Vertrauen in ausgewählte öffentliche Institutionen und Behörden

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Vertrauen in ausgewählte öffentliche
Institutionen und Behörden
Die Stabilität einer Gesellschaft kann durch das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen gemessen werden. Hohes Vertrauen in diese Behörden und Institutionen deutet deshalb auf eine funktionierende Gesellschaft hin. Das Vertrauen
in eine staatliche Institution bzw. Behörde kann einerseits die Zufriedenheit bzw.
die Unzufriedenheit mit der Leistung ausdrücken, andererseits die Akzeptanz und
Legitimation der Institution in der Gesellschaft insgesamt aufzeigen. Kurzfristige
Vertrauensschwankungen werden in der Regel mit der Zufriedenheit der Leistungen
in Zusammenhang gebracht, längerfristige Veränderungen mit der Legitimation.
In diesem Kapitel wird zuerst auf das allgemeine Vertrauen der Schweizer Stimmbevölkerung in ausgewählte staatliche Institutionen und Behörden eingegangen.
Anschliessend wird das Verhältnis zwischen Vertrauen und Sicherheitsgefühl bzw.
Zukunftsoptimismus analysiert.
5.1
Institutionen-Vertrauensindex
Seit 1995 wird das Vertrauen in ausgewählte Institutionen und Behörden erhoben.1 Es handelt sich bei diesen um die Armee, den Bundesrat, die Gerichte, die
Medien, das Schweizer Parlament, die politischen Parteien, die Polizei sowie um
die Schweizer Wirtschaft. Die Befragten bekunden ihr Vertrauen auf einer Skala
von 1 «überhaupt kein Vertrauen» bis 10 «volles Vertrauen».
Den acht regelmässig erfassten Behörden und Institutionen wird auch 2015
besonders viel Vertrauen entgegengebracht (vgl. Tabelle 5.1).2 Bei allen erfragten
Institutionen und Behörden liegt das aktuelle Vertrauen über dem langjährigen
Mittel. Ebenso zeigt sich im langjährigen Vergleich ein Vertrauensgewinn auf der
Aggregatsebene. Das allgemeine mittlere Vertrauen weist aktuell einen signifikant
1
2
In dieser Studie werden die Daten erstmals nur ab 2007 dargestellt. Ebenso werden – im Gegensatz zu
früheren Berichten – die politischen Parteien neu in die Berechnung für das mittlere Vertrauen miteinbezogen. Dies hat zur Folge, dass das mittlere Vertrauen andere Werte im Vergleich zur Studie «Sicherheit
2014» aufweist. Für Daten vor 2007 bzw. die Berechnung des mittleren Vertrauens ohne politische Parteien kann die Studie «Sicherheit 2014» konsultiert werden unter: http://www.css.ethz.ch/publications/
DetailansichtPubDB?rec_id=3018
In diesem Jahr wurde zusätzlich nach dem Vertrauen in private Sicherheitsfirmen gefragt. Der Mittelwert
liegt bei 5.9 und geniesst im Durchschnitt eher ein tieferes Vertrauen. Nur die politischen Parteien und
die Medien erhalten weniger Support.
93
Sicherheit 2015
höheren Wert auf als der Durchschnitt 2007 – 2015 (Ø: 6.3, 2015: 6.5, +0.1 im Vergleich zu 2014).
