DGB 38 Semantik Universität Athen, WS 2008/09 Winfried Lechner [email protected] Handout #3 AUSSAGENLOGIK Lesen: Lohenstein 1996, Kapitel 4: S. 32- 43 (auf Kurswebpage erhältlich) 1. EINLEITUNG Eines der wichtigsten Ziele der natürlichsprachlichen Semantik besteht in der kompositionalen Herleitung der Satzbedeutung aus den Bedeutungen der Satzteile. In diesem System wird die Denotation von Sätzen mit Propositionen (also Mengen von Situationen) gleichgesetzt. Welche konkrete Proposition ein Satz ausdrückt, wird wiederum durch die Wahrheitsbedingungen festgelegt. Aus den Wahrheitsbedingungen kann schließlich der konkrete Wahrheitswert einer Aussage (= Satz) in dieser Situation berechnet werden. Diese Überlegungen aus Handout #2 stellen die ersten Schritte in Richtung einer kompositionalen Wahrheitsbedingungssemantik (‘truth conditional semantics’) dar. In Handout #2 wurden weiters die drei Grundelement der Bedeutung identifiziert: Individuen, welchen der Typ e zugewiesen wird, Situationen vom Typ s und Wahrheitswerte, die Typ t erhalten. Aus dem oben Gesagten folgt, daß der Begriff der Wahrheit (d.h. die beiden Wahrheitswerte {1, 0}) unter diesen drei Grundbedeutungen eine besondere, fundamentale Stellung einnimmt. Auf der einen Seite definieren die Wahrheitsbedingungen die Propositionen, welche ein Satz ausdrückt. Auf der anderen Seite führen Wahrheitsbedingungen zu den spezifischen Wahrheitswerten. Bevor man sich komplexeren semantischen Theorien zuwendet, welche alle drei Grundtypen verwendet, ist es instruktiv, sich zuerst mit einem semantischen System zu befassen, daß sich auf die beiden Wahrheitswerte beschränkt. Auf diese Art und Weise wird es insbesondere auch möglich, die Rolle von Kompositionalität in der Semantik einfacher zu erkennen. 1.1. AUSSAGENLOGIK UND KOMPOSITIONALITÄT Es gibt ein semantisches System, das nur mit den beiden Wahrheitswerten arbeitet, das also ohne Verwendung von Individuen und Situationen auskommt. Zwar kann diese Theorie noch nicht alles beschreiben, was von einer adäquaten natürlichsprachlichen Semantik verlangt wird. Es erlaubt aber aufgrund seiner relativen Einfachheit, einen ersten Eindruck von der Arbeitsweise des Prinzips der Kompositionalität zu erlangen. Diese einfachste aller kompositionalen Semantiken wird Aussagenlogik (auch Propositionale Logik) genannt. Die Aussagenlogik befaßt sich mit den systematischen Bedeutungsrelation zwischen Aussagen (= Sätzen, Propositionen). Dabei wird die Interpretation von komplexen Ausdrücken strikt kompositional aus den Teilbedeutungen abgeleitet. Die Aussagenlogik zeigt also sozusagen, welche Instrumente eine kompositionalen Analyse benötigt. Mit diesem Instrumentarium werden dann im weiteren Verlauf die Satzdenotationen in ihre Komponenten zerlegt werden können. Das vorliegende Handout ist wie folgt strukturiert. Zu Beginn wird die Aussagenlogik definiert. Im Anschluß daran wird erläutert werden, wie dieses System verwendet werden kann, um die Bedeutungen von natürlichsprachlichen Ausdrücken darzustellen. Es wird sich jedoch auch zeigen, daß mit der Aussagenlogik nur eine sehr kleine Anzahl der möglichen natürlichsprachlichen Sätze analysiert werden kann. Dies führt dann zur Entwicklung einer weiteren Logik - der Prädikatenlogik - im nächsten Abschnitt. Um zu erkennen, wie die Komponenten der Aussagenlogik aufgebaut sind, ist es sinnvoll, zuerst einige wichtige Eigenschaften von formalen Sprachen kennen zu lernen. 