Merkblatt Qualzuchten Die Inhalte dieses Merkblattes wurden aufgrund zwei Veranstaltungen des Vereins Aquarium Zürich erarbeitet und zusammengefasst: a) vereinsinterne Veranstaltung zum Thema Qualzuchten im Jahre 2006 b) Podiumsgespräch am öffentlichen Aquaristik-Symposium 2007 Das Merkblatt dient der Aufklärungsarbeit des Fischschutz-Teams des Vereins Aquarium Zürich, Sektion Schweizer Tierschutz STS 1. Version, April 2007 (Hans Gonella) Qualzucht ist nicht gleich Qualzucht Qualzuchten und Eingriffe in den Fischorganismus, wie Hormonbehandlungen oder das Einfärben, wird durch das Fischschutz-Team des Verein Aquarium Zürich, Sektion des Schweizer Tierschutzes, aus ethischen Gründen verurteilt. Manche Fischrassen können als Qualzuchten bezeichnet werden. Inwieweit gewisse Körpermerkmale das Leben der Fische tatsächlich beeinträchtigt, lässt sich nur unzureichend belegen. Sicher ist jedoch, dass eine dauerhafte Pflege von überzüchteten Fischen auf jeden Fall höchste Ansprüche an die Halter stellen. Zudem benötigen die domestizierten, kugeligen Goldfischzuchtformen sehr geräumige Aquarien (100 l pro Fisch), wie auch sauberes und sauerstoffreiches Aquarienwasser, um artgemäss gepflegt zu werden. Folgende Standpunkte und Sachverhalte führten zur Stellungnahme: Qualzuchten und Farbmanipulationen können mit den Prinzipien einer modernen Fischpflege nicht vereinbart werden. Im Zweifelsfalle ist ein Verzicht auf den Kauf, den Handel und die Weitervermehrung angebracht. 1. Was ist eine Qualzucht? Als Qualzucht werden Zuchtstämme bezeichnet, die aufgrund ihres aggressiven/apathischen Verhaltens oder durch angezüchtete Körpermerkmale nur beschränkt lebensfähig sind. Das heisst, durch die Zuchtauswahl wurden Körperteile weggezüchtet oder so verändert, dass sie für den normalen Einsatz unbrauchbar geworden sind. Fazit: Die Qualzuchten leiden vermutlich mehr, als dass sie leben. Merke: Auch sogenannte Qualzuchten können prächtig aussehen, ein vitales Verhalten aufweisen und lange leben. 2. Wie kann ich eine Qualzucht erkennen? Aufgrund fehlender Untersuchungen an Fischen wurden bis heute keine Richtlinien erarbeitet, um Qualzuchten umfassend zu definieren (fliessende Grenzen). Gewisse Auffälligkeiten grenzen Qualzuchten ein: · Körperformen und Körpermerkmale, welche die natürliche Bewegungsfreiheit einer Fischart stark beeinträchtigt. · Erhöhte organisch bedingte Krankheitsanfälligkeit. · Verhaltensweisen, welche stark von den natürlichen Gegebenheiten der jeweiligen Fischarten abweichen. Fazit: Eine verkürzte Lebenserwartung deutet auf Probleme hin. Dauerstress aufgrund von Missbildungen ist ein stark lebensverkürzender Faktor. Merke: Unter Schmerzen könnten auch gesund scheinende Fische leiden. 3. Wie entstehen Qualzuchten (Mutationen)? Qualzuchten entstehen in erster Linie durch eine mehr oder weniger zufällige Zuchtauslese. Diese wird durch die hohe Vermehrungsrate bei den Fischen begünstigt. Unter Umständen könnten auch die Bestrahlung der Elterntiere beziehungsweise von Keimzellen oder eine Chemikalienbehandlung Mutationen hervorbringen. Die Genmanipulation ist in der Schweiz verboten. 