Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen

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Immobilienrelevante
betriebswirtschaftliche Grundlagen
Modul 6110
Prof. Dr. rer. soc. oec. Herbert Strunz
Leseprobe
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Impressum
DAM. Deutsche Akademie für Management GmbH
Margaretenstraße 38 · 12203 Berlin · www.akademie.biz
Mit freundlicher Genehmigung der Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning.
Verfasser:
Prof. Ing. Mag. Dr. rer. soc. oec. Herbert Strunz, Ph. D.
Professor für Betriebswirtschaftslehre und Internationale Unternehmensführung
im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
an der Westsächsischen Hochschule Zwickau (FH)/
University of Applied Sciences
Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das modulare Fernstudium Betriebswirtschaftslehre verfasst. Die Bestätigung des Curriculums erfolgte durch den
Fachausschuss für das modulare Fernstudienangebot Betriebswirtschaftslehre,
dem folgende Mitglieder angehören:
Prof. Dr. Arnold (TH Mittelhessen), Prof. Dr. Götze (FH Stralsund), Prof. Dr. Hofmeister (FH Erfurt), Prof. Dr.
Nullmeier (em., HTW Berlin), Prof. Dr. Pumpe (Beuth HS für Technik Berlin), Rosemann M. A. (Ostfalia Hochschule), Prof. Schindler (HS Merseburg), Prof. Dr. Schmeisser (HTW Berlin), Prof. Dr. Schwill (FH Brandenburg), Prof. Dr. M. Strunz (HS Lausitz), Prof. Dr. H. Strunz (Westsächsische HS Zwickau), Prof. Dr. Tippe (TH
Wildau (FH)), Prof. Dr. C. D. Witt (em., HS Wismar).
2. Auflage 2011
Redaktionsschluss: März 2011
Studienbrief 2-032-0002
© 2011 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning.
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der
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auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer
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Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Inhaltsverzeichnis
Einleitung..........................................................................................................................................................................................5
Literaturempfehlung.....................................................................................................................................................................5
1
Boden und Bodenwerte...........................................................................................................................................6
1.1
Eigenschaften des Gutes „Boden“.......................................................................................................................................................6
1.2
Der Bodenmarkt.........................................................................................................................................................................................7
1.3
Der Bodenwert............................................................................................................................................................................................8
1.4
Bewertung von Grundstücken und Gebäuden..............................................................................................................................9
1.4.1
Rechtliche Grundlagen der Grundstückswertermittlung...........................................................................................................9
1.4.2
Gutachterausschüsse............................................................................................................................................................................. 10
1.4.3
Der Verkehrswert.................................................................................................................................................................................... 10
1.4.4
Wertermittlung........................................................................................................................................................................................ 12
2
Finanzierung von Immobilienprojekten..........................................................................................................14
2.1
Finanzierung von Wohnimmobilien................................................................................................................................................ 14
2.2
Finanzierung von Gewerbeimmobilien.......................................................................................................................................... 17
3
Grundlagen des Immobiliensteuerrechts........................................................................................................19
3.1
Die Steuerarten........................................................................................................................................................................................ 19
3.2
Steuern vom Einkommen.................................................................................................................................................................... 20
3.2.1
Einkommensteuer................................................................................................................................................................................... 20
3.2.2
Körperschaftsteuer................................................................................................................................................................................. 20
3.2.3
Steuerbefreiungen................................................................................................................................................................................. 21
3.2.4
Ertragsbesteuerung von Immobilien.............................................................................................................................................. 21
3.3
Gewerbesteuer........................................................................................................................................................................................ 30
3.4
Steuern vom Vermögen........................................................................................................................................................................ 31
3.4.1
Grundsteuer.............................................................................................................................................................................................. 31
3.4.2
Erbschaft- und Schenkungsteuer...................................................................................................................................................... 32
3.5
Verkehrsteuern......................................................................................................................................................................................... 33
3.5.1
Umsatzsteuer............................................................................................................................................................................................ 33
3.5.2
Grunderwerbsteuer...............................................................................................................................................................................34
4
Immobilienmarketing............................................................................................................................................ 35
4.1
Marketing bei Wohnimmobilien....................................................................................................................................................... 36
4.2
Marketing bei Gewerbeimmobilien................................................................................................................................................. 37
5
Immobilienprojektentwicklung......................................................................................................................... 39
6
Facility Management.............................................................................................................................................. 42
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4
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Antworten zu den Kontrollfragen......................................................................................................................................... 45
Literaturverzeichnis.................................................................................................................................................................... 48
Sachwortverzeichnis.................................................................................................................................................................. 49
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Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
5
Einleitung
Betriebswirtschaftliche bzw. kaufmännische Grundlagen spielen in der Immobilienwirtschaft nicht zuletzt aufgrund der beträchtlichen Markt- und Kostenrelevanz der Thematik eine bedeutende Rolle. Der vorliegende Studienbrief
widmet sich den entsprechenden Grundlagen.