1.2. FORMALE SPRACHEN Typische Sätze der Aussagenlogik haben die Form der Beispiele in (1), die sich deutlich von den Ausdrücken der natürlichen Sprachen unterscheiden. a. p v (q ÿ r) b. (r w ¬p) v (¬p ÿ (q v w)) (1) Die Aussagenlogik zählt - so wie andere moderne Logiken, die Programmiersprachen, oder auch der Morsecode - zu den formalen Sprachen. Im Gegensatz zur natürlichen Sprache zeichnen sich formale Sprachen durch zumindest drei Eigenschaften aus: (i) Formale Sprachen sind durch sehr strenge formale Prinzipien reglementiert. In formalen Sprachen gibt es nur eine kleine Anzahl an einfachen syntaktischen Regeln (s.u.), und keine produktiven rein syntaktischen Operationen (wie ‘Move α’), welche die Syntax verändern könnten. (ii) Es werden Symbole verwendet, die nicht in der natürlichen Sprache vorkommen. (iii) Es gibt keine ‘kompetenten Sprecher’, welche diese Systeme als Muttersprache erworben hätten. Bei formalen Sprachen handelt sich also nicht um biologische Kommunikationssysteme. Formale Sprache, besitzen jedoch genauso wie natürliche Sprachen, eine Syntax und eine Semantik. Die Syntax definiert, welche Form die Sätze der Aussagenlogik haben. Sätze, die syntaktisch wohlgeformt sind werden auch als wohlgeformte Formeln (WFFs, ausgesprochen [vcfs]) bezeichnet. Im folgenden Abschnitt wird die Syntax der Aussagenlogik genauer definiert. 2. SYNTAX Die Syntax von formalen Sprachen definiert WFFs, indem sie die Regeln auflistet, mit denen diese WFFs gebildet werden können. Das Verfahren ist jenem vergleichbar, das in der generativen Syntax Verwendung findet, wo die Menge der wohlgeformten Sätze durch die Regeln der X’-Syntax, Phrasenstrukturregeln oder ähnliche Methoden generiert werden. So wie die Regeln der natürlichsprachlichen Syntax, sind die syntaktischen Regeln der Aussagenlogik so gebaut, daß man sie, nach einer ersten Applikation, beliebig oft wieder auf das Resultat der Regel anwenden kann. Es handelt sich also um rekursive Regeln. Bevor die Syntax der Aussagenlogik vorgestellt werden soll, wird kurz auf den Begriff der Rekursion eingegangen. 3 DGB 38 Semantik, WS 2007/08 2.1. (PS-)REGELN UND REKURSION Regel: Eine Regel beschreibt die Beziehung zwischen Elementen einer Eingabemenge (Eingabe od. Input) und Elementen einer Ausgabemenge (Ausgabe od. Output). Regeln stellen somit eine einfache Art und Weise dar, Gesetzmässigkeiten zwischen Objekten auszudrücken. Syntaktische Regeln legen insbesondere die zulässigen Relationen zwischen einem Knoten und dessen Tochterknoten fest. Diese können mittels Phrasenstrukturregeln (PS-Regeln), dem X’-Schema oder anderen Methoden erfaßt werden. Aus Gründen der Explizitheit wird Rekursion im Folgenden anhand von PS-Regeln erläutert werden. Phrasenstrukturregeln (PS-Regeln): PS-Regeln geben an, was ein Knoten enthält. Sie können wie ein Rezept verwendet werden. Wenn man im Baum den Knoten, der links vom Pfeil steht, findet, dann wird er zu den Knoten, die sich auf der rechten Seite der Regel befinden, erweitert (man sagt auch ‘expandiert’ oder ‘umgeschrieben’). In anderen Worten: auf der linken Seite des Pfeiles steht der obere, dominierende Knoten, rechts die unteren, dominierten Knoten. Die syntaktische Struktur der deutschen IP [IP Hans Maria liebt] kann z.B. durch den Baum in (2)a repräsentiert werden. Dieser Baum wird wiederum durch die PS-Regeln in (2)b erzeugt: (2) a. Syntaktischer Baum IP 3 NP VP ! 