4. Welche Fische können als Qualzuchten bezeichnet werden? Nachfolgende Fische oder Fischgruppen können als Qualzuchten bezeichnet werden. Die Auswahl erfolgte aus rein ethischen Gesichtspunkten, da dazu keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Die Empfehlungen basieren in erster Linie auf Erfahrungen bei der Fischpflege in Aquarien. Dabei wird ausschliesslich den Schweizerischen Gegebenheiten Folge geleistet, ungeachtet der traditionellen asiatischen Betrachtungsweisen. 4.1. Qualzucht: Goldfische mit unnatürlichen Körpermerkmalen Goldfische gelten als domestizierte Fische. Trotzdem dürfen ihnen keine Nachteile angezüchtet werden. Neben der normalen Goldfisch-Schleierform, gibt es verschiedene Zuchtformen, die in unseren Breiten, als Tierquälerei angesehen werden. Solche Fische verfügen über eine beschränkte Schwimmfähigkeit, haben stark verkrüppelte Wirbelsäulen, ein beeinträchtigtes Sehvermögen sowie „geschwürartige“ oder andere unnatürlich wirkende Körpermerkmale. Oftmals können solche Fische ihre Nahrung nur unzureichend aufnehmen. Anmerkung: Die einzelnen Stämme mit unterschiedlich herausgezüchteten Körpermerkmalen sollten nicht gemeinsam gepflegt werden. Damit wird den Fischen ein gleichwertiges Sozialverhalten ermöglicht, da einige Zuchtformen, gegenüber anderen stark benachteiligt sein können. Merke: Unter den „Qualzuchten“ finden sich immer wieder sehr vitale und langlebige Zuchtstämme. 4.2. Qualzucht: Papageienbuntbarsch - Red Parrot Die Red Parrot Cichliden sind Hybriden, das heisst eine Kreuzung aus zwei verschiedenen Gattungen. In der freien Natur wäre diese Verpaarung undenkbar und die Brut daraus vermutlich nur beschränkt überlebensfähig. Ursprünglich waren in den 80er Jahren 3-4 Züchter aus Taiwan an der Zucht beteiligt. Dabei wurde Amphilophus citrinellus mit Vieja synspilus gekreuzt. In der Liste möglicher Fischarten werden auch immer wieder Namen wie Heros severus und Herichthys cyanoguttatus genannt. Fazit: Besonders stossend sind die verkrüppelten Körpermerkmale, wie die ausgeprägte Mauldeformation. 4.3. Qualzucht: Buckelkopfbuntbarsch - Flower Horn Beim Flower Horn zeigt sich die Situation ähnlich wie beim Red Parrot – ausser dass sich die negativen Zuchtmerkmale, statt beim Aussehen, auf das aggressive Verhalten konzentrieren. Aufgrund dessen können die Fische nur in Einzelhaltung gepflegt werden. 4.4. Qualzucht: Ballonmollys und andere Kugelformen bei Lebendgebärenden Hierbei handelt es sich um Lebendgebärende mit stark verkrüppelter Wirbelsäule. Diese kugelförmigen Zuchtstämme werden erst seit einigen Jahren im Handel angeboten. Sie stammen ausschliesslich aus Asien. 5. Unnötige Zuchtziele Nebst den Qualzuchten gibt es Zuchtziele, die das Fischleben negativ beeinflussen können. Obschon sie nicht zwingend zu Qualzuchten führen, dürfen sie nicht empfohlen werden. 5.1. Qualzucht: Schleierformen Mittlerweile gibt es von vielen Wildarten sogenannte Schleierzuchten, deren Schwimmvermögen stark beeinträchtigt ist. Jene Zuchtstämme deren Gesundheit beziehungsweise Sozialverhalten aufgrund der Schleierschwänze beeinträchtigt wird, dürfen als Qualzuchten angesehen werden. Dazu zählen beispielsweise gewisse Zuchtstämme von Guppys, Kampffischen und Antennenwelse, deren Flossen unaufhaltsam wachsen. Merke: Schleierformen finden sich bei Zuchtstämmen häufig und müssen nicht zwingend die Bewegungsfreiheit einschränken oder die Gesundheit einschränken. Dazu zählen vitale Zuchtstämme bei Guppys oder Kampffischen und andere, deren Flossen nicht unaufhaltsam wachsen. 