2 Theorie 2.1 Biochemische Grundlagen 2.1.1 Rezeptoren und Signaltransduktion Mehrzellige Organismen bestehen aus einer Vielzahl von größtenteils differenzierten Zellen, aus denen sich spezialisierte Gewebe zusammensetzen, die wiederum Organe bilden, aus denen sich insgesamt der Organismus zusammensetzt. In solch einer Gesellschaft von Zellen müssen ihr Wachstum, die Proliferation, Differenzierung und die Apoptose (der gesteuerte Zelltod) genau und fein koordiniert und reguliert werden, damit das Leben des gesamten Organismus möglich ist. Dies setzt voraus, dass Zellen auf verschiedenen Ebenen kommunizieren müssen, d.h. elektrische und chemische Signale aussenden, empfangen und z.B. durch die Anpassung der Zellgestalt und -bewegung, des Stoffwechsels, sowie der Expression von Genen verarbeiten können. Die Empfänger von Zellen für Signale werden Rezeptoren genannt. Rezeptoren im weiteren (pharmakologischen) Sinne sind synonym mit Zielen, auf die ein äußerer Reiz oder Stoff einwirkt, d.h. der molekulare Schalter, an dem durch Wechselwirkung mit einer Substanz (oder einem äußeren Einfluss) eine Wirkung vermittelt wird. Rezeptoren im engeren, biochemisch gebräuchlichen Sinn sind Proteine, die eine Rolle in der Signaltransduktion spielen, also beim Empfang, der Weiterleitung und Verarbeitung von Signalen im zellulären Zusammenhang. Außerdem lassen sich nach ihrer Lokalisierung einerseits lösliche Rezeptoren, die im Cytoplasma oder dem Zellkern vorliegen (z.B. Transkriptionsfaktoren) und andererseits membranständige Rezeptoren unterscheiden (transmembranäre und peripher in der Membran verankerte Rezeptoren). Letztere können sich sowohl auf der Cytoplasmamembran befinden, und so den Kontakt zur Außenwelt der Zelle herstellen, oder auf den die Organellen umschließenden Membranen, wo sie für den koordinierten Ablauf des zellulären Geschehens sorgen. In dieser Arbeit untersucht. 5 wurden ausschließlich ligandengesteuerte Rezeptoren Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 2.1.1.1 Membranständige Rezeptoren Membranäre Rezeptoren lassen sich unterteilen in Transmembranrezeptoren, die die Plasmamembran ein- oder mehrfach durchspannen und periphere Rezeptoren, die entweder von der intrazellulären oder extrazellulären Seite in der Membran verankert sind (z.B. kleine G-Proteine vom Ras-Typ). Zu den transmembranären Rezeptoren gehören die Rezeptorklassen der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), Integrine mit 2 Transmembranhelices, Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTKs, wie der Insulin-Rezeptor, mit je einer Transmembranhelix) und weitere. Ihnen gemeinsam ist die Beteiligung an einer Signaltransduktions-Kaskade, deren Signal an der Membran „übersetzt“ werden muss, da es diese nicht ungehindert passieren kann. 2.1.1.2 Transmembranäre Rezeptoren Viele Botenstoffe (Hormone, Neurotransmitter und Cytokine) sind recht polar und können daher recht einfach in gelöster Form über Blut, Lymphe oder interstitielle Flüssigkeit transportiert werden (s. auch Tabelle 1). Aus diesem Grund sind die aus einer Lipid-Doppelschicht bestehenden und daher hydrophoben Plasmamembranen jedoch für diese hydrophilen Botenstoffe weitestgehend undurchlässig. Auch membrangebundene Proteine anderer Zellen, oder durch