•• Im ersten Kapitel lernen Sie Besonderheiten des Gutes „Boden“ und des
Bodenmarktes sowie Rechtsgrundlagen und Verfahren zur Ermittlung von
Grundstücks- und Gebäudewerten kennen.
Studienziele
•• Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Finanzierung von Immobilienprojekten.
•• Im dritten Kapitel sollen Sie mit den Grundlagen des Immobiliensteuerrechts vertraut gemacht werden.
•• Im vierten Kapitel werden Ihnen die für die Vermarktung von Immobilien
wichtigsten Marketinginstrumente vorgestellt.
•• Das fünfte Kapitel stellt die Merkmale, Aufgaben, Phasen und Risiken der
Projektentwicklung dar.
•• Im sechsten und letzten Kapitel sollen Sie die Leistungsbereiche des Facility Managements kennenlernen.
Literaturempfehlung
Der Inhalt dieses Studienbriefes sollte zur Erreichung der gesetzten Studienziele genügen. Zur weiterführenden und vertiefenden Betrachtung der im Studienbrief behandelten Themen sind folgende Werke zu empfehlen:
–– Gondring (2009): „Immobilienwirtschaft – Handbuch für Studium und Praxis“,
–– Hellerforth (2007): „BWL für die Immobilienwirtschaft“ und
–– Schulte (2008): „Immobilienökonomie, Band I: Betriebswirtschaftliche
Grundlagen“
geben einen kompakten wie fundierten Überblick zu den Aufgaben und
Funktionen der Immobilienwirtschaft. Die Bände II und III der Reihe „Immobilienökonomie“ behandeln rechtliche Fragen und raumplanerische Aspekte.
–– Falk et al. (2004) geben im „Fachlexikon Immobilienwirtschaft“, dem einzigen profunden Nachschlagewerk zum Thema, aufgebaut nach z. T. umfangreichen Stichworten, in kompakter Form alle wesentlichen Informationen.
–– Das „Gabler Wirtschaftslexikon“ (2010) sei bei allen grundlegenden begrifflichen Problemen empfohlen.
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6
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
1
Boden und Bodenwerte
In diesem Kapitel sollen Sie kennenlernen:
Studienziele
•• die Eigenschaften des Gutes „Boden“,
•• Besonderheiten des Bodenmarktes,
•• Faktoren, die den Bodenwert beeinflussen,
•• die Aufgaben von Gutachterausschüssen und
•• die Rechtsgrundlagen und Verfahren zur Bewertung von Grundstücken
und Gebäuden.
1.1
Eigenschaften des Gutes „Boden“
Der Boden ist Rechtsgegenstand, Produktionsfaktor und Wirtschaftsgut zugleich und weist gegenüber anderen Gütern einige Besonderheiten auf:
XX Boden ist nicht vermehrbar und kann nicht reproduziert werden (abgesehen von Entwässerungs- und Eindeichungsmaßnahmen, die jedoch einen
verschwindend geringen Anteil ausmachen), und folglich ist das Gesamtangebot an Boden festgelegt. Dennoch wird beispielsweise bei steigenden
Bodenpreisen auch das Angebot an Boden zunehmen. Allerdings sind solch
einer Zunahme enge Grenzen gesetzt.
