1 Artikel: „Die Gattung Cichla – sanfte Bullen“ © 2004 by Andreas Stelzig Die Gattung „Cichla“ stellt in der gesamten Neotropis die größten Vertreter der Buntbarsche. Deren wiederum größte Art, Cichla temensis, hat schon Belegexemplare mit einer Körperlänge von 120 cm hervorgebracht. Gewaltig! Alle Vertreter der Gattung haben grundsätzlich zwei Dinge gemeinsam: Sie sind arge Räuber (Fischfresser) und sie sind im adulten Zustand atemberaubend schön. Die gesamte Gattung bedarf – wie viele andere Fischarten auch – dringend einer wissenschaftlichen Überarbeitung. (akt. 4/2008: mittlerweile erfolgt) 2 Sowohl die Fische selbst, als auch ihre Pflege und Nachzucht im Aquarium, ist noch mit relativ vielen Fragezeichen versehen. Vor allem die zu erwartende Endgröße macht den Kreis der Aquarianer, die sich mit solchen Tieren beschäftigen wollen und können relativ klein. Schon für die dauerhaft erfolgreiche Pflege der „kleineren“ Arten (C. monoculus, C. spec. (xingu), C. intermedia, usw.) sind Beckengrößen von 1500 Litern als das absolute Minimum anzusehen. Die wirklich groß werdenden Arten wie C. temensis, C. orinocensis, usw. sind nur noch in Großaquarien zu pflegen. Cichla orinocensis Ein weiteres Problem ist der enorme Futterbedarf der Tiere. CichlaArten sind auch im Aquarium sehr aktiv und ständig in Bewegung. Entsprechend hoch ist ihr Stoffwechsel, der nach eiweißreicher Kost verlangt. Wer glaubt, einen Kammbarsch dauerhaft mit Cichlidensticks ernähren zu können, ist definitiv auf dem Holzweg! Die Angaben einzelner Aquarianer zu den Futtergewohnheiten ihrer 3 Cichla sind sehr unterschiedlich. Einige, mir bekannte Aquarianer, haben durchaus gute Erfahrungen mit Stinten oder Fischfilet gemacht, allerdings pflegten die meisten von ihnen auch nur Jungfische. Ich kann nur für mich sprechen. Die meisten Exemplare nehmen tatsächlich bereitwillig „tote“ Nahrung an, andere weigern sich hartnäckig, etwas anderes als lebende Fische zu fressen. Ein Beispiel: 2 Stck. Cichla monoculus, Alter: 3 ½ Jahre, Größe ca. 55 cm Während eines der Tiere problemlos mit Fischfilet oder eingefrorenen Futterfischen ernähert werden kann, würde das zweite Exemplar (im Bild oben) verhungern, wenn ich nicht lebende Fische (Karauschen, Goldfische, Rotfedern usw. - bis zu einer Größe von 25 cm) zur Verfügung hätte. 4 Cichla spec. (Xingu) Während beispielsweise Cichla spec. (xingu) - allerdings noch juvenile Tiere - bisher ohne Probleme an „tote“ Nahrung gingen, scheinen C. temensis lediglich lebende Fische zu akzeptieren. (akt. 4/2008: Mittlerweile wird jegliche „tote“ Nahrung angenommen!) Zwar erfolgt auch bei „toter“ Nahrung der Zustoß, allerdings wird das Futter sofort wieder ausgespuckt - wenn es sich nicht um lebende Fische handelt! Cichla temensis (Sipapo) In einzelnen Gesprächen hört man immer wieder von der Anfälligkeit (vor allem großer Tiere) gegen Stress. Nach meinen Beobachtungen hängt die Schreckhaftigkeit der Riesenbarsche in erster Linie mit dem Nitratwert zusammen. Während alle anderen Wasserwerte weitgehend toleriert werden, scheint es eine besondere Nitratunverträglichkeit zu geben. 5 Meine großen Cichla spec .(im Bild: C. temensis) im 14.000-L-Becken mit Dauerwasserwechsel sind handzahm und treten anderen Fischen gegenüber durchaus dominant auf. Meine jüngeren Tiere pflege ich zunächst einige Zeit im 1200-LBecken, um sie auf die nötige „Überführungsgröße“ heranzuziehen. In diesem Becken wird der Wasserwechsel (einmal wöchentlich ca. 40%) noch auf herkömmliche Art gemacht (und manchmal eben auch nicht!). Nach den Wasserwechseln zeigen alle Tiere ein völlig ausgeglichenes Verhalten. Wird der Wasserwechsel einmal „vergessen“ oder aus Zeitgründen aufgeschoben, treten veränderte Verhaltensweisen auf. Vor allem junge, noch nicht ganz eingewöhnte Tiere, reagieren schreckhaft und schießen mitunter - selbst bei kleinsten Beunruhigungen - unkontrolliert durch das Becken. Dabei besteht dann für die Tiere erhebliche Verletzungsgefahr. Auch das Umsetzen (so es denn unbedingt notwendig ist) sollte unter allen Umständen so erfolgen, dass die Tiere nicht lange mit dem Kescher durch das Becken gehetzt werden. Herzstillstand infolge von Stress kann die unmittelbare Folge sein. Wenn es nicht gelingt, das betreffende Tier schnell ins Netz zu bekommen, ist es besser, die Aktion abzubrechen und es nach einer Zeit, in der sich der Fisch wieder beruhigen konnte, noch einmal zu versuchen. Nach meinen Erfahrungen darf das Temperaturspektrum, bei welchem die Tiere gepflegt werden, ruhig etwas breiter sein. Es ist sicher nicht unbedingt notwendig, Cichla ständig bei Temperaturen von 27 – 28° C zu pflegen. Meine Tiere reagieren in dieser Hinsicht absolut tolerant auf Werte von 23° C, was übrigens den natürlichen Gegebenheiten e ntspricht. Auf unseren Fangexpeditionen fanden wir beispielsweise C. temensis sowohl im oberen „Orinoco“ mit Wassertemperaturen von über 30° C vor, als auch im „kühlen“ Wasser des „Rio Cuao“ von 22° C. 6 Einen ganz wesentlichen Aspekt bei der Pflege von Kammbarschen, stellt – wie eingangs bereits erwähnt - die Beckengröße dar. Es gilt der Grundsatz „je größer, desto besser!“, und zwar nicht nur im Hinblick auf die zu erwartende Endgröße der Tiere, sondern vor allem auch wegen ihres mitunter heiklen Verhaltens. In großen Becken verlieren die Cichla sehr schnell ihre anfängliche Scheu und werden zur dominanten Spezies. Dies wird besonders bei der Fütterung augenscheinlich. Mir ist kein anderer Fisch bekannt, der es mit der Schnelligkeit eines jagenden Cichla aufnehmen könnte. Lediglich meinen großen Arowanas (Osteoglossum bicirrhosum) gelingt es hin und wieder, einen Fisch zu erbeuten, bevor die Cichla gesättigt sind. Dies geht unter Umständen recht schnell. Ein Futterfisch - allerdings in der entsprechenden Größe - genügt. Kammbarsche ergreifen ihre Beute möglichst am Kopf und schlucken die erjagten Fische dann auch kopfüber unzerteilt ab. Gelingt der Zugriff einmal nicht auf diese Weise, wird der Fisch im riesigen Maul gedreht. Hat der Futterfisch eine 7 gewisse Größe erreicht, kann schon eine ganze Zeitspanne zwischen Zugriff und Abschlucken liegen, vor allem bei relativ hochrückigen Futterfischen ist dies zu beobachten. Erst wenn der Cichla eine Wolke aus Schuppen und Schleimhautresten ausstößt, kann man sicher sein, dass sich der Futterfisch im Magen des Riesenbarsches befindet. Sind die Cichla gesättigt, werden weitere Futterfische nicht mehr beachtet. Leider ist es bisher bei keiner meiner verschiedenen Cichla- Arten zu einer Vermehrung gekommen. Dies mag daran liegen, dass sich bisher noch kein harmonierendes Paar gefunden hat. Auch ist die Unterscheidung der Geschlechter sehr schwierig und überhaupt erst relativ spät möglich. Bei den männlichen Tieren bildet sich, mit Erreichen der Geschlechtsreife, ein Stirnbuckel aus. Nach unseren Beobachtungen in den natürlichen Biotopen der Tiere, werden zum Laichen senkrecht stehende Gesteins- oder Felsbrocken gesäubert, an die dann der Laich geheftet wird. Beide Elternteile verteidigen das Gelege. Die Fische griffen sogar uns an, als wir uns mit Taucherbrille und Schnorchel vorsichtig näherten. Sind die Jungen erst geschlüpft, werden riesige Gruben im Sand ausgehoben, in denen sich die Jungen dann aufhalten. Diese Gruben können einen Durchmesser von zwei Metern erreichen und u. U. nur wenige Meter vom Ufer entfernt liegen. Gepflegt und verteidigt wird der Nachwuchs auch dort wiederum von beiden Elternteilen. Im oberen „Orinoco“ fanden wir Gruben mit 1-2 cm großen Jungfischen, die bereits einen Tag später wieder verschwunden waren und an anderer Stelle im Fluss neu angelegt wurden. Sozusagen über Nacht waren die Eltern samt ihrer Brut „umgezogen“. In ihrer Heimat gelten die Riesenbarsche als beliebte Speisefische. Tatsächlich ist das Fleisch der Tiere sehr saftig und wohlschmeckend. Leider werden gerade die großen Exemplare auch sehr stark durch die Einheimischen beangelt. 8 Wirklich große Tiere sind daher nur in den dünn besiedelten Urwaldgebieten zu finden. Glücklicherweise kommen Cichla – Arten jedoch in einem großen Verbreitungsgebiet und auch in großen Stückzahlen vor. Auch in Zukunft können die Bestände als gesichert gelten. Jedem Aquarianer, der über die räumlichen Möglichkeiten verfügt, kann ich nur zur Pflege dieser interessanten und wunderschönen Tiere raten. Wer einmal „Cichla – Fan“ geworden ist, bleibt es meist für immer! 9 © Andreas Stelzig, im Mai 2004