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Arzneimittel während der Stillperiode
30.05.2016 09:52 Uhr
Medikamente in Mutters Milch
Frauen sind oft unsicher, was in der Stillzeit eingenommen werden darf. In
Berlin gibt es kompetente Beratung. VON ADELHEID MÜLLER-LISSNER
Geborgen. Stillen ist gut für Babys und ihre Mütter. Etwa die Hälfte von ihnen nimmt während der
Stillzeit Medikamente – und fragt... FOTO: IMAGO/WESTEND61
Bekommt mein Baby Bauchweh, wenn ich mit viel Zwiebeln und Knoblauch koche? Kann
ich eigentlich nach Herzenslust ausgepresste Zitrone trinken, ohne dem Säugling an
meiner Brust später einen wunden Po zu bescheren? Solche Unsicherheiten beschäftigen
Mütter während der Stillzeit. Im Vergleich mit der Frage, ob und welche Medikamente in
dieser Zeit eingenommen werden dürfen, wirken sie allerdings harmlos. Denn hier stehen
akut oder chronisch kranke Frauen und ihre Ärzte oft vor schwierigen Entscheidungen.
Als vor einigen Jahren in Kanada ein Säugling starb, dessen Mutter gegen Schmerzen ein
Codein-Präparat eingenommen hatte, war das eine schockierende Nachricht. Es stellte
sich heraus, dass das Baby wegen einer genetischen Besonderheit einen veränderten
Stoffwechsel hatte. Mit jeder Stillmahlzeit hatte es vor allem Morphin und nicht das
Codein erhalten.
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Eltern sollten genau beobachten, ob ihr Kind lethargisch wirkt
Ein tragischer Fall, über den in Fachzeitschriften berichtet wurde und der die Behörden in
aller Welt alarmierte. In Deutschland reagierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medikamentensicherheit (BfArM), indem es empfahl, stillenden Frauen nur Einzeldosen
des Schmerzmittels zu verordnen.
„Auch wenn Ibuprofen in der Stillzeit Schmerzmittel der ersten Wahl ist – Codein ganz zu
verbieten, wäre überzogen und falsch“, sagt Christof Schaefer vom Beratungszentrum für
Embryonaltoxikologie der Charité Berlin. Es sei aber extrem wichtig, dass Eltern sich ihr
Kind noch genauer anschauen, als sie das ohnehin schon tun, wenn die Mutter in dieser
Zeit bestimmte Medikamente nehmen muss. Und dass sie sofort zum Kinderarzt gehen
sollen, falls es schläfrig und lethargisch wirkt. „Das Kind aus Toronto hätte man auf diese
Weise retten können.“
Als einziges öffentlich gefördertes, unabhängiges Institut dieser Art bietet das Zentrum
seit 1988 unabhängige Informationen zur Verträglichkeit von Medikamenten und zur
Behandlung auch seltener Krankheiten bei Müttern und werdenden Müttern in
Schwangerschaft und Stillzeit an. Mit Einverständnis der Patientin werden der Verlauf der
Schwangerschaft und das Befinden des Kindes abgefragt, um mit Hilfe dieser Angaben
mehr Erkenntnisse zu bisher unzureichend untersuchten Medikamenten zu bekommen.
Jede zweite Frau nimmt Medikamente in der Stillzeit
Seit 2008 können sich Ärzte, Hebammen und Eltern auch auf der Internetseite
www.embryotox.de über die wichtigsten 420 Arzneimittel informieren. Weit über zwei
Millionen Besucher zählt man dort jedes Jahr, Tendenz weiter zunehmend. Die meisten
Anfragen bei Embryotox betreffen die Zeit der Schwangerschaft, etwa ein Viertel aber
auch die Verträglichkeit von Medikamenten für das Baby an der Brust.
Es ist ein Thema, das junge Mütter über Monate beschäftigt: Die aktuelle Empfehlung von
Kinderärzten und Ernährungsexperten lautet schließlich, mindestens vier Monate voll und
anschließend nach Möglichkeit noch einige Monate flankierend zur ersten festen Nahrung
zu stillen. „40 bis 50 Prozent der Frauen nehmen irgendwann in dieser Zeit ein
Medikament ein“, berichtet Schaefer. In den USA sollen es sogar neun von zehn
stillenden Müttern sein. Immer häufiger nehmen dort schon junge Frauen Mittel gegen zu
hohen Blutdruck, Diabetes oder zu hohe Blutfettwerte.