3 N° NP V° ! N° b. PS-Regeln IP ÿ NP VP VP ÿ NP V° NP ÿ N° Nach der Generierung des Baumes werden die lexikalischen Ausdrücke (hier Hans, Maria und liebt) in die X°-Knoten eingesetzt. Diese Operation bezeichnet man als Lexikalische Insertion. (3) IP 3 NP VP ! 3 N° NP V° ! ! ! Hans N° liebt ! Maria Lexikalische Insertion N° N° V° ÿ ÿ ÿ Hans Maria liebt Wohlgeformte vs. nicht wohlgeformte Bäume: Nicht alle möglichen Bäume entsprechen wohlgeformten natürlichsprachlichen Ausdrücken. Man betrachte zur Illustration die Teilbäume in (4). Verschiedene Tests zeigen, daß es sich bei (4)a, nicht jedoch bei (4)b und (4)c um zulässige syntaktische Strukturen handelt. #3: Aussagenlogik (4) a. UIP 3 I° I’ 4 b. * IP 9 NP I° I’ c. * IP 3 NP VP Die Gesetze, welche es erlauben, Baum (4)a, aber nicht (4)b oder (4)c zu erzeugen, können durch PS-Regeln erfaßt werden. Konkret erfolgt dies, indem man festlegt, daß die syntaktischen Gesetze der natürlichen Sprache eine PS-Regel wie (5)a, aber nicht Regeln wie (5)b oder (5)c, beinhalten: (5) a. IP ÿ I° I’ b. IP ÿ NP I° I’ c. IP ÿ NP VP Regel der natürlichsprachlichen Syntax keine Regel der natürlichsprachlichen Syntax keine Regel der natürlichsprachlichen Syntax Rekursion: Rekursion wird als eine Eigenschaft einer Regel definiert, die genau dann vorliegt, wenn das Resultat einer Regel wieder als Eingabe (= Input) dieser Regel dienen kann. (7) - (8) führen als Beispiel Konstruktionen an, die mit rekursiven Regeln generiert wurden: (6) Sie sah ein kleines, grünes, rundes Wesen. (7) Es gibt Sätze, die Phrasen enthalten, die wiederum Phrasen enthalten, die wiederum Phrasen enthalten, die wiederum Phrasen enthalten,..... (8) Am Boden lag ein Ball und ein Schuh und eine Brille und ein Toter und... Ein nicht-linguistisches Beispiel für Rekursion: Die rekursive Regel für den Bau einer Mauer könnte so lauten: Lege einen Ziegelstein auf eine Menge anderer Ziegel. Als Produkt erhält man wiederum eine Menge von Ziegeln. Dieses Bauprinzip kann beliebig oft auf das Resultat angewendet werden, und ist daher rekursiv. Die PS-Regel, die für Rekursion in (6) verantwortlich ist, wird in (9) angegeben. Sie besagt, daß jede NP in eine AP und eine NP erweitert werden kann. Das generelle Kennzeichen einer rekursiven Regel ist, daß das gleiche Symbol (in diesem Fall die Phrase NP) sowohl in der Eingabe, als auch in der Ausgabe vorkommt. (9) NP ÿ AP NP rekursive Regel für pränominale attributive APs (10) illustriert die ersten drei Schritte der Derivation des Objekts von (6). Es wird hierbei angenommen, daß attributive Modifikatoren an NP adjungiert werden. Das Symbol ‘L’ markiert jeweils den linken Teil - also die Eingabe - der Regel, und ‘º’ das Resultat, also die Ausgabe: (10) a. L NP1 3 AP1 NP2 b. NP1 3 AP1 L NP2 3 º AP2 º NP3 c. NP1 3 AP1 NP2 3 AP2 L NP3 3 º AP3 º NP4 5 DGB 38 Semantik, WS 2007/08 In (10)a wird NP1 zu AP1 NP2 erweitert; in (10)b ergibt Anwendung von Regel (9) auf NP2 das Resultat AP2 NP2 , und in (10)c expandiert NP3 zu AP3 NP4. Nach lexikalischer Insertion erhält man schließlich die Objekts-NP in (6) kleines, grünes, rundes Wesen. 2.2. REKURSIVE DEFINITION DER WFFS IN DER AUSSAGENLOGIK Die Sätze der Aussagenlogik wird also durch rekursive Definition der WFFs angegeben. Konkret sieht eine solche Definition so wie in (11) aus. (11) a. BASIS: Jede atomare (nicht zusammengesetzte) Aussage ist eine WFF b. REKURSIONSREGELN i. Wenn φ eine WFF ist, dann ist auch ¬φ eine WFF (Negation, ‘nicht φ’) ii. Wenn φ und ψ WFFs sind, dann sind auch die folgenden Ausdrücke WFFs: (φ v ψ) (φ w ψ) (φ ÿ ψ) (φ : ψ) (Konjunktion, ‘φ und ψ’) (Disjunktion, ‘φ or ψ’) (Materielle Implikation, ‘wenn φ dann ψ’) (Materielle Äquivalenz, ‘φ genau dann wenn ψ’) ÜBUNG Sind die folgenden Formeln WFFs? Wenn nicht, erklären sie warum. (12) Notationelle Konvention: die äußersten Klammern werden weggelassen (13) a. ¬¬¬¬p e. ¬p v q b. ¬p¬q f. pÿ (p ÿ q v w) c. ¬(pvq) g. qv¬¬p d. ÿ p v q h. p ¬ v ¬q 3. SEMANTIK DER AUSSAGENLOGIK In der Syntax der Aussagenlogik gibt es fünf logische Operatoren: die Negation ¬, sowie die vier Konnektoren v, w, ÿ, :, die jeweils zwei Aussagen miteinander verbinden. Die semantischen Regeln weisen jedem dieser Operatoren eine Bedeutung zu. Am anschaulichsten werden diese Bedeutungen durch Wahrheitstafeln dargestellt.1 Die Wahrheitstafeln, die in 3.1 - 3.5 eingeführt werden, weisen jedem Operator eine Denotation zu.Die Bedeutung von komplexen Ausdrücken wie z.B. ‘(p v q) ÿ (p : (p w ¬q))’ kann zudem kompositional aus den Teilbedeutungen berechnet werden (s. Lohenstein S. 37 für Diskussion). 1 Wahrheitstafeln wurden zum ersten Mal von Ludwig Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus (1922) sowie von Emil Leon Post (1921) verwendet. #3: Aussagenlogik 6 3.1. NEGATION Notation: ¬p (14) p ¬p 1 0 0 1 Beispiele: (15) a. p: b. ¬p: c. ¬p: Es hat 20° Celsius Es ist nicht der Fall daß es 20° Celsius hat Es hat nicht 20° Celsius 3.2. DISJUNKTION Notation: p w q (16) p q pwq 1 1 1 1 0 1 0 1 1 0 0 0 Beispiele: (17) a. p: Es hat 20° Celsius b. q: Es regnet c. p w q: Es hat 20° Celsius oder es regnet Inklusive vs. exklusive Disjunktion: Bei dem Konnektor ‘w’ handelt sich um die sogenannte inklusive Disjunktion. Wenn zwei wahre Aussagen durch w verbunden werden, dann ist die zusammengesetzte Aussage auch wahr. Im Gegensatz dazu gibt es auch die exklusive Disjunktion, die durch entweder - oder ausgedrückt wird, und die durch strengere Wahrheitsbedingungen kekennzeichnet ist: (18) (19) p q p wexklusiv q 1 1 0 1 0 1 0 1 1 0 0 0 Entweder es regnet oder es schneit 7 7 DGB 38 Semantik, WS 2007/08 3.3. KONJUNKTION Notation: p v q (20) p q pvq 1 1 1 1 0 0 0 1 0 0 0 0 (21) Es regnet, und die Straße ist naß (22) Maria wird kommen, aber Peter ist krank 3.4. MATERIELLE IMPLIKATION Notation: p ÿ q (23) p q pÿq 1 1 1 1 0 0 0 1 1 0 0 1 (24) Wenn es regnet, dann ist die Straße naß (25) Man sollte auch Hans informieren wenn Maria eingeladen wird. (26) Wenn ein Mann in Athen ist, dann ist er nicht in Megara (Chrysippus, 6Jh v. Chr.). 3.5. BIKONDITIONAL/MATERIELLE ÄQUIVALENZ Notation: p : q (27) p q p:q 1 1 1 1 0 0 0 1 0 0 0 1 (28) Wenn Hans das Rennen gewinnt erhält er die Goldmedaille. (29) Das Licht brennt genau dann wenn die Maus den Schalter betätigt #3: Aussagenlogik 8 4. AUSSAGENLOGISCHE VS. NATÜRLICHSPRACHLICHE KONNEKTOREN Die Denotationen der logischen, in der Aussagenlogik verwendeten Konnektoren und, oder, etc... sind der Interpretation von natürlichsprachlichen Konnektoren sehr ähnlich, aber nicht vollständig ident. Dies soll anhand von zwei Beispielen - der Konjunktion und der materiellen Implikation - verdeutlicht werden. 4.1. KONJUNKTION Durch Konjunktion verbundene Sätze in natürlicher Sprache besitzen oft (aber nicht immer) eine zusätzliche Bedeutungskomponente. (30)a und (30)a unterscheiden sich z.B. voneinander darin, daß sie eine unterschiedliche zeitliche Reihenfolge der beiden Ereignisse nahelegen: (30) a. Hans erkrankte an einer Infektion und mußte in ein Krankenhaus eingeliefert werden. b. Hans mußte in ein Krankenhaus eingeliefert werden und erkrankte an einer Infektion. Generell werden natürlichsprachliche Konjunktionen oft nur dann als gültig interpretiert, wenn die beiden Konjunkte in einer zeitlichen Abfolge oder kausalen Relation stehen, sodaß das im ersten Konjunkt ausgedrückte Ereignis dem im zweiten Konjunkt ausgedrückten Ereignis vorangeht, oder dieses verursacht. Eine ähnliche Bedingung gilt für die Sätze der Aussagenlogik nicht: p v q hat, für jeden Wert von p und q, exakt die gleiche Bedeutung wie q v p. 4.2. IMPLIKATION VS. KONDITIONALSATZ Obwohl man dazu neigt, natürlichsprachliche Konditionale (wenn-dann) mit der materiellen Implikation (ÿ) zu assoziieren, weisen die beiden eine Reihe von wichtigen Unterschieden auf. Falscher Vordersatz I: Ein Konditional ist wahr, sobald die Proposition p, die auch der Vordersatz (oder Protasis) genannt wird, wahr ist. Dabei ist es irrelevant, ob der Nachsatz (also q, auch Apodosis genannt) wahr ist oder nicht. In der traditionellen Logik bezeichnet man diese Beobachtung als ex falso quodlibet (‘aus dem Falschen folgt was man will’). Warum gilt diese Bedingung nun? Intuitiv kann man ex falso quodlibet mit Beispielen wie in (31) bis (33) begründen. In all diesen Sätzen wird ein falsches p mit einem wahren q kombiniert, der daraus resultierende komplexe Satz wird dennoch als wahr interpretiert. (31) (32) (33) Wenn man in Athen von der Universität zum Flughafen fährt, dann sieht man das Olympische Stadion. Wenn eine Zahl durch 10 geteilt werden kann, dann ist sie gerade. Wenn Du beim nächsten Test eine 8 bekommst, lade ich Dich ins Kino ein. (von Fintel 2000) (31) gilt z.B. auch wenn man von der Universität nach Markopoulo fährt. Und für eine Zahl wie ‘8’ gilt der Vordersatz von (32) nicht, der Nachsatz trifft jedoch zu. Letztlich wird (33) auch als wahr empfunden, wenn man die Erwartungen übertrifft und eine 10 auf den Test bekommt, was wiederum den Vordersatz falsch macht. Natürlich wird man in dieser Situation auch eingeladen. 9 DGB 38 Semantik, WS 2007/08 Falscher Vordersatz II (Konditional als Bikonditional): In anderen Kontexten sieht es interessanterweise so aus, als ob der ganze Konditional als falsch interpretiert wird, wenn der Vordersatz falsch und der Nachsatz wahr ist. (34) Wenn ein Schwimmer bei einem olympischen Finalbewerb als erster das Ziel erreicht, wird dieser Schwimmer Olymiasieger. Wenn ein Schwimmer nicht als erster (bei einem olympischen Bewerb) das Ziel erreicht, dann kann er/sie auch nicht Olymiasieger werden. (34) zeigt, daß