Grüne Wände - Marius Leutenegger

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Wohnen
Auszug aus der Zeitschrift
Grüne Wände
erschienen am
31. Juli 2014
©Etzel Verlag AG
Zurück zur Natur: Dank neuer Technologien lassen sich Innen- und Aussenwände
eines Einfamilienhauses attraktiv begrünen, ohne Schaden zu nehmen.
Von Marius Leutenegger und Erik Brühlmann
Grün macht glücklich und gesund Dass eine begrünte Hauswand,
egal ob innen oder aussen, bewundernde Blicke von Passanten
und Besuchenden nach sich zieht, steht ausser Frage. Die «lebenden Wände» des Franzosen Patrick Blanc, die Museen, Brücken
oder Shopping-Malls zieren, sind mittlerweile weltberühmt und
sorgen auch langfristig für Aufsehen. Es ist aber nicht allein die
Ästhetik, welche die Entwicklung moderner hängender Gärten
vorantreibt. Die Begrünung hat auch handfeste Vorteile: Sie verbessert das Mikroklima, vor allem die Luftfeuchtigkeit – ganz
ähnlich, wie das auch Topfpflanzen tun. Sie bindet Schadstoffe
wie zum Beispiel Feinstaub, und sie mindert die Schallreflexion.
Richtig konzipiert, sparen lebende Wände zudem Geld, denn sie
können im Sommer als Hitzeschutz die Fassade vor intensiver
Sonneneinstrahlung bewahren und für einen Kühleffekt sorgen;
im Winter wirken sie dämmend. Schliesslich sind begrünte Fassaden auch ein physischer Schild, der das Mauerwerk vor UVEinstrahlung, Hagel und Verschmutzung schützt.
Foto gross) Je grosszügiger die begrünte Fläche, desto effektvoller wirkt sie. Hydroplant AG
1) Ein Pionier der Wandbegrünung war der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser.
Er gestaltete zum Beispiel das 1997 eröffnete Hotel Bad Blumenau östlich von Graz.
2) Der Franzose Patrick Blanc ist der König der Vertikalbegrünung. In Toulouse verwandelte er
das populärwissenschaftliche Museum Astralia in eine Art Hobbit-Tempel.
3) Wild-romantisch: Efeu rankt sich ungehindert an der Fassade hinauf.
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Die Kräfte der Natur lenken Eine fachgerechte Wandbegrünung
setzt allerdings einiges Know-how voraus. Ein paar Weinreben in
Wandnähe zu pflanzen und zu hoffen, dass dann schon alles gut
kommt, reicht nicht. Zum einen würde es viel zu lange dauern, bis
die Kletterpflanze die ganze Fassade bedeckt. Zum anderen läuft
man Gefahr, früher oder später tief ins Portemonnaie greifen zu
müssen, wenn man die Natur einfach Natur sein lässt. Kletter- und
Schlingpflanzen können nämlich problemlos den Fassadenputz
ruinieren, Dachrinnen und Abflüsse durchbohren und in jede
Ritze des Mauerwerks eindringen. Welche Kräfte Pflanzen ent­wickeln, erkennt man manchmal am Strassenbelag, der von darunter liegenden Wurzeln einfach hochgehoben wird.
Raffinierte neue Systeme Mittlerweile sind aber verschiedene
Systeme auf dem Markt, die eine gefahrlose Wandbegrünung ermöglichen. Das Angebot reicht von simplen Wachstumshilfen
aus Draht für Schlingpflanzen über Gitterkonstruktionen, die
Foto: zvg
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Foto: zvg
Trend seit 40 Jahren Die bewusste und grossflächige Bauwerksbegrünung, wie wir sie heute kennen, ist noch jung. Sie kam mit
der Öko-Bewegung in den 1970er-Jahren und der Begrünung von
Flachdächern auf. Man wollte der Natur etwas zurückzugeben,
Natur und Zivilisation miteinander kombinieren. Wer grün baute,
galt damals allerdings als eine Art Architektur-Hippie – wie der
Österreicher Friedrich Hundertwasser, der zu den Pionieren der
Bepflanzung von Häusern zählt. Inzwischen ist die Überzeugung,
dass die Natur auch im bebauten Raum ihren Platz braucht, zum
Gemeingut geworden; beim viel diskutierten nachhaltigen Bauen
spielt auch das Grün in der Architektur eine immer wichtigere
Rolle.
