Medienstandorte: Schwerpunkte und Entwicklungen Peter Gräf und Tanja Matuszis A Agglomerationseffekte – Auswirkungen der Ballung von Elementen; hier speziell die Vorteile, die sich aus der Häufung von Betrieben eines Typus ergeben Kriterien für die Betitelung "Medienstandort" Häufigkeit der Nennung in % 100 90 80 70 60 medienpolitische Entscheidungen 50 Verlage internationale Anerkennung Großstadt (> 1,5 Mio.) 40 Radio-Sender 30 TV-Sender 20 10 0 Ergebnisse einer Befragung 1997 Frauen Männer total © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 B Standorte großer Medienunternehmen 1998 en A Printmedien, A audiovisuelle Medien, A Multimedia, A Werbung und A Informationsdienste gliedern. Es existieren keine nach gemeinsamer Systematik aufgebauten Datenquellen für Medienstandorte, so dass die Karten 3 und 4 nicht in allen Bereichen vergleichbar sind. Interessant bleibt dennoch die Beobachtung, dass vor allem für den Bereich von Multimedia und Werbung innerstädtische Standorte einen hohen Stellenwert haben. Durchschnittlich sind 60% der Medienunternehmen jünger als 10 Jahre alt, darunter auch zahlreiche Neugründungen mit weniger als 20 Mitarbeitern. In Stadt und Landkreis München hat sich beispielsweise die Zahl der fest angestellten Mitarbeiter im Mediensektor zwischen 1995 und 1999 um 12% auf 80.997 erhöht, die der Unternehmen um 32% auf 8855. Standortstrategien Als Instrument des regionalen Strukturwandels ist die Medienwirtschaft durch- München aus attraktiv, zumal sie über ein hohes Kopplungs- und Transferpotenzial in andere Wirtschaftsbereiche verfügt und Zuwachsraten verzeichnet, wie kaum eine andere Branche des deutschen Dienstleistungssektors. Um jedoch dieses hohe regionalwirtschaftliche Potenzial der Branche abschöpfen zu können, bedarf es einer Reihe von spezifischen Standortfaktoren. Zu den wichtigen zählen der klare Informationsfluss zwischen den Medienunternehmen und der öffentlichen Hand, die Unterstützung durch Politiker und regionale Partner, ein hoch qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial, eine hoch entwickelte Telekommunikations-Infrastruktur, monetäre Förderung und eine gepflegte Medienkultur. Die Standortstrategie einer Stadt oder Kommune muss auf einer koordinierten, sukzessiv aufbauenden Medienentwicklung gründen. Das Erkennen der standortspezifischen Stärken ist hierbei im Vorfeld unerlässlich. Die wichtigste Voraussetzung für eine spezialisierte Standortpolitik ist die Herausbildung audiovisuelle Medien – Hörfunk, Fernsehen, Video, Filmwirtschaft, Fotografie Branchennukleus – Konzentrationskern einer Branche Business-TV – Handel über das Fernsehen E-Commerce – elektronischer Handel Informationsdienste – Korrespondenzund Nachrichtenbüros Multimedia – Elektronische Textmedien, Erstellung von Produkten, die im Bereich der audiovisuellen Medien bzw. für telekommunikative Verbreitung (Internet) Verwendung finden Printmedien – Verlagsgewerbe, Druckereien, Vertrieb von Druckprodukten Werbung – Gestaltung von Werbemitteln und ihre Verbreitung, Marktforschung, Public Relations-Beratung eines A Branchennukleus, der eine magnetische Wirkung auf Unternehmen der gleichen oder benachbarter Branchen ausübt. Beispiele für solche Konzentrationskerne sind ein Technologie- Berlin/ Babelsberg C Hamburg Köln/ Hürth Der Medienstandort München 1999 nach Postleitzahlgebieten (5-stellig) Anzahl der Medienunternehmen Essen 281 200 100 50 20 13 1mm² = 3 Unternehmen Magdeburg Frankfurt Dortmund Im Umland Münchens befinden sich in 184 PLZGebieten weitere 4189 Medienunternehmen. Düsseldorf 0 5 10 © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 15 20 25 30 35 Anzahl Die Medienwirtschaft gilt als überaus dynamischer Wirtschaftszweig, dessen Zukunft durch den