5.2. Albinismus In Aquarien sind Benachteiligungen von Albinos gegenüber den Wildformen nicht erkennbar – aber auch nicht auszuschliessen. Merke: Viele Fischarten kommunizieren via Körperfärbung – den Albinos ist dies nicht möglich. 5.3. Melanismus Melanismus verringert die Vitalität. Beim Segelflosser, P. scalare, ist bei einer Schwarzfärbung eine deutlich verringerte Vitalität und Fruchtbarkeit durch Aquarianer schon beobachtet worden. 5.4. Kreuzungen Immer wieder kommen Kreuzungen auf den Markt, die unnatürliche Farbvarianten hervorgebracht haben. Vor allem betroffen sind Regenbogenfische und Buntbarsche. Fazit: Erzüchtete Farbvarianten sind deplaciert, weil unerfahrene Züchter diese Fische mit Wildformen verpaaren können und somit der ursprüngliche Zustand eines Wildfischstammes für immer verloren geht. Merke: Unnatürliche Färbung kann das natürliche Verhalten negativ beeinflussen beziehungsweise verunmöglichen. Achtung: Kreuzungen zwischen Arten werden im Handel manchmal mit lateinischen Namen der Wildformen deklariert. 5.5. Gestörtes Verhalten als Zuchtnebenerscheinung Fische mit hoher Aggressivität oder gestörtem Schwimmverhalten dürfen nicht weitergezüchtet werden. 5.6. Zufällige Mutationen Mutationen treten bei der Zucht immer wieder auf. Fische mit fehlenden Kiemendeckeln oder anderen unnatürlichen Merkmalen dürfen nicht zur Weiterzucht verwendet werden. 6. Eingefärbte Fische Das Einfärben von Fischen ist aus Tierschutzgründen zu verurteilen! Dabei spielt es keine Rolle, wie die Fische eingefärbt wurden. 6.1. Bonbonsalmler Bei den Bonbonsalmlern handelt es sich um farblos gezüchtete Salmler, die anschliessend mit einer Lebensmittelfarbe farbig gespritzt werden. Diejenigen, welche die Injektion überleben, kommen umgehend in den Verkauf. Es gibt rote, grüne, lilafarbene, pinkfarbene, blaue und gelbe Fische (dasselbe geschieht mit Glasbarschen). Die Farben verblassen nach einiger Zeit. Zudem gibt es noch andere Verfahren um Fische einzufärben (z.B. Hormonbehandlungen). Fazit: Das Einfärben von Fischen ist auf jeden Fall abzulehnen. 7. Verbotene Fische 7.1. Transgene Fische In Asien und den USA sind Exemplare von Reiskärpflingen, Oryzias latipes, im Handel, die im Dunkeln fluoreszieren (leuchten). Diese Eigenschaft wurde durch Genmanipulation im Ei, mit Genen von fluoreszierenden Quallen hervorgerufen. Diese Fische dürfen in der Schweiz weder gehandelt noch gepflegt werden. Es besteht ein Verbot! 8. Mögliche Gegenmassnahmen Eine weiterführende Diskussion ist notwendig, um den Fischschutz voranzutreiben. Dazu gehört: · Aufklärungsarbeit intensivieren · Verzicht auf den Kauf von geschädigten Fischen · Selbstbeschränkungen bei den Zuchtstandards (besteht zum grössten Teil schon) · Wahl von Tierschutzbeauftragten in den Vereinen · Beantragung von Handels- und Importverbot für Qualzuchten (inkl. eingefärbte Fische) via Verbände wäre angebracht 9. Schlussbemerkungen Gewisse Zuchtformen sollten nicht gepflegt werden. Die Züchter müssen sich die Zuchtziele gut überlegen. Zudem sollte sich jeder Züchter die Frage beantworten, was mit den Fischen nach dem Verkauf passiert. Das heisst, ob seine Fische in den Aquarien überhaupt eine Überlebenschance haben.