Die Polizei, die Gerichte im Allgemeinen und der Bundesrat haben über den
Jahresverlauf signifikant an Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen. Nach wie
vor weist das Vertrauen in die Polizei den höchsten Wert auf (7.7), gefolgt vom
Vertrauen in die Gerichte (7.2). Der Bundesrat geniesst 2015 das drittgrösste Vertrauen (7.0). Die Schweizer Wirtschaft (6.8), die Armee (6.5) und das Parlament
(6.4) besetzen die mittleren Plätze. Am wenigsten Vertrauen wird weiterhin den
politischen Parteien (5.3) und den Medien (5.3) entgegengebracht.3
Tabelle 5.1
Index des Vertrauens in öffentliche Institutionen 2007 bis 2015
Mittelwerte auf einer Skala von 1 bis 10 (1 = «kein Vertrauen», 10 = «volles Vertrauen» nach Vertrauensmass sortiert)
ɣ
ɣ
Ø
ɣ
» » »
» » » » » ’15 SD**
7VSPaLP
7.3 7.2 7.2 7.1 7.6 7.6 7.5 7.7
1.6
1.2
7.3
.LYPJO[L
HSSNLTLPU
6.7 6.6 7.1 7.2
1.8
Bundesrat
6.3 6.5 6.5 Schweizer Wirtschaft
6.7 6.7 6.2 6.6 6.6 6.6 6.8 6.7 6.7 7.0
6.8
=0
¶ ¶
6.5
1.7
¶
6.6
6.1 6.3 6.2 6.5
2.2
6.3
5.7 6.2 6.3 6.4
1.8
¶
6.2
5.1 5.3 5.3
1.8
¶
¶
5.1
5.1 5.3 5.2 5.3
¶
1.2
0.1
–
6.3
0.2*
Armee
6.6 6.5 ,PKN7HYSHTLU[
6.1 6.3 6.2 7VSP[PZJOL7HY[LPLU
5.1 5.2 Medien
4P[[SLYLZ=LY[YH\LU
6.3 6.3 6.1 6.3 6.5
**
ɣ
ø
5.1 :PNUPÄRHU[LY<U[LYZJOPLK[[LZ[͍0YY[\TZ^HOYZJOLPUSPJORLP[
Standardabweichung
+PMMLYLUa
Durchschnitt
4P[[SLYLZ0UZ[P[\[PVULU]LY[YH\LU
Das Vertrauen in die Polizei und die Gerichte steigt signifikant an, sowohl im
Vergleich zum letzten Jahr wie auch im Vergleich zum langjährigen Durchschnittswert. Dies bedeutet, dass sowohl die Leistung als auch die Legitimation der beiden
Rechtsinstanzen (Polizei und Gerichte) gestiegen sind.
Das Vertrauen in den Bundesrat liegt 2015 an dritthöchster Stelle und hat im
Vergleich zum Vorjahr mit der Schweizer Wirtschaft den Platz getauscht. Der Bundesrat geniesst 2015 den grössten Vertrauenszuwachs – sowohl verglichen mit dem
3
94
Reliabilität des Vertrauensindex 2015: Cronbachs Į=0.8
Vertrauen in ausgewählte öffentliche Institutionen und Behörden
letzten Jahr (+0.3) wie auch im Vergleich zum eigenen Durchschnittswert (+0.5).
Ebenfalls erhält er auch den höchsten je für ihn gemessenen Wert über die Zeitperiode 1995 – 2015. Die Gründe hierzu wurden nicht erfragt, doch der erfolgreiche
OSZE-Vorsitz 2014 des damaligen Bundespräsidenten Didier Burkhalter könnte
eine mögliche Ursache für den Vertrauenszuwachs darstellen. Alle anderen Institutionen geniessen das gleich hohe Vertrauen wie letztes Jahr. Die politischen Parteien und die Medien belegen weiterhin wie oben erwähnt dabei die letzten Plätze.
Generell lässt sich feststellen, dass alle Institutionen im langjährigen Vergleich
2015 ein signifikant überdurchschnittliches Vertrauen geniessen. Diese positive
Veränderung des mittleren Vertrauens zeigt sich seit 2013.
Es ist anzunehmen, dass eigene Erfahrungen sowie die Sozialisation das Vertrauen in Behörden und öffentliche Institutionen beeinflussen. Steht eine Person
häufig und positiv mit einer bestimmten Behörde in Kontakt, dann dürfte sich
dies im Vertrauen in diese Institution niederschlagen. Ebenso könnte das Vertrauen höher ausfallen, wenn man eine Institution aufgrund der eigenen Sozialisation
als stärker legitimiert betrachtet (vgl. Luhmann 1968). Die Legitimation für eine
Institution kann je nach Geschlecht, Sprachregion, Alter, politischer Einstellung,
Bildungsgrad und Einkommen variieren. Tabelle 5.2 veranschaulicht die Korrelationen zwischen den soziodemografischen Merkmalen und dem Vertrauen in
Institutionen und Behörden.