Membranproteine präsentierte Moleküle werden zur Kommunikation zwischen Zellen eingesetzt (z.B. MHC präsentierte Peptide, die eine Rolle bei der Vermittlung der Immunantwort spielen). Damit diese Signale im Inneren der Zelle ankommen können, müssen sie daher an der Membran „übersetzt“ werden. Diese Signaltransduktion übernehmen ligandengesteuerte transmembranäre Rezeptoren. Durch die Bindung der primären Signalstoffe an deren extrazelluläre Ligandenbindungsdomänen wird ein sekundäres Signal in der Zelle erzeugt, indem sie z.B. kurzzeitig einen Ionenkanal öffnen oder intrazellulär einen zweiten Botenstoff („second messenger“) erzeugen oder freisetzen. Transmembranproteine durchspannen die Membran mit hydrophoben oder amphiphilen Helices. Durch die Ligandenbindung wird i.d.R. eine Konformationsänderung des Rezeptorproteins ausgelöst, die die Weiterleitung des Signals nach sich zieht. Dabei kann entweder der Rezeptor selbst enzymatische Aktivität besitzen, welche bei Ligandenbindung aktiviert wird (Rezeptor-Tyrosinkinasen) oder der aktivierte Rezeptor kann über Protein-Protein-Wechselwirkungen das 6 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Signal an Effektorproteine weiterleiten, die ihrerseits das Signal über Botenstoffe (z.B. cAMP, IP3) oder weitere Wechselwirkungen an ihr Ziel weiterleiten. Tabelle 1: Diversität von Liganden membranständiger Rezeptoren Ligand / Hormon Größe (in Aminosäuren AS bzw. Da) Regulierte Prozesse Bildungsort Insulin 6x(21+30) AS (Hexamer aus Heterodimeren) Glucosehaushalt (Speicherung) Pankreas (-Zellen der Langerhans' schen Inseln) Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) 39 AS Stress Hypophyse Neuropeptid Y (NPY) 36 AS Hunger bzwSättigungsgefühl Hypothalamus Endorphine, z.B. -Endorphin 31 AS Analgesie, Hunger, Euphorie Hypophyse Glucagon 29AS Glucosehaushalt (Mobilisierung) Pankreas (-Zellen der Langerhans' schen Inseln) Antidiuretisches Hormon (ADH); Vasopressin 9 AS Blutdruck, Wasserhaushalt Hypothalamus, Hypophysenhinterlappen Adrenalin 1 "AS" (Tyr-, Phe-Derivat) MW 183Da Stress, Energiemobilisierung Nebennierenmark Serotonin, oder 5-Hydroxytryptamine (5-HT) 1 “AS“ (TrpAbkömmling) MW 176 Da vielfältig, je nach Konzentration (z.B. in HerzKreislauf-System, MagenDarm-Trakt, Nervensystem) ubiquitär, z.B. Magen-Darm-Trakt Stickstoffmonoxid* NO 30 Da (aus Arg) Gefäßerweiterung Endothelzellen, Neuronen, Makrophagen, Mitochondrien * (diffundiert durch Membranen, bindet an membranassoziierten Rezeptor) Das Ziel dieser Signalkaskaden ist häufig eine spezifische Veränderung des Aktivitätszustandes der in der Zelle enthaltenen Proteine (Enzyme, Strukturproteine) oder die Regulation der Genexpression (Transkription, Translation). Somit können Zellen auf Reize reagieren und ihren Zustand im Rahmen ihrer genetischen Möglichkeiten ihrer Umgebung anpassen. 7 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Wie erwähnt, besitzen einige Membranrezeptoren selbst enzymatische Aktivität, die durch die Bindung eines Agonisten aktiviert oder durch die Bindung eines Antagonisten inhibiert wird. Dies ist der Fall bei der Klasse der RezeptorTyrosinkinasen (RTKs), deren Vertreter Transmembranproteine mit einer einzelnen membrandurchspannenden Domäne sind (s. Abbildung 1). RTKs binden mit ihrer extrazellulären Bindungstasche ihre Liganden (zu denen Wachstumsfaktoren und Interleukine gehören), was zu einer Oligomerisierung der Rezeptoren führt (1). Dadurch kommen sich auch die intrazellulären (Tyrosinkinase-)Domänen so nahe, dass sich die Rezeptoren wechselseitig phosphorylieren können (2). Anschließend rekrutieren die so aktivierten Rezeptoren weitere spezifische Zielproteine, die an die phosphorylierten Motive der aktivierten RTKs binden (3) und phosphorylieren diese ebenfalls an Tyrosinen. Dies führt zur Interaktion mit weiteren Partnerproteinen und zur Aktivierung des zugehörigen Signalweges (4) [Gomperts et al., 2009]. Abbildung 1: Signaltransduktion von Rezeptortyrosinkinasen (RTKs). L=(extrazellulärer) Ligand, R=Rezeptor, S=Substrat (2nd Messenger), ex=extrazellulärer Raum, in=intrazellulärer Raum, Cytosol (weitere Erklärungen s. Text) G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) sind eine Superfamilie von transmembranären Rezeptoren, die an der Verarbeitung von so zahlreichen und unterschiedlichen Signalen wie Licht (Rhodopsin), Hormonen, Neurotransmittern, Cytokinen und Geruch (olfaktorische Rezeptoren) beteiligt sind. Ihnen gemeinsam ist ihre Struktur: Sie durchspannen die Membran mit 7 Transmembranhelices (7TM), wobei der Aminoterminus stets extra- und der Carboxyterminus intrazellulär lokalisiert ist. Ihre Ligandenbindungstasche wird 8 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen gemeinsam aus den Transmembrandomänen, extrazellulären Schleifen und dem Aminoterminus gebildet. Abbildung 2: Mechanismus der Signaltransduktion von GPCRs. L: (extrazellulärer) Ligand, GPCR: G-Protein gekoppelter Rezeptor; „Stern“: Phosphat; PIP2: Phosphoinositolbisphosphat; DAG: Diacylglycerin; IP3: Phosphoinositoltrisphosphat; cAMP: cyklisches AMP (weitere Erklärungen s. Text) Durch die Bindung des Liganden wird eine Konformationsänderung des Rezeptors verursacht, die auch intrazelluläre Bereiche des Rezeptors betrifft (s. Abbildung 2, 1): Durch diese gibt der aktive Rezeptor das Signal an ein intrazelluläres, mit dem Rezeptor assoziiertes Protein (G-Protein) weiter: Das bis dahin heterotrimere G-Protein, das in seinem inaktiven Zustand ein Guanosindiphosphat (GDP) als Liganden gebunden hat, löst sich vom Rezeptor und tauscht das gebundene GDP gegen ein Guanosintriphosphat (GTP) aus (2). In diesem Zustand dissoziiert es in eine G und eine G Untereinheit (aktive 9 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Form des G-Proteins), die ihrerseits beide weitere Effektorproteine aktivieren (3). So kann – je nach Art des beteiligten G-Proteins – die aktive G Untereinheit z.B. die Adenylat-Cyclase aktivieren, die ihrerseits Adenosintriphosphat (ATP) zum second messenger cAMP (cyklisches Adenosinmonophosphat) umsetzt (4a; Gs), oder die Phospholipase C aktivieren, welche durch Spaltung des Membranbestandteils Phosphoinositolbisphosphat in Diacylglycerin und Phosphoinositoltrisphosphat für die Weiterleitung des Signals sorgt (4b; Gq). Es gibt auch inhibitorische G Untereinheiten (Gi), die die Adenylat-Cyclase hemmen und damit Antagonisten von Gs-Untereinheiten (und den mit ihnen arbeitenden Signalwegen) sind [Krauss, 1997; Löffler and Petrides, 2007; Stryer, 1996]. Auch die G Untereinheit ist aktiv: Sie kann direkt Ionenkanäle öffnen oder weitere Proteine wie die Phospholipase A2 aktivieren. Die Rückkehr der durch den Rezeptor aktivierten G-Proteine in den Ausgangszustand, also ihre Inaktivierung, erfolgt durch eine intrinsische GTPase Aktivität von G (wodurch GTP zu GDP und Phosphat hydrolysiert wird (5), das G-Protein so wieder mit der G Untereinheit trimerisieren kann und damit inaktiv wird). Auch der aktivierte Rezeptor selbst wird durch verschiedene Mechanismen wieder inaktiviert: So können G-Protein-gekoppelte Rezeptor Kinasen und cAMP-abhängige Protein Kinasen aktive Rezeptoren phosphorylieren, wodurch sie desensibilisiert und letztlich inaktiviert werden. Es gibt verschiedene G-Proteine, die mit den gleichen Rezeptoren wechselwirken (sofern sie in der Zelle vorhanden, d.h. funktionell exprimiert sind). Andererseits können sich verschiedene Rezeptoren der gleichen G-Proteine bedienen. Auf diese Weise sind verschiedene Signaltransduktionswege auf der Ebene der G-Proteine miteinander vernetzt. In der Zelle erfolgt durch die in ihr gleichzeitig nebeneinander vorhandenen G-Proteine Gs, Gq und Gi eine genau abgestimmte Antwort auf über GPCRs eintreffende Signale. Die Verknüpfung und Wechselwirkung der meisten Signalwege führt dazu, dass sie eher in der Art eines komplexen Netzwerks verbunden sind als in der Form einer eindimensionalen Kaskade. Die große funktionelle Bedeutung von GPCRs wird auch dadurch deutlich, dass sie häufig als molekulare Wechselwirkungspartner von Medikamenten verwendet werden: Es wird geschätzt, dass über 30% aller verschriebenen Medikamente direkt an GPCRs als molekularer Zielstruktur wirken [Hausch, 2008]. Etwa 50% aller bekannten Medikamente wirken über GPCRs und die mit ihnen verknüpften Signalwege [Alberts et al., 2008]. 10 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 2.1.1.3 Spezielle membranäre Rezeptoren 2.1.1.3.1 NPY und NPY Rezeptor In dieser Arbeit wurde humaner Y5 (Isoform 5 des Neuropeptid Y Rezeptors) als ein typischer Vertreter der Klasse G-Protein gekoppelter Rezeptoren verwendet. Der Neuropeptid Y Rezeptor ist ein GPCR vom Rhodopsin-Typ (s. Abbildung 3). Es sind 5 Isoformen bekannt, von denen Y1 und Y5 eine Rolle in der Steuerung der Nahrungsaufnahme spielen. Sein Ligand ist das Neuropeptid Y, ein aus 36 Aminosäuren bestehender Neurotransmitter, der im Gehirn und im autonomen Nervensystem vorkommt (MW 4,14 kDa). Er wurde mit der Regulation des Energiehaushaltes, dem Lernen und Epilepsie assoziiert. Abbildung 3: links: Neuropeptid Y (Struktur nach [Sjodin et al., 2006] und Kristallstruktur [Monks et al., 1996]); rechts: Rezeptor Y5, schematisch nach [Hazelwood, 1993] und [Alberts et al., 2008] AS-Sequenz von NPY [Tatemoto, 1982] YPSKPDNPOEDAPAEDLARYYSALRHYINLITRQRY Tyr-Pro-Ser-Lys-Pro-Asp-Asn-Pro-GIy-Glu-Asp-Ala-Pro-Ala-Glu-Asp-Leu-AIaArg-Tyr-Tyr-Ser-Ala-Leu-Arg-His-Tyr-IIe-Asn-Leu-Ile-Thr-Arg-GIn-Arg-Tyr-NH2 2.1.1.3.2 Ras Proteine Die intrazelluläre Signaltransduktion benutzt zentrale Schnittstellen (gewissermaßen Knotenpunkte im Netzwerk), die Signale empfangen, integrieren, modulieren und weiterleiten. Kleine G-Proteine, von denen Ras ein bekannter 11 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Vertreter ist, sind intrazellulär lokalisierte, membranassoziierte kleine GTPasen, die eine Schalterfunktion erfüllen. Sie besitzen eine Masse von 20 bis 40 kDa. Wie ihre heterotrimeren Verwandten sind auch kleine G-Proteine mit einem Lipid-Anker intrazellulär in der Plasmamembran verankert (s. Abbildung 4). Abbildung 4: Ras. (Struktur nach [Krauss, 1997]; Anker nach J. Kuhlmann (MPI, Dortmund)). Die gezeigte Struktur wurde mit dem gebundenen GTP-Analog imino-GTP (GppNHp) aufgeklärt; die Loops 2 und 4 besitzen eine Schalterfunktion bei der GTP-Hydrolyse (Krauss). Der gezeigte Lipidanker war in dem verwendeten Konstrukt (nicht aber bei der Strukturaufklärung) vorhanden [Brunsveld,L. et al., 2006a; Brunsveld,L. et al., 2006b]. Im Gegensatz zu den großen heterotrimeren G-Proteinen, bestehen diese nur aus einer Untereinheit, die jedoch ebenfalls in der GTP gebundenen Form (RasG) aktiv ist, d.h. in diesem Zustand werden die Wechselwirkungspartner von Ras aktiviert, wodurch hauptsächlich Zelldifferenzierung, Proliferation und Wachstum auf der Ebene der Gen-Expression stimuliert werden. Ras Proteine werden direkt durch Helferproteine, sogenannte Guanin Nukleotid Austausch Faktoren (GEFs), aktiviert. Diese sorgen für den Austausch eines gebundenen GDP gegen ein GTP und werden ihrerseits durch membranständige RTKs und GPCRs reguliert. Durch GTPase-aktivierende Proteine (GAPs) wird RasG wieder inaktiviert. Auf diesem Weg erfolgt die Aktivierung der weiteren Stationen z.B. des Ras-Raf-Signalwegs oder des MAPK-Weges (s. Abbildung 5). 12 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Abbildung 5: Ras im zellulären Zusammenhang, nach [Hanahan and Weinberg, 2000] und [Alberts et al., 2008] Ras Proteine haben seit einiger Zeit großes Interesse durch ihre Funktion als humane (Proto-)Onkogene hervorgerufen. Es wurde gezeigt, dass durch Mutationen des ras Gens, die zu einer aktiveren Form von Ras führen, die Entstehung und Promotion von Krebs begünstigt werden kann: Ende der 1980er Jahre wurde erkannt, dass nahezu 30% aller solider menschlicher Tumoren Mutationen des ras-Gens aufweisen, das für das 21 kDa große Ras Protein (p21) kodiert [Bos, 1989]. Diese Mutationen führen z.B. durch Hemmung oder Verlust der intrinsischen GTPase Aktivität von Ras zu einem übermäßig aktivierten Ras Signalweg [Reuter et al., 2000]. Die normalerweise vorhandene Kontrollfunktion von Ras ist damit vermindert oder ausgesetzt. Da Ras z.B. Signale für die Proliferation von Zellen überwacht, kann ein daueraktives Ras zu unkontrolliertem Wachstum und damit zu Krebs führen. Da es sich bei Ras um einen zentralen Schalter handelt, an dem mehrere Signalwege zusammen- 13 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen führen, und der wiederum unterschiedliche Signalwege aktivieren kann, wird verständlich, warum gerade dort aktivierende Mutationen Krebszellen besonders begünstigen, sich also besonders gravierend auswirken können. Es besteht die Hoffnung, dass durch das Verständnis, wie die GTPase Aktivität im Wildtyp-Protein durch GAPs aktiviert wird, in Zukunft Medikamente entwickelt werden können, die denselben Effekt in den mutierten Ras-Proteinen erzeugen (und dadurch seine Daueraktivität verhindern). Damit wäre es möglich, einer weit verbreiteten molekularen Ursache von Krebs gezielt entgegenzuwirken. Obwohl zur Krebsentstehung in aller Regel mehrere Mutationen und weitere Veränderungen der Zelle beitragen, ist durch diesen Weg ein erfolgversprechender Ansatz der Bekämpfung dieser Zivilisationskrankheit gegeben [Downward, 2003]. 2.1.2 Lipide und Membranen Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt, sind Zellen, insbesondere höhere, eukaryotische Zellen, durch biologische Membranen kompartimentiert: Zum einen umschließt die äußere Abgrenzung einer Zelle, die Plasmamembran, das Cytosol und grenzt sie so von der Umgebung ab. Andererseits ist auch das Innere der Zelle durch Membranen in funktionelle Bereiche geteilt: den Zellkern, in dem die DNA vorliegt, das endoplasmatische Retikulum, das der Proteinsynthese und -faltung dient, die Mitochondrien, die als „Kraftwerke“ der Zelle fungieren und Lysosomen, in denen Makromoleküle wieder zu ihren Bestandteilen verdaut werden. Viele dieser Funktionen sind ohne eine Kompartimentierung nicht denkbar. So wird z.B. die Energie in den Mitochondrien durch die Oxidation von Zuckern „gewonnen“, wobei die frei werdende Energie durch eine Kopplung der beteiligten Reaktionen dem Aufbau eines Protonengradienten über die innere Membran der Mitochondrien dient. Dieser Gradient wird dazu genutzt, ebenfalls über gekoppelte Reaktionen, die stark endergonische Synthese von Adenosintriphosphat anzutreiben (d.h. die Kondensation von Phosphat und ADP zu ATP), das als unmittelbarer Energielieferant der Zelle dient (chemiosmotische Kopplung). 14 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Abbildung 6: Lipid-Doppelschicht: schematische Darstellung (links; beispielhaft sind transmembranäre und periphere Proteine angedeutet) und rastertunnelelektronenmikroskopische Aufnahme (rechts; Erythrocyten aus [Stryer, 1996]) Ein anderes Beispiel ist der lysosomale Abbau von alten Organellen und Proteinen, sowie von in die Zelle gelangten Bakterien und Viren. Dieser Verdau findet bei einem pH von etwa 4.5 durch eine Vielzahl von Enzymen statt, also deutlich unter dem pH des Cytosols (pH 7.2). Die Kompartimentierung verhindert hier also den unabsichtlichen Abbau von noch benötigten zellulären Bestandteilen. Biologische Membranen dienen also oft der Strukturierung und Isolierung, sowohl in räumlicher Hinsicht, als auch was den pH und Ionen angeht. Somit können über Membranen Potentiale erzeugt werden, nämlich elektrische, osmotische und pH-Gradienten. Außerdem sind in die Membranen periphere und transmembranäre Protein eingebettet, die zahlreiche Funktionen vermitteln. Membranen bestehen aus einer amphipatischen Lipid-Doppelschicht (s. Abbildung 6), die aus einer Vielzahl von Lipiden zusammengesetzt ist: In eukaryotischen Membranen herrschen Phospholipide vor. Es sind aber auch Sphingolipide, Glycolipide und Cholesterol am Aufbau von Membranen beteiligt (s. Abbildung 7). 