Das Softwarepaket 8.0 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie dient zur webbasierten Vermittlung grundlegender Kenntnisse im Bereich der Ökonomie, die besonders für Gründer und junge Unternehmen wichtig sind. Sie können das Programmpaket im Internet kostenlos unter folgender Domain anfordern: http://www.bmwi-softwarepaket.de Falls Sie bereits online sind, können Sie auch einfach auf den Screenshot von dieser Homepage klicken: Diplom-Betriebswirt Diplom-Handelslehrer Helmut Preis Grundlagen der Ökonomie - Teil 1 - Helmut Preis 1 Inhaltsverzeichnis Einleitung ...................................................................................................................................... 4 1 GRUNDELEMENTE DER BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE ...................................... 5 1.1 Die „Betriebswirtschaftslehre“ im System der Wissenschaften ................................................. 5 1.2 Grundlagen des Wirtschaftens ................................................................................................... 7 1.2.1 Bedürfnisse, Bedarf, Nachfrage ............................................................................................. 7 1.2.2 Güter ...................................................................................................................................... 8 1.2.3 Wirtschaftliches (ökonomisches) Prinzip ............................................................................. 10 Übungsaufgaben............................................................................................................................ 12 2 BETRIEB UND UNTERNEHMUNG ................................................................................... 13 2.1 Wesen und Aufgaben des Betriebes ........................................................................................ 13 2.2 Betriebliche Grundfunktionen ................................................................................................. 14 2.3 Arten der Betriebe .................................................................................................................. 17 2.3.1 Nach der Art der erstellten Leistung .................................................................................... 17 2.3.2 Nach der Art des Wirtschaftszweigs .................................................................................... 17 2.3.3 Nach der Betriebsgröße ....................................................................................................... 19 2.4 Betrieb, Unternehmung, Firma ............................................................................................... 20 2.5 Unternehmensziele .................................................................................................................. 21 2.5.1 Ziele privater und öffentlicher Unternehmen ....................................................................... 21 2.5.2 Kennzahlen wirtschaftlicher Zielsetzungen .......................................................................... 22 Übungsaufgaben............................................................................................................................ 26 3 RECHTSFORMEN DER UNTERNEHMUNG ................................................................... 27 3.1 Überblick ................................................................................................................................. 28 3.2 Wahl der Rechtsform .............................................................................................................. 29 3.3 Einzelunternehmung ............................................................................................................... 31 3.4 Personengesellschaften ........................................................................................................... 32 3.4.1 Stille Gesellschaft ................................................................................................................. 32 3.4.2 Offene Handelsgesellschaft (OHG) ..................................................................................... 33 3.4.3 Kommanditgesellschaft (KG) ............................................................................................... 35 3.5 Kapitalgesellschaften............................................................................................................... 36 3.5.1 Aktiengesellschaft (AG) ....................................................................................................... 36 3.5.2 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) .................................................................. 38 3.6 Genossenschaft ....................................................................................................................... 40 3.7 Umwandlung der Rechtsform ................................................................................................. 42 3.8 Unternehmenszusammenschlüsse ............................................................................................ 44 3.8.1 Überblick.............................................................................................................................. 44 3.8.2 Kartelle ................................................................................................................................ 46 3.8.3 Konzerne .............................................................................................................................. 48 Übungsaufgaben............................................................................................................................ 51 2 Helmut Preis 4 BETRIEBLICHER STANDORT ........................................................................................... 52 4.1 Arten der Standortwahl .......................................................................................................... 53 4.2 Externe Standortfaktoren ....................................................................................................... 54 4.3 Interne Standortfaktoren......................................................................................................... 58 4.4 Absatzbestimmende Standortfaktoren .................................................................................... 59 Übungsaufgaben ........................................................................................................................... 62 LÖSUNGEN ZU DEN ÜBUNGSAUFGABEN ........................................................................ 63 SACHWORTVERZEICHNIS ....................................................................................................... LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................... 68 EINSENDEAUFGABEN ........................................................................................................... 69 Helmut Preis 3 EINLEITUNG Herzlich willkommen, ich lade Sie ein, mit mir einen Streifzug durch einzelne Teilgebiete der betriebswirtschaftlichen Materie zu unternehmen. Zunächst werden uns grundlegende Begriffe und Zusammenhänge der Betriebswirtschaftslehre begegnen (z. B. Bedürfnisse, Güter, ökonomisches Prinzip), bevor wir uns den Betrieben bzw. Unternehmungen zuwenden werden. Neben den Arten und Aufgaben von Betrieben interessieren wir uns auch für die Unternehmensziele und deren Quanitifizierung mit Hilfe betrieblicher Kennzahlen. Sodann werden wir die diversen Rechtsformen der Unternehmung anhand geeigneter Kriterien analysieren. Auch die Möglichkeiten der Umwandlung der Rechtsform sowie des Zusammenschlusses von Unternehmen (z. B. in Form von Kartellen oder Konzernen) werden wir beleuchten. Sicher wird Sie auch die abschließende Thematik interessieren, nämlich welche Faktoren bei der betrieblichen Standortwahl zu beachten sind. Doch nun in medias res! Beginnen wir also! 4 Helmut Preis 1 GRUNDELEMENTE DER BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE Sie können nach dieser Lerneinheit • den Begriff „Wissenschaft“ und die allgemeine Aufgabe der Wissenschaften erklären; • den wesentlichen Unterschied zwischen den Ideal- und Realwissenschaften aufzeigen; • den Erkenntnisgegenstand der Betriebswirtschaftslehre angeben; • eine systematische Gliederung der Wissenschaften vornehmen; • die Begriffe „Wirtschaft“, „interdisziplinärer Ansatz“, „Bedürfnisse“, „Bedarf“ und „Nachfrage“ erläutern; • die Merkmale und die Arten von Bedürfnissen und Gütern erklären; • das ökonomische Prinzip (Vernunftprinzip, Rationalprinzip) unter Angabe praktischer Beispiele formulieren. 1.1 DIE „BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE“ IM SYSTEM DER WISSENSCHAFTEN Hineingeboren in eine fremde Welt stehen wir Menschen täglich vor neuen Problemen der Daseinsbewältigung. Aufgabe der Wissenschaften ist es, uns Menschen bei der Bewältigung unserer existentiellen Probleme zu helfen. Allgemein versteht man unter Wissenschaft ein in sich geschlossenses, widerspruchsfreies System von Aussagen über ein bestimmtes Erkenntnisobjekt. Nach dem Ziel wissenschaftlicher Betätigung unterscheiden wir zwischen den Ideal- und Realwissenschaften. WISSENSCHAFTEN ERKENNTNISZIELE Idealwissenschaften Ermittlung von Aussagesystemen ohne Bezug zu einer praktischen Nutzanwendung Realwissenschaften Ermittlung von Aussagesystemen mit Bezug zu einer praktischen Nutzanwendung Tabelle 1.1: Erkenntnisziele der Ideal- und Realwissenschaften Erkenntnisgegenstand der „Betriebswirtschaftslehre “ sind die realen Zusammenhänge um die wirtschaftliche Betätigung von „Betriebswirtschaften“ (Betriebe, Unternehmungen). Somit ist die „Betriebswirtschaftslehre“ als selbständige gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftliche Disziplin den Realwissenschaften zuzuordnen. Helmut Preis 5 WISSENSCHAFTEN Realwissenschaften Gesellschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaftslehre Volkswirtschaftslehre Wirtschaftspädagogik Wirtschaftsinformatik u. a. Bild 1.1: Idealwissenschaften Naturwissenschaften sonstige Gesellschaftswissenschaften Psychologie Politologie Soziologie Sozialpsychologie u. a. Mathematik Logik u. a. Chemie Physik Medizin Biologie u. a. System der Wissenschaften Gemeinsames Untersuchungsgebiet aller Wirtschaftswissenschaften ist die Wirtschaft. Die Wirtschaft ist der Inbegriff aller Einrichtungen und Maßnahmen, die der menschlichen Bedürfnisbefriedigung dienen. Die betriebswirtschaftliche Erkenntnisgewinnung vollzieht sich nicht isoliert, sondern unter zielbewußter Einbeziehung von Erkenntnissen aus Nachbardisziplinen (interdisziplinärer Ansatz). Beispiele 1.1: • Verhaltenswissenschaftliche Ergebnisse der Soziologie, Psychologie, Sozialpsychologie finden u. a. Anwendung im Personalwesen (z. B. bei der Auswahl und Führung von Mitarbeitern) und in der Absatzwirtschaft (z. B. bei Verkaufsgesprächen, Werbekampagnen). • Juristische Erkenntnisse finden Eingang in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre und im Personalwesen (Arbeitsrecht). • Mathematisch-statistische Ergebnisse liefern die formalen Voraussetzungen für die Gestaltung betriebswirtschaftlicher Modelle (z. B. Kostenfunktionen als Grundlage produktionswirtschaftlicher Entscheidungen). Da wirtschaftliches Handeln wie jedes zweckgerichtete menschliche Handeln auf dem allgemeinen Vernunftprinzip (Rationalprinzip) basiert, sind auch zukünftig die Forschungsergebnisse der Einzelwissenschaften in ein mehrdimensionales Ziel- und Handlungssystem einzubinden. Somit ist der interdisziplinäre Ansatz Grundlage eines vernetzten globalen Denkens und Agierens. 6 Helmut Preis „Als ich zu dem gestrandeten Schiff hinüberblickte, schlugen Brandung und Gischt so hoch, dass ich es kaum in der Ferne zu sehen vermochte und dachte: O mein Gott, wie war es nur möglich, dass ich ans Ufer gelangte? Nachdem ich mein Gemüt mit der erfreulichen Seite meiner Lage getröstet hatte, blickte ich mich um und wollte feststellen, wo ich mich befand und was ich als nächstes tun sollte. Da schwand meine Freude bald wieder, und ich fand meine Errettung, kurz gesagt, furchtbar, denn ich war durchnässt, hatte keine Kleidung zum Wechseln noch irgendetwas Ess- oder Trinkbares, um mich zu stärken, und sah auch keine andere Aussicht vor mir als die, Hungers zu sterben oder von wilden Tieren gefressen zu werden. Besonders bedrückte mich, dass ich keine Waffe besaß, um zu meinem Unterhalt ein Tier zu jagen und zu erlegen oder um mich gegen ein anderes zu verteidigen, das wiederum mich töten wollte, damit ich ihm als Nahrung diente. Mit einem Wort, ich hatte nichts bei mir außer einem Messer, einer Tabakspfeife und einem bisschen Tabak in einer Dose. Das war mein ganzer Vorrat, und es versetzte mich in eine solche Niedergeschlagenheit, dass ich eine Zeit lang wie ein Wahnsinniger umherrannte.“ [Quelle: DEFOE, Daniel: Robinson Crusoe, (Verlag Das Beste) Stuttgart/Zürich/Wien, S. 58] Warum war Robinson Crusoe so verzweifelt? Helmut Preis 7 Nach Abraham M ASLOW können die Bedürfnisse in Form einer fünfstufigen Pyramide von der Basis bis zur Spitze hierarchisch geordnet werden (Bedürfnispyramide ): • Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (Verwirklichung der eigenen Möglichkeiten) • Bedürfnis nach Wertschätzung (Streben nach Anerkennung und Bestätigung) • Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit (Wunsch nach Leben in der Gemeinschaft und nach Aufnahme in bestimmte Gruppen) • Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz (sicherer Arbeitsplatz, sichere Rente) • Physiologische Bedürfnisse (Hunger, Durst, Schlaf, Wohnung) Das Konzept des amerikanischen Psychologen MASLOW basiert auf folgenden Grundgedanken: • Die Bedürfnisse des Menschen lassen sich differnzieren in fünf Motiv- oder Bedürfniskategorien (physiologische Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Zugehörigkeitsbedürfnisse, Wertschätzungsbedürfnisse, Bedürfnis nach Selbstverwirklichung). • Die Bedürfnisse sind hierarchisch strukturiert, das heißt, höher angeordnete Bedürfnisse werden erst dann handlungsrelevant, wenn die tiefer angesiedelten Bedürfnisse befriedigt sind. • Das menschliche Streben ist darauf gerichtet, die Defizitbedürfnisse (das sind die vier unteren Kategorien) zu befriedigen, um letztlich auf der Stufe der Selbstverwirklichung die individuellen Fähigkeiten, Interessen und Begabungen entfalten zu können. 8 Helmut Preis 1.2 GRUNDLAGEN DES WIRTSCHAFTENS 1.2.1 BEDÜRFNISSE, BEDARF, NACHFRAGE Generell ist der Mensch ein Wesen, das geprägt ist durch eine Vielzahl von Wünschen. Diese Wünsche bzw. Mangelempfindungen bezeichnet man wirtschaftlich als Bedürfnisse. Je nach Intensität des Mangelzustandes ist der Mensch bestrebt, das Gefühl des Mangels (z. B. Hunger-, Durst-, Hitze-, Kälte-, Unsicherheits-, Minderwertigkeitsgefühle) zu beseitigen (Bedürfnisbefriedigung). Nach dem Konzept des amerikanischen Psychologen M ASLOW lassen sich die Bedürfnisse des Menschen in fünf Motiv- oder Bedürfniskategorien (physiologische Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Zugehörigkeitsbedürfnisse, Wertschätzungsbedürfnisse, Bedürfnis nach Selbstverwirklichung) differenzieren. Die Bedürfnisse sind hierarchisch strukturiert, das heißt, höher angeordnete Bedürfnisse werden erst dann handlungsrelevant, wenn die tiefer angesiedelten Bedürfnisse befriedigt sind. Das menschliche Streben ist darauf gerichtet, die Defizitbedürfnisse zu befriedigen, um letztlich auf der Stufe der Selbstverwirklichung die individuellen Fähigkeiten, Interessen und Begabungen entfalten zu können. Nach dem Dringlichkeitsgrad werden folgende Bedürfnisarten unterschieden: BEDÜRFNISSE Existenzbedürfnisse Bild 1.2: Kulturbedürfnisse Luxusbedürfnisse Bedürfnisarten Existenzbedürfnisse sind lebensnotwendige Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung. Alle Menschen haben derartige Bedürfnisse. Auch Robinson Crusoe empfand diese Bedürfnisse und mußte sie unbedingt befriedigen. Kulturbedürfnisse dienen nicht unmittelbar der Existenzerhaltung, sondern der Selbstverwirklichung des Menschen. Bildung, Kunst, Sport, Reisen usw. entsprechen der heutigen Lebensweise (Kultur) und heben den Menschen auf eine höhere geistige Stufe. Helmut Preis 9 Luxusbedürfnisse übersteigen die Existenz- und Kulturbedürfnisse und entspringen vielfach dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung (z. B. Verlangen, einen Sportwagen zu fahren oder eine Segelyacht zu besitzen). Eine klare Abgrenzung zwischen den Kultur- und Luxusbedürfnissen ist allerdings nicht immer möglich. Derjenige Teil der Bedürfnisse, den die Menschen durch ihre Kaufkraft (= finanzielle Mittel; Einkommen, Kredite) befriedigen können, ist der Bedarf (= erfüllbarer Wunsch). Durch den Kauf der zur Bedürfnisbefriedigung benötigten Güter wird der Bedarf zur Nachfrage, d. h. zu einem marktwirksamen Bedarf (= erfüllter Wunsch). In hochindustrialisierten Wohlstandsgesellschaften ist das Streben nach Bedürfnisbefriedigung ein wesentliches Motiv für unternehmerische Aktivitäten sowie die Erbringung menschlicher Arbeitsleistungen in abhängiger Beschäftigung. Die Motivation des Individuums kann durch materielle (finanzielle) Leistungsanreize (z. B. Lohn/Gehalt, Zulagen, Zuschläge, Prämien) und immaterielle Leistungsanreize (z. B. humane Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung, gutes „Betriebsklima“, Ansehen, Aufstiegschancen) gefördert werden. Die mit Hilfe menschlicher Arbeitsleistungen und anderen Produktionsmitteln hergestellte Gütermenge reicht i. d. R. jedoch nicht aus, um die befriedigbaren Bedürfnisse voll zu erfüllen. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit an Produktionsfaktoren müssen daher sowohl die Einzelwirtschaften (Unternehmungen, Privathaushalte) als auch die Volkswirtschaften (Staat) ökonomisch effizient mit den Ressourcen umgehen. 1.2.2 GÜTER Güter sind alle Mittel, die zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen. Güter stiften Nutzen. Nur wenige Güter (z. B. Luft, Sonnenlicht) stehen zu Konsumzwecken in unbegrenzter Menge kostenlos zur Verfügung (= freie Güter). Die meisten Güter, die zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung dienen, sind dagegen knapp und müssen erst aus den Rohmaterialien der Natur gewonnen (erwirtschaftet) werden. Diese sog. wirtschaftlichen Güter sind damit im Gegensatz zu den freien Gütern • knapp und • nicht von Natur aus konsumreif, • sondern müssen hergestellt werden, • wobei die Herstellung der Güter Kosten erfordert, • die von den Verbrauchern über den Preis der Güter entgolten werden. 10 Helmut Preis Die Güter, insbesondere aber die wirtschaftlichen Güter können wie folgt systematisiert werden: GÜTER freie Güter wirtschaftliche Güter materielle Güter Sachgüter Produktionsgüter Gebrauchsgüter Bild 1.3: Verbrauchsgüter immaterielle Güter Dienstleistungen Rechte Konsumgüter Gebrauchsgüter Verbrauchsgüter Güterarten Nach der Beschaffenheit können wirtschaftliche Güter eingeteilt werden in • materielle Güter (Sachgüter), z. B. Lebensmittel, Autos, Möbel und • immaterielle Güter (Dienstleistungen und Rechte). Bei den Dienstleistungen handelt es sich um Güter, bei denen die Produktion und der Gebrauch oder Verbrauch zur gleichen Zeit stattfinden. Neben den sachbezogenen Dienstleistungen (z. B. Kreditgewährung, Versicherungsleistungen, Verwaltungsleistungen) unterscheiden wir die personenbezogenen Dienstleistungen (z. B. Leistungen eines Arztes, einer Krankenschwester, eines Lehrers, Rechtsanwalts, Notars). Rechte ermöglichen dem Inhaber, ein Tun oder Unterlassen von einer anderen Person verlangen zu können, z. B. Patente, Schutz- und Nutzungsrechte. Helmut Preis 11 Sachgüter lassen sich nach der Art der Verwendung in Konsum- und Produktionsgüter einteilen. • Produktionsgüter (Investitionsgüter) dienen zur Herstellung und Verteilung anderer Güter. Gebrauchsgüter sind langfristig nutzbar, z. B. Werkzeuge, Maschinen, Betriebsgebäude, Fahrzeuge. Verbrauchsgüter sind nach einmaliger Nutzung verbraucht, z. B. Rohstoffe, Hilfsstoffe, Büro- und Verpackungsmaterial. • Konsumgüter dienen dem Verbraucher zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung. Dabei unterscheidet man ebenfalls zwischen Gebrauchsgütern (z. B. Kleidung, Möbel, Haushaltsgeräte) und Verbrauchsgütern (z. B. Nahrungsmittel). 1.2.3 WIRTSCHAFTLICHES (ÖKONOMISCHES) PRINZIP Das Spannungsverhältnis (Konflikt) zwischen den unbegrenzten Bedürfnissen und den knappen Gütern zwingt die Wirtschaftssubjekte (private Haushalte, Unternehmen, Staat) zu wirtschaftlichem Handeln. Wirtschaftlich ist ein Handeln, das nach dem ökonomischen Prinzip (Vernunftprinzip, Rationalprinzip) erfolgt. Kennzeichnend für das ökonomische Prinzip ist eine wirtschaftliche, vernünftige Verhaltensweise, deren beide Ausprägungsformen (Maximalprinzip und Minimalprinzip) wie folgt formuliert werden können: ❍ Maximalprinzip (Maximumprinzip) Mit gegebenen Mitteln soll ein größtmöglicher (maximaler) Ertrag erzielt werden. Beispiele 1.2: Privatperson: Das monatlich für Konsumzwecke zur Verfügung stehende Haushaltsgeld (gegebene Mittel) ist so zu verwenden, daß möglichst viele Gebrauchs- und Verbrauchsgüter gekauft werden können (Nutzenmaximierung). Unternehmen: Mit einem gegebenen Aufwand an Produktionsfaktoren (Menschen, Maschinen, Werkzeuge, Material usw.) ist ein größtmöglicher Gewinn zu erzielen (Gewinnmaximierung). Staat: Steuereinnahmen sollen im Landesetat dazu verwendet werden, z. B. möglichst viele neue Schulen zu errichten und zu unterhalten (Haushaltsprinzip). 12 Helmut Preis ❍ Minimalprinzip (Minimumprinzip) Ein bestimmter Ertrag (Erfolg, Zweck) soll mit geringstmöglichem (minimalem) Mitteleinsatz erzielt werden. Beispiele 1.3: Privatperson: Für den monatlichen Bedarf eines Haushalts an Konsumgütern ist möglichst wenig Haushaltsgeld auszugeben (Mittelminimierung). Unternehmen: Ein bestimmtes Ziel (z. B. 1 Mio. DM Gewinn oder 1 Mrd. DM Umsatz) soll mit dem geringstmöglichen Einsatz an Mitteln (z. B. niedrige Material- und Lohnkosten) erreicht werden (Kostenminimierung). Staat: Mittels Ausschreibung sind z. B. die kostengünstigsten Bauunternehmen für öffentliche Bauvorhaben (z. B. Krankenhäuser, Behörden, Verkehrswege) zu ermitteln (Sparprinzip). Die nachfolgende Übersicht (Bild 1.4) verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns nach dem ökonomischen Prinzip, das aus dem Konflikt zwischen den unbegrenzten Bedürfnissen und den begrenzten Mitteln resultiert. WIRTSCHAFTEN unbegrenzte Bedürfnisse Konflikt wirtschaftliche Güter (knappe Mittel) ÖKONOMISCHES PRINZIP (VERNUNFTPRINZIP, RATIONALPRINZIP) Maximumprinzip gegebener Mitteleinsatz maximaler Zielwert Bild 1.4: Minimumprinzip gegebener Zielwert minimaler Mitteleinsatz Notwendigkeit und Ausprägungsformen des ökonomischen Prinzips Fassen wir nun das Wesentliche der ersten Lektion kurz zusammen. Welche Grundelemente der Betriebswirtschaftslehre haben wir besprochen? Helmut Preis 13 ZUSAMMENFASSUNG Die Betriebswirtschaftslehre befaßt sich als Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften mit den realen Zusammenhängen wirtschaftlicher Betätigung von „Betriebswirtschaften“ (Betriebe, Unternehmungen). Die Wirtschaft ist ein komplexes System, das der menschlichen Bedürfnisbefriedigung dient. Bedürfnisse sind Spannungszustände, die z. B. auf einen physiologischen oder sozialen Mangel zurückzuführen sind. Die Bedürfnisse können in vielfältiger Art auftreten und durch Güter oder Dienstleistungen befriedigt werden. Bei jedem wirtschaftlichen Handeln (z. B. Gütererzeugung, Güterverteilung, Güterverbrauch) ist das ökonomische Prinzip (Vernunftprinzip, Rationalprinzip) zu beachten, dessen beide Ausprägungsformen das Minimal- und das Maximalprinzip sind. Bitte versuchen Sie nun, das Erlernte auch anzuwenden. ÜBUNGSAUFGABEN 1.1 Inwiefern ist die „Betriebswirtschaftslehre“ eine Realwissenschaft? 