ARM UND REICH. SCHLAGLICHTER AUF DIE UNGLEICHHEIT Ein Monat neue Dramatik, Gastspiele, Vorträge und Diskussionen Samstag, 4.5., bis Mittwoch, 5.6.2013, Schiffbau Man müsse, so der französische Philosoph Jacques Rancière, von der Gleichheit ausgehen und nicht versuchen, zu ihr zu gelangen. Solange sie nämlich ein Ideal bleibe und nicht als Tatsache anerkannt werde, solange würden die Unterschiede nicht beseitigt, sondern bloss verwaltet. Tatsächlich wachsen die Unterschiede in der Verteilung des Wohlstands ungebremst – sei es global oder innerhalb Europas, sei es im Zuge von Wirtschaftskrisen oder des Kampfes um Rohstoffe. Auch die Schweiz ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen, im Gegenteil: Zwar leben wir in einem der reichsten Länder der Welt – aber ungleicher verteilt als hierzulande ist der Besitz nur noch in Singapur und Namibia. Das Schauspielhaus Zürich zeigt im Monat Mai eine Auswahl zeitgenössischer Perspektiven auf die Fragen, die sich um die Ungleichheit drehen und wirft so Schlaglichter auf dieses vielschichtige und brisante Thema: mit drei neuen Stücken der Autoren Lukas Bärfuss, Händl Klaus und Michail Schischkin – zu sehen an einem Abend und in einem Raum, inszeniert von Barbara Frey, Bastian Kraft und Sebastian Nübling; mit Gastspielen – zu sehen sind Elfriede Jelineks Wirtschaftskomödie „Die Kontrakte des Kaufmanns“ in der gefeierten Inszenierung von Nicolas Stemann, die ungarische Produktion „Hard to Be a God“ von Kornél Mundruczó, der mit seiner schonungslosen Beleuchtung des Phänomens des Menschenhandels für Aufsehen sorgte, und „Money – It Came From Outer Space“ von Chris Kondek und Christiane Kühl. Nicht zuletzt denken Ökonomen und Soziologen in Vorträgen und Diskussionen über die Ungleichheit nach: Zwei Vorträge von Colin Crouch und Tomás Sedlácek sowie eine Podiumsdiskussion über den Menschenhandel runden das Programm ab. 2 ARM UND REICH – DREI NEUE STÜCKE von Lukas Bärfuss, Händl Klaus, Michail Schischkin Uraufführung Regie: Barbara Frey, Sebastian Nübling, Bastian Kraft vom 4.5. bis 5.6.2013, Schiffbau/Box MENSCHENHANDEL Podiumsdiskussion mit Maritza Le Breton und Hans Fässler am 5.5.2013, 19.15 Uhr, Schiffbau/Box; Eintritt frei TOMÁS SEDLÁCEK Vortrag in englischer Sprache am 14.5.2013, 20.15 Uhr, Schiffbau/Box DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS von Elfriede Jelinek Regie: Nicolas Stemann Gastspiel am 15. & 16.5.2013, jeweils 19 Uhr, Schiffbau/Halle HARD TO BE A GOD von Kornél Mundruczó Regie: Kornél Mundruczó Gastspiel am 23. & 24.5.2013, jeweils 20 Uhr, Schiffbau/Halle MONEY – IT CAME FROM OUTER SPACE von Chris Kondek und Christiane Kühl Regie: Chris Kondek Gastspiel am 27. & 28.5.2013, jeweils 20 Uhr, Schiffbau/Halle COLIN CROUCH Vortrag in deutscher Sprache am 30.5.2013, 20.15 Uhr, Schiffbau/Box Vorverkauf für alle Veranstaltungen an der Theaterkasse, Rämistr. 34, Tel. +41 (0)44 258 77 77, oder unter www.schauspielhaus.ch 3 ARM UND REICH – DREI NEUE STÜCKE von Lukas Bärfuss, Händl Klaus, Michail Schischkin Uraufführung Regie: Barbara Frey, Sebastian Nübling, Bastian Kraft Premiere: Samstag, 4.5.2013, 20.15 Uhr, Schiffbau/Box Für „Arm und Reich“ sind drei neue kurze Stücke der Autoren Lukas Bärfuss, Händl Klaus und Michail Schischkin entstanden, die an einem Abend in der Box im Schiffbau zu sehen sein werden. Ein Projekt, in dem nicht nur die Sichtweisen dreier renommierter Autoren aufeinandertreffen, die zwar alle in der Schweiz leben, deren Blick auf die hiesige Ungleichheit aufgrund ihrer unterschiedlichen künstlerischen Handschriften und Nationalitäten jedoch ein jeweils anderer ist, sondern in dem sich auch die drei Regisseure Barbara Frey, Sebastian Nübling und Bastian Kraft begegnen. Das Ergebnis ihrer Arbeit, ARM UND REICH – DREI NEUE STÜCKE, wird ab dem 