TELEFON 0 71 51 / 566 -275 FAX 0 71 51 / 566 -402 EXTRA: E-MAIL [email protected] ONLINE www.zvw.de Rems Murr RUNDSCHAU Nummer 139 – RMR4 Mittwoch, 19. Juni 2013 C5 Leserfahrt „Mamma Mia“ Erwachsen? Dann nimm was dagegen! AboPlus-Reise zum Musical „Mamma Mia!“ – 800 unserer Leserinnen und Leser waren dabei Von unserer Mitarbeiterin Sabine Reichle Waiblingen/Stuttgart. Es war schön und aufregend, lustig auch, wobei man die Tränen nicht immer unterscheiden konnte: Fließen sie vor Rührung über die eigentlich bekannte, aber immer wieder doch auf seltsame Art das Herz berührende Geschichte von „Mamma Mia!“? Oder fließen sie, weil es einfach so sauglatt ist, wie in die besten Jahre gekommene Frauen junge Bürschchen springen lassen. Und ebenfalls ins Alter des leicht ergrauten Haupthaares gekommene Männer unverhofft Vater einer 20-jährigen Tochter werden? Wie auch immer: Selten war ein Abend im Musical für die Zeitungsleserinnen und Leser so erfrischend und unterhaltsam wie dieser. Doch weil es eine Geschichte gibt, die sicherlich all jene, die mitfahren konnten, brennend interessiert, hier gleich zu Beginn der Geschichte die Aufklärung darüber, warum die Darstellerin der Donna, Sabine Mayer, im letzten Drittel des Musicals nach kurzer Pause ersetzt wurde durch die ebenso furios auftretende Claudia Agar. Das war ein Moment, in dem das Theater in die Wirklichkeit blinzelte und dabei zeigten alle Akteure, dass der Spruch: „The show must go on“ keine leere Floskel ist. Sang noch Sabine Mayer in einer Szene, mit durchaus überzeugender Stimme und spielte ihre Rolle mit Begeisterung, kam dann eine Szene ohne sie und hernach fiel plötzlich der Vorhang. Die Ansage kam sofort: Man bitte um einen Moment Geduld. Und dann, kaum fünf Minuten später: Sabine Mayer werde ersetzt durch Claudia Agar. Die kam auf die Bühne, tat so, als hätte sie den ganzen Abend noch nichts anderes getan und führte das Stück zu Ende und alle ins Happy End. Das Schminken geht ratz fatz Grandios diese Leistung, die so erfuhr man durch Nachfrage beim Presssprecher, abgerufen werden musste, weil Sabine Mayer im letzten Drittel ein Schwinden ihrer Stimme bemerkte. Man wolle aber, so Pressechef Gibt uns Money, Mamma Mia. Jürgen Langerfeld, den Gästen bis zum Schluss Höchstleistung bieten. Die sogenannte Zweitbesetzung ist während der Vorstellung im Haus immer anwesend. Das Schminken „geht dann ratz fatz“ und wie auf Knopfdruck machte Claudia Agar ihren Job. Chapeau für diese Leistung und die besten Wünsche für Sabine Mayer und ihre Stimme. Eine der nettesten Mutter-Tochter-Geschichten Zurück zum Anfang des Abends: Es war so ein Sommerabend, der wenn man so möchte, nach Prickelndem schmeckte. Nicht nur deshalb genossen die Gäste ihren Sekt, wahlweise auch ein frisches Pils oder einfach nur Selters vor dem Palladium Theater in Stuttgart. Helga und Tochter Caroline Winter aus Schorndorf sitzen unter den Gästen im Freien und lesen scheinbar gelassen in ihren mitgebrachten Büchern. Dabei, so darf man annehmen, tut das vor allem Caroline, um die elf Jahre alt, um ihre Auf- Bilder: Privat/Reichle regung zu verbergen. Denn Caroline, so verrät es Mama Helga, ist ein echter „Mamma Mia!“-Fan. Zigmal hat sie den Film schon gesehen, kennt alle Lieder und hat diese schon Karaoke gesungen. Überhaupt sieht man einige Mütter mit ihren Töchtern, was nur naheliegend ist, denn „Mamma Mia!“ ist sicherlich eine der nettesten Mutter-Tochter-Geschichten, die man sich denken kann. Im Theater dann stieg spürbar die Vorfreude auf das sommerliche Musical, angesiedelt auf einer fernen griechischen Insel, auf der Mutter Donna irgendwann einmal strandete und dort hängen blieb. Nun Besitzerin einer Pension mit Taverne ist und eine reizende Tochter namens Sophie (Eva Serrarens) hat. Nur eins fehlt: Geld und ein Vater zur Tochter. Vor den noch gesenkten wellenblauen Vorhang trat dann zunächst einer, den zumindest die Leserinnen und Leser vom Zeitungsverlag kennen dürften: Ullrich Villinger, der im Namen seiner Verlegerkollegen die Gäste begrüßte. Und siehe da: Der Mann macht den Samstagabend-Moderatoren charmant Konkurrenz. Kinder, erst mal alles anders machen als die Eltern. Und dann hat sie sich auch noch einen Jungen mit dem himmlischen Namen Sky (Dirk Johnston) ausgesucht. Und wenn Sky sein T-Shirt auszieht, um mit seinen Kumpels auf Tauchkurs zu gehen, dann kann Frau verstehen, dass man den an der Angel behalten will. Einmal Dancing Queen, immer Dancing Queen Sophie nun denkt sich eine Hochzeit im alten Stil und dafür braucht es ihrer Meinung nach eben auch einen Brautvater. Also recherchiert sie, eher heimlich im Tagebuch der Mutter, in dem sie auf viele …. stößt und auf die Namen dreier Männer: Sam (Jerry Marwig), Harry (Ramin Dustdar) und Bill (Jörg Zuch). Beide könnten der Vater von Sophie sein. Denn die Zeiten war damals doch etwas ungezwungener und Donna keine Kostverächterin. Und sexy. Wie, das zeigen die Damen, wenn sie zum Aufwärmen für die Hochzeitsparty in die alten Kostüme steigen. Sie waren einmal jung und wild und Rock’n Roll und hatten eine Band. „Super Trouper“ heißt so ein Lied, das jeder kennt. „Super Trouper“ der Songtitel leitet sich nebenbei aus der Typenbezeichnung für einen Scheinwerfer ab, der die Künstler aus der Blickrichtung des Publikums beleuchtet. Und in diesem Licht und mit den unglaublichen Kostümen von damals sehen die Mädels wirklich klasse aus. „In alter Pracht, wenn auch leicht verwelkt“. Sophie lädt also alle potenziellen Väter auf die Insel ein und „Mamma Mia, es geht wieder los“: Donna ist zwar älter geworden, aber, was will man machen, das Flattern beim Anblick eines gewissen Mannes, lässt nie nach. Man ahnt schnell, dass der smarte Sam der Traumprinz ist, der Donna einst schändlich sitzen ließ. Und so dreht sich alles bald immer mehr um diese alte Liebe, die unter der Sonne Griechenlands wieder an Hitze gewinnt. Donna meint zwar, der Alltag, der nicht immer einfach war, habe sie erwachsen werden lassen, aber die Freundinnen meinen nur lapidar: „Erwachsen? Dann nimm’ was dagegen.“ Einmal Dancing Queen, immer Dancing Queen. Der Charme des Musicals ist diese Mischung aus Melancholie, Liebeswirren, erotischen Anspielungen, die voller augenzwinkerndem Witz sind und eben diesen Songs, mit denen, so meinte es eine Mitreisende im allerbesten Alter „wir halt aufgewachsen sind“. Und die so gut sind, dass auch die jugendlicheren Mitfahrerinnen voll auf Seiten ihrer Mütter stehen. Was sonst selten genug vorkommt. Dass am Ende Sophie, die Tochter, die Heirat noch mal verschiebt, weil sie ahnt, dass es vielleicht schlau ist, erst was von der Welt zu sehen, Mutter Donna aber dafür endlich unter die Haube kommt, rettet die Party und führt zu einem Happy End, das alle glücklich macht. Und so schließt man sich am Ende dem Mann aus der ersten Reihe an, der von seinem Stuhl aufspringt, mittanzt, applaudiert und richtig Spaß hat. Info Ein himmlischer Anblick: Sky Dancing Queen, das Finale Erst mal etwas für den Kreislauf. Dann endlich hob sich der Vorhang und von nun an hätte eine Kamera, so sie denn das Publikum beobachtet hätte, gute zwei Stunden lang vor allem eins gesehen: lachende, lächelnde Gesichter, Köpfe, die im Takt mit wippen, Augen, die mal selig geschlossen mal tränenfeucht sind. Dazu Hände, die immer wieder sich nicht brav in den Schößen halten können, sondern mit klatschen und applaudieren. Es ist eine dem Schauplatz angemessene Mischung aus bacchantischer Ausgelassenheit, erotischem Geplänkel und tragischen Verwicklungen. Es stehen im Mittelpunkt: drei ältere Damen, die jede für sich umwerfend sind. Barbara Raunegger als Rosie, die zusammen mit Freundin Tanja (großartig: Betty Vermeulen) Donna zur Seite steht. Denn Entscheidendes steht an: Tochter Sophie will heiraten. Das können die drei Älteren zwar nicht verstehen, denn zu ihrer Zeit galt der Spruch: „Willst du zum Altar mich schleppen, such’ dir einen anderen Deppen“, aber Sophie will eben, wie alle „Mamma Mia!“, das Musical von Benny Andersson und Björn Ulvaeus, verbindet Abbas Hits mit der bekannten Liebesgeschichte. Die Produzentin Judy Cramer hatte in den achtziger Jahren die Idee zum Musical, für das Catherine Johnston das Buch schrieb. Am 6. April 1999 hatte das Musical am Londoner West End seine Uraufführung. 2008 kam der Film mit Meryl Streep als Donna und Pierce Brosnan als Sam in die Kinos. „Mamma Mia!“ haben 50 Millionen Menschen weltweit gesehen und machten es zum erfolgreichsten Musical der Welt. Noch Zeit für einen Schwatz draußen. Bequemer geht’s auch nimmer: Leserfahrt zum Ereignis. „Mamma Mia!“ wird seit 13 Jahren ununterbrochen am Londoner West End gespielt. Die erste nichtenglische Premiere wurde 2002 in Deutschland gefeiert.