, die anderen zählen zu den sog. „Orphan
Receptors“, also Rezeptoren ohne (bekannte) Liganden. Teilweise fehlt diesen
sogar eine Ligandenbindungstasche, so dass angenommen werden kann, dass
sie auf anderem Weg reguliert werden.
NR Proteine haben eine gemeinsame Struktur (Abbildung 8): Sie bestehen aus
drei Domänen: der N-terminal gelegenen A/B Region, die die TransaktivierungsDomäne
(AF-1)
enthält
und
mit
Cofaktoren
und/oder
anderen
Transkriptionsfaktoren wechselwirkt. Sie variiert bei den verschiedenen
Familienmitgliedern in Sequenz und Länge.
An sie schließt sich die DNA-Bindungs-Domäne (DBD) an, die bei fast allen NRs
konserviert ist. Sie enthält zwei Zink-Finger Motive, die in die große Furche der
DNA an bestimmte Erkennungssequenzen (Recognition Element, RE) binden.
19
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