4. Mai zu erleben sein. In „Die schwarze Halle“ von Lukas Bärfuss (Regie Barbara Frey) konfrontiert eine Wirtschaftsjournalistin einen Sektenführer mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung – ein sprachliches Duell, in dem das Thema der Schuld im Mittelpunkt steht. In „Rechne“ von Händl Klaus (Regie Sebastian Nübling) spielen zwei wohlhabende Freundinnen die Möglichkeit durch, ihren Besitz für einen guten Zweck zu stiften – ein so lustvolles wie qualvolles Ritual, das um die Frage nach der individuellen Verantwortung kreist. Und in „Nabokovs Tintenklecks“ von Michail Schischkin (Regie Bastian Kraft) wird von einem russischen Autor und Dolmetscher erzählt, der in Zürich in prekären Verhältnissen lebt. Die Möglichkeit, seine finanzielle Situation zu verbessern, schickt ihn auf eine Reise nach Montreux, die ihm Fragen nach seiner Moralität und danach, was Armut und Reichtum ausmacht, stellt. 4 ARM UND REICH – DREI NEUE STÜCKE von Lukas Bärfuss, Händl Klaus, Michail Schischkin Regie „Die schwarze Halle“ Regie „Rechne“ Regie „Nabokovs Tintenklecks“ Bühne & Kostüme Musik „Rechne“ Licht Dramaturgie Barbara Frey Sebastian Nübling Bastian Kraft Bettina Meyer Lars Wittershagen Rainer Küng Katja Hagedorn Es spielen: „Die Schwarze Halle“ Lambert Hamel Friederike Wagner „Rechne“ Jan Bluthardt Isabelle Menke Anne Ratte-Polle Markus Scheumann „Nabokovs Tintenklecks“ Fritz Fenne Lukas Holzhausen Weitere Vorstellungen im Schiffbau/Box 7./ 8./ 15./ 16./ 17./ 23./ 24. Mai, jeweils 20.15 Uhr 26. Mai, 19.15 Uhr 2. Juni, 19.15 Uhr 3./ 5. Juni, jeweils 20.15 Uhr 5 DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS von Elfriede Jelinek Regie: Nicolas Stemann Gastspiel: Mittwoch, 15.5. & Donnerstag, 16.5.2013, jeweils 19 Uhr, Schiffbau/Halle Es gibt wohl kaum eine Autorin, die so schnell auf die gesellschaftlich grossen Themen reagiert, wie die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Und kaum einen Regisseur, der ihr dabei so bereitwillig und eigensinnig folgt, wie Nicolas Stemann. Stemann, der bereits zahlreiche Texte von Jelinek auf die Bühne gebracht hat, macht aus der Textüberforderung DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS mit sieben Schauspielern, drei Musikern, Live-Kamera und sich selber eine höchst virtuos unterhaltsame und unangestrengte Performance, die das Kölner Publikum bei der Uraufführung nach drei Stunden zu Standing Ovations aufspringen liess und die zum Berliner Theatertreffen (2010), den Wiener Festwochen (2010), den 35. Mülheimer Theatertagen (2010) und zum Festival d’Avignon (2012) eingeladen wurde. Eine Produktion des Thalia Theaters, Hamburg in Koproduktion mit dem Schauspiel Köln (2009) HARD TO BE A GOD von Kornél Mundruczó Regie: Kornél Mundruczó Gastspiel: Donnerstag, 23.5. & Freitag, 24.5.2013, jeweils 20 Uhr, Schiffbau/Halle In ungarischer Sprache mit deutschen Übertiteln Kornél Mundruczó bezeichnet HARD TO BE A GOD – benannt nach dem gleichnamigen Science-Fiction-Roman der Brüder Strugatsky – als ein „echtes survival road movie“. Profi- und Amateurschauspieler entführen die Zuschauer in die schonungslose Welt des Menschenhandels: Fünf junge unga- 6 rische Frauen werden gegen ihren Willen in einem Lastwagen festgehalten. Sie verliessen ihr Land in der Hoffnung auf ein besseres Leben – und landeten in den Klauen eines sadistischen Filmteams, das die Frauen für pornographische Zwecke ausbeutet. Ein Erzähler beobachtet sie und hat die Wahl – dem Leiden aus gottgleicher Ferne zuzusehen oder zu handeln. Eine Produktion von Proton Theatre, Ungarn in Koproduktion mit Alkantara Festival, Baltoscandal, Culturgest, Kunsten-FestivalDesArts, Rotterdamse Schouwburg, Theater der Welt, Théâtre National de Bordeaux, Trafó – House of Contemporary Arts Budapest (2010) MONEY – IT CAME FROM OUTER