STRAHLENTHERAPIE - Begriffsdefinition Strahlentherapie (Radiotherapie) = Überbegriff Therapeutische Anwendung ionisierender Strahlung bei gutartigen (<5%) und bösartigen Erkrankungen (>95%) Radioonkologie = Therapeutische Anwendung ionisierender Strahlung nur bei malignen Erkrankungen STRAHLENTHERAPIE - Behandlungsziel Nahezu jeder Zweite erkrankt an Krebs (40.5%) Fast jeder Vierte stirbt an Krebs (22.3%) STRAHLENTHERAPIE - Behandlungsziel Führende Todesursachen in den USA Cerebrovaskuläre Erkrankungen 6,9% Krebs 23.3% Pneumonien & Influenzainfektionen 3,6% Unfälle 4,1% Herzerkrankungen 31,7% Andere Ursachen 25,8% Chronische Lungenerkrankungen 4,6% STRAHLENTHERAPIE – Kurative Behandlung Europäische Union (Europa gegen Krebs) 1,2 Mio. Menschen pro Jahr erkranken an Krebs Ca 45-50% werden geheilt Operation Radiotherapie (+/- komb. Therapie) Chemotherapie (+/- komb. Therapie) 11% 49% 40% STRAHLENTHERAPIE – Kurative Behandlung Stellenwert der Radioonkologie in der Krebstherapie Die Radioonkologie ist ein eigenständiges, klinisches Fach und wendet zusätzlich moderne Systemtherapien an („targeted therapies“, Chemotherapien) im Sinne von Radio-Chemotherapien Enge Zusammenarbeit mit - Operativen Fächern (Neurochirurgie, HNO, Thorax-, Bauchchirurgie, Orthopädie, Gynäkologie…) - Pathologie - Diagnostische Radiologie - Hämatoonkologie Eigenständiges onkologisches „Querschnittsfach“ STRAHLENTHERAPIE – Kurative Behandlung Produktion von Strahlung / Linearbeschleuniger Feldformung durch Multi-leaf Kollimator 7. Semester Kursteil 1 / Einführung - Strahlenbiologie Punktquelle (1mm x 3mm, 192Ir) 2D-Dosisverteilung dwell position / dwell time 2D-Dosisverteilung Prostatakarzinom – temporäre HDR Brachytherapie STRAHLENTHERAPIE – Kurative Behandlung Klinischer Bezug Radiotherapie ist traditionell die Therapie der Wahl nach der Operation Erhalt der Sehkraft Risikoorgane Chiasma Hirnstamm Hypophyse Augenlinse Tränendrüse Tumorkontrolle Visus 0.1 MR Konf. RT 54 Gy 3 Jahre n. RT Visus 1.0 STRAHLENTHERAPIE – Kurative Behandlung Klinischer Bezug (hier Optikusgliom) Wirkung von Strahlung auf Tumorzellen (hier : Tumor li Auge) Normalgewebe (hier : Tränendrüse, Linse…) Zielstrukturen der Strahlung auf zellulärer Ebene DNA / Chromosomensätze Zellzyklus / -teilungsraten (Tumor- und Normalgewebe) 1. Auswahl der Gesamtdosis 2. Aufteilung der Bestrahlung (=Fraktionierung) zur maximalen Tumorkontrolle bei minimalem Nebenwirkungsrisiko 3. Auswahl der Bestrahlungstechnik und Strahlenqualität STRAHLENTHERAPIE – Kurative Behandlung Klinischer Bezug Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle Reduktion der Nebenwirkungen Zielvolumen (Tumorgebiet / Normalgewebe) Techniken Integrierung moderner Bildgebung (Erkennung / „Targeting“) Dosiskonzepte Fraktionierungsschemata Notwendige Dosis zur Tumorkontrolle (Heilung) Maximal tolerable Dosis für Normalgewebe (Nebenwirkungen) Qualitätssicherung reproduzierbare, sichere Therapie Grundkenntnisse in Strahlenphysik und Strahlenbiologie STRAHLENPHYSIK / -CHEMIE Wirkung ionisierender Strahlung auf Gewebe Gesundes Gewebe Tumorgewebe STRAHLENPHYSIK / -CHEMIE ...Ionisationen sind diskrete Zufallsereignisse... • 70-90% der Ionisationen sind in die Radiolyse von H2O involviert und führen somit zur Bildung von freien Radikalen (OH• und H+) STRAHLENPHYSIK / -CHEMIE Indirekte Strahlenwirkung - Sekundäreffekte H° + OH ° H2O e- + OH ° OHH+ + OH- H2O e- aqu + e- aqu H2 + 2OHOH° + OH° H2O2 Sauerstoffeffekt e- + O2 H° + O2 2HO2° HO2° + H° O2HO2° H2O2 + O2 H2O2 STRAHLENPHYSIK – Definition - RBW Relative Biologische Wirksamkeit (RBW) - biologische Wirksamkeit resultiert aus der Ionisationsdichte - ist umso größer, je dichter die Ionisationen erfolgen = D (Gy) von 60Co-Strahlung / D (Gy) der untersuchten Strahlung (bei gleichem biologischen Effekt) hoher LET Strahlenart -Strahlen schnelle n niedriger LET Rö.