manche wenn-dann Konditionale in der natürlichen Sprache als Bikonditionale interpretiert werden. Akzeptanz von Konditionalen: Im normalen Sprachgebrauch empfindet man die Sätze in (35) als eigenartig. (35) a. Wenn der Mond aus Käse ist, dann ist Maria krank. b. Wenn zwei und zwei fünf ist, dann gewinne ich morgen die Lotterie Dies folgt aus der Bedingung, daß in natürlichen Sprachen die beiden Sätze in einem nahen Sinnzusammenhang stehen müssen - irgend etwas muß die beiden verbinden. Die genauen Bedingungen sind zu komplex, um auf sie hier einzugehen. (Sie haben auch etwas mit dem Begriff der Ursache und Wirkung, also dem Konzept der Kausalität, zu tun.) Frage: Logisch gesehen sind die Sätze in (35) wahre Aussagen - (35)b ist sogar eine Tautologie, kann also nie falsch sein. Warum bin ich denn aber nicht reich? Antwort: Es gilt ƒzwei und zwei ist fünf„ = 0. Daraus folgt daß ƒ(35)b„ = 1 gilt. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß ƒIch gewinne morgen die Lotterie„ = 1 ebenso gilt. Die Wahrheit von ƒ(35)b„ und das Falschsein von ƒzwei und zwei ist fünf„ ist genauso kompatibel mit ƒIch gewinne morgen die Lotterie„ = 0 5. TAUTOLOGIEN, KONTRADIKTIONEN UND KONTINGENTE FORMELN In Handout #2 wurden Aussagen in drei Gruppen eingeteilt: kontintente, tautologische und kontradiktorische Sätze. Ob eine Formel kontingent, tautologisch oder kontradiktorisch ist, kann nun einfach durch einen Blick auf die Wahrheitstafel bestimmt werden. Eine komplexe Aussage ist kontingent, wenn sich unter dem (hierarchisch höchsten) Konnektiv zumindest eine 1 sowie zumindest eine 0 findet. Sie ist eine Tautologie, wenn unter dem Konnektiv nur Einträge mit 1 aufscheinen, und eine Kontradiktion, sofern alle Werte mit 0 belegt sind. (36) p 1 1 0 0 Kontingente Formel p v q 1 1 1 1 0 0 0 0 1 0 0 0 q 1 0 1 0 Tautologie p w ¬p 1 1 0 1 1 0 0 1 1 0 1 1 Kontradiktion p v ¬p 1 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 1 #3: Aussagenlogik (37) a. b. c. d. e. 10 Einige Tautologien pÿp (p v q) ÿ p (p ÿ q) w p (pÿq) : (¬q ÿ ¬p) ¬p ÿ (p ÿ q) (modus tollens) (ex falso quodlibet) ÜBUNGEN A. Angenommen, daß p und r falsch sind, sowie daß q wahr ist. Was sind die Wahrheitswerte der folgenden Formeln? (38) a. b. c. d. e. p w (q w r) ¬p ÿ ¬q ¬(¬p v ¬q) (q w p) ÿ ¬r pÿ (q v r) f. g. h. ¬(r ÿ p) ¬p :((p v r) w p) q v (¬(p v q) v ¬(pwq)) B. Welche der Formeln sind Tautologien, welche Kontradiktionen, und welche kontingent? (39) a. b. c. d. p w (p ÿ q) (p ÿ q) ÿ (q ÿ p) p ÿ ¬q v ¬(q ÿ ¬p) (¬p w ¬q) ÿ ¬ (p w q) C. Übersetzen Sie die natürlichsprachliche Aussagen in (41) in aussagenlogische Formeln. Beispiel: (40) Gestern verlor unser Team, und Peters Mannschaft schaffte den Einzug ins Finale nicht p v ¬q p = Gestern verlor unser Team q = Peters Mannschaft schaffte den Einzug ins Finale (41) a. Wir konnten das Buch nicht finden, versuchten aber ein neues zu bekommen. b. Wenn es regnet und die Temperatur unter 10° sinkt dann steigt die Glatteisgefahr c. Wenn Österreich das Finale erreicht dann wird Österreich, wenn es gewinnt, Europameister d. Daß er krank ist bedeutet nicht, daß er nicht in die Schule gehen kann e. Wenn Hans den Saal nicht findet oder wenn Maria zu spät kommt, dann kann die Versammlung nicht stattfinden und es muß ein neuer Termin gefunden werden