Randomisierte Medikamentenstudien mit Schwangeren und Stillenden sind
verboten
Der Zeitschrift „Nature“ war das kürzlich ein Editorial wert. Als sie vor 40 Jahren als Ärztin
angefangen habe, sei ihr schnell klar geworden, wie wenig sie auf das Alltagsproblem
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Medikamente in der Muttermilch vorbereitet sei, schreibt Janet Woodcock, heute Leiterin
des US-Center for Drug Evaluation and Research bei der Arzneimittelbehörde FDA. „Ich
habe in meiner Ausbildung nie auch nur ein einziges Wort darüber gehört.“ An der
Universität von San Diego soll nun die Forschung zum Thema Muttermilch und
Medikamente intensiviert werden. Unter dem Dach einer Institution mit dem schönen
Namen „Center of Better Beginnings“ entsteht eine Bank für Muttermilch, das „Human
Milk Research Biorepository“.
Durch die systematische Nachfrage zum weiteren Verlauf nach der
Medikamenteneinnahme im Berliner Zentrum stehe man in Deutschland deutlich besser
da als in den USA, sagt Schaefer. Randomisierte Medikamentenstudien mit Schwangeren
und Stillenden sind zwar aus nahe liegenden Gründen verboten. Über die Verträglichkeit
besonders der schon länger zugelassenen Arzneimittel liegt jedoch viel Wissen aus
sogenannten Beobachtungs-Studien vor. Sie werden auch von Embryotox mit den nach
der Beratung erhobenen Verlaufsdaten erstellt. Hinzu kommen Fälle, in denen Blutproben
der gestillten Babys untersucht wurden. Die Muttermilch selbst zu untersuchen, ist nicht
nur technisch schwieriger, sondern letztlich auch weniger aussagekräftig. Denn manche
Stoffe, die man dort finden kann, werden gar nicht vom Organismus des Kindes
aufgenommen und belasten es deshalb nicht.
Giftigkeit von Medikamenten in der Milch wird meist überschätzt
„Tendenziell wird die Giftigkeit von Medikamenten in der Muttermilch eher überschätzt“,
sagt Schaefer. Mit der Folge, dass die junge Mutter entweder auf ein für sie wichtiges
Arzneimittel oder auf das Stillen verzichtet. Dabei ist das auch bei schweren chronischen
Krankheiten oft nicht nötig. So können einige altbewährte Mittel gegen rheumatische
Krankheiten – die sich manchmal in der Schwangerschaft bessern und danach heftig
zurückmelden – oder gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ohne ernsthafte
Bedenken genommen werden. Die neueren „Biologika“ und ihr Einsatz in
Schwangerschaft und Stillzeit werden derzeit in Studien untersucht.
Ein besonderes Problem ist Lithium, das in der Psychiatrie etwa gegen bipolare
Störungen eingesetzt wird. „Die Substanz kann durch das Stillen in Dosierungen ins Blut
kommen, die manchmal knapp unter der Behandlungsgrenze liegen“, erläutert Schaefer.
Frauen, die das Psychopharmakon in höherer Dosierung brauchen, bleibt deshalb
manchmal nichts anderes übrig, als mit dem Stillen aufzuhören. Das Charité-Zentrum
bietet hierzu individuelle Beratungen an.
Die Wirkung auf Embryos ist ungleich stärker
Schon weil es einen glimpflichen Ausweg wie das Abstillen während der Schwangerschaft
nicht gibt, ist sie für die Arzneimittel-Spezialisten die schwierigere Phase. „Der Embryo ist
viel leichter störbar, er bekommt höhere Dosen von Medikamenten ab, und oft weiß die
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Mutter dann noch gar nichts davon, dass sie ein Kind erwartet“, gibt Schaefer zu
bedenken. Dass es der werdenden Mutter gut geht, ist auch für ihr Baby wichtig.
Doch zugleich kann ihr Kind durch die Medikamente, die sie einnimmt, fürs Leben
geschädigt werden. Ohne dass die Eltern wie in der Stillzeit eine Chance hätten, sein
Verhalten zu beobachten und rechtzeitig einzugreifen. Thalidomid, besser bekannt unter
dem Namen Contergan, ist das bisher eindrücklichste Beispiel dafür. Dank kritischer
Arzneimittelzulassungsbedingungen und einer ständigen Beobachtung von
Nebenwirkungen in Schwangerschaft und Stillzeit müsse man heute keine Angst mehr vor
derart krassen Überraschungen haben, betont Schaefer.
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