-Strahlen 60Co-Strahlung e--Strahlung Qualitätsfaktor 20 10 1 1 1 LET (keV/µm) 90 21 2,5 0,3 0,2 STRAHLENPHYSIK / -CHEMIE Direkte und indirekte Schädigung der DNA STRAHLENBIOLOGIE Strahlenwirkung auf die DNA ~ 100 strahleninduzierte Läsionen wurden bisher identifiziert, aber nicht alle sind gleich kritisch Aufgrund der Tatsache, daß: 1. 10-15 eV den Verlust einer Nukleotidbase (AP-Site) initiieren können 2. (A) DNA-Reparatur, (B) „Adaptiver Response, (C) Immuno-Surveillance, (D) Apoptotische Pathways unwahrscheinlich 100 % fehlerfrei sind Gegenwärtige Philosophie des Strahlenschutzes: Selbst die niedrigste Strahlendosis birgt ein bestimmtes, wenn auch extrem geringes Risiko einer Genomschädigung, die zur Tumorinduktion oder genetischen Schädigung führen kann (keine Schwelle). STRAHLENBIOLOGIE Chromosomenaberrationen ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE „Die Strahlenempfindlichkeit einer Zelle/eines Gewebes nimmt mit steigender Proliferation (Teilungs- oder Zellneubildungsrate) zu und mit höherer Zelldifferenzierung ab.“ Bergonie und Tribondeau (1906) „Alle Gewebe sind strahlensensibel, aber einige Gewebe sind strahlensensibler als andere.“ J.E. Coggle (1977) • Zellteilung (Mitose) ist ein strahlensensibler Prozess •„Proliferierende Gewebe sind radiosensitiv • „Akut reagierende Gewebe“ (Haut, Knochenmark, Gonaden..) • „Spät reagierende Gewebe“ (Lunge, Niere, Knochen, Bindegewebe..) Normalgewebsreaktionen sind für die Strahlentherapie von entscheidender Bedeutung ! ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE Der Zelltod nach einer Bestrahlung ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE Der Zelltod nach einer Bestrahlung Morphologisch und zellbiologisch: Zelltod bedeutet, dass die Zelle ihre Funktion aufgibt und sich durch Nekrose (irreversible Zellschädigung, die durch Zellschwellung und Auflösung von Zellorganellen charakterisiert ist) oder Apoptose (programmierter Zelltod) auflöst. Strahlenbiologisch: Wichtigste Rolle spielt eine funktionelle Definition des Zelltodes, die durch den Verlust der unbegrenzten Teilungsfähigkeit (klonogener Zelltod, reproduktiver Zelltod) gekennzeichnet ist. Mitosetod: Chromosomenschäden führen dazu, dass nach ein, zwei oder mehr Mitosen eine Teilung nicht mehr vollendet werden kann. Interphasetod: Ein frühes Apoptoseprogramm führt dazu, dass die Zellen bereits vor der Mitose ohne jegliche Teilung sterben. Differenzierung: Aus klonog. Zellen entstehen terminale Funk.-Zellen, die keine Kolonien mehr bilden. ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE Strahlensensibilität verschiedener Zellzyklusphasen (G0 + G1 + S + G2 = Interphase) Zellzykluszeit (HeLa -Zellen) G1 S G2 M Unser heutiges Wissen über die Zellzyklusphasen beruht auf autoradiographischen Untersuchungen von Howard und Pelc. 11 h 8h 4h 1h ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE Strahlensensibilität verschiedener Zellzyklusphasen Strahlensensibilität von Zellen in der Intermitosephase (nach Fritz-Niggli, 1988) ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE Effekt der Fraktionierung ZELLULÄRE STRAHLENBIOLOGIE Sauerstoffeffekt Sauerstoffverstärkungsfaktor = Dosis - anoxische Bedingungen Dosis - oxische Bedingungen Bei Strahlen mit niedrigem LET ist die Strahlenresistenz unter anoxischen Bedingungen erhöht Gefäßarchitektur Kolonwand Gefäßarchitektur Kolon-Ca. Konerding et al. 1998 a = Arterie, v = Vene, c = Kapillare, Vergr. 