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Sicherheit 2015
Tabelle 5.2
Korrelationen zwischen Vertrauen in öffentliche Institutionen und individuellen Merkmalen 2015 und
zusammengefasst für 2007 bis 2014
2015
2VLMÄ
7VSP[PZJOL
zient Bundesrat 7HYSHTLU[ Parteien .LYPJO[L
>LPISPJO
CC
Deutschschweiz
CC
7VSPaLP
–
–
––
+
–
–
Armee
–
––
+
ʺ
1LO€OLYNLIPSKL[
ʺ
+
++
–
1LWVSP[PZJOYLJO[LY
ʺ
–
–
+++
1LO€OLYKHZ,PURVTTLU
ʺ
+
+
–
–
1LpS[LY
+
CHMedien Wirtschaft
++
+
+
͍¶͍
2VLMÄ
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Armee
–
CHMedien Wirtschaft
+
–
–
+
+
+
–
–
+
++
+
\UK
ZJO^HJOLWVZP[P]LVKLYULNH[P]L2VYYLSH[PVU!cʺc$͍¶͍
\UK TpZZPNZJO^HJOLWVZP[P]LVKLYULNH[P]L2VYYLSH[PVU!cʺc$͍¶͍
\UK TP[[SLYLWVZP[P]LVKLYULNH[P]L2VYYLSH[PVU!cʺc$͍¶͍
Sowohl 2015 wie auch im langjährigen Mittel vertrauen Männer und Frauen in
die meisten Behörden und Institutionen gleichermassen. Ausnahmen bilden im
Jahr 2015 die Gerichte, die Armee und die Wirtschaft. In diese vertrauen Frauen
weniger als Männer. Im langjährigen Schnitt ist das Vertrauen in die Gerichte bei
Frauen geringer, jedoch in die Wirtschaft höher. Regionale Unterschiede lassen sich
dieses Jahr bei der Vertrauensbekundung zum Bundesrat, zum Parlament, zu den
politischen Parteien und zu den Medien feststellen. Die DeutschschweizerInnen
vertrauen diesen Institutionen weniger stark, hingegen ist das Vertrauen stärker
gegenüber politischen Parteien.
Ältere Menschen misstrauen 2015 den Gerichten, dem Parlament und den
politischen Parteien stärker als Jüngere, dagegen bringen sie der Armee grösseres
Vertrauen entgegen. Von 2007 bis 2014 lassen sich nur bei dem Vertrauen in die
Gerichte und in die Armee Altersunterschiede feststellen. Sowohl in diesem Jahr
wie auch im langjährigen Schnitt zeigt sich in Bezug auf das Bildungsniveau, dass
besser Gebildete dem Bundesrat und den Gerichten mehr Vertrauen schenken,
während sie der Armee eher weniger vertrauen. Politisch rechts Eingestufte bringen
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Vertrauen in ausgewählte öffentliche Institutionen und Behörden
der Armee sowie der Schweizer Wirtschaft höheres Vertrauen entgegen, besonders die Armee geniesst hier starkes Vertrauen. Dagegen wird dem Bundesrat und
den Gerichten weniger vertraut. Diese Resultate sind sowohl 2015 wie auch im
Zeitraum von 2007 bis 2014 festzustellen, wobei im langjährigen Vergleich Personen mit selbstdeklarierter rechter politischer Einstellung ebenso noch der Polizei
überdurchschnittlich stark vertrauen. Dieses Jahr zeigt sich, dass ökonomisch gut
Situierte stärker dem Bundesrat, dem Parlament, den politischen Parteien, den
Gerichten und der Schweizer Wirtschaft vertrauen.
5.2
Verhältnis zwischen Vertrauen und Sicherheitsgefühl und
Zukunftsoptimismus
In hoch arbeitsteilig organisierten Gesellschaften wie der Schweiz ist Vertrauen
eine wichtige sicherheitsstiftende Verhaltensweise. In dem Masse, in dem Abläufe
und das Funktionieren lebenswichtiger komplexer Systeme von den einzelnen
Gesellschaftsmitgliedern immer weniger oder nicht (mehr) durchschaut werden
können, hilft Vertrauen, Komplexität zu reduzieren (vgl. Luhmann 1968). Vertrauen manifestiert sich dabei im Gefühl, dass «Personen oder Instanzen die Dinge
schon richtig machen». Es kann angenommen werden, dass ein Zusammenhang
zwischen einer optimistischen Zukunftserwartung bzw. dem Sicherheitsgefühl
und dem Vertrauen in Institutionen besteht. Somit stellt sich die Frage, wie eng
das Vertrauen in Institutionen und das Sicherheitsgefühl bzw. die Zuversicht miteinander verknüpft sind.
In Tabelle 5.3 sind die Koeffizienten der signifikanten Zusammenhänge zwischen
dem Vertrauen in die erfassten Institutionen und dem allgemeinen Sicherheitsempfinden bzw. dem Zukunftsoptimismus in die Schweiz dargestellt. Ein positiver Wert
bedeutet, dass Befragte, die sich sicherer fühlen bzw. optimistischer in die Zukunft
blicken, einer Institution ebenfalls stärker vertrauen. Aktuell weisen die Korrelationsmasse aller Institutionen und Behörden auf positive Zusammenhänge hin.
Besonders Personen, welche den Gerichten und den politischen Instanzen (Bundesrat und Parlament) vertrauen, fühlen sich sicher. Zwischen dem allgemeinen
Sicherheitsgefühl und dem Vertrauen in staatlich-politische Institutionen scheint
demzufolge eine starke positive Wechselwirkung zu bestehen. Unter Kontrolle
soziodemografischer Merkmale wie dem Alter, der politischen Einstellung, dem
Geschlecht, den Sprachregionen und dem Bildungsniveau korreliert das Vertrauen
in alle Institutionen und Behörden signifikant mit Ausnahme in die Armee.
Wird der Einfluss unter Kontrolle von soziodemografischen Eigenschaften in
einer multivariaten Regressionsanalyse untersucht, ist 2015 zwischen dem Vertrauen
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Sicherheit 2015
in eine bestimmte Institution und der Einschätzung der Entwicklung der Schweiz
überall ein positiver signifikanter Effekt festzustellen.
Tabelle 5.3
Signifikante Korrelationen zwischen Vertrauen in öffentliche Institutionen und Sicherheitsgefühl bzw.
Optimismus, 2014 und 2015
Allgemeines
Sicherheitsgefühl
ˆ
Zukunftsoptimismus
bezüglich Schweiz
ˆ
2014
2015
2014
2015
Bundesrat
:JO^LPaLY7HYSHTLU[
7VSP[PZJOL7HY[LPLU
.LYPJO[LHSSNLTLPU
7VSPaLP
Armee
n.sig
n.sig
n.sig
Medien
Schweizer Wirtschaft
UZPN$UPJO[ZPNUPÄRHU[
Fazit: Das hohe Sicherheitsempfinden sowie die optimistische Erwartung in die
Zukunft der Schweiz finden auch in diesem Jahr Niederschlag im Vertrauen der
Schweizer Bevölkerung in die verschiedenen erfassten Institutionen, Behörden, wie
auch in die Wirtschaft. Die Polizei, die Gerichte und der Bundesrat dürfen 2015
gegenüber 2014 sowohl eine Steigerung in der Zufriedenheit mit ihrer Leistung
wie auch einen Legitimationsgewinn von der Schweizer Bevölkerung entgegennehmen. Die restlichen Behörden und Institutionen haben dieses Jahr gegenüber
dem langjährigen Vergleich einen Legitimationsgewinn erhalten. Generell lässt das
hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Schweizer Institutionen und Behörden auf
eine grosse Stabilität der Schweizer Gesellschaft schliessen.
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