SPACE von Chris Kondek und Christiane Kühl Regie: Chris Kondek Gastspiel: Montag, 27.5. & Dienstag, 28.5.2013, jeweils 20 Uhr, Schiffbau/Halle Die meisten Menschen halten Geld für ein Tauschmittel. Dieser naive Irrglaube hat uns in die aktuelle Finanzkrise gestürzt. Christiane Kühl und Chris Kondek beweisen in ihrer Video-Theater-Performance MONEY – IT CAME FROM OUTER SPACE, die am 27. und 28. Mai im Schiffbau gastieren wird: Geld ist ein gigantischer lebender Organismus auf dem Weg zur nächsten Stufe der Evolution. Jeder Euro, Dollar und Yen ist Teil einer Schwarmintelligenz, die sich in Kapitalströmen organisiert. Sie kennt nur ein Ziel: Vermehrung. Ausbreitung. Akkumulation. Nichts und niemand ist sicher. Panik bricht aus, Massenhysterie. Können die Regierungen das Geld stoppen? Kann die Wissenschaft es zähmen? Was ist des Geldes wahre Natur? MONEY – IT CAME FROM OUTER SPACE führt mittels alter ScienceFiction-Thriller und bis dato unveröffentlichtem Videomaterial den grausigen Beweis: Geld ist ein Alien. Seine Herkunft ist unbekannt, seine Bewegung unkontrollierbar, sein Expansionswille unbesiegbar. Der Mensch wird nur mehr als Wirt genutzt. Der Videokünstler und Regisseur Chris Kondek arbeitete u.a. mit Laurie Anderson, Michael Nyman, René Pollesch und Robert Wilson. Christiane Kühl war Redakteurin bei „taz“, „KulturSPIEGEL“ und „radioeins“. Eine Produktion des Hebbel am Ufer, Berlin (2010) 7 TOMÁS SEDLÁCEK Vortrag in englischer Sprache Dienstag, 14.5.2013, 20.15 Uhr, Schiffbau/Box Der tschechische Wirtschaftswissenschaftler Tomás Sedlácek hat mit seinem internationalen Bestseller „Die Ökonomie von Gut und Böse“ die moralischen Grundlagen unserer Wirtschaft in den Fokus gerückt. Anhand der ältesten Texte der Menschheit, des Gilgamesch-Epos etwa und der Genesis, legt er die kulturgeschichtlichen Wurzeln unseres Wertesystems frei. So interpretiert er den Sündenfall als die erste Konsumhandlung, den Apfel als ersten Luxusartikel. Was die Ökonomie heute brauche sei weniger Mathematik, dafür Besinnung auf die wesentlichen Fragen der Ethik. COLIN CROUCH Vortrag in deutscher Sprache Donnerstag, 30.5.2013, 20.15 Uhr, Schiffbau/Box Wir leben längst in einer Postdemokratie – so das Fazit des britischen Soziologen und Politikwissenschaftlers Colin Crouch. Sein gleichnamiges Buch hat wie kaum ein anderes die politische und ökonomische Diskussion der letzten Jahre geprägt. Darin zeigt Crouch, wie unsere Gesellschaft immer weniger von den demokratischen Institutionen gesteuert wird. An die Stelle der Bürger sind die internationalen Grosskonzerne getreten, die ihre Interessen mit Geld und Lobbying durchsetzen. Wer für die Freiheit des Marktes plädiere, verteidige tatsächlich die Macht der multinationalen Unternehmen. Doch sei jeder, ob Bürger oder Firma, auf Kooperation angewiesen. Eine Gemeinschaft ohne Moral, in der jeder nur an das eigene Interesse denke, könne nicht funktionieren. 8 MENSCHENHANDEL Podiumsdiskussion mit Maritza Le Breton und Hans Fässler Sonntag, 5.5.2013, 19.15 Uhr, Schiffbau/Box Eintritt frei Sklaverei gehört zu den Konstanten der Wirtschaft – auch in der Schweiz, auch heute noch. Man schätzt, dass jährlich etwa zwei Millionen Menschen in die Zwangsarbeit geraten, die meisten davon werden zur Prostitution gezwungen. Die beiden Gäste der Podiumsdiskussion haben das brisante Thema auf verschiedene Weise beleuchtet. Maritza Le Breton untersucht die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen des Frauenhandels. Hans Fässler hat in seiner historischen Studie „Reise in Schwarz-Weiss“ als einer der ersten die Verstrickungen der Schweiz in den Sklavenhandel aufgedeckt. Moderiert wird der Abend von Lukas Bärfuss. Kontakt Medienstelle Kathrin Gartmann Leiterin Kommunikation Tel. +41 (0)44 258 72 39 [email protected]