15 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Abbildung 7: Struktur von Phospholipiden und von Cholesterol. Schematische Darstellung eines Lipids mit hydrophoben Fettsäuren (FS), die mit Glycerol verestert sind, dessen dritte Hydroxylgruppe mit einem Phosphatsäurester verstert ist, der polaren Kopfgruppe (P) (links oben); daneben und darunter: Strukturen von Phosphatidsäure (Fischer-Projektion), die zusammen mit den darunter dargestellten Kopfgruppen (R1) wichtige Phopholipide bilden (veresterte Hydroxylgruppe grau hinterlegt); unten: Cholesterol (Strukturformel und räumliche Darstellung) Die Zusammensetzung der am Aufbau von biologischen Membranen beteiligten Lipide schwankt dabei recht stark (s. Tabelle 3). Ebenso veränderlich ist der Anteil von Proteinen an der Membran und deren Identität. Die Zusammensetzung der Membran hat deutlichen Einfluss auf die höchste Phasenübergangstemperatur (Übergang von gelartigem zum flüssigkristallinen Zustand, der durch eine deutlich höhere Mobilität der Membranbestandteile gekennzeichnet ist). Bereits Membranen aus einzelnen Phospholipiden besitzen (u.a. aufgrund ihrer unterschiedlichen Fettsäuren und deren Packungsdichte) deutlich unterschiedliche TC (s. Tabelle 2). Der Anteil von Lipiden zu Proteinen in Membranen tierischer Zellen schwankt – je nach Zelltyp – zwischen 24-79% an Lipiden zu 76-18% an Proteinen [Löffler and Petrides, 2007]. Der Anteil von Kohlenhydraten (in Form von Glycolipiden, Glycoproteinen und als Bestandteil von Lipid-Ankern (z.B. GPI-Anker)) liegt unter 10%. 16 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Tabelle 2: Schmelztemperaturen verschiedener Phosphatidylcholine Lipid TC einer nur aus Lipid bestendenden Membran [°C] Di-Lauroyl-PC (DLPC) 0 Di-Myristoyl-PC (DMPC) 22 Di-Oleoyl-PC (DOPC) -22 Di-Palmitoyl-PC (DPPC) 41 Ei-Lecithin (PC) 10 (PC: -Phosphatidylcholin) Cholesterol (Abbildung 7) kommt bei der Zusammensetzung von Membranen eine Sonderstellung zu, da es aufgrund seiner starren Konformation und seines relativ großen, planaren Ringsystems nicht optimal in die Packung der aliphatischen Ketten der Fettsäurereste in der Membran passt und so als Störstelle wirkt. Dadurch trägt es unterhalb der TC zur Erhöhung der Fluidität von Membranen bei. Oberhalb der TC verringert es die Fluidität eher. Cholesterol kann alleine keine Membranen oder Vesikel bilden. Tabelle 3: Häufige Lipide und ihr Vorkommen in Membranen; [Anteil in Massenprozent des Gesamtlipids] Lipid Leberzelle Rotes Blutkörperchen (Erythrozyt) Mitochondrium (innere und äußere Membran) Bakterium (E. Coli) PC 24 17 44 0 PS 4 7 2 (Spuren) PE 7 18 28 17 Sphingomyelin 19 18 0 0 Glycolipide 7 3 (Spuren) 0 Cholesterol 17 23 3 0 PC: Phosphatidylcholin; PS: Phosphatidylserin; PE: Phosphatidylethanolamin; nach [Alberts et al., 2008] Durch seine nur schwach hydrophile Hydroxylgruppe als Kopfgruppe kann es in einem als Flip-Flop-Mechanismus bezeichneten Vorgang von einer Seite des Bilayers zur anderen wechseln. Dies ist anderen Membranbestandteilen wie Proteinen, Phospholipiden etc. nur begrenzt, bzw. bei Lipiden nur langsam bei 17 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Temperaturen im Bereich der TC oder darüber möglich [Kornberg and McConnell, 1971]. Deshalb können biologische Membranen asymmetrisch gebaut sein, also eine unterschiedliche Zusammensetzung von äußerer und innerer Monolage, sowie gerichtet in die Membran eingefügte Proteine aufweisen. 2.1.3 Cytosolische Rezeptoren, Transkriptionsfaktoren Im Gegensatz zu den in Kapitel 2.1.2 beschriebenen membrangebundenen Rezeptoren dienen intrazelluläre Rezeptoren der Umsetzung von Signalen, welche entweder die Zellmembran passieren können oder von intrazellulär erzeugten Signalen (wie z.B. p53, das als „Wächter des Genoms“ bei auftretenden DNA-Schäden u.a. über transkriptionelle Aktivierung für deren Reparatur sorgt [Lane, 1992]). Bei den hier besprochenen cytosolischen Rezeptoren handelt es sich um Transkriptionsfaktoren. Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die an spezifische DNA-Sequenzen binden können und dadurch die Aktivität der RNA-Polymerase steuern. Dieses Enzym ist verantwortlich für die Durchführung der Transkription, also der Synthese einer RNA aus der kodierenden DNA, die dann (im Fall von messenger-RNA, mRNA) ins Cytosol geschleust und dort zu Proteinen translatiert wird. Diese Funktion nehmen Transkriptionsfaktoren oft in Proteinkomplexen zusammen mit anderen Proteinen (z.B. Kofaktoren, Polymerase etc.) wahr. Viele Transkriptionsfaktoren sind ligandengesteuert, also Rezeptoren im engeren Sinn. Bei den Liganden dieser Transkriptionsfaktoren handelt es sich in der Regel um hydrophobe Substanzen, beispielsweise um Steroidhormone, Retinolsäure oder Trijodthyronin, aber auch um hydrophobe Fremdstoffe (Dioxine, PCBs), die an derartige Rezeptoren binden können. Tabelle 4 nennt einige bekannte Transkriptionsfaktoren und deren Liganden. Wie alle Proteine werden Transkriptionsfaktoren im Cytosol synthetisiert; ihr Wirkungsort ist jedoch der Zellkern, wo die DNA vorliegt. Häufig gelangen sie erst nach der Bindung ihrer Liganden an den Rezeptor dorthin, d.h. der LigandRezeptor-Komplex wird in den Zellkern importiert, wo er an die DNA bindet und die Transkription spezifischer Gene steuert. 18 Kapitel 2: Theoretische Grundlagen Tabelle 4: Cytosolische / lösliche Rezeptoren Name Abkürzung Klasse / Nomenklatur Ligand(en) Aryl hydrocarbon receptor (Dioxin receptor) AhR bHLH/PAS Arachidonsäure, Bilirubin, Dioxin, PCBs Aryl hydrocarbon receptor nuclear translocator ARNT bHLH/PAS - (Bindungspartner von aktiviertem AhR) Thyroid hormone receptor TR NR1A1 TR NR1A2 Vitamin D receptor VDR NR1I1 1,25-Dihydroxy Vitamin D3, Litocholsäure Estrogen receptor ER NR3A1 Estradiol-17, Tamoxifen, Raloxifene ER NR3A2 Estradiol-17, verschiedene synthetische Liganden Androgen receptor AR NR3C4 Testosteron, Flutamid Liver receptor homologous protein 1 LRH1 NR5A2 (Orphan) Thyroid hormon T3 (Englische Namen, die daraus abgeleiteten gebräuchlichen Akronyme, systematische Nomenklatur, Bindungsmotiv und typische Liganden) Unter den 48 bekannten NRs, die das menschliche Genom enthält, sind nur für die Hälfte Liganden bekannt, die anderen zählen zu den sog. „Orphan Receptors“, also Rezeptoren ohne (bekannte) Liganden. Teilweise fehlt diesen sogar eine Ligandenbindungstasche, so dass angenommen werden kann, dass sie auf anderem Weg reguliert werden. NR Proteine haben eine gemeinsame Struktur (Abbildung 8): Sie bestehen aus drei Domänen: der N-terminal gelegenen A/B Region, die die TransaktivierungsDomäne (AF-1) enthält und mit Cofaktoren und/oder anderen Transkriptionsfaktoren wechselwirkt. Sie variiert bei den verschiedenen Familienmitgliedern in Sequenz und Länge. An sie schließt sich die DNA-Bindungs-Domäne (DBD) an, die bei fast allen NRs konserviert ist. Sie enthält zwei Zink-Finger Motive, die in die große Furche der DNA an bestimmte Erkennungssequenzen (Recognition Element, RE) binden. 19