200 x * Gefäßabflachung, Gefäßsprossung, Vergr. 130 x Einflußfaktoren auf die lokale Tumorkontrolle - 5. Hypoxische Tm-Zellfraktion / Reoxygenierung - Reoxygenierung während fraktionierter Strahlentherapie. Unmittelbar nach Bestrahlung sind alle überlebenden klonogenen Zellen hypoxisch. Bis zur nächsten Fraktion kommt es zur Reoxygenierung. Dies wiederholt sich über die Behandlung. (nach Hall) Sauerstoffeffekt Hypoxie in soliden Tumoren – ein Problem für die Effektivität der Strahlentherapie Tumorhypoxie = schlechte Prognose nach Radiatio ? Response (%) 5 J LC/ N=31 Cervix (Kolstad 1968) OAS 22M. Cervix (Höckel 1993) HNO (Gatenby 1988) MFS 1J. Sarkome (Brizel 1996) HNO (Nordsmark 1996) >median M. Weinmann LC 2 J. <median >10 <10 >10 pO2 (mm Hg) <10 21-30 11-20 0-10 20-40 10-19 0-9 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 CR Tag 90 STRAHLENTHERAPIE – 5 „R“ - Repopulierung REPOPULIERUNG = Erhöhte Teilungsrate klonogener Tumorzellen nach radiogener Zellzerstörung STRAHLENTHERAPIE – 5 „R“ - Reoxygenierung REOXYGENIERUNG = mit zunehmender Zeit (Stunden!) nach Bestrahlung nimmt der Anteil hypoxischer Tm-Zellen wieder ab STRAHLENTHERAPIE – 5 „R“ - Redistribution REDISTRIBUTION = Aufhebung der strahleninduz. partiellen Synchronisation (G 2 - Arrest) Wiedereintritt von G 0 -Zellen in Mitosezyklus STRAHLENTHERAPIE – 5 „R“ - Reparatur REPARATUR = Fähigkeit zur Behebung - subletaler Strahlenschäden - potentiell letaler Strahlenschäden Zeitdifferenz Tumorzellen / Normalgewebe STRAHLENPHYSIK / -CHEMIE Wirkung ionisierender Strahlung auf Gewebe Tumorkontrolle (Biologie des Tumors) Nebenwirkungen (Biologie des Normalgewebes) STRAHLENPHYSIK / -CHEMIE Strahlenbiologischer Hintergrund Tumorgewebe (kaum Erholung von Strahlung) Normalgeweben (sehr gute Erholung von Strahlung) Trennungseffekt zwischen Normalgew. und Tumorgew. durch Fraktionierung (Auschöpfung der Reparaturkapazität) geometrische Schonung von Normalgewebe (Therapieplanung) Einflußfaktoren auf die lokale Tumorkontrolle - 3. Gesamtdosis / Dosis pro Fraktion - Dosis-EffektKurve für die lokale Tumorkontrolle Einflußfaktoren auf die lokale Tumorkontrolle - 3. Gesamtdosis / Dosis pro Fraktion - Prinzip der Fraktionierung der Dosis STRAHLENTHERAPIE – Therapeutische Breite 4 „R“ der Strahlenbiologie 1. 2. 3. 4. (5. Reparatur Repopulierung Reoxygenierung Redistribution Radiosensitivität (intrinsische-)) Abhängigkeit von Tumorkontrolle und Nebenwirkungsrate von der Dosis (nach Holthusen, 1936) TUMORSTRAHLENBIOLOGIE Klinisches Beispiel (Mammakarzinom) 2. Zielgebiet (nach Operation / brusterhaltend) Brust + / - regionäre Lymphabstromgebiete = strahlenbiol. Erkenntnisse über die Tumorkontrolle 3. Aussparung / Schonung von Normalgewebe Lunge, Herz, Armplexus = strahlenbiol Erkenntnisse über Normalgewebsreaktionen Overgaard et al., 1997 STRAHLENTHERAPIE – Bsp. Mamma-Ca. Bestrahlungsplanung: • 3 – D Planung • Konturierung der Zielvolumina (Brust / Tumorbett) • Konturierung der Risiskoorgane (Lunge, Herz..) STRAHLENTHERAPIE – Bsp. Mamma-Ca. Kosmetisches Ergebnis 6 Monate nach Bestrahlung Welche Brust wurde bestrahlt ? Anforderungen an eine optimale Radiotherapie Spannungsfeld zwischen Tumorkontrolle und Nebenwirkungen Dosis / Wirkungsbeziehungen Toleranz dosis Tumorkontrolle Risikogebiet für Rückfall Nebenwirkung Risikoorgan Vol (%) DVH Tumor Risikoorgane Dosis (%) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !