Fok u s: M ilc h p ro d u k t e Auslobung von Milchprodukten Milch und Milchprodukte werden heutzutage gerne mit einer Vielzahl von Labels versehen: Bio-Milch, Wiesenmilch, Heumilch, Bergmilch, lactosefreie Milch. Wie unterscheiden sich diese Produkte voneinander? Der Konsument ist verwirrt. Eine Spurensuche. Text: Dr. Alfred Kuhn Fotos: zVg D as Angebot an Milchprodukten ist in der Schweiz sehr abwechslungsreich. Der Kunde hat die Qual der Wahl. Mit speziellen Labels erzielen die Milchverarbeiter und Grossverteiler höhere Preise. Dies ist neben dem technologischen Fortschritt bei der Milchverarbei- 18 | SwissCuisine | Juli 2016 tung der Grund dafür, dass ständig neue Milchprodukte auf den Markt kommen. So sehen einige Käsehersteller im Export von Bio-Käse Wachstumspotenzial. Aber bietet Bio-Milch wirklich einen gesundheitlichen Mehrwert? Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Milch und Milchprodukte zu einer gesunden Ernährung gehören, denn sie liefern verschiedene ernährungs- physiologisch wertvolle Nährstoffe. Dazu gehören die Milchproteine, Vitamine, Kohlenhydrate, Milchfett, Mineralstoffe und Spurenelemente wie Calcium, Eisen, Natrium, Kalium, Magnesium etc. Doch die Zusammensetzung dieser wertvollen Milchbestandteile ist nicht in allen Milchprodukten gleich. Deshalb untersuchen Forscher auf der ganzen Welt intensiv diesen speziellen weissen Saft. Auch die Schweizer Forschungsanstalt Agroscope untersucht die Faktoren, welche die Qualität von Milch und Milchprodukten beeinflussen. Label «Wiesenmilch» Die Resultate verschiedener Studien lassen folgende Schlüsse zu: Ein hoher Anteil an Wiesenfutter reduziert den Anteil der als ungesund geltenden, gesättigten Fettsäuren. Andererseits werden die gesundheitsfördernden Omega-3-Fettsäuren durch reine Grasfütterung gegenüber der Standard-Fütterung um 51 bis 330 % erhöht. Den Omega-3-Fettsäuren schreibt man eine positive Wirkung in Bezug auf Herz-Kreislauf-Krankheiten zu. Interessant ist auch der Einfluss der Höhenlage: Einige Studien fanden heraus, dass die Milch von Kühen, die in höheren Lagen geweidet haben, einen höheren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren besitzt. Label «Heumilch» aus Österreich Die «Bauernzeitung» meldete im April 2016: «Weg für Heumilch in der Schweiz ist frei» und: «In der Schweiz sind insbesondere die Zentralschweizer Milchproduzenten an der Marken-Nutzung interessiert.» Der Begriff «Heumilch» stammt aus Österreich, und dort ist Heumilch eine Erfolgsgeschichte. Heumilchkühe verbringen den Sommer auf Weiden und Alpen, wo sie saftige Kräuter und Gräser fressen können. Im Winter werden sie mit getrocknetem Heu versorgt. Als Ergänzung erhalten sie mineralstoffreichen Getreideschrot. Vergorenes Futter aus dem Silo ist hingegen nicht erlaubt. Label «Wiesenmilch» in der Schweiz wenig erfolgreich IP Suisse und die Migros lancierten 2011 die «Wiesenmilch». Die Wiesenmilch stammt von Kühen, Fo kus : Milc hprodu k te Impressionen aus der Produktion bei Züger die sich im Sommer hauptsächlich von Gras auf der Weide ernähren. Im Winter erhalten die Kühe vor allem Heu und Grassilage. Das Kraftfutter wird zurückhaltend gefüttert. Der Einsatz von Soja ist verboten. Migros verkaufte die Wiesenmilch anfänglich in der ganzen Schweiz, musste aber mangels Nachfrage das Angebot auf die Migros Aare (Aargau, Solothurn und Bern) und Luzern beschränken. Warum verkauft sich die Wiesenmilch bei der Migros Aare so gut? Der Grund dürfte das Doppellabel sein. Die bestehende Milch unter dem Label «Aus der Region. Für die Region» wurde mit dem Label «Terra Suisse» ergänzt. Daraus kann gefolgert werden: Die (mehrfache) Auslobung von Milchprodukten bringt Vorteile beim Marketing und Verkauf. Neue Labels für die Schweiz nötig? In der Schweiz wird bereits heute ca. ein Drittel der Milch vollständig silofrei produziert. Das heisst mit anderen Worten: Schweizer Milch ist bereits heute weitgehend grüne Heumilch. Deshalb stellt sich die Frage, ob ein weiteres Label, wie es in Österreich mit der «Heumilch» eingeführt wurde, für die Schweiz Sinn machen würde. Denn silofreie Milch ist schon heute erforderlich für Käsesorten aus Rohmilch, wie Emmentaler, Gruyère, und andere Käsesorten, wie Bergund Alpkäse. Das Argument «silofrei» spielte in der Vermarktung in der Schweiz bisher aber kaum eine Rolle. Allerdings könnte bei weiter rückläufigen Käseexporten eventuell bald ein Gesinnungswandel stattfinden. Die Zentralschweizer Milchproduzenten jedenfalls wollen Schweizer Käse unter der Marke «Heumilch» exportieren, ganz nach dem Vorbild der Österreicher, die