Zusammenfassung der Vorträge - Lipid-Liga

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Zusammenfassung
der Vorträge
Therapie bei schwerer Hypertriglyzeridämie
Symposium am 11. Dezember 2015
in Radebeul
Veranstalter
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen
und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e.V.
Vorträge
Therapiekonzepte bei schwerer Hypertriglyzeridämie
Prof. Dr. Hans-Ulrich Klör, Kassel
Genetische Ursachen schwerer Hypertriglyzeridämien – LipoproteinLipase & Co.
PD Dr. Michael Hoffmann, Freiburg
Entwicklung der LPL-Gentherapie
Dr. Harald Petry, UniQure Amsterdam
Prof. Dr. Hans-Ulrich Klör
MEDIKUM Kassel
Kurfürstenstraße 10–12
34117 Kassel
E-Mail: [email protected]
Therapiekonzepte bei schwerer Hypertrigylzeridämie
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Eine Hypertriglyzeridämie liegt bei Triglyzeridwerten ≥ 400 mg/dl vor
Die Ernährungstherapie zielt vor allem auf den Austausch von
langkettigen Fettsäuren gegen MCT-Fette sowie die Gabe von Omega-3Fettsäuren (EPA/DHA) ab
Die Ernährungstherapie kann mit Ezetimib oder Fibraten kombiniert
werden
Die schwere Hypertriglyzeridämie (SHTG) ist eine Fettstoffwechselstörung, die durch
stark erhöhte Trigylzeridkonzentrationen im Plasma (TG ≥ 1000 mg/dl) gekennzeichnet
ist. Eine signifikante Hypertriglyzeridämie liegt bereits ab TG-Werten ≥ 400 mg/dl vor.
In der Praxis wird sie nur selten erkannt und Schätzungen zufolge erhalten weniger als
3 Prozent der betroffenen Patienten eine adäquate Therapie.
Deutlich erhöhte Triglyzeridkonzentrationen ≥ 500 mg/dl weisen in den USA 2,5 Mio.
Menschen auf (NHANES-Studie 1999 bis 2008). In Deutschland sind schätzungsweise
bei etwa 700.000 Menschen die TG-Konzentrationen auf ≥ 400 mg/dl erhöht, 35.000
Personen erreichen Werte von zum Teil weit über 1000 mg/dl. Die gehäufte Prävalenz
der Erkrankung in bestimmten Regionen deutet darauf hin, dass die Erkrankung vor
allem genetisch bedingt ist. Körpergewicht, Alkohol- und Tabakkonsum erhöhen das
Risiko für die Erkrankung dagegen in geringerem Umfang.
Das Hauptsymptom der SHTG ist die Pankreatitis (bis zu 350-fach erhöhtes Risiko im
Vergleich zu Gesunden), die zu einer Zerstörung der Inselzellen des Pankreas führt.
Zu den Komorbiditäten zählt daher auch der Diabetes mellitus Typ 2. Auch das Risiko
für kardiovaskuläre Erkrankungen ist erhöht.
Diätetische Therapiemaßnahmen zielen hauptsächlich auf eine Modulation des
Fettsäuremusters ab. Neben der Reduktion von langkettigen Fettsäuren ist die Zufuhr
von MCT-Fetten zu erhöhen, die direkt über die Portalvene in die Leber aufgenommen
werden. Omega-3-Fettsäureethylester werden bei einer SHTG in einer Dosierung von
4 g EPA/DHA pro Tag empfohlen.
Eine Umstellung der Ernährung ist vor allem in Kombination mit Ezetimib, das die
Cholesterin-Resorption in den Enterozyten hemmt, erfolgreich. Auch Fibrate kommen
zum Einsatz. Im Gegensatz dazu verfehlen Statine bei SHTG-Patienten ihre Wirkung.
Im akuten Stadium ist eine Apherese durchzuführen.
Neuartige Ansätze in der Therapie der SHTG betreffen u.a. das Apolipoprotein CIII,
eine Komponente des VLDL (very low density lipoprotein), das die Spaltung der
Triglyzeride unterbindet. Lomitapid, ein neu zugelassenes Oligonucleotid, senkt den
Plasma-Triglyzeridspiegel, indem es selektiv das mikrosomale Triglyzerid-Transfer-
Protein (MTP) hemmt, das für den Transport von Lipidmolekülen verantwortlich ist.
Auch eine neue LPL-Gentherapie mit Alipogentiparvovec sieht erfolgversprechend aus.
PD Dr. Michael Hoffmann
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetterstraße 55
79106 Freiburg
E-Mail: [email protected]
Genetische Ursachen schwerer Hypertriglyzeridämien Lipoprotein-Lipase & Co
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Mutationen der Lipoprotein-Lipase stehen an erster Stelle
Weitere Mutationen, z. B. der Apolipoproteine CII, AV, sind bekannt
Nur 5 bis 10 Prozent der schweren Hypertriglyzeridämien lassen sich
durch funktionelle Mutationen in einem Gen erklären
Die Genetik isolierter schwerer Hypertriglyzeridämien ist sehr vielfältig. Als häufigste
Ursache gelten Mutationen der Lipoprotein-Lipase (LPL). LPL dient als Katalysator bei
der Aufspaltung von Triglyzeriden aus Lipoproteinen. Beim Menschen sind bisher über
150 verschiedene Mutationen der LPL bekannt, die zu einer Deletion oder Inaktivierung
führen. Darüber hinaus gibt es verschiedene genetische Polymorphismen (SNPs).