steigenden Einsatz von Multimediatechnik noch wachsen wird. Wie bei vielen neuen Wirtschaftssparten – z.B. der Informations- und Kommunikationstechnik – neigen Unternehmen bei Standortentscheidungen zur Wahl der Nähe branchenähnlicher Unternehmen und ihrer Zulieferer (meist Dienstleistungsunternehmen). Hieraus ergeben sich A Agglomerationseffekte, die ein Image als führender Medienstandort begründen können. In Deutschland haben sich Berlin, Hamburg, Köln und München – mit unterschiedlichen Akzenten – besonders als Medienstandorte profiliert. Die Vielfalt der Medienunternehmen lässt sich überschaubar in die Kategori- 114 Medientyp Printmedien audiovisuelle Medien Multimedia Werbung und Marktforschung Informationsdienste und Agenturen Grenze des PLZ-Gebietes Gemeindegrenze © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation 0 Autoren: P.Gräf, T.Matuszis 1 2 3 4 5 km Maßstab ca. 1: 160000 Die Medienstandorte Berlin, Hamburg und Köln 1999 4 nach Postleitzahlgebieten (5-stellig) Berlin / Potsdam Hamburg 1 Potsdam Teltow 2 3 8 6 5 4 7 1 2 3 4 5 6 7 8 Kleinmachnow Stahnsdorf Güterfelde Sputendorf Schenkenhorst Nudow Fahlhorst Philippsthal München Köln Anzahl der Medienunternehmen 57 20 10 5 1 1mm² = 1 Unternehmen Pulheim Medientyp s. Nebenkarte links Printmedien audiovisuelle Medien Multimedia Werbung und Marktforschung Aus- und Weiterbildung Frechen Hürth Grenze des PLZ-Gebietes München 1 : 350 000 Gemeindegrenze 0 zentrum, aber auch ein die Branche dominierendes Unternehmen. Die gezielte Standortstrategie erkennt mögliche Branchenkerne im Vorfeld und fördert systematisch deren Entwicklung. Die Standortstrategie einer Stadt oder Kommune muss begleitender Natur sein. Studien haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, die Ansiedlung zu initiieren. Die konsequente Betreuung durch Gesellschaften und Arbeitskreise ist unerlässlich. Hierbei ist eine Standortstrategie um so erfolgreicher, je besser die Kooperation zwischen den internen/lokalen Partnern und externen Akteuren funktioniert. Durch eine gezielte, sukzessive Ansiedlungsstrategie kann eine Stadt oder Kommune großen Einfluss auf die lokale Medienstrukturpolitik nehmen. Die Medienstandorte zweiter Ordnung Die deutsche Medienindustrie beschränkt sich nicht nur auf die vier bekannten Standorte Hamburg, Berlin, München und Köln. Eine ganze Reihe weiterer Städte und Kommunen hat die Vorzüge der Medien erkannt. Die Ausstrahlungseffekte auf lokale kulturelle Einrichtungen, die positive Beeinflussung des Stadtimages, die Funktion als Werbeträger und die nicht ganz unstrittige ökologische Unbedenklichkeit der 5 10 Maßstab 1: 350000 Autoren: P.Gräf, T.Matuszis © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Branche nutzen inzwischen auch bisher kaum im Medienbereich engagierte (kleinere) Städte für die regionalwirtschaftliche Entwicklung. Diese sogenannten Standorte zweiter Ordnung wie z.B. Dortmund setzen in ihrer Ansiedlungsstrategie auf Branchennischen. In dem Bewusstsein, es mit den bekannten Standorten in Bezug auf ein bestehendes Image nicht aufnehmen zu können, setzen sie gezielt auf spezielle Bereiche der Medien und versuchen diese auszubauen. Der Standort Dortmund setzt beispielsweise auf Entwicklungen in den Bereichen A Business-TV und A E-Commerce. Eine begünstigende Rahmenbe- dingung ist in diesem Beispiel das Technologiezentrum, das für das nötige qualitativ hochwertige Fachpersonal sorgt. Dabei muss der Ermittlung und Pflege der Marktnischen höchste Priorität zukommen, um sich gegen bekanntere Standorte behaupten zu können. Für Dortmund, aber auch für viele andere Orte stellt die Medienbranche ein effektives Instrument des regionalen Strukturwandels dar.? Medienstandorte: Schwerpunkte und Entwicklungen 115 15 km