XX Wurde einem Stück Boden eine bestimmte Nutzung zugedacht, kann dies
nicht ohne Weiteres geändert werden. Zum Beispiel kann ein Industriegelände, auf dem auch gefährliche Stoffe gelagert wurden, höchstwahrscheinlich nicht mehr als Wohngebiet oder Ackerland genutzt werden.
XX Ein weiteres Merkmal des Bodens ist sein immobiler Charakter. Das heißt,
eine Fläche kann nicht dorthin transportiert werden, wo sie benötigt wird.
Überfluss in einer Region und Knappheit in einer anderen gleichen sich
nicht zwangsläufig aus.
XX Boden ist nicht homogen. Kein Grundstück gleicht einem anderen – Lage,
Größe, Grundriss und Beschaffenheit machen den individuellen Charakter
aus. Trotz der Einmaligkeit jedes Grundstücks sind Grundstücke in gewisser
Weise austauschbar, d. h., auch wenn sie sich nicht in allen Merkmalen
gleichen, so können für den Käufer relevante Eigenschaften bei mehreren
Grundstücken übereinstimmen und sie somit gegeneinander austauschbar
machen. In Abhängigkeit von ihrer Nutzung werden Grundstücke zu Teilmärkten zusammengefasst.
XX Boden ist unzerstörbar. Durch verschiedenartige negative Einflüsse kann
er zwar beeinträchtigt und verletzt werden, existiert aber dennoch weiter.
Abgesehen von irreversiblen Verseuchungen oder anderen Sonderfällen
verliert Boden – wirtschaftlich gesehen – nicht an Wert. Aufgrund seiner
Knappheit nimmt der Wert eher zu.
Bedingt durch diese Besonderheiten ist der Bodenmarkt kein vollkommener
Markt.
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Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Bild 1.1 fasst die Merkmale des Bodens zusammen:
Unvermehrbarkeit
Nutzungsänderung
schwer möglich
Immobilität
Eigenschaften
des Bodens
Heterogenität
Bild 1.1
Merkmale des Gutes „Boden“
1.2
Der Bodenmarkt
Verletzlichkeit, aber
Unzerstörbarkeit
Die Nachfrage nach Boden resultiert aus einer konkreten Nutzungsabsicht. Mit
dem Verkauf von Grund und Boden wird gleichzeitig das Recht zur uneingeschränkten Nutzung desselben überlassen.
Der Bodenmarkt stellt einen abgeleiteten Markt dar. Die Nachfrage nach Boden, d. h. nach Wohnbauland und Gewerbebauland, resultiert aus der Nachfrage nach Wohnungen und Gewerbeflächen. Steigt beispielsweise die Nachfrage
nach Wohnraum, so steigt auch die Nachfrage nach Wohnbauland. Umgekehrt
kann der Bodenmarkt auch den Wohnungs- und Gewerbeflächenmarkt beeinflussen, nämlich dann, wenn Bauland knapp ist und der Bau von Wohnungen/
Gewerbeobjekten nicht mit der Bedarfsentwicklung Schritt halten kann. Bodenmarkt, Wohnungsmarkt und Gewerbeflächenmarkt stehen somit in einem
engen Zusammenhang (s. Bild 1.2):
Wohnungsmarkt
Bodenmarkt
Bild 1.2
Nachfrage nach Wohnungen
Nachfrage nach Boden
Zusammenhang zwischen Wohnungs- und Bodenmarkt (analog: Zusammenhang zwischen Gewerbeflächen- und Bodenmarkt)
HDL
7
8
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
1.3
Der Bodenwert
Die Preise für Boden ergeben sich aus den spezifischen Merkmalen einer Fläche, aber auch aus grundstücksübergreifenden Faktoren.
In der volkswirtschaftlichen Theorie ist für die Ermittlung des Bodenwertes die
Grundrente ausschlaggebend. Sie ergibt sich aus dem Ertrag, der durch die
Nutzung des Bodens erzielt werden kann. Folglich wird der Bodenwert mit zunehmenden erwarteten Erträgen steigen. Dieser Theorie folgend ist der Wert
des Bodens nicht abhängig von seinem eigentlichen Preis, sondern von den
zukünftigen Erträgen.
Der Wert eines Grundstückes wird jedoch nicht nur durch die Grundrente, sondern durch eine Reihe weiterer Faktoren bestimmt, die in nationale, regionale,
zonale und grundstücksindividuelle Faktoren unterschieden werden können
(vgl. Dietrich, 2005, S. 382 f.; s. Bild 1.3):
nationale
§§
regionale
%
Einflussfaktoren
zonale
A-Stadt
individuelle
Bauland
Bild 1.3
Den Wert eines Grundstücks beeinflussende Faktoren
Nationale Faktoren wirken im Allgemeinen auf alle Grundstücke eines Landes
gleichermaßen ein. Zu diesen Faktoren gehören z. B. die Sicherheit des Grundeigentums, die Besteuerung des Grundeigentums, die wirtschaftliche Entwicklung im Land und Kapitalanlagemöglichkeiten.
Regionale Einflussfaktoren wirken auf ein geografisch begrenztes Gebiet, wie
z. B. eine Stadt oder einen Kreis. Zu diesen Faktoren zählen u. a. die Bevölkerungsdichte, die Arbeitsmarktsituation, angesiedelte Industrie- und Gewerbebetriebe, die Infrastruktur, die Kaufkraft und die allgemeine Standortattraktivität.
HDL
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Zonale Faktoren wirken in einigen Straßenzügen, in einem oder mehreren Stadtteilen und Gemeindegebieten. Dazu gehören die Attraktivität eines
Stadtteiles oder einer Straße als Wohn- und Geschäftsgebiet, die infrastrukturelle Erschließung und die architektonische Gestaltung bzw. Art der Bebauung.
Auch wenn diese Faktoren nicht direkt den Preis eines Grundstückes bestimmen, so haben sie doch starken Einfluss auf das Preisniveau in einer Zone.
Der Grundstückswert wird letztendlich bestimmt durch grundstücksindividuelle Faktoren, die von rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften eines Grundstücks gebildet werden. Ein wesentlicher Einflussfaktor
sind die rechtlichen Gegebenheiten hinsichtlich der Nutzbarkeit eines Grundstücks, die sich aus der Bauleitplanung ergeben. Zu den tatsächlichen Eigenschaften zählen z. B. die geografische Lage, die Größe und Vegetation, aber
auch Umweltbedingungen und die Nähe zu infrastrukturellen Einrichtungen.
Die Wohnlage gibt Aufschluss darüber, inwieweit ein Grundstück zu Wohnzwecken genutzt werden kann. Beeinflussend wirkt auch die Nachbarschaftslage,
d. h., es ist von Bedeutung, ob und wie benachbarte Grundstücke genutzt werden und ob sich daraus positive oder negative Wechselwirkungen für die beabsichtigte Nutzungsart ergeben könnten.
1.4
Bewertung von Grundstücken und Gebäuden
Ob für Grundstücksverkäufer, Investoren oder Privatpersonen, die ein Grundstück zum Bau eines Einfamilienhauses erwerben wollen, – es ist für alle Beteiligten von großer Bedeutung, über Grundstückswerte informiert zu sein. Nur
so kann festgestellt werden, ob der Preis eines Grundstückes realistisch und
angemessen ist oder nicht.
Auch für Banken, die vergebene Kredite mit Grundpfandrechten absichern, ist
es wichtig, Grundstückswerte zu kennen. Liegt der Wert des beliehenen Grundstücks unter der Kreditsumme, läuft die Bank Gefahr, dass die Kreditsicherheit
im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers nicht zur Befriedigung
ihrer Ansprüche an den Kreditnehmer ausreicht.
Aufgabe der Grundstücksbewertung ist die Analyse aller relevanten, den Wert
beeinflussenden Faktoren und die Feststellung des tatsächlichen Grundstückswertes.
1.4.1
Rechtliche Grundlagen
der Grundstückswertermittlung
Die Rechtsgrundlagen zur Ermittlung von Grundstückswerten enthält der 1. Teil
des 3. Kapitels des Baugesetzbuches (BauGB) §§ 192 ff. Hierin werden u. a. die
Aufgaben der Gutachterausschüsse und der Verkehrswert geregelt. Per § 199
BauGB wird die Bundesregierung ermächtigt, „mit Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze bei
der Ermittlung der Verkehrswerte und bei der Ableitung der für die Wertermittlung
erforderlichen Daten zu erlassen.“ Beim Erlass der Wertermittlungs-Verordnung
(1988) machte die Bundesregierung von diesem Recht Gebrauch. Nach Novellierung dieser Verordnung trat am 1. Juli 2010 die ImmobilienwertermittlungsHDL
9
10
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
verordnung (ImmoWertV) in Kraft. Sie berücksichtigt Veränderungen, wie den
Beitritt der Neuen Länder, die neuen Aufgabenbereiche Stadtneubau und Soziale Stadt sowie den demografischen und wirtschaftlichen Wandel, die Internationalisierung der Immobilienwirtschaft und deren stärkere Kapitalmarktorientierung.
Neben diesen gesetzlichen Grundlagen gibt es Wertermittlungs-Richtlinien,
die nur für Behörden, nicht aber für Private bindenden Charakter haben.
1.4.2
Gutachterausschüsse
Zur Schaffung von Transparenz und Übersichtlichkeit auf dem Bodenmarkt ist
in den §§ 192 ff. BauGB die Einrichtung von selbstständigen, unabhängigen
Gutachterausschüssen für Grundstückswerte vorgesehen. Die Gutachterausschüsse werden von einem Vorsitzenden und ehrenamtlichen Mitgliedern gebildet, die nicht hauptamtlich in der Grundstücksverwaltung derjenigen Gebietskörperschaft, für die der Ausschuss gebildet wurde, tätig sein dürfen.
Aufgabe der Gutachterausschüsse ist die Erstellung von Gutachten über den
Verkehrswert bebauter und unbebauter Grundstücke. Die zur Wertermittlung
gesammelten Daten stehen – wenn auch nicht in vollem Umfang – allen interessierten Marktteilnehmern zur Verfügung. Damit können auch vergleichsweise unerfahrene Marktteilnehmer (z. B. Privatleute) am Bodenmarkt agieren,
ohne befürchten zu müssen, durch professionelle Teilnehmer benachteiligt zu
werden.
Die Gutachterausschüsse sind verpflichtet, sog. Kaufpreissammlungen zu führen. Diese können nur vom Finanzamt zum Zwecke der Steuerermittlung bzw.
von gerichtlichen Sachverständigen eingesehen werden. Die Gutachterausschüsse sind für Behörden von großer Bedeutung, insbesondere für das Baurecht, da im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen, bei Eingriffen in fremdes
Eigentum, Grundstückswerte bestimmt werden müssen.
Zudem sind die Gutachterausschüsse verpflichtet, in regelmäßigen Abständen
(i. d. R. zum Ende des Kalenderjahres) Bodenrichtwerte zu veröffentlichen. Bodenrichtwerte werden ausgehend von den Kaufpreissammlungen ermittelt
und stellen „durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung
des unterschiedlichen Entwicklungszustands“ (§ 196 Abs. 1 BauGB) dar.
1.4.3
Der Verkehrswert
Preis und Wert sind per Definition nicht dasselbe. Der Kauf-/Verkaufspreis eines Grundstückes kann wesentlich unter oder über dessen tatsächlichem Wert
liegen. Das Ausmaß der Abweichung des Preises vom Wert hängt im Wesentlichen von der Verhandlungsmacht der Beteiligten, der Dringlichkeit des Kaufes/
Verkaufes, der Angebots- und Nachfragesituation ab. Im Rahmen der Ermittlung von Grundstückswerten entspricht der Verkehrswert dem Preis, der am
ehesten von einem Käufer bezahlt werden würde.