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Foto: heritagehomeinspections.com
> Begrünte Gebäude sind keine neue Erscheinung. Einst rankten
sich an fast jedem Bauernhaus Efeu oder Reben empor, und wohl
jeder kennt Bilder englischer Herrenhäuser, bei denen man die
graue Wand vor lauter Grün nicht mehr sieht. Solche Fassadenbegrünungen waren aber oft nicht geplant: Aus Ritzen und auf
dem Dach sprossen Kraut und Busch, und der Mensch liess die
Natur gewähren.
Das Einfamilienhaus 4/2014_151
Wohnen
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«Jede Wand kann begrünt werden»
Wie gross ist die Nachfrage nach begrünten Wänden im Bereich
Einfamilienhäuser?
der Fassade vorgebaut werden, bis hin zu raffinierten Pflanz- und
Bewässerungssystemen für Innen- und Aussenwände. Einen besonderen Weg gehen Nathalie Gomes und Miguel Zwimpfer mit
ihrem System Gomes Vertical Green. Die Vertikalbegrünungen
der Innenarchitektin und des Schiffsbauers kommen gänzlich
ohne Pflanzmulden und Substrate aus. «Unser System besteht
aus einem Geflecht aus elastischem Gewebe, in das die Pflanzen
einfach hineingesetzt werden», erklärt Nathalie Gomes. «Dahinter
befindet sich als Substratersatz ein speziell entwickelter Nadelfilz;
er wird zur Wand hin von einer Kunststoffplane abgeschlossen.»
Foto: Nathalie Gomes
Foto: Nathalie Gomes
Im Vergleich zu Anfragen von Firmen und Betreibern öffentlicher Gebäude gibt es noch immer eher wenige Anfragen
von Privaten. Es ist längst nicht überall bekannt, dass man
auch Einfamilienhäuser mit vertikaler Begrünung ausstatten
kann, meist hört und liest man ja nur von Grossprojekten wie
Einkaufszentren oder Hochhäusern. Im Grunde kann aber
auch jedes Einfamilienhaus seine grüne Wand haben.
Geranie. Weil sich die Pflanzen bei Bedarf austauschen lassen,
können auch einjährige Gewächse eingesetzt werden – das ermöglicht viel Flexibilität bei der Gestaltung. Das grösste Problem sei
hierzulande aber das Wasser, sagt die Expertin. «In vielen Regionen ist das Wasser sehr hart. Das kann schnell zur Verkalkung
des Bewässerungssystems führen und die Pflanzen angreifen.»
Deshalb messen die Installateure die Wasserhärte bei der Montage
und schalten wenn nötig einen Ionentauscher zur Entkalkung vor.
(Fast) alle Pflanzen sind möglich Diese Textillösung garantiert
höchste Flexibilität, sowohl beim Bepflanzen als auch bei der
Formgebung – von rund bis eckig ist alles möglich. Das Textilgerüst kann in einen dekorativen Rahmen gespannt und vor die
Wand gestellt oder direkt mit Abstand an die Wand verbaut werden. Auch freistehende Trennwände sind möglich. «Dadurch, dass
wir keinerlei Substrate verwenden, können auch Allergiker mit
einer begrünten Wand leben», erwähnt Gomes einen weiteren
Vorteil des Systems. Bewässert und gedüngt wird der Filz, in den
die Pflanzen ihre Wurzeln schlagen, über ein integriertes System.
