Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 1 Gravimetrie 1 Einführung Die Gravimetrie stellt neben der Seismik, der Magnetik und der Geoelektrik eine weitere, fundamentale Feldmessmethode der Angewandten Geophysik dar. Obwohl die Bedeutung der gravimetrischen Prospektion in den vergangenen 20 Jahren zugunsten der seismischen Untersuchungsverfahren der angewandten Geophysik zurückgegangen ist, spielt die Gravimetrie zur Bestimmung der Massenverteilung im Untersuchungsgebiet immer noch die wichtigste Rolle. Voraussetzung für eine gravimetrische Untersuchung ist, dass sich die zu bestimmenden geologischen Strukturen durch deutliche Dichtekontraste auszeichnen. Durch die Entwicklung leistungsfähiger Gravimeter für Land-, See- und Aerogravimetrie gewinnt diese Arbeitsrichtung heute verstärkt an Einfluss. Da die Quellen des Schwerefeldes unterhalb einer Bezugsebene nicht eindeutig bestimmt werden können (Äquivalenzprinzip, s. Militzer & Weber, 1984, S. 54-55) und zudem das Messergebnis ein Integralfeld darstellt, d. h. Anomalien von eng benachbarten Störungen überlagern sich, ist die angewandte Gravimetrie in besonderem Masse auf eine `komplexe' Interpretation, also auf die Einbeziehung anderer geophysikalischer Ergebnisse in die Interpretation, bei der Auffindung von Lagerstätten angewiesen. Große dreidimensionale und hochauflösende gravimetrische Modelle stellen somit oft eine Synthese aller geowissenschaftlichen Resultate für ein Untersuchungsgebiet dar. Einsatz findet die Gravimetrie • • • • • in der Vorerkundung, in Gebieten, in denen die seismische Exploration zu kostenintensiv ist, in seismisch ungeeigneten (=reflexionsarmen) Gebieten wie z. B. im Niedersächsischen Tektogen, untertage zur Überwachung des Abbaus und in der Grundlagenforschung, z. B. an Kontinentalrändern und Vulkanen. 2 Grundlegende Theorie Gravitation ist eine Grundeigenschaft aller Materie. Newton (1642-1727) beschrieb in dem nach ihm benannten Gravitationsgesetz die Wechselwirkung zweier infinitesimal kleiner Massepunkte m1 und m2: (1) mit G = 6.67 A 10 -11 kg-1 m3 s-2 (Gravitationskonstante) r = Abstand zwischen m1 und m2. Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 2 Für viele Massepunkte mi (i = 1,...., n) folgt für die Kraft F auf eine `Probemasse' mt: (2) Der Übergang von der Summation auf die Integration wird notwendig, wenn die infinitesimalen Massepunkte zu einem Kontinuum der Dichte D zusammengefasst werden sollen: (3) mit dm = D(x, y, z) dV . In praxi wird in vielen Fällen D = const. angenommen, d. h. D wird als ortsunabhängig angesehen. Zur allgemeinen Darstellung des Schwerefeldes bedient man sich des Potenzials. Es ist eine Funktion, deren erste Ableitung nach einer bestimmten Richtung die entsprechende Schwerekomponente in dieser Richtung angibt. Für das Schwerepotenzial W der Erde gilt allgemein: W=V+Z (4) wobei V = Term der Attraktionswirkung Z = Term der Zentrifugalwirkung (infolge der Erdrotation) darstellen. Flächen, auf denen das Potenzial in jedem Punkt den gleichen Wert hat, heißen Äquipotenzialoder Niveauflächen. Hierbei gilt: W (x, y, z) = const. (5) Die ausgezeichnete Fläche mit W (x0, y0, z0) = const. (6) nennt man das Geoid; diese Fläche wird häufig auch als `mittlere Meeresoberfläche' bezeichnet und sie beschreibt in guter Näherung die Gestalt des Erdkörpers. 3 Angewandte Gravimetrie (s. dazu Jung (1961), Kertz (1969), Militzer & Weber (1984), Berckhemer (1990)) In der Geophysik werden allgemein reale Gegebenheiten bezüglich des Aufbaus und der Struktur des Erdkörpers vereinfacht dargestellt und modelliert. Dies gilt auch für angewandte Problemstellungen, bei denen die lokale bzw. regionale Fragestellung und nicht der Gesamtaufbau des Erdkörpers von Interesse ist. Für die Gravimetrie als Prospektionsmethode gilt, dass oft nur Massenverteilungen nahe der Erdoberfläche (T < 5 km) und damit ihre Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 3 Schwerewirkung im Blickpunkt des Interesses stehen. Die ungleiche Verteilung der Gravitation beruht auf den Dichteunterschieden der Gesteine und Minerale der Erdkruste. Die Größenordnung der unterschiedlichen Gesteinsdichten wird anhand der folgenden Tabellen deutlich, in der die wichtigsten Dichtewerte zusammengestellt sind. (A) SEDIMENTE, SEDIMENTGESTEINE und BÖDEN Durchschnitt (feucht) Bereich Durchschnitt (trocken) Bereich kg/m3 kg/m3 