HDL
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Der Verkehrswert stellt nach BauGB § 194 den Preis dar, „der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
nach den rechtlichen Gegebenheiten, tatsächlichen Eigenschaften der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstückes […] ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
Definition
Diese Definition enthält mehrere Begriffe, die einer näheren Erläuterung bedürfen (vgl. Bild 1.4):
gewöhnlicher
Geschäftsverkehr
d. h. auf dem freien Markt,
ungeachtet ungewöhnlicher oder
persönlicher Verhältnisse
Eigenschaft,
Beschaffenheit
Größe, Gestalt, Boden (Altlasten),
Umwelt
(Lärm- und Abgasbelästigung)
Lage
individuelle Lage des Grundstücks
rechtliche
Gegebenheiten
Bauleitplanung, beeinflussende
Rechte und Belastungen,
Erschließungsbeiträge und Abgaben
Verkehrswert
Bild 1.4
11
Den Verkehrswert beeinflussende Faktoren
Gewöhnlicher Geschäftsverkehr (vgl. Bild 1.4) bedeutet, dass der Grundstückskauf bzw. ‑verkauf auf dem freien Markt zustande kommt und alle bei
einem Grundstückskauf üblichen Faktoren berücksichtigt werden. Die Grundstückspreise sollen ungeachtet ungewöhnlicher – z. B. Sondervereinbarungen
bezüglich der Zahlung oder besondere Belastungen auf dem Grundstück –
oder persönlicher Verhältnisse – wie z. B. Vorzugspreise aufgrund verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen – gebildet werden.
Weitere den Grundstückswert beeinflussende Faktoren sind Eigenschaften
und Beschaffenheit des Grundstückes. Darunter fallen die Größe und Gestalt
des Grundstückes und der Zustand des Bodens (evtl. Altlasten). Besonders
beim Bau von Eigenheimen legen Grundstückskäufer großen Wert auf eine gesunde Umwelt, minimale Lärm- und Abgasbelastungen.
Die Lage eines Grundstücks bestimmt, wozu es genutzt werden kann, d. h. als
Wohn- oder Gewerbegebiet oder Mischform. Die individuelle Verkehrs-, Wohn‑,
Geschäfts-, Nachbarschafts-, Immissionslage eines Grundstücks kann – je nach
Nachfrager und Bauvorhaben – wertsteigernd oder wertmindernd wirken.
HDL
12
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Für einen Investor ebenfalls von Bedeutung sind die rechtlichen Gegebenheiten. Dazu gehören die Bauleitplanung, eventuell anfallende Erschließungsbeiträge und sonstige Abgaben sowie auf dem Grundstück lastende Rechte:
XX Bauleitplanung:
Die Bauleitplanung legt die Bebaubarkeit von Grundstücken und die Art
und das Maß der Nutzung fest. Eine bessere Nutzungsart (d. h. Wohnungsbau anstelle von gewerblichen Bauten) bedeutet im Allgemeinen ebenso
eine Werterhöhung wie ein höheres Nutzungsmaß (mehrgeschossige Gebäude anstelle von eingeschossigen).
XX Erschließungsbeiträge und sonstige Abgaben:
Ebenfalls wertbeeinflussend wirken eventuell noch zu zahlende Erschließungsbeiträge und Abgaben. Erschließungsbeiträge nach dem BauGB sind
Beiträge, die zur infrastrukturellen Anbindung eines Grundstückes anfallen.
Im Allgemeinen haben Grundstückseigentümer 90 Prozent der infrastrukturellen Erschließungsbeiträge zu zahlen, die verbleibenden Kosten werden von der Gemeinde übernommen. Auch die Kosten zum Bau von Versorgungs- und Entsorgungsanlagen fallen unter Erschließungsbeiträge. Dafür
ist ein kommunaler Abschlag zu entrichten.
XX Auf dem Grundstück lastende Rechte:
Beeinflussende Rechte und Belastungen könnten Ansprüche der Gemeinde auf Teile des Grundstückes – beispielsweise wegen einer geplanten Straßenführung oder -verbreiterung – darstellen. Des Weiteren zählen dazu
Vorschriften hinsichtlich der architektonischen Gestaltung des zu errichtenden Gebäudes, dessen Nutzung, dessen Abstand zu Nachbargrundstücken,
Denkmalschutzauflagen usw.
1.4.4
Wertermittlung
Die Ermittlung des Verkehrswertes eines bebauten oder unbebauten Grundstückes (mit Ausnahme land- oder forstwirtschaftlich genutzter) erfolgt nach
§§ 192 ff. BauGB durch einen unabhängigen Gutachterausschuss. Die Erstellung eines solchen Gutachtens kann vom Eigentümer des Grundstückes, vom
Gläubiger einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld, Behörden nach dem
BauGB und Gerichten beantragt werden.
Definition
Den Verkehrswert eines Gundstücks legt der Preis fest, „der in dem Zeitpunkt,
auf den sich die Ermittlung bezieht […] zu erzielen wäre“. Dieser bestimmte
Zeitpunkt wird Wertermittlungsstichtag genannt.
Grundstückswerte bleiben im Allgemeinen jedoch nicht konstant, sondern
steigen meist. Aus diesem Grund werden Grundstückswerte in regelmäßigen
Abständen ermittelt.
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Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
Zur Ermittlung des Verkehrswertes können nach der Immobilienwertermittlungsverordnung und deren Novellierung (ImmoWertV) verschiedene Wertermittlungsverfahren herangezogen werden (vgl. auch Stein/Birnbaum/Timmermann, 1998, S. 286 ff.):
–– das Vergleichswertverfahren,
–– das Ertragswertverfahren und
–– das Sachwertverfahren.
Das Vergleichswertverfahren ist das in der Praxis bevorzugte Verfahren. Es
wird zur Ermittlung des Verkehrswertes unbebauter Grundstücke und zur Ermittlung der Bodenwerte bebauter Grundstücke angewendet. Hierbei wird der
Wert eines Grundstückes anhand von Vergleichswerten, d. h. tatsächlich gezahlten Preisen für in Größe, Form, Beschaffenheit usw. vergleichbare Grundstücke ermittelt. Folglich kann das Verfahren nur dann angewendet werden,
wenn solche Vergleichswerte in angemessener Anzahl (abhängig vom Einzelfall) zur Verfügung stehen. Da aber bereits geringfügige Unterschiede, wie z. B.
eine minimale Abweichung in der Fläche zweier Grundstücke, zu unterschiedlichen Verkehrswerten führen können, wird beim Vergleichswertverfahren im
Allgemeinen nicht mit Vergleichswerten, sondern mit Vergleichsfaktoren (z. B.
Quadratmeterpreise, Jahresroherträge) gerechnet.
Das Ertragswertverfahren wird vorrangig zu Ermittlung des Wertes bebauter
Grundstücke angewendet. Das Verfahren spielt eine große Rolle bei Grundstücken, die zum Bau von Mietwohnungen oder für gewerblich-industrielle Zwecke genutzt werden, da der Grundstückswert maßgeblich von den durch das
Grundstück erzielbaren Erträgen beeinflusst wird. Zur Wertermittlung werden
die Ertragswerte der Gebäude und baulichen Anlagen sowie die Bodenwerte herangezogen. Maßgebend für die Wertermittlung ist die mögliche Rendite, die durch die Nutzung der baulichen Anlagen erzielt werden kann. Die
potenziellen Erträge innerhalb der Restnutzungsdauer werden auf den Wertermittlungszeitpunkt diskontiert. Unabhängig von der Restnutzungsdauer der
baulichen Anlagen wird der Bodenwert (meist anhand des Vergleichswertverfahrens ermittelt) in den Ertragswert einbezogen.