damit sehr erfolgreich sind. In diesem Jahr soll in der Schweiz ein eigenständiger Verein «Heumilch Schweiz» gegründet werden, schrieben die Zentralschweizer Milchproduzenten in einem Newsletter. Mitglieder des Vereins werden Milchproduzenten und Milchverarbeiter sein, insbesondere gewerbliche Käsereien. Schweizer Hersteller dürfen jetzt schon das Label «Heumilch» nutzen. Nicht alle Produzenten sind aber von dieser Idee begeistert. Die Schweizer sind zwar bekannt für ihr Understatement, doch könnte es sich in Zukunft vielleicht im Hinblick auf die Juli 2016 | SwissCuisine | 19 Fok u s: M ilc h p ro d u k t e rückläufigen Exporte, insbesondere beim Käse, doch lohnen, neue grüne Labels gezielt einzuführen. Die Diskussion ist eröffnet und das Thema wird in nächster Zeit einiges zu reden geben. Laktosefreier Bio-Käse Am 23. Mai 2016 war im «St. Galler Tagblatt» ein bemerkenswerter Artikel eines Korrespondenten aus Moskau zu lesen. Darin beschreibt der Autor, dass in den dortigen Supermärkten Schweizer Käsespezialitäten verkauft würden, jedoch nicht nur die bekannten Marken wie Gruyère, Appenzeller oder Emmentaler, sondern … Schweizer Pizza-Mozzarella! Hergestellt von der Firma Züger Frischkäse aus Oberbüren. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr: Wer heute im umkämpften internationalen Milchmarkt vorne dabei sein will, muss innovativ sein. Die Firma Züger gehört zu dieser Kategorie von modernen Milchverarbeitern. Über 50 % des produzierten Käses werden in die ganze Welt exportiert. Für den Biofachhandel in Europa hat die Firma Züger eine laktosefreie Produktlinie konzipiert. Heute vertreibt die Züger Frischkäse AG in Europa ein umfassendes Sortiment an laktosefreien Bioprodukten. Verwertet wird beispielsweise auch das Nebenprodukt der Käseherstellung, die Molke: Ricotta wird aus frischer BioMilch und Bio-Molke hergestellt. Verwendung findet der fettarme, aber eiweissreiche Ricotta als Brotaufstrich oder als Füllstoff für Nudelteigtaschen oder Gebäck. Züger verkauft seine Produkte beispielsweise in ausgewählten deutschen Biosupermarktketten wie Alnatura, Denn’s, Basic oder Bio Company. Die Kundschaft zahlt gerne einen Aufpreis für die speziellen Bioprodukte. Für den langfristigen Exporterfolg durfte Christof Züger kürzlich den Export-Award von Switzerland Global Enterprise entgegennehmen. 20 | swisscuisine | Juli 2016 hauptsitz der Firma Züger in oberbüren Welchen Anteil haben die Bioprodukte beim Umsatz und beim Export ihrer Frischkäseprodukte? Bioprodukte machen ca. 25–30 % des Gesamtumsatzes aus. Beim Export machen diese ca. 40–50 % des Exportumsatzes aus. Interview mit Christof Züger, CEO der Firma Züger Frischkäse SwissCuisine: In den letzten Jahren war die Umsatzsteigerung bei den Frischkäseprodukten der Firma Züger jeweils zweistellig.Wie ist dies im ansonsten eher schwierigen Käsemarkt möglich und wie sieht die Zukunft für Ihre Firma aus? Ch. Züger: Wir setzen konsequent auf eine Mehrwertstrategie, also auf Bio, laktosefreie Produkte und andere Spezialitäten. Wir haben mit diesem Sortiment Zugang zu neuen Kunden. Manchmal können wir das Standardsortiment ebenfalls mitverkaufen. Dies ist dann ein wesentlicher Vorteil für unsere Logistik. Sie bieten seit einigen Jahren auch laktosefreie Produkte an? Lohnt es sich wirklich, in einen solchen Nischenmarkt zu investieren und wer sind die Abnehmer? Nische macht einzigartig, sofern die Nische nachgefragt wird. Es gibt nur wenige Anbieter, aber doch recht viele Nachfrager in ganz Europa. Somit können wir viele Kunden mit kleinen Nischenmengen bedienen und für uns wird das Nischenprodukt in der Produktion händelbar. Können wir dann noch das Standardsortiment mitliefern, können die Logistikkosten signifikant gesenkt werden und wir können Geld verdienen. Wie schätzen Sie den möglichen Nutzen von neuen Labels wie z.B. «Heumilch» für das Marketing von Käse und anderen Milchprodukten ein? Die alte Bezeichnung «silofrei» ist zu technisch und nicht kommunizierbar. Dasselbe Produkt, unter dem Label «Heumilch» verkauft, weckt Emotionen. Den guten Duft von Heu kennen die meisten Leute. Ihre Firma fällt immer wieder durch Innovationen auf. Was planen Sie als nächstes? Wir versuchen uns immer weiter zu entwickeln, Kundenbedürfnisse zu entdecken und rasch am Markt umzusetzen. So kann ich Ihnen nicht sagen, welcher Kunde gerade welches Bedürfnis hat, weil ich es noch nicht kenne. Wir gehen oft zu den Kunden und fragen nach, suchen Lösungen mit ihm. Damit können wir uns und andere glücklich machen. dr. Alfred kuhn ist Biochemiker, Wissenschaftsjournalist.