Diese können sowohl zu einer erniedrigten (z.B. Mutationen D9N, N291S) als auch
erhöhten (Mutation S447Ter) LPL-Aktivität führen. Neben LPL gibt es weitere
Kandidaten für Mutationen:
Apolipoprotein CII wird in der Leber und im Darm exprimiert und ist mit VLDL, HDL
und Chylomikronen assoziiert. Bei ApoCII-Mutationen bildet sich der Phänotyp nur bei
einem Defizit an ApoCII aus, während heterozygote Träger unauffällig sind.
Apolipoprotein CIII ist für die Aufnahme von triglyzeridreichen Lipoproteinen
verantwortlich. Verschiedene SNPs sind mit erhöhten Triglyzerid-Spiegeln assoziiert.
Apolipoprotein AV ist ein sehr polymorphes Gen mit über 40 SNPs, wobei
verschiedene Haplotypen mit hohen Triglyzerid-Werten assoziiert sind. Ein Defekt im
ApoAV-Gen benötigt in der Regel ein weiteres Ereignis zur Ausprägung einer
Hypertriglyzeridämie.
Glycosylphosphatidylinositol-anchored
high-density
lipoprotein-binding
protein 1 (GPIHBP1) ist verantwortlich für den Transport von LPL durch die
Endothelzellen. Bei einer homozygoten Mutation wird die Bindung von LPL an den
Rezeptor verhindert. Ein Phänotyp ist bei heterozygoten Trägern nicht bekannt.
Lipase Maturation Factor 1 (LMF1) bindet im Endoplasmatischen Reticulum an
Lipasen und stabilisiert die Dimerbildung. Zwei funktionelle Mutationen (Y439X und
W464X) in Patienten mit schwerer HTG sind beschrieben. Heterozygote Träger des
LMF1 bilden keinen Phänotyp aus.
Cyclic AMP-responsive element–binding protein H (CREB-H) ist vielfältig an der
Regulation des Triglyzerid-Stoffwechsels beteiligt. Es ist das einzige Gen mit
dominanter Ausprägung der Mutationen, allerdings mit unvollständiger Penetranz.
Insgesamt lassen sich nur 5 bis 10 Prozent aller schweren Hypertriglyzeridämien
(SHTG) durch funktionelle Mutationen in den genannten Genen erklären. Für alle
anderen SHTG kommen additive Effekte von Genvarianten mit geringem Effekt in
Frage sowie andere, bisher unbekannte Gene. Eine weitere Erklärung könnte in
fehlgesteuerten Regulationen, wie beispielsweise einer Methylierung des Promotors,
liegen.
Dr. Harald Petry
UniQure N.V.
Meibergdreef 61
1105 BA Amsterdam, Niederlande
E-Mail: [email protected]
Entwicklung der LPL-Gentherapie
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Alipogentiparvovec ist die erste in der westlichen Welt
zugelassene Gentherapie
Mittels eines viralen Vektors wird das LPL-Gen S447X übertragen
Eine einzige intramuskuläre Anwendung führt zur
langfristigen Produktion des LPL-Proteins
Alipogentiparvovec (Glybera®) ist eine neuartige Gentherapie, die bei Patienten mit
Lipoproteinlipase-Defizienz (LPLD) die Inzidenz und den Schweregrad der Pankreatitis
langfristig reduziert. Es ist das erste in der westlichen Welt zugelassene
Gentherapeutikum und hat sich zur Behandlung von LPLD, für die keine andere
Therapie verfügbar ist, als wirksam erwiesen. Alipogentiparvovec gilt als OrphanArzneimittel, mit dem im September 2015 der erste Patient damit behandelt wurde.
Der Durchbruch in der Entwicklung dieser Terapie gelang durch die Übertragung des
LPL- Gens (S447X; dies ist eine natürlich vorkommende LPL-Variante mit
Funktionszugewinn) mittels eines viralen Vektors (AAV1). Dieser sogenannte AAV1LPLS447X-Vektor wird in den Skelettmuskel des Patienten injiziert. Nach Transkription
und Translation in den Skelettmuskelzellen wird dort das LPL-S447X-Protein exprimiert.
Bereits wenige Wochen nach der Verabreichung exprimiert der episomale
Alipogentiparvovec-Vektor
nachweisbare
LPL-Funktionswerte.
Eine
einzige
intramuskuläre Anwendung von Alipogentiparvovec führt zur langfristigen Produktion
des LPL-Proteins. Die Dosierung ist abhängig vom Gewicht und ein 65 kg schwerer
Patient benötigt 22 Fläschchen mit je 3x1012 Genomkopien, was insgesamt 44
Injektionen entspricht.
In den durchgeführten klinischen Studien wurden 27 Patienten mit der Gentherapie
behandelt. Die muskuläre Übertragung und LPL-Produktion wurde erfolgreich
nachgewiesen. Nach der Behandlung ging die Inzidenz der Pankreatitis um etwa 60
Prozent zurück, auch die Dauer der Krankenhausaufenthalte reduzierte sich. Als
häufigste Nebenwirkung der Gentherapie treten bei etwa einem Drittel der Patienten
Schmerzen in den Beinen auf. Angesichts der kleinen Patientenpopulation bieten die
erfassten Nebenwirkungen aber kein vollständiges Bild über Art und Häufigkeit der
Ereignisse.
Die Anlage eines internationalen, prospektiven Patientenregisters für LPLD (GENIALL
Register) ermöglicht eine zentrale Datenerfassung. Patienten, die mit
Alipogentiparvovec behandelt werden wollen, müssen einer Nachbeobachtung in
diesem Register zustimmen. Die Nachbeobachtungsdauer beträgt bis zu 15 Jahre. Das
erste aktive deutsche GENIALL Zentrum befindet sich in der Berliner Charité.
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