Wie auch das Ertragswertverfahren dient das Sachwertverfahren in erster Linie der Wertermittlung bebauter Grundstücke. Es wird dann bevorzugt, wenn
die Herstellungskosten der auf dem Grundstück errichteten Gebäude und
baulichen Anlagen den Preis maßgeblich beeinflussen. Dies ist im Allgemeinen bei Zweckbauten (z. B. Kinos, Warenhäuser, Sporthallen) oder auch bei Einund Zweifamilienhäusern der Fall. Die Ermittlung des Grundstückswertes erfolgt hierbei über einen sog. Ausgangswert, der sich aus dem Bodenwert, dem
Gebäudewert und dem Wert der Außenanlagen zusammensetzt. Als Bodenwert wird der Wert angenommen, den der Grund und Boden hätte, wenn das
Grundstück nicht bebaut wäre. Zur Ermittlung des Gebäudewertes werden in
der Praxis die Herstellungskosten nach Erfahrungssätzen des Jahres 1913 herangezogen. Der sich daraus ergebende Wert wird auf die Baupreisverhältnisse im Wertermittlungszeitraum umgerechnet (= Gebäudenormalherstellungswert). Dieser Wert kann um Abschläge wegen Alters oder baulicher Mängel
vermindert werden. Auf ähnliche Weise wird der Wert der Außenanlagen er-
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13
14
Immobilienrelevante betriebswirtschaftliche Grundlagen
mittelt. Der so bestimmte Ausgangswert wird dem gemeinen Wert durch die
Anwendung von Wertzahlen angenähert.
Die Ermittlung des Bodenwertes erfolgt zunehmend über das Residualverfahren, einem aus England stammenden Verfahren. Dabei wird der Bodenwert als
Restgröße angenommen, die nach Hinzurechnung der erwarteten Erträge und
Abzug von Baukosten, Zinskosten und Amortisationsbeträgen verbleibt. Das
Verfahren wird dann angewendet, wenn der Wert eines Grundstücks in Abhängigkeit von seiner zukünftigen, entwickelbaren Nutzung ermittelt werden soll.
Nachteil dieser Methode sind die auftretenden Ungenauigkeiten, da zukünftige Kosten und Erträge aufgrund konjunktureller Schwankungen nur schwer
bestimmt werden können. Während diese Methode im Wohnungsbau selten
verwendet wird, kann sie bei frei finanzierten Objekten wichtige Informationen liefern.
Kontrollfragen
K 1.1
Durch welche Besonderheiten zeichnet sich das Gut „Boden“ aus?
K 1.2
Welche Faktoren bestimmen außer der Grundrente den Wert eines
Grundstückes?
K 1.3
Was ist die Aufgabe von Gutachterausschüssen?
K 1.4
Definieren Sie den Begriff „Verkehrswert“!
K 1.5
Anhand welcher Verfahren kann der Verkehrswert eines Grundstückes ermittelt werden? Beschreiben Sie diese Verfahren kurz!
2
Finanzierung von Immobilienprojekten
In diesem Kapitel sollen Sie kennenlernen:
Studienziel
•• die Finanzierungsstrukturen im Wohn- und Gewerbeimmobilienbau.
2.1
Finanzierung von Wohnimmobilien
Der Markt für Mittel zur Wohnungsbaufinanzierung (s. Bild 2.1) stellt einen Teil
des Kapitalmarktes dar.
Als Finanzierungsmittel für Wohnungsbaumaßnahmen eignen sich jedoch
nur solche Instrumente, die die langfristige Kapitalbindung im Immobilienbereich berücksichtigen und die Liquidität nicht überbelasten: Der Kreditmarkt
dient der Gewährung langfristiger Hypothekbarkredite, über den Rentenmarkt kann eine Finanzierung durch langfristige Schuldverschreibungen erfolgen und über den Beteiligungsmarkt durch Investmentanteile und Aktien.
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