1.2 Nehmen Sie Stellung zu dem Spruch von Wilhelm BUSCH: „Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge.“ 1.3 Begründen Sie, um welche Art von Gütern es sich bei • Meerwasser, • Sand in der Sahara, • Steinkohle eines Kohlebergwerks handelt. 1.4 Erklären Sie die beiden Ausprägungsformen des ökonomischen Prinzips anhand des Energieverbrauchs [Liter/100 km] eines Kraftfahrzeugs in bezug auf die Fahrstrecke [km]. 1.5 Welche Aussage trifft auf den „Bedarf“ zu? Der Bedarf kennzeichnet ❑ … das persönliche Mangelempfinden eines Menschen. ❑ … den Gegenwert der vom Verbraucher am Markt nachgefragten Güter. ❑ … die erfüllbaren (konkretisierten) Wünsche eines Menschen. 14 Helmut Preis 2 BETRIEB UND UNTERNEHMUNG Sie können nach dieser Lerneinheit • die gesamte Wirtschaft eines Staates (Volkswirtschaft) systematisieren nach den Einzelwirtschaften; • die Betriebe, privaten Haushalte und den Staat als Wirtschaftssubjekte in ihren Wesensmerkmalen voneinander unterscheiden; • die betrieblichen Grundfunktionen (Beschaffung, Produktion, Absatz, Verwaltung) erklären; • die beiden betrieblichen Grundströme, nämlich den Leistungsstrom (Güterstrom) und den Finanzstrom (Geldstrom) graphisch darstellen; • die Vielfalt unterschiedlicher Betriebe in einer Volkswirtschaft nach den Merkmalen der Art der erstellten Leistung und der Art der Wirtschaftszweige und -sektoren gliedern; • die begrifflichen Unterschiede zwischen Betrieb, Unternehmung und Firma angeben; • mögliche Ziele privater und öffentlicher Unternehmen nennen; • Unternehmensziele mit Hilfe leistungswirtschaftlicher Kennzahlen (Produktivität und Wirtschaftlichkeit) sowie finanzwirtschaftlicher Kennzahlen (Rentabilität und Liquidität) operationalisieren. 2.1 WESEN UND AUFGABEN DES BETRIEBES Die gesamte Wirtschaft eines Staates (Volkswirtschaft) besteht aus zahlreichen kleinen Zellen, den Einzelwirtschaften. EINZELWIRTSCHAFTEN Betriebe Sachleistungsbetriebe Rohstoffgewinnungsbetriebe Produktionsmittelbetriebe Verbrauchsgüterbetriebe Bild 2.1: Einzelwirtschaften Helmut Preis Haushalte Dienstleistungsbetriebe Handelsbetriebe Bankbetriebe Verkehrsbetriebe Versicherungsbetriebe sonstige Dienstleistungsbetriebe private Haushalte Einzelhaushalte Familienhaushalte Gemeinschaftshaushalte öffentliche Haushalte Öffentliche Körperschaften und Anstalten 15 Wir unterscheiden als wirtschaftende Einheiten (Einzelwirtschaften, Wirtschaftszellen, Wirtschaftssubjekte) die • Betriebe und • Haushalte (private und öffentliche Haushalte). Die Betriebe (Produktionswirtschaften) sind die Produktionszellen der Wirtschaft, in denen durch zielgerichtete Kombination der Produktionsfaktoren (menschliche Arbeitsleistungen, Betriebsmittel, Werkstoffe) Sachgüter (z. B. in Handwerks- und Industriebetrieben) hergestellt und/oder Dienstleistungen (z. B. durch Handels-, Bank-, Verkehrs-, Versicherungsbetriebe) bereitgestellt werden. Private Haushalte sind die Konsumzellen der Wirtschaft, in denen sich der Gebrauch und Verbrauch von Sachgütern und Dienstleistungen vollzieht. Der Staat ist diejenige Wirtschaftseinheit, welche die Zusammenfassung aller öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und Gemeinden darstellt. 2.2 BETRIEBLICHE GRUNDFUNKTIONEN Ein Produktionsbetrieb (z. B. Automobilwerk) ist grundsätzlich in folgende Funktionsbereiche gegliedert: BETRIEBLICHE GRUNDFUNKTIONEN Beschaffung Bild 2.2: Produktion Absatz Verwaltung Betriebliche Grundfunktionen ❍ Beschaffung Die Beschaffungsfunktion besteht darin, die Produktionsfaktoren in der benötigten Menge und Qualität zur richtigen Zeit und am richtigen Ort bereitzustellen. Beschafft werden z. B. auf dem • Arbeitsmarkt die Arbeitskräfte (z. B. Autoschlosser), • Investitionsgüter- und Rohstoffmarkt die Betriebsmittel (z. B. Schweißroboter) und Werkstoffe (z. B.Walzbleche), • Kapitalmarkt die finanziellen Mittel (z. B. Kredite). ❍ Produktion (Leistungserstellung) Durch die zweckgerichtete Kombination der Produktionsfaktoren (ausführende Arbeit, leitende Arbeit (Management), Betriebsmittel, Werkstoffe) werden die der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienenden Sachgüter und Dienstleistungen „produziert“. 16 Helmut Preis Die Produktion dient also zur • Gewinnung von Rohstoffen in Gewinnungsbetrieben (z. B. im Bergbau), • Herstellung und Bearbeitung von Erzeugnissen in Industrie und Handwerk (z. B. in Walzwerken und Schlossereien), • Ausführung von Diensten durch Dienstleistungsbetriebe (z. B. durch Handelsgeschäfte, Banken, Versicherungen). ❍ Absatz (Leistungsverwertung) Über den Absatzmarkt werden die betrieblichen Leistungen (Konsumgüter, Produktivgüter, Dienstleistungen) den anderen Wirtschaftseinheiten (Betriebe, Haushalte) gegen Zahlung des vereinbarten Entgelts zur Verfügung gestellt. Obwohl die Leistungsverwertung zeitlich der Beschaffung und Leistungserstellung (Produktion) folgt, wirkt sie doch nach Art und Umfang bestimmend auf die beiden vorgelagerten Funktionsbereiche zurück. Daher gewinnen die Tätigkeiten, den Markt zu erkunden und zu gestalten (Marktforschung und Marktpolitik) zunehmend an Bedeutung in den Unternehmungen. ❍ Verwaltung Die Verwaltung - einschließlich des Managements - umfaßt alle Tätigkeiten, die der dauernden Funktionsfähigkeit der Betriebe dienen und aus den originären Zweckaufgaben (Beschaffung, Produktion, Absatz) abgeleitet sind. Zur effizienten Ausübung der Leitungsfunktionen bedarf es i. d. R. der Planung, Organisation und Kontrolle. Aufgabe der Planung ist es, die Teilpläne, z. B. • Produktionsplan („Welche Produkte sollen hergestellt werden?“), • Absatzplan („Wieviele Produkte können verkauft werden?“), • Personalplan, Investitionsplan, Materialbedarfsplan („Wieviele Mitarbeiter, Maschinen und Material müssen beschafft werden?“), • Finanzplan („Welche Finanzierungsmittel sind erforderlich?“) zusammenzufassen und alle in die Zukunft gerichteten Entscheidungen aufeinander abzustimmen (Koordinierungsfunktion). Die Organisation schafft Ordnung. Mittels der Aufbauorganisation wird der betriebliche Aufbau (z. B. Aufgaben und Befugnisse der Mitarbeiter) und mittels der Ablauforganisation wird der Ablauf der betrieblichen Arbeitsvorgänge festgelegt. Um Fehler in der Planung und Organisation frühzeitig festzustellen und zu beseitigen, bedarf es einer laufenden Überwachung (Kontrolle). Der Erfolg eines Unternehmens hängt entscheidend davon ab, inwiefern es der Geschäfts- und Betriebsleitung, d. h. dem Management gelingt, den Betriebszweck durch optimale (bestmögliche) Kombination der Produktionsfaktoren zu erreichen. Helmut Preis 17 Die Grundfunktionen (Aufgaben) des Betriebes lassen sich auf die beiden betrieblichen Grundströme: • Leistungsstrom (Güterstrom) und • Finanzstrom (Geldstrom) zurückführen. Der Leistungsstrom (Güterstrom) beginnt auf dem Beschaffungsmarkt mit der Beschaffung von Produktionsfaktoren (Arbeitskräfte, Betriebsmittel, Werkstoffe), durchfließt im Unternehmen die einzelnen Produktionsphasen und endet mit dem Verkauf der betrieblichen Leistungen auf dem Absatzmarkt. Der Finanzstrom (Geldstrom) fließt in entgegengesetzter Richtung. Die durch den Verkauf der Produkte und Leistungen erzielten Erlöse führen zu einer Zunahme der Finanzmittel. Das nach Bezahlung der Vorleistungen noch verbleibende Kapital kann im Unternehmen für investive Zwecke verwendet werden. Vorleistungen betriebliche Leistungen Management Beschaffung Produktion Absatz Beschafffungsmarkt Absatzmarkt Arbeitskräfte Betriebsmittel Produkte Werkstoffe Leistungen Finanzierung und Geldausgänge Bild 2.3: 18 Investition Geldeingänge Betriebliche Grundfunktionen, Güter- und Geldstrom Helmut Preis 2.3 ARTEN DER BETRIEBE Die Vielfalt unterschiedlicher Betriebe in einer Volkswirtschaft kann z. B. nach den Merkmalen • der Art der erstellten Leistung, • der Art der Wirtschaftszweige und • der Betriebsgröße systematisiert werden. 2.3.1 NACH DER ART DER ERSTELLTEN LEISTUNG Nach der Art der betrieblichen Leistung unterscheiden wir Sachleistungs- und Dienstleistungsbetriebe. Sachleistungsbetriebe dienen zur Gewinnung von Rohstoffen (z. B. Bergbaubetriebe) sowie zur Herstellung von Produktionsgütern (z. B. Maschinenfabrik) und Konsumgütern (z. B. Möbelfabrik). Dienstleistungsbetriebe stellen z. B. folgende Dienste bereit: • Sammlung und Verteilung der Sachgüter (Handelsbetriebe) • Transport von Personen und Gütern (Verkehrsbetriebe) • Abwicklung des Kredit-, Wertpapier- und Zahlungsverkehrs (Bankbetriebe) • Abdeckung von Risiken (Versicherungsbetriebe) Bei den Dienstleistungen finden Produktion und Konsum gleichzeitig statt. Im Gegensatz zu den Sachleistungen sind die Dienstleistungen nicht übertragbar, nicht lagerfähig und nicht transportierbar. 2.3.2 NACH DER ART DES WIRTSCHAFTSZWEIGS Unterscheiden wir die vielen Betriebe nach den Wirtschaftszweigen (Branchen), so können wir differenzieren in: • Industriebetriebe , d. h. Betriebe der ◆ ◆ ◆ Grundstoffindustrie (z. B. Bergbaubetriebe, chemische Industrie, Elektrizitätswerke); Investitionsgüterindustrie (z. B. Maschinen- und Fahrzeugbau, elektrotechnische Industrie); Konsumgüterindustrie (z. B. Nahrungs- und Genußmittelindustrie, Möbelindustrie); Helmut Preis 19 • Handwerksbetriebe , wobei wir Handwerksbetriebe des ◆ ◆ ◆ warenproduzierenden Handwerks (z. B. Bauhandwerk), reparierenden Handwerks (z. B. Autowerkstätten), Dienstleistungshandwerks (z. B. Friseure) unterscheiden. Eine klare Abgrenzung zwischen einem Industrie- und Handwerksbetrieb ist schwierig. Normalerweise ist ein Handwerksbetrieb durch folgende Merkmale gekennzeichnet: ① Der Betriebsinhaber arbeitet persönlich mit und verfügt über fachliche und kaufmännische Kenntnisse. ② Die Mitarbeiter sind überwiegend in Handwerksberufen ausgebildet und können alle im Betrieb anfallenden Arbeiten ausführen. ③ Produziert wird überwiegend auf Grund individueller Aufträge (Einzelfertigung oder Sonderanfertigung). ④ Handarbeit mit Maschinen- und Werkzeugunterstützung herrscht vor. Generell erfolgt keine automatische Produktion unter Einsatz angelernter Mitarbeiter. ⑤ Der Verkauf der Produkte erfolgt in der Regel direkt an den Kunden. • Handelsbetriebe , die z. B. als Groß- oder Einzelhandeslbetriebe die Verteilung von Gütern übernehmen; • Verkehrsbetriebe , Kreditinstitute, Versicherungsbetriebe . Die Gliederung unserer Wirtschaft nach Wirtschaftszweigen führt zu einer systematischen Gruppierung der Betriebe nach Sektoren der Wirtschaft (vgl. Tabelle 2.1). 20 Helmut Preis SEKTOREN BETRIEBE DER WIRTSCHAFT Primärer Sektor O Gewinnung von Rohstoffen und Energie (Urerzeugung) > Land- und Forstwirtschaft > Gartenbau > Tierzucht > Jagd > Fischerei (Hochsee-, Küsten-, Binnenfischerei) > Bergbau > Energie (z. B. Öl- und Gasgewinnung) Sekundärer Sektor O Umformung der Rohstoffe zu Gütern (Weiterverarbeitung) Betriebe der Industrie > Grundstoffe > Investitionsgüter > Konsumgüter Betriebe des Handwerks Tertiärer Sektor O Güterverteilung und Verrichtung sonstiger privater (Dienstleistungen) Dienstleistungen Betriebe des Handels > Einzel-, Groß-, Außenhandel sonstige Dienstleistungsbetriebe > Kreditgewerbe > Versicherungen > Verkehr/Nachrichten Quartiärer Sektor O Verrichtung öffentlicher Dienstleistungen (öffentliche Betriebe) Einrichtungen und Betriebe > des Bundes, der Länder und der Kommunen Tabelle 2.1: Gruppierung der Betriebe nach Sektoren der Wirtschaft 2.3.3 NACH DER BETRIEBSGRÖSSE In der Praxis unterscheidet man die Betriebe häufig nach Klein-, Mittel- und Großbetrieben. Eine solche Unterscheidung ist nicht ganz unproblematisch vorzunehmen, denn man benötigt dazu exakt quantifizierbare Hilfsgrößen, die den Produktionsmitteleinsatz wenigstens annähernd genau erfassen können. Solche Hilfsgrößen, die je nach dem Betriebstyp einen sehr unterschiedlichen Aussagewert haben, sind vor allem: • die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer (Diese Zahl ist allerdings nur in arbeitsintensiven Betrieben mit relativ geringem technischen Fortschritt aussagefähig. Warum? Ein Betrieb kann beispielsweise durch Rationalisierung seine Kapazität wesentlich erhöhen, wobei gleichzeitig die Beschäftigtenzahl drastisch sinkt.) • die Lohn- und Gehaltssumme (Hier trifft weitgehend die gleiche Aussage zu wie bei der Mitarbeiterzahl.) • der Umsatz je Periode • das investierte Kapital Helmut Preis 21 2.4 BETRIEB, UNTERNEHMUNG, FIRMA Die ‘Adam Opel AG’ ist ein „Unternehmen“, das an verschiedenen Produktionsstandorten (z. B. Rüsselsheim am Main, Bochum, Kaiserslautern) „Betriebe“ unterhält, in denen Auto mobile und Automobilteile hergestellt werden. Eng verflochten ist diese „Firma“ mit dem amerikanischen Unternehmen ‘General Motors’. Könnten Sie nun die Unterschiede zwischen einem „Betrieb“, einer „Unternehmung“ und einer „Firma“ angeben? Vielfach werden diese Begriffe synonym verwendet. Auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich unterschiedliche Definitionen. Wir wollen uns der recht eingängigen Begriffserklärung von Günter WÖHE anschließen: „Der Betrieb ist eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der eine Kombination von Produktionsfaktoren (dispositive und ausführende Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe) mit dem Ziel erfolgt, Sachgüter zu produzieren und Dienstleistungen bereitzustellen.“ In Betrieben wird also die Produktion „betrieben“. Bei Betrieben handelt es sich um Produktionsstätten (organisatorisch-technisch abgegrenzte produktionswirtschaftliche Einheiten) innerhalb eines Unternehmens. Betriebe sind wirtschaftlich unselbständig, d. h. sie besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit und können vor Gericht nicht klagen und verklagt werden. Dagegen ist die Unternehmung eine rechtlich (juristisch) und finanzwirtschaftlich selbständige Einheit mit einer wirtschaftlichen Zielsetzung. Eine Unternehmung benötigt zu ihrer Existenz Kapital, eine Rechtsform (z. B. Adam Opel Aktiengesellschaft) und mindestens einen Betrieb als Stätte für die Leistungs-erstellung. Eine Unternehmung kann mehrere Betriebe gleicher oder unterschiedlicher Art umfassen, aber nicht umgekehrt! Unternehmen sind Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit, die vor Gericht klagen und verklagt werden können. Die Firma eines Kaufmanns (d. h. einer „natürlichen Person“, einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft) ist nach dem Handelsgesetzbuch der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 HGB). 22 Helmut Preis 2.5 UNTERNEHMENSZIELE Das Verlagsprogramm eines renommierten Verlages umfaßt neben den in Massenauflage herausgegebenen Liebes-, Kriminal-, Abenteuer- und Science-fiction-Romanen auch kostbare Kunstbände in geringer Auflage. Nach welchen Prinzipien richten sich eigentlich die unternehmerischen Entscheidungen? Das unternehmerische Handeln wird im allgemeinen nicht von einem Ziel allein bestimmt, sondern von mehreren gleichzeitig. Einzelne Unternehmensziele werden planvoll miteinander verknüpft (Zielkombination). Denkbar ist, daß sich das gesamte Zielgeflecht im Zeitablauf ändern kann. Maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung, welche Ziele ein Unternehmen zu realisieren versucht, ist auch den artspezifischen Unterschieden zwischen den privaten und öffentlichen Betrieben beizumessen. 2.5.1 ZIELE PRIVATER UND ÖFFENTLICHER UNTERNEHMEN Im marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem handeln private (erwerbswirtschaftliche ) Unternehmen im allgemeinen nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip. Das Streben nach Gewinnerzielung ist hierbei regelmäßig das Hauptmotiv unternehmerischer Betätigung. Weitere Ziele, z. B. • Sicherheit durch langfristige Existenzsicherung, • Marktmacht durch Erhöhung der Marktanteile, • soziale Verantwortung durch Sicherung der Arbeitsplätze, können ebenfalls hinsichtlich des Gewinnziels unterstützend wirken. Öffentliche (gemeinwirtschaftliche ) Unternehmen orientieren sich vorwiegend an den Bedürfnissen der Gemeinschaft. Hauptaufgabe öffentlicher Betriebe ist es, zu angemessenen Preisen einen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen zu decken, • an denen kein Privatinteresse besteht, weil sie nur zu hohen Preisen produzierbar sind, • deren Produktion man nicht dem Privatinteresse überlassen will. Demzufolge können wir als mögliche Ziele gemeinwirtschaftlicher Unternehmen die • Bedarfsdeckung (z. B. Museum, Theater, öffentliches Freibad), • Kostendeckung gemeinnütziger Unternehmen (z. B. gewerkschaftliche Bildungseinrichtung), • Verlustminimierung (z. B. öffentliche Verkehrsbetriebe) unterscheiden. Helmut Preis 23 2.5.2 KENNZAHLEN WIRTSCHAFTLICHER ZIELSETZUNGEN Meist sind die globalen unternehmenspolitischen Zielvorstellungen (z. B. Gewinnmaximierung) nicht operational. Daher bedarf es zur Operationalisierung der Formulierung oberzielkonformer Subziele. Als Meßgrößen können leistungswirtschaftliche Kennzahlen (z. B. Produktivität, Wirtschatlichkeit) und finanzwirtschaftliche Kennzahlen (z. B. Rentabilität, Liquidität) dienen. ❍ Produktivität Die Produktivität mißt die mengenmäßige Ergiebigkeit der im Produktionsprozeß eingesetzten Produktionsfaktoren durch Ermittlung des mengenmäßigen Verhältnisses (Mengenrelation) zwischen Output- und Inputfaktoren. Produktivität = Ausbringungsmenge (Output) [z. B. Stück, kg] Faktoreinsatzmenge (Input) [z. B. Arbeitsstunden] Alle Produktivitätsmessungen sind schwierig und problematisch, weil • die einzelnen Produktionsfaktoren nicht ohne weiteres addiert werden können (z. B. Arbeitsleistungen [Std.] (? + ?) Werkstoffe [kg]) und • die Vergleichbarkeit von Produktivitätskennzahlen durch veränderte Rahmenbedingungen des Produktionsprozesses (z. B. infolge technischen Fortschritts, geänderter Beschäftigungsgrade) verhindert wird. Auf Basis mengenbezogener Maßeinheiten, d. h. ohne Einbeziehung wertmäßiger Größen, lassen sich die Arbeits- und Maschinenproduktivität wie folgt ermitteln: Arbeitsproduktivität = Ausbringungsmenge Arbeitsstunden Maschinenproduktivität = Ausbringungsmenge Maschinenstunden Beispiel 2.1: Eine Schreinerei produzierte und verkaufte in einem Abrechnungszeitraum 250 Schränke. Dafür wurden 3.125 Arbeitsstunden und 500 Maschinenstunden aufgewandt. Demzufolge beträgt die Arbeitsproduktivität in diesem Betrieb 0,08 [Schränke/Arbeitsstunde] und die Maschinenproduktivität 0,5 [Schränke/Maschinenstunde]. ❍ Wirtschaftlichkeit Die Meßgröße Wirtschaftlichkeit basiert auf dem ökonomischen Prinzip (Rationalitätsprinzip). Bestreben eines Unternehmens muß des demnach sein, eine bestimmte Leistung mit möglichst geringen Kosten (Minimalprinzip) bzw. mit gegebenen Kosten eine möglichst große Leistung (Maximalprinzip) zu erbringen. 24 Helmut Preis Beim Verhältnis von Leistungen zu Kosten werden beide Größen in Geld bewertet (Wertrelation). Wirtschaftlichkeit = Leistungen [DM] Kosten [DM] Beispiel 2.2: Ein Handwerksbetrieb erzielte in einem Monat einen Umsatz (= Leistung) von 450.000 DM; Kosten fielen in Höhe von 360.000 DM an. Die Wirtschaftlichkeitskennzahl betägt 1,25, das heißt, der Betrieb arbeitet wirtschaftlich. Wäre die Kennzahl dagegen kleiner als 1, so würde der Betrieb unwirtschaftlich arbeiten. ❍ Rentabilität Durch die Rentabilität wird die relative Vorteilhaftigkeit eines Kapitaleinsatzes mittels des Quotienten aus Gewinn zu eingesetztem Kapital ausgedrückt. Rentabilität = Gewinn eingesetztes Kapital × 100 Je nach dem Betrachtungsobjekt unterscheiden wir die Eigen-, Gesamtkapital- und Umsatzrentabilität. Eigenkapitalrentabilität = Gesamtkapitalrentabilität = Umsatzrentabilität = Gewinn Eigenkapital Gewinn × 100 + Fremdkapitalzinsen Gesamtkapital × 100 Gewinn × 100 Umsatz Erweitern wir den Ausdruck der Eigenkapitalrentabilität um den Faktor „Umsatz“, so erhalten wir die Formel: Eigenkapitalrentabilität = Gewinn Kapital × 100 = Gewinn × 100 × Umsatz Umsatzrentabilität Umsatz Kapital Umschlagshäufigkeit des Kapitals Demzufolge resultiert die Eigenkapitalrentabilität aus dem Produkt von Umsatzrentabilität und Umschlagshäufigkeit des Kapitals. Helmut Preis 25 Beispiel 2.3: Die Bilanz eines Industriebetriebs weist ein Eigenkapital von 1 Mio DM aus. Insgesamt erzielte das Unternehmen einen Gewinn von 350.000 DM. Dies entspricht einer Eigenkapitalrentabilität von 35 %. ❍ Liquidität Der Begriff Liquidität wird in doppelter Bedeutung verwendet, und zwar • als Eigenschaft von Vermögensgegenständen, in Bargeld umgewandelt zu werden, und • als jederzeitige Zahlungsbereitschaft eines Unternehmens . Also ist ein Unternehmen liquide, wenn es fähig ist, jederzeit seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Infolgedessen dienen die Liquiditätskennzahlen dazu, die Zahlungsbereitschaft des Unternehmens zu analysieren. Hierbei werden die flüssigen Mittel (z. B. Kassenbestand, Bank- und Postbankguthaben) den kurzfristigen Verbindlichkeiten (z. B. kurzfristige Bank- und Wechselverbindlichkeiten, Lieferantenverbindlichkeiten), soweit sie in der Bilanz erscheinen, gegenübergestellt. Liquidität = liquide Mittel kurzfristige Verbindlichkeiten × 100 Je nach dem Grad der „Geldnähe“ der liquiden Mittel und je nach Restlaufzeit der Verbindlichkeitzen lassen sich diverse Liquiditätsgrade (Liquidität I., II. und III. Grades) unterscheiden. Allerdings bleibt kritisch anzumerken, daß die Liquiditätskennzahlen als Maßstab der Zahlungsbereitschaft eines Unternehmens nur bedingt geeignet sind, da sie außerbilanzielle Verpflichtungen (z. B. Lohnzahlungen, Zinszahlungen), bestehende freie Kreditspielräume und einen eventuell schleppenden Eingang der Forderungen nicht berücksichtigen. 26 Helmut Preis ÜBUNGSAUFGABEN 2.1 Wodurch unterscheiden sich die Sachleistungs- und Dienstleistungsbetriebe voneinander? 2.2 Stellen Sie in einer Tabelle den charakteristischen Merkmalen eines Handwerksbetriebes (z. B. Kfz-Werkstatt) die entsprechenden Kennzeichen eines Industriebetriebes (z. B. Automobilfabrik) gegenüber. 2.3 Welche betrieblichen Grundfunktionen fallen in einem Einzelhandelsgeschäft (z. B. Drogerie) an? 2.4 Das betriebliche Rechnungswesen eines Betriebes weist folgende Daten aus: Eigenkapital 800.000 DM, Fremdkapital 450.000 DM, Reingewinn 200.000 DM, Fremdkapitalzinssatz 8 %, Umsatzerlöse 6 Mio. DM. Zu berechnen sind die Eigenkapitalrentabilität, die Gesamtkapitalrentabilität und die Umsatzrentabilität! 2.5 Welche Aussage zu den Begriffen „Betrieb“, „Unternehmung“ und „Firma“ ist falsch? ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ Der Betrieb ist eine organisatorisch-technische Einheit mit einem sozialen Gefüge. Der Betrieb ist eine wirtschaftlich selbständige Einheit, die der Leistungserstellung dient. Eine Unternehmung kann aus mehreren Betrieben bestehen. Eine Unternehmung ist eine rechtlich selbständige Einheit mit einer wirtschaftlichen Zielsetzung und einem finanziellen Gefüge. Die Firma ist der Name eines Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt. Helmut Preis 27 3.1 ÜBERBLICK Die rechtliche Verfassung (Rechtsform) der Unternehmung konstituiert die Rechtsbeziehungen der Unternehmung im Innen- und Außenverhältnis. Um z. B. den diversen Betriebsgrößen, Kapitalbeschaffungs- und Haftungsmöglichkeiten gerecht zu werden, bietet die Rechtsordnung verschiedene Möglichkeiten für die Gestaltung der Unternehmungsverfassung an. Bei der Einzelunternehmung ist der Einzelunternehmer alleiniger Eigentümer, der das Eigenkapital selbst aufbringt und unbeschränkt für die Geschäftsschulden haftet. Gesellschaftsunternehmen entstehen regelmäßig durch vertraglichen Zusammenschluß von mehreren Personen. Ziel ist die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. Zu unterscheiden sind die Rechtsformen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. Die Rechtsformen des öffentlichen Rechts sind für Betriebe vorgesehen, die z. B. von Städten, Kreisen und sonstigen Gebietskörperschaften getragen werden. Fakultativ für privatwirtschaftliche Unternehmen sind nur die diversen Rechtsformen des Privatrechts. Bei Personengesellschaften haften die Gesellschafter den Gläubigern gegenüber persönlich, während bei Kapitalgesellschaften nur das Gesellschaftsvermögen der juristischen Person als Haftungsgrundlage dient. Schauen wir uns nun die einzelnen Rechtsformen der Unternehmung im Überblick an. RECHTSFORMEN Einzelunternehmung Gesellschaften Privat-rechtliche Unternehmen Personengesellschaften Stille Gesellschaft Offene Handelsgesellschaft (OHG) Kommanditgesellschaft (KG) GmbH & Co. KG Bild 3.1: 28 Kapitalgesellschaften Aktiengesellschaft (AG) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Öffentlich-rechtliche Unternehmen Sonstige Gesellschaften eingetragene Genossenschaft (eG) u. a. m. Öffentliche Verkehrsbetriebe Stadtwerke Städtische Krankenhäuser u. a. m. Rechtsformen der Unternehmung Helmut Preis 3.2 WAHL DER RECHTSFORM Grundsätzlich kann jeder Betrieb seine Rechtsform selbst wählen. Allerdings sind bei der Wahl der Rechtsform folgende Beschränkungen zu beachten: NR. BESCHRÄNKUNGEN BEI DER WAHL DER RECHTSFORM 1 Beschränkungen durch allgemeine gesetzliche Vorschriften, z. B.: O (Mindest-) Mitgliederzahl bzw. (Mindest-) Gründerzahl O Haftung O Mindestkapital, Mindesteinzahlung 2 Beschränkungen durch spezielle gesetzliche Vorschriften , z. B.: O Hypothekenbanken: Mindestnennkapital 8 Mio. DM (§ 2 Abs. 2 HypBankG) O Kapitalanlagegesellschaften: Mindestnennkapital 500.000 DM (§ 2 Abs. 2 Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, KAGG) 3 Beschränkungen durch die Art der wirtschaftlichen Aufgabe , das heißt, die Wahl einer bestimmten Rechtsform ist nur möglich, wenn bestimmte Betriebszwecke bzw. Sachziele verfolgt werden, z. B.: O Bergrechtliche Gewerkschaft für den Bergbau (§ 94 ABG) O Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) für Versicherungen (§ 15 VAG) O Genossenschaft für die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 1 GenG) 4 Beschränkungen bei bestimmten wirtschaftlichen Betätigungen , das heißt, bei einigen Betriebsarten dürfen nur bestimmte Rechtsformen gewählt werden, z. B.: O (bestimmte) private Versicherungen: AG, VVaG (§ 7 Abs. 1 VAG) O private Bausparkassen: AG (§ 2 Abs. 1 BausparkG) O Kapitalanlagegesellschaften: AG, GmbH (§ 1 Abs. 1 KAGG) O Hypothekenbanken: AG, KGaA (§ 2 Abs. 1 HypBankG O Steuerberatungsgesellschaften: AG, KGaA, GmbH, OHG, KG (§ 49 Abs. 1 StBerG) 5 Beschränkungen durch besondere Eigentumsverhältnisse , das heißt, bestimmte Rechtsformen kommen nur für Betriebe in Frage, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, z. B.: O Regiebetriebe O Eigenbetriebe O öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten, Stiftungen Tabelle 3.1: Beschränkungen bei der Wahl der Rechtsform Falls derartige Beschränkungen bei der Wahl der Rechtsform aber nicht zu beachten sind, bleibt dennoch das Problem, für welche Rechtsform man sich schließlich - unter Beachtung betriebsindividueller Gegebenheiten - entscheiden soll. Helmut Preis 29 Das allgemeingültige Rezept gibt es nicht. Es ist aber sinnvoll, die Entscheidung über die Wahl der Rechtsform erst nach eingehender Prüfung bestimmter Kriterien zu treffen: NR. 1 ENTSCHEIDUNGSKRITERIEN FÜR DIE WAHL DER RECHTSFORM Mitgliederzahl O Ist eine Mindestzahl bei der Gründung vorgesehen? 2 Haftung O Beschränkte oder unbeschränkte Haftung der Eigentümer, Gesellschafter, Gesellschaft? 3 Leitungsbefugnisse O Wer hat das Recht zur Geschäftsführung (Innenverhältnis) und zur Vertretung (Außenverhältnis)? 4 Mitbestimmung O Welche mitbestimmungsrechtlichen Regelungen (Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz, Montan-Mitbestimmungsgesetz) kommen zur Anwendung? 5 Finanzierung O Welche Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung (Eigenkapital, Fremdkapital) bieten sich? O Welches Mindestkapital ist gesetzlich vorgesehen? 6 Steuerbelastung und Formkosten O Wie hoch ist die rechtsformspezifische Steuerbelastung? O Wie hoch sind die Aufwendungen für Rechtsformkosten (z. B. Notar-, Gerichts-, Prüfungs- und Veröffentlichungskosten)? 7 Sonstige Faktoren O z. B. Nachfolgeregelungen, Kontroll- und Stimmrechte, Prüfungs- und Publizitätspflichten Tabelle 3.2: Entscheidungskriterien für die Wahl der Rechtsform Auch unserer nun folgenden Detailbetrachtung einzelner Rechtsformen der Unternehmung liegen spezielle Entscheidungskriterien, die bei der Wahl der Rechtsform bedeutsam sind, zugrunde. 30 Helmut Preis 3.3 EINZELUNTERNEHMUNG Die Einzelunternehmung wird nur von einem einzelnen Unternehmer (Kaufmann) betrieben. Die Geschicke des Unternehmens sind untrennbar mit dem Schicksal des Unternehmers und dessen Entscheidungen verbunden. Vor allem für kleinere Betriebe ist die Einzelunternehmung die geeignete Rechtsform. ❍ Gründung Die Gründung der Einzelunternehmung erfolgt formlos. Bei Vollkaufleuten ist eine Eintragung der Firma in das Handelsregister (Amtsgericht) notwendig. Die Firma muß den Familiennamen und mindestens einen ausgeschriebenen Vornamen des Gründers enthalten (z. B. „Kunstschmiede Walther Hammerschlag“ oder „Walther Hammerschlag“, aber nicht: „Hammerschlag“, „W. Hammerschlag“, „Kunstschmiede Hammerschlag“). ❍ Geschäftsführung Der Einzelunternehmer trifft als alleiniger Eigentümer alle Entscheidungen. ❍ Haftung Für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet der Einzelunternehmer unbeschränkt mit seinem Geschäfts- (Betriebs-) und Privatvermögen. ❍ Gewinn/Verlust Der Unternehmer hat einen alleinigen Gewinnanspruch. Er trägt aber auch allein das Risiko und muß für alle Verluste geradestehen. ❍ Finanzierung Das Eigenkapital entspricht dem Vermögen des Unternehmers, das durch Ansparung von Gewinnen (Selbstfinanzierung) oder durch die Kapitaleinlage eines stillen Gesellschafters erweitert werden kann. Die Aufnahme von Fremdkapital ist aufgrund des relativ hohen Kreditausfallrisikos für die Kreditgeber (Banken) in bezug auf das Kreditvolumen und die Kreditdauer eng begrenzt. ❍ Besteuerung Die Einzelunternehmung ist kein selbständiges Steuersubjekt. Der Unternehmer unterliegt der Einkommensteuerpflicht zum Zeitpunkt der Gewinnentstehung im Betrieb. Ob der Gewinn im Betrieb belassen oder für die private Haushaltsführung entnommen wurde, ist unwesentlich. ❍ Aulösung Eine Einzelunternehmung kann durch freiwilligen Entschluß, durch Konkurs oder durch den Tod des Inhabers aufgelöst werden. Helmut Preis 31 3.4 PERSONENGESELLSCHAFTEN 3.4.1 STILLE GESELLSCHAFT Die stille Gesellschaft ist eine Rechtsform, bei der sich mindestens ein stiller Gesellschafter durch eine Kapitaleinlage an einem Einzelunternehmen, einer Personengesellschaft (OHG, KG) oder einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) beteiligt, ohne daß diese Teilhaberschaft nach außen hervortritt. Es entsteht kein echtes Gesellschaftsverhältnis, sondern ein langfristiges Gläubigerverhältnis. ❍ Gründung Die stille Gesellschaft entsteht durch einen formfreien Gesellschaftsvertrag zwischen dem Inhaber eines Handelsgeschäfts (Hauptgesellschafter) und dem stillen Gesellschafter. Es erfolgt keine Eintragung ins Handelsregister, und aus der Firma ist der Name des stillen Gesellschafters nicht zu erkennen. Die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters geht in das Vermögen des Hauptgesellschafters über. ❍ Geschäftsführung Bei der typischen stillen Gesellschaft ist der stille Gesellschafter an der Geschäftsführung nicht beteiligt. Er ist jedoch berechtigt, eine Abschrift des Jahresabschlusses zu verlangen und kann dessen Richtigkeit unter Einsichtnahme der Bücher und Papiere prüfen. Werden dem stillen Gesellschafter weitergehende Kontrollrechte oder eine Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen eingeräumt, so handelt es sich hierbei um eine atypische stille Gesellschaft. ❍ Haftung Der stille Gesellschafter haftet den Gläubigern des Hauptgesellschafters gegenüber nicht persönlich, sondern nur in Höhe der Vermögenseinlage. ❍ Gewinn/Verlust Der Anteil des stillen Gesellschafters am Gewinn und Verlust der Hauptgesellschaft bemißt sich nach den vertraglichen Regelungen oder nach einem den Umständen angemessenen Verhältnis. Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, daß der stille Gesellschafter nicht am Verlust beteiligt sein soll; jedoch kann seine Beteiligung am Gewinn nach § 231 Abs. 2 HGB nicht ausgeschlossen werden. Bei der atypischen stillen Gesellschaft erstreckt sich die Beteiligung des stillen Gesellschafters auch auf den Geschäftswert und die stillen Reserven der Unternehmung. ❍ Besteuerung Die Gewinnanteile des typischen stillen Gesellschafters sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen und beim atypischen stillen Gesellschafter als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern. Für den Hauptgesellschafter bedeuten die ausgezahlten Gewinnanteile buchhalterisch Betriebsausgaben. 32 Helmut Preis ❍ Auflösung Die Kündigung der Gesellschaft kann für den Schluß eines Geschäftsjahres erfolgen und muß mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkt stattfinden. Aus wichtigem Grund kann der Gesellschaftsvertrag auch ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Aufgelöst wird die stille Gesellschaft u. a. auch bei Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer, durch beiderseitige Aufhebung, beim Konkurs eines Gesellschafters oder beim Tod des Hauptgesellschafters. Dagegen wird durch den Tod des stillen Gesellschafters die Gesellschaft nicht aufgelöst. 3.4.2 OFFENE HANDELSGESELLSCHAFT (OHG) Bei der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) handelt es sich um eine recht einfache Rechtsform für kleinere und mittlere Betriebe, die besonders geeignet ist für Kaufleute, die sich zusammenschließen, um ein Handelsgewerbe unter einheitlicher Firma zu betreiben (z. B. Familienunternehmen). Die OHG ist als Handelsgesellschaft allerdings den strengen Regeln des Handelsrechts unterworfen. ❍ Gründung Mindestens zwei Gesellschafter schließen einen Gesellschaftsvertrag ab, für den keine Form vorgeschrieben, aber die Schriftform üblich ist. Bei Einbringung von Grundstücken in die Gesellschaft ist eine notarielle Beurkundung notwendig. Die Anmeldung zum Handelsregister (Abteilung A) hat zu enthalten: • den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes Gesllschafters; • die Firma und Sitz der Gesellschaft; • den Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft. ❍ Geschäftsführung Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft und zur Vertretung nach außen sind generell alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet. Vertraglich kann die Befugnis zur Geschäftsführung beschränkt oder aufgehoben werden. Für außergewöhnliche Rechtsgeschäfte bedarf es der Zustimmung aller Gesellschafter, z. B. Kauf oder Verkauf von Grundstücken. ❍ Haftung Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich, und die OHG haftet mit dem Gesellschaftsvermögen. Demzufolge haften die OHG-Gesellschafter • unbeschränkt mit ihrem Geschäfts- und Privatvermögen; • unmittelbar, indem sich jeder Gläubiger mit seiner Forderung direkt an jeden beliebigen Gesellschafter wenden kann; • gesamtschuldnerisch (solidarisch), d. h., alle Gesellschafter haften für die gesamten Schulden der Gesellschaft. Helmut Preis 33 ❍ Gewinn/Verlust Sofern im Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, erhält jeder Gesellschafter einen Gewinnanteil in Höhe von 4 % seines Kapitalanteils, der Mehrgewinn (Rest) wird nach Köpfen verteilt. Der Verlust wird ebenso unter die Gesellschafter nach Köpfen verteilt. Beispiel 3.1: In der Bäckerei Gebrüder Ernst betragen die Kapitalanteile der Gesellschafter Michael Ernst (M) 100.000 DM und Konrad Ernst (K) 80.000 DM. Die Privatkonten weisen 40.000 DM (M) und 25.000 DM (K) Entnahmen aus. Der Gesamtgewinn von 300.000 DM werden wie folgt verteilt: Gesellschafter M erhält für die Geschäftsführung vorab 60.000 DM. Die Verteilung des Gewinns ist entsprechend den handelsrechtlichen Vorschriften vorzunehmen. Gesell- Kapital Arbeits- Kapital- Rest- Gesamt- Privat- Kapital schafter 01.01. anteil verzinsung gewinn gewinn entnahme 31.12. M 100.000 60.000 4.000 116.400 180.400 40.000 240.400 K 80.000 - 3.200 116.400 119.600 25.000 174.600 180.000 60.000 7.200 232.800 300.000 65.000 415.000 M + K Tabelle 3.3: Gewinnverteilung der OHG ❍ Finanzierung Durch Erhöhung der Kapitaleinlagen der Gesellschafter, Nichtentnahme der Gewinne oder Aufnahme neuer Gesellschafter kann die Eigenkapitalbasis der Unternehmung erweitert werden. Da mindestens zwei Gesellschafter mit ihrem Gesamtvermögen haften, wird die Kreditwürdigkeit der OHG im allgemeinen höher eingeschätzt als die der Einzelunternehmung. ❍ Besteuerung Die OHG ist kein selbständiges Steuersubjekt. Der Gewinnanteil der Gesellschafter ist einkommensteuerpflichtig. Die Gehälter geschäftsführender Gesellschafter sind nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. ❍ Auflösung Die offene Handelsgesellschaft (OHG) wird aufgelöst durch: • Ablauf des Gesellschaftsvertrages; • Beschluß der Gesellschafter; • Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft oder das Vermögen eines Gesellschafters; • den Tod eines Gesellschafters (falls keine andere vertragliche Regelung getroffen wurde); • Kündigung und gerichtliche Entscheidung. 34 Helmut Preis 3.4.3 KOMMANDITGESELLSCHAFT (KG) Die Kommanditgesellschaft (KG) ist eine Personengesellschaft, deren Zweck im Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma besteht. Den Gläubigern gegenüber haftet mindestens ein Gesellschafter unbeschränkt (Vollhafter, Komplementär) und mindestens ein Gesellschafter beschränkt (Teilhafter, Kommanditist). Der Teilhafter kann sich kapitalmäßig, ohne persönliche Mitarbeit und nur beschränkter Haftung an der KG beteiligen. Die Rechtsform der KG eignet sich vor allem für kleinere und mittlere Gewerbebetriebe (z. B. Familienunternehmen oder Erbengemeinschaften, wenn Familienangehörige nur als Teilhafter beteiligt werden sollen). ❍ Gründung Zur Gründung einer KG sind mindestens zwei Gesellschafter notwendig: ein Vollhafter (Komplementär) und ein Teilhafter (Kommanditist). Die Anmeldung zum Handelsregister ist von allen Gesellschaftern vorzunehmen. Also auch die Kommanditisten und - wegen der beschränkten Haftung - deren Einlagen werden in das Handelsregister eingetragen. ❍ Geschäftsführung Die Geschäftsführung liegt allein bei den Komplementären. Die Kommanditisten sind also von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen; sie besitzen aber ein Kontrollrecht. ❍ Haftung Bei den Kommanditisten ist die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt. Dagegen findet bei den Komplementären eine Beschränkung der Haftung nicht statt (persönlich haftende Gesellschafter). ❍ Gewinn/Verlust Im allgemeinen erhalten geschäftsführende Gesellschafter (Komplementäre) einen Teil vom Gewinn als Arbeitsentgelt. Die Kapitaleinlagen werden mit 4 % verzinst. Der Mehrgewinn wird in angemessenem Verhältnis (z. B. unter Berücksichtigung des höheren Haftungsrisikos seitens der Komplementäre) verteilt. Auch ein Verlust wird - soweit nichts anderes vereinbart wurde - in einem den Umständen nach angemessenem Verhältnis aufgeteilt. ❍ Finanzierung Durch die Aufnahme beschränkt haftender, nicht geschäftsführender Kommanditisten wird die Eigenkapitalbasis der Unternehmung gestärkt. Weiterhin wirkt sich die Transparenz der Haftungsverhältnisse günstig für die Aufnahme von Fremdkapital aus. ❍ Besteuerung Die KG ist als Personengesellschaft kein selbständiges Steuersubjekt. Der Gewinnanteil der Gesellschafter unterliegt der Einkommensteuerpflicht. Helmut Preis 35 ❍ Auflösung Die Auflösung der KG erfolgt durch Ablauf des Gesellschaftsvertrages, Beschluß der Gesellschafter, Eröffnung des Konkurses über das Gesellschaftsvermögen oder das Vermögen eines Komplementärs, Tod eines Vollhafters (falls keine andere vertragliche Regelung getroffen wurde), Kündigung eines Vollhafters. Tod oder Kündigung eines Kommanditisten führen dagegen nicht zu einer Auflösung der Gesellschaft. ❍ Sonderform: GmbH & Co. KG Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft, bei der der Vollhafter (Komplementär) eine GmbH ist. Die GmbH haftet nur mit dem Stammkapital und die Kommanditisten in Höhe ihrer Einlage. 3.5 KAPITALGESELLSCHAFTEN 3.5.1 AKTIENGESELLSCHAFT (AG) Die Aktiengesellschaft ist nach dem Aktiengesetz eine Handelsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person). Die Gesellschafter sind mit Einlagen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt. Die Kapitalanteile (Aktien) können an der Börse frei gehandelt werden. Für große und mittelständische Unternehmen ist diese Rechtsform besonders deshalb attraktirv, da viele Geldgeber in die Beschaffung hoher Eigenmittel einbezogen werden können. ❍ Gründung Nach Feststellung des Gesellschaftsvertrages (Satzung) wird die AG durch eine (Einmanngründung) oder mehrere Personen gegründet. Durch die Eintragung in das Handelsregister (Abteilung B) entsteht die AG als juristische Person. ❍ Geschäftsführung Die AG hat drei notwendige Organe (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung), deren Aufgaben der nachstehenden Tabelle 3.4 entnommen werden können. 36 Helmut Preis ORGANE DER AKTIENGESELLSCHAFT (AG) - AufgabenVorstand O Geschäftsführung und Vertretung (Leitungsorgan) O Berichterstattung an den Aufsichtsrat O Feststellung der Jahresbilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Erstellung des Lageberichts O Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung O Vorschlag über die Gewinnverwendung an den Aufsichtsrat O Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder gerichtlichen Vergleichsverfahrens Aufsichtsrat O Bestellung des Vorstands für 5 Jahre (Überwachungsorgan) O Überwachung und Abberufung des Vorstands O schriftliche Berichterstattung über den vom Vorstand aufgestellten und von den Abschlußprüfern geprüften Jahresabschluß, Geschäftsbericht, Vorschlag für die Gewinnverwendung O Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung Hauptversammlung (Beschlußorgan) O Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner für 4 Jahre O Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstands O Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns O Wahl der Abschlußprüfer O Abstimmung über > Satzungsänderungen, > Maßnahmen der Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung, > Fusion und Auflösung der Gesellschaft Tabelle 3.4: Aufgaben der Organe einer Aktiengesellschaft (AG) ❍ Finanzierung Neben den Selbstfinanzierungsmöglichkeiten aus freien Rücklagen und durch Ausgabe neuer Aktien, verfügt die AG auch mittels Ausgabe von Schuldverschreibungen und Aufnahme von Bankkrediten über Möglichkeiten der Beschaffung von Fremdkapital. ❍ Haftung Das Grundkapital der AG beträgt mindestens 100.000 DM, das durch den Verkauf von Aktien aufgebracht wird. Der Mindestnennwert einer Aktie beträgt 5 DM. Als Haftungsgrundlage für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft dient den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. ❍ Gewinn/Verlust Den Anteilseignern (Aktionären) steht das Recht auf einen Anteil am Reingewinn in Form einer Dividende zu. Verluste werden durch Rücklagen gedeckt. Helmut Preis 37 ❍ Besteuerung Die AG ist als juristische Person ein selbständiges Steuersubjekt und unterliegt daher der Körperschaft- und Vermögensteuerpflicht. Die einzelnen Aktionäre sind hinsichtlich der erhaltenen Dividende - unter Anrechnung der gezahlten Körperschaftsteuer - ebenfalls vermögensteuerpflichtig sowie einkommensteuerpflichtig. ❍ Auflösung Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst durch: • Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit; • Beschluß der Hauptversammlung; • Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft; • rechtskräftigen Beschluß, durch den die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt wird; • Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist. 3.5.2 GESELLSCHAFT MIT BESCHRÄNKTER HAFTUNG (GMBH) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) eignet sich - aufgrund der erschwerten Übertragbarkeit der Anteile - nur für kleinere und mittlere Betriebe. ❍ Gründung Die GmbH kann zu jedem zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form und muß • die Firma und den Sitz der Gesellschaft, • den Gegenstand des Unternehmens, • den Betrag des Stammkapitals sowie • den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage) enthalten. Durch die Eintragung in das Handelsregister (Abteilung B) entsteht die GmbH als juristische Person. ❍ Geschäftsführung Organe der GmbH sind: die Geschäftsführer, der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung. Wesentliche organspezifische Aufgaben können der nachtstehenden Tabelle 3.5 entnommen werden. 38 Helmut Preis ORGANE DER GESELLSCHAFT MIT BESCHRÄNKTER HAFTUNG (GmbH) - Aufgaben Geschäftsführer (Leitungsorgan) Aufgaben eines oder mehrerer Geschäftsführer sind z. B. die O Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht, O Bestellung eines Arbeitsdirektors bei Gesellschaften mit mehr als 2.000 Arbeitnehmers (Mitbestimmungsgesetz 1976). Aufsichtsrat (Kontrollorgan) O Bestellung eines Aufsichtsrats bei Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern Gesellschafterversammlung (Beschlußorgan) Jede 100 DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme z. B. bei der O Feststellung des Jahresabschlusses und Verwendung des Ergebnisses, O Beschlußfassung über Satzungsänderungen, O Bestellung, Entlastung und Abberufung von Geschäftsführern, O Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten. Tabelle 3.5: Aufgaben der Organe einer GmbH ❍ Haftung Das Stammkapital (Summe aller Geschäftsanteile) der Gesellschaft muß mindestens 50.000 DM, die Stammeinlage (Anteil am Stammkapital) jedes Gesellschafters muß mindestens 500 DM betragen. Der Geschäftsanteil ist der Anteil am Stammkapital, den ein Gesellschafter durch die Stammeinlage erwirbt. Die Haftung ist beschränkt auf das Gesellschaftsvermögen. ❍ Gewinn/Verlust Die Verteilung des Gewinns erfolgt im Verhältnis der Geschäftsanteile oder nach Gesellschafterbeschluß. Verluste vermindern die Kapitalanteile der Gesellschafter. Bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals erfolgt keine Gewinnverteilung, bis der Verlust abgedeckt ist. ❍ Finanzierung Eigenkapital kann in Form von Nachschußzahlungen alter oder Aufnahme neuer Gesellschafter der Unternehmung zugeführt werden. Aufgrund der Haftungsbeschränkung sind die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung begrenzt. ❍ Besteuerung Die GmbH unterliegt als selbständiges Steuersubjekt der Körperschaft- und Vermögensteuerpflicht. Die Anteilseigner werden zudem zur Einkommensteuer und Vermögensteuer veranlagt. Helmut Preis 39 ❍ Auflösung Die GmbH wird aufgelöst durch: • Ablauf des Gesllschaftsvertrages, • Beschluß der Gesellschafter, • Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft, • Gerichtsbeschluß. Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe festgelegt werden. 3.6 GENOSSENSCHAFT Die eingetragene Genossenschaft (eG) ist nach dem Genossenschaftsgesetz eine Gesellschaft (wirtschaftlicher Verein) mit nicht geschlossener Mitgliederzahl mit dem Zweck, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder (Genossen) mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu fördern (Selbsthilfe der Mitglieder). Beispiele 3.2: • Vorschuß- und Kreditvereine • Rohstoffvereine • Vereine zum gemeinschaftlichen Verkauf landwirtschaftlicher oder gewerblicher Erzeugnisse (Absatzgenossenschaften, Magazinvereine) • Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum Verkauf derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossenschaften) • Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebens- oder Wirtschaftsbedürfnissen im großen und Ablaß im kleinen (Konsumvereine) • Vereine zur Beschaffung von Gegenständen des landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebes und zur Benutzung derselben auf gemeinschaftliche Rechnung • Vereine zur Herstellung von Wohnungen ❍ Gründung Mindestens sieben Personen (Genossen) sind zur Gründung einer Genossenschaft erforderlich. Durch Eintragung in das Genossenschaftsregister entsteht die Genossenschaft als juristische Person. Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein und muß die Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft“ oder die Abkürzung „eG“ enthalten. ❍ Geschäftsführung Die Organe der Genossenschaft und deren Aufgaben sind in der nachfolgenden Tabelle 3.6 zusammengefaßt. 40 Helmut Preis ORGANE DER GENOSSENSCHAFT (eG) - Aufgaben Vorstand Mindestens 2 Genossen haben die (Leitungsorgan) O Gesamtbefugnis für die Geschäftsführung und Vertretung. Aufsichtsrat Mindestens 3 Genossen haben die Aufgabe der (Kontrollorgan) O Kontrolle des Vorstands, O Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Jahresergebnisses. Generalversammlung O Die Abstimmungen (z. B. Änderungen des Statuts, Wahl (Beschlußorgan) des Vorstands und des Aufsichtsrats) erfolgen nach Köpfen, nicht nach Geschäftsanteilen. O Jeder Genosse hat in der Regel nur eine Stimme. O Bei Genosschenschaften mit mehr als 3.000 Mitgliedern besteht die Generalversammlung aus Vertretern der Genossen (Vertreterversammlung) Tabelle 3.6: Aufgaben der Organe einer Genossenschaft (eG) ❍ Haftung Für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haftet den Gläubigern nur das Vermögen der Genossenschaft. Für die Genossen besteht gewöhnlich eine Nachschußpflicht in Höhe ihres Geschäftsanteils oder der im Statut festgelegten Haftsumme. ❍ Gewinn/Verlust Gewinne werden den Genossen bis zur Höhe ihrer Geschäftsanteile zugeschrieben und Verluste entsprechend abgezogen. ❍ Finanzierung Durch die Aufnahme neuer Mitglieder wird die Eigenkapitalausstattung der Genossenschaft verbessert. Die Fremdfinanzierung durch Bankkredite ist u. a. abhängig von der Mitgliederzahl und der Vermögenslage der Genossenschaft. ❍ Besteuerung Die eingetragene Genossenschaft (eG) ist als selbständiges Steuersubjekt grundsätzlich körperschaft- und vermögensteuerpflichtig. Allerdings honoriert der Staat den Selbsthilfegedanken der Genossenschaft durch einzelne Steuervorteile. ❍ Auflösung Die Auflösung der eingetragenen Genossenschaft (eG) erfolgt durch: • Beschluß der Generalversammlung, • Zeitablauf laut Statut, • Konkurs über das Vermögen der Genossenschaft, • Gerichtsbeschluß Helmut Preis 41 3.7 UMWANDLUNG DER RECHTSFORM In der Praxis ist die Umwandlung eines Unternehmens in ein Unternehmen anderer Rechtsform ebenso häufig wie eine Neugründung. Mit so mancher Sachgründung ist eine Umwandlung verbunden, wenn in das neu zu gründende Unternehmen ein bestehender Betrieb eingebracht wird. Welche Gründe gibt es nun für eine Umwandlung? UMWANDLUNG DER RECHTSFORM - Gründe Haftungsänderung Beschränkung oder Erweiterung der Haftung, z. B. durch die Umwandlung einer OHG in eine GmbH. Bei der OHG haften die Gesellschafter mit ihrem gesamten Geschäfts- und Privatvermögen, während sie bei der GmbH nur mit der Stammeinlage für die Schulden der Gesellschaft haften. Tod des Alleininhabers Die Erben wandeln die Einzelfirma in eine OHG oder KG um. Verbreiterung der Kapitalbasis Umwandlung einer Einzelfirma in eine stille Gesellschaft oder KG, Umwandlung einer OHG oder KG in eine AG. Das Kapital der KG oder OHG ist nicht auf einen Mindestbetrag festgelegt. Er richtet sich nach den finanziellen Möglichkeiten der Gesellschafter oder nach den Erfordernissen der einzelnen Unternehmung. Bei der AG beträgt das Grundkapital bei Neugründungen mindestens 100.000 DM. In der Praxis liegt es aber regelmäßig um ein Vielfaches höher. Das Aufbringen dieses hohen Betrages macht aber weniger Schwierigkeiten, weil sich viele Aktionäre mit einem Mindestbetrag von 5 DM pro Aktie beteiligen können. Steuerersparnis z. B. Umwandlung einer OHG in eine Familien-AG Umgehung der Publizitätspflicht z. B. Umwandlung einer AG in eine GmbH Tabelle 3.7: Gründe für die Umwandlung der Rechtsform Daneben spielen manche andere private, machtpolitische und wirtschaftspolitische Gründe eine Rolle. Der Wirtschaftsteil der großen Tageszeitungen bietet uns diesbezüglich täglich interessante Beispiele. Sie können sich vorstellen, daß es entsprechend der Vielfalt der Rechtsformen der Unternehmung eine Fülle von Umwandlungsmöglichkeiten gibt. Wir beschränken uns auf fünf Möglichkeiten: 42 Helmut Preis UMWANDLUNG DER RECHTSFORM 1 von ... nach ... Einzelfirma Personengesellschaft (OHG, KG, BGB-Gesellschaft) 2 3 Personengesellschaft Personengesellschaft (z. B. OHG) (z. B. KG) Personengesellschaft Kapitalgesellschaft (AG, GmbH, KGaA) 4 5 Kapitalgesellschaft Kapitalgesellschaft (z. B. AG) (z. B. GmbH) Einzelfirma Kapitalgesellschaft Tabelle 3.8: Möglichkeiten zur Umwandlung der Rechtsform Nach dem Umwandlungsgesetz sind nach § 1 Abs. 1 UmwG vier Umwandlungsarten vorgesehen: • die Verschmelzung, • die Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), • die Vermögensübertragung und • der Formwechsel. Als Verschmelzung wird die Übertragung des gesamten Vermögens eines Unternehmens oder mehrerer Unternehmen auf ein anderes Unternehmen. Die Verschmelzung kann im Wege der Aufnahme auf ein schon bestehendes Unternehmen (d. h. Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit einer bestehenden Personengesellschaft) oder im Wege der Neugründung auf ein neu gegründetes Unternehmen (d. h. Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft und einer Personengesellschaft durch Übertragung der beiden Gesellschaftsvermögen auf eine neu gegründete Personengesellschaft) erfolgen. Bei der Spaltung von Kapitalgesellschaften unterscheiden wir die Arten Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung. Bei der Aufspaltung wird das gesamte Vermögen einer Kapitalgesellschaft unter Auflösung ohne Abwicklung aufgeteilt und die Vermögensteile jeweils als Gesamtheit im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf mindestens zwei schon bestehende oder neue gegründete Gesellschaften übertragen. Bei der Abspaltung bleibt die sich spaltende Kapitalgesellschaft bestehen. Nur ein Teil ihres Vermögens wird auf einen oder mehrere bereits bestehende oder neu gegründete Gesellschaften übertragen. Bei der Ausgliederung überträgt eine Kapitalgesellschaft einen oder mehrere Teile ihres Vermögens jeweils als Gesamtheit auf eine oder mehrere Tochtergesellschaft(en) gegen Gewährung von Anteilen dieser Gesellschaft(en) an die übertragende Gesellschaft (Mutter-Tochter-Verhältnis). Hierbei werden also die erhaltenen Anteile nicht in das Vermögen der Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft überführt, sondern bleiben im Vermögen der übertragenden Gesellschaft. Helmut Preis 43 Eine Vermögensübertragung ist nur möglich von Kapitalgesellschaften auf die öffentliche Hand sowie im Bereich von Versicherungsgesellschaften unter Beteiligung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG). Beim Formwechsel erhält eine Kapitalgesellschaft die Rechtsform einer Personengesellschaft (z. B. Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG). 3.8 UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSE 3.8.1 ÜBERBLICK Einzelne Unternehmen schließen sich zusammen, um in der Gemeinschaft Ziele zu erreichen, die zuvor unerfüllbar waren. Neben gemeinsamen (allgemeinen) Zielen können auch unternehmensspezifische (spezielle) Ziele ausschlaggebend für Unternehmenszusammenschlüsse sein. ZIELE VON UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN Allgemeine Ziele O Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit > z. B. Ausschalten der Konkurrenz O Wahrung gemeinsamer Interessen > z. B. Rationalisierung O Streben nach Ansehen und Macht > z. B. Kapitalakkumulation Spezielle Ziele O Erhöhung des Gewinns, der Rentabilität, des Umsatzes O Verminderung der Kosten, des Risikos O Ausnutzung steuerlicher Vorteile Tabelle 3.9: 44 Ziele von Unternehmenszusammenschlüssen Helmut Preis Eng verbunden mit den Zielvorstellungen sind - aus betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht - die Überlegungen zu den Vor- und Nachteilen, die aus dem Zusammenschluß von Unternehmen resultieren können. VORTEILE UND NACHTEILE VON UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN Vorteile O Nutzung des technischen Fortschritts, d. h. > höhere Wirtschaftlichkeit und Rentabilität > Senkung der Stückkosten durch Massenproduktion > intensive und rationelle Forschung & Entwicklung O Verbesserung der Finanzierung, d. h. > hohes Kapitalvolumen O Erhöhung der Marktübersicht, z. B. durch > einheitliche Konditionen Nachteile O Beschränkung des Wettbewerbs O Verringerung der Angebotspalette (Warenvielfalt) O Festlegung überhöhter Preise O Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht Tabelle 3.10: Helmut Preis Vor- und Nachteile von Unternehmenszusammenschlüssen 45 Für den Zusammenschluß von Unternehmen kommen verschiedene Möglichkeiten der Kooperation und Konzentration in Betracht. Unter Kooperation verstehen wir die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die ihre rechtliche Selbständigkeit und weitgehend auch ihre wirtschaftliche Selbständigkeit beibehalten. Von Konzentration sprechen wir, wenn Unternehmen ihre wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben und ihre rechtliche Selbständigkeit behalten (Konzern) oder aufgeben (Fusion). UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSE KOOPERATION Kartell Bild 3.2: Interessengemeinschaft KONZENTRATION Gelegenheitsgesellschaften Konzern Fusion Arten von Unternehmenszusammenschlüssen 3.8.2 KARTELLE Unter einem Kartell verstehen wir den vertragsmäßigen Zusammenschluß rechtlich und - weitgehend auch wirtschaftlich - selbständig bleibender Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges mit dem Ziel, durch Wettbewerbsbeschränkung den Markt zu beherrschen. Um das freie Spiel der Kräfte am Markt zu erhalten, sind Kartelle durch das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB - Kartellgesetz) grundsätzlich verboten. Nur bestimmte Ausnahmen sind erlaubt: anmeldepflichtige und genehmigungspflichtige Kartelle. Zuständig für die Überwachung ist das Bundeskartellamt (Berlin). Wenn Sie nun einen Blick auf die nachstehende Tabelle 3.11 werfen, so können Sie erkennen, welche Kartelle verboten oder erlaubt sind und welche Ziele sie jeweils verfolgen. 46 Helmut Preis KARTELLE GESETZLICHE REGELUNG ARTEN und ZIELE verbotene Kartelle O Preiskartell > einheitliche Preisgestaltung O Kalkulationskartell > gleichartige Preisermittlung O Gebietskartell > räumliche Aufteilung des Absatzmarktes O Produktionskartell (Quotenkartell ) > Festlegung der Produktiontsmengen je Kartellmitglied anmeldepflichtige Kartelle O Konditionenkartell > einheitliche allgemeine Geschäfts-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen O Rabattkartell > gleichmäßige Rabattgewährung O Normungs- und Typisierungskartell > einheitliche Anwendung von Normen und Typen O Ausfuhrkartell (Exportkartell) > Absprachen über die Begrenzung des Wettbewerbs auf Auslandsmärkten genehmigungspflichtige Kartelle O Strukturkrisenkartell > gleichmäßige Produktionsbeschränkungen als Anpassung an eine veränderte Marktlage O Rationalisierungskartell > einheitliche Rationalisierungsmaßnahmen zur Verbesserung wirtschaftlicher und technischer Abläufe O Syndikat > gemeinsame Einkaufs- und/oder Verkaufsstellen Tabelle 3.11: Kartelle (Arten, Ziele, gesetzliche Regelungen) Bei Interessengemeinschaften handelt es sich z. B. um • Gewinn- und Verlustgemeinschaften (Pool), wenn Unternehmen (hauptsächlich im Schiffsverkehr) ihren Erfolg nach einem bestimmten Schlüssel aufteilen; • sonstige Interessengemeinschaften, die der gemeinsamen Entwicklung, Forschung, Verwaltung oder Patentauswertung dienen können. Gelegenheitsgesellschaften können u. a. sein: • Arbeitsgemeinschaften (ArGe), z. B. im Baugewerbe, um gemeinschaftlich Werk- bzw. Werklieferungsverträge zu erfüllen; • Konsortien, die häufig von Banken gebildet werden, um die Übernahme und Veräußerung von Aktien oder Schuldverschreibungen bei Gründung einer Aktiengesellschaft oder bei der Kapitalerhöhung einer AG gemeinsam durchzuführen. Helmut Preis 47 3.8.3 KONZERNE Der Konzern ist ein Zusammenschluß mehrerer rechtlich selbständig bleibender Unternehmen unter einheitlicher Leitung zu wirtschaftlichen Zwecken. Nach dem Grad der gegenseitigen Abhängigkeit der Konzernunternehmen unterscheiden wir: • Unterordnungskonzerne , die durch den Erwerb der Kapital- oder Stimmenmehrheit (Mutterund Tochtergesellschaften) entstehen. ◆ Kapitalbeteiligung: Die Kapitalmehrheit eines Unternehmens liegt bereits bei einer Beteiligung von 51 % vor. ◆ Beherrschungsvertrag: Dadurch wird ein Unternehmen der Leitung durch ein anderes Unternehmen unterstellt, ohne daß eine kapitalmäßige Verflechtung zu bestehen braucht. ◆ Holding-Gesellschaft: Die Konzernunternehmen übertragen alle oder nur einen Teil ihrer Kapitalanteile auf eine Obergesellschaft (Dachgesellschaft, Holding-Gesellschaft). Im Gegenzug erhalten die Konzernunternehmen Anteile an der Holding. Die Dachgesellschaft ist oftmals eine reine Finanzierungs- und Verwaltungsgesellschaft ohne Betrieb, die den Konzern lenkt. • Gleichordnungskonzerne (Schwestergesellschaften), bei denen die Konzernunternehmungen ihre Kapitalbeteiligungen austauschen, so daß eine einheitliche gemeinsame Leitung ohne Abhängigkeitsverhältnis möglich ist. Nach der Branchenzugehörigkeit der Konzernunternehmen bzw. nach der Richtung der Unternehmenszusammenschlüsse unterscheiden wir: • horizontale Konzerne , bei denen sich gleichartige Unternehmen bzw. Unternehmen der gleichen Produktions- oder Handelsstufen zusammenschließen (z. B. Warenhauskonzerne, Versicherungskonzerne); • vertikale Konzerne , die Unternehmen aufeinanderfolgender Produktions- und Handelsstufen umfassen, und zwar u. U. von der Rohstoffgewinnung bis zur letzten Stufe der Fertigfabrikation (z. B. Mannesmann-Konzern: Bergwerke - Hüttenwerke - Röhrenwerke Maschinenfabriken - Röhrenhandelsgesellschaften u. a. m.). Die Gesamtproduktion kann sich dadurch verbilligen, daß konzernintern Vorprodukte zu Vorzugpreisen an die weiterverarbeitenden Konzernunternehmen geliefert werden. • anorganische (diagonale) Konzerne, wobei sich branchenfremde Unternehmen zusammenschließen (z. B. Brauerei - Zeitungsverlag). Ein Trust (engl. trustee = Treuhänder) entsteht durch die Verschmelzung (Fusion) von Unternehmen, die ihre rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben. Nach der • Verschmelzung durch Neubildung (das heißt, eine neue Gesellschaft wird gegründet, auf die das Vermögen der sich vereinigenden Gesellschaften übergeht, und alle übertragenden Gesellschaften erlöschen) oder • Verschmelzung durch Aufnahme (das heißt, das Vermögen der übertragenden Gesellschaft geht auf die übernehmende Gesellschaft über, und die übertragende Gesellschaft erlischt) besteht nur noch ein rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen. Beispiel 3.3: Das Maschinenbauunternehmen „Robotron GmbH“ wird von dem Hersteller landwirtschaftlicher Maschinen, der „Drescher GmbH“, gekauft. Beide Unternehmen werden nunmehr unter dem gemeinsamen Namen „Drescher GmbH“ betrieben. 48 Helmut Preis ÜBUNGSAUFGABEN 3.1 Der Inhaber einer Einzelfirma will seine Mitarbeiter voll am Gewinn beteiligen und Mitbestimmung in allen Fragen realisieren. Dazu soll die Firma umgewandelt werden. Weder der derzeitige Allein-Inhaber noch die künftigen Mit-Inhaber sind bereit, mit ihrem Gesamtvermögen zu haften. Welche Rechtsformen sind - bedenken Sie bitte auch die Möglichkeit, weitere Regelungen vertraglich zu treffen - geeignet für diese Vorstellungen? 3.2 Bezüglich des vorangehenden Falles sind nicht alle Gesellschafter in der Lage, die gleiche Kapitaleinlage zu leisten. Wie läßt sich innerhalb der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft dennoch bewerkstelligen, daß alle Gesellschafter - ungeachtet der Höhe ihres Kapitalanteils - gleichermaßen stimmberechtigt sind? 3.3 Zwei Gesellschafter einer OHG sind aufgrund der Gesellschafter-Vereinbarungen von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Haben sich damit ihre Haftung und ihr Recht zur Vertretung verringert? 3.4 Welche Kartellarten werden in den folgenden Beispielen beschrieben? a) Die Hersteller von CDs (compact disks) einigen sich auf ein einheitliches Format. b) Rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen verkaufen ihre Produkte über eine gemeinsame Verkaufsorganisation. c) Die Tankstellenpächter in einer Großstadt vereinbaren bei einem gemeinsamen Frühstück im besten Nobelhotel am Ort einheitliche Mineralölpreise. d) Unternehmen der Schuhindustrie verabreden, den Schuhgroßhändlern gegenüber einen Rabatt von 33 1/3 % zu gewähren. 3.5 Welche der nachstehenden Kartelle sind verboten - anmeldepflichtig - genehmigungspflichtig? a) b) c) d) Rationalisierungskartell Exportkartell Quotenkartell Spezialisierungskartell Helmut Preis 49 Einzelunternehmung Stille Gesellschaft Alleinunternehmer KG AG GmbH Aufnahme eines stillen Gesellschafters mindestens 2 Gesellschafter mindestens 2 Gesellschafter - ein Vollhafter (Komplementär) - ein Teilhafter (Kommanditist) eine/mehrere Person(en); mindestens 50.000 EUR Gründungskapital meist 2 Pers., auch "EinmannGesellschaft" zulässig; mind. 25.000 EUR Stammkapital mindestens 7 Personen selbständiger Unternehmer stiller Gesellschafter ist von der Mitarbeit ausgeschlossen alle Gesellschafter sind zur Mitarbeit verpflichtet Vollhafter handeln; Teilhafter sind von der Mitarbeit ausgeschlossen Vorstand und Aufsichtsrat handeln; Aktionäre sind von der Mitarbeit ausgeschlossen Geschäftsführer handeln; Gesellschafter sind von der Mitarbeit ausgeschlossen Vorstand handelt Eigen- und Fremdkapital einschließlich Einlage des Gesellschafters Einlagen der Gesellschafter Einlagen der Gesellschafter Anteile (Aktien) der Aktionäre (Grundkapital) Geschäftsanteile (Stammkapital) Geschäftsanteile allein und unbeschränkt (Geschäfts- und Privatvermögen) Inhaber haftet unbeschränkt; Gesellschafter mit Einlage alle Gesellschafter haften o unbeschränkt o unmittelbar o solidarisch Komplementär haftet unbeschränkt, Kommanditist haftet mit Einlage Aktionäre haften mit dem Nennwert der Aktien Haftung in Höhe der Stammeinlage Haftung mit dem Geschäftsanteil bzw. nach Satzung allein nach Vertrag 4 % von der Kapitaleinlage, Rest nach Köpfen oder nach Vertrag nach Vertrag, Einlage und Mitarbeit Gewinnanteil (Dividende) nach Geschäftsanteil nach Geschäftsanteil allein nach Vertrag alle Gesellschafter gleichmäßig in angemessenem Verhältnis kein Verlustanteil, bei Konkurs evtl. Verlust des Aktienanteils nach Geschäftsanteil nach Geschäftsanteil Gründung Geschäftsführung (Mitarbeit) Finanzierung Haftung Gewinnverteilung Verlustbeteiligung Genossenschaft OHG Leitung der Unternehmung Gründung Rechtsformen der Unternehmung Einzelunternehmung Stille Gesellschaft OHG KG BGB - Gesellschaft AG KGaA GmbH eG Mindestanzahl der Gründer 1 2 2 2 2 1 5 1 7 Form / nicht vorgeschrieben Gesellschaftsvertrag (schriftl. üblich) wie OHG wie OHG gerichtlich oder notariell beurkundeter Vertrag wie AG wie AG Aufstellung eines Statuts (Satzung) und Unterzeichnung durch die Gründer Beginn der Gesellschaft / sofort sofort , bzw. mit Eintrag ins HR §123 HGB wie OHG sofort mit der Eintragung, vorher wie AG wie BGB-Ges. wie AG mit der Eintragung Firma Neues Recht / Neues Recht Neues Recht / Neues Recht Neues Recht Neues Recht Neues Recht Anmeldung zum Handelsregister ja (Abt. A) §1 (wenn Kaufmann) nein ja (Abt. A) §1 ja (Abt. A) nein ja (Abt. B) §2 ja (Abt. B) §2 ja (Abt. B) §2 nein (Genossenschaftsregister) Beteiligung am Kapital allein stiller Gesellschafter mit Kapitaleinlage gesamthänderisch, jeweiliger Stand der Kapitalkonten gesamthänderisch, jeweiliger Stand der Kapitalkonten, Teilhafter:Einlage gesamthänderisch, jeweiliger Stand der Anteile Aktien, Mindestnennbetrag 1€, Mindestkapital 50000€ Vollhafter wie KG, Teilhafter: Aktien Geschäftsanteil (mind. 100€) am Stammkapital (mind. 25000€) Geschäftsguthaben (eingezahlter Teil des Geschäftsanteils) Haftung allein und unbeschränkt Inhaber unbeschränkt, stiller Gesellschafter mit konkursberechtigter Einlage unmittelbar, unbeschränkt, Vollhafter solidarisch (Komplementär): wie OHG, Teilhafter (Kommanditist): Einlage wie OHG Aktienbetrag Vollhafter wie KG, Geschäftsanteil Teilhafter mit Aktienbetrag Geschäftsanteil (ggf. Nachschusspflicht) Gewinnbeteiligung allein angemessener Anteil 4% des Kapitals, Rest 4% des Kapitals, Rest nach Köpfen nach Köpfen oder Vertrag angemessenes Verhältnis Dividende Vollhafter wie KG, Teilhafter: Dividende entsprechend dem Geschäftsanteil entsprechend dem Geschäftsguthaben Verlustbeteiligung allein nach Vertrag nach Köpfen angemessenes Verhältnis nach Köpfen Dividende Vollhafter wie KG, Teilhafter wie AG beschränkte oder unbeschränkte Nachschusspflicht Abzug vom Geschäftsguthaben Geschäftsführung allein Inhaber jeder Gesellschafter einzeln nur Vollhafter (einzeln) gemeinsam Vorstand Vollhafter (Vorstand) Geschäftsführer Vorstand (Genossen) Vertretung allein Inhaber jeder Gesellschafter einzeln nur Vollhafter (einzeln) gemeinsam Vorstand Vollhafter (Vorstand) Geschäftsführer Vorstand (Genossen) Überwachendes Organ / / / / / Aufsichtsrat Aufsichtsrat bei mehr als 500 Aufsichtsrat Beschäftigten Aufsichtsrat Beschließendes Organ / / / / / Hauptversammlung Hauptversammlung Gesellschafterversammlun Generalversammlung g Kündigung eines Gesellschafters / nach Vertrag oder wie OHG zum Schluss eines Geschäftsjahres mit sechsmonatiger Frist wie OHG jederzeit (nicht zur "Unzeit") keine Kündigung möglich, / aber Verkauf der Aktien Auflösungsgrund Liquidation, Konkurs, Tod wie OHG des Inhabers Kündigung, Beschluss der wie OHG Gesellschafter, Ablauf des Vertrages, gerichtliche Entscheidung (bei wichtigem Grund) wie OHG Zeitablauf, Beschluss der Hauptversammlung, Konkurs wie KG (Vollhafter). wie AG (Teilhafter) Zeitablauf, Beschluss der Gesellschafter, Konkurs Zeitablauf, Beschluss der Generalversammlung Beteiligung am Auflösungserlös allein Rückzahlung der Kapitaleinlage (bei Konkurs; Konkursforderung) nach Geschäftsanteilen wie OHG nach Anteilen nach Aktien wie KG und AG nach Geschäftsanteilen nach Geschäftsguthaben Gesetzliche Regelung HGB § 19 (1) HGB §§230 - 236 HGB §§ 105 - 160 HGB §§ 161 - 177a BGB §§ 705 - 740 Aktiengesetz (AktG) AktG §§278 - 290 GmbH - Gesetz Genossenschaftsgesetz keine Kündigung möglich, zum Schluss des Geschäftsjahres mit aber Verkauf des dreimonatiger Frist Geschäftsanteils