Im Prinzip können alle Pflanzen eingesetzt werden, vom herkömmlichen Efeu über exotische Gräser bis zur allseits beliebten
Natur lässt sich nicht berechnen Wer jetzt gleich eine grüne Wand
plant, muss aber denken: Selbst wenn man mit grösster Sorgfalt
und der fachkundigen Hilfe des Profis vorgeht, kann die Wandbegrünung aber fehlschlagen. Die Natur arbeitet nach eigenen Gesetzen. Dies kann auch der malaysische Stararchitekt und Pionier
des nachhaltigen Bauens Kenneth Yeang bestätigen. Er integriert
bereits seit Jahrzehnten Natur in seine Gebäude. «Bei einem unserer Projekte in Skandinavien wollten die ausgesuchten Pflanzen
auf der Westseite einfach nicht wachsen», sagt er. Auf allen Seiten
des Gebäudes wurden dieselben Arten in die Fassade integriert,
doch auf der Westseite verkümmerten die Pflanzen. «Wir haben
die Gründe dafür nie herausgefunden», meint Yeang, der diese
Niederlage jedoch sportlich nimmt: «Wir arbeiten eben mit der
Natur – und die lässt sich niemals zu 100 Prozent berechnen.» <
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Gilt das für Innen- und Aussenwände, vom Wellnessbereich im Keller
bis zur Modelleisenbahnanlage auf dem Dachboden?
Wir sind zwar auf Innenwände spezialisiert, aber grundsätzlich kann jede Wand begrünt werden. Für unser System ist
eine stabile Wand nötig, auf die sich die Rahmenkonstruktion sicher montieren lässt. Und dann braucht es natürlich
genügend Licht. Wo das nicht vorhanden ist, zum Beispiel
im Keller, helfen wir mit speziellen Pflanzenleuchten nach.
Geht es den Kunden vor allem ums Aussehen oder auch um den
Wohnkomfort?
Es gibt beides. Man merkt im Gespräch recht schnell, wer
einfach eine dekorative Wand haben möchte und wem anderes ebenso wichtig ist. Oft werden Fragen zur Raumakustik oder Luftfeuchtigkeit gestellt. Aber im Grunde spielt die
Motivation keine Rolle, denn mit einer Vertikalbegrünung
erhält ein Kunde sowieso das Gesamtpaket aus schön und
gesund.
Wieviel Pflege benötigt eine solche Wand?
Das kommt auf die Bepflanzung an. Man sollte die Pflanzen
regelmässig düngen, sie etwa viermal im Jahr zurückschneiden
und die vertrockneten Blätter entfernen. Wir übernehmen
diese Arbeiten im Abonnement, auch bei Privatkunden. Dafür erfreut eine gut gepflegte Wand den Kunden dann auch
sehr lange.
Mit «Verticalis» haben Sie auch eine Mini-Alternative in Form von
«grünen Bildern» im Angebot…
Richtig. Diese Bilder kann man selbst mit ein paar Schrauben
an die Wand hängen und ohne technischen Aufwand von
Hand bewässern. Dafür gibt es seitliche Öffnungen am Bild,
sodass man das Bild noch nicht einmal abhängen muss.
Foto: Nathalie Gomes
Moritz Küderli ist Inhaber und
CEO von Hydroplant. Das Zürcher
Unternehmen gestaltet grüne
Wände für Innen- und Aussen­räume, aber auch «grüne Bilder»
für kleinere Budgets.
1) Nathalie Gomes und Miguel Zwimpfer gehen neue Wege bei der Vertikalbegrünung.
2) Gut beleuchtet kann ein begrünter Gartensitzplatz zum Spektakel werden.
3) Für Wandgrün ist Platz in der kleinsten Hütte. «Verticalis» von Hydroplant.
4) Das System Gomes «Vertical Green»: Wie auf einer Leinwand wird mit den Pflanzen «gemalt», bis das Bild den Wünschen entspricht.
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Bezugsquellen
Gomes Design & Technic
8836 Bennau
www.gomesdt.ch
Hydroplant AG
8052 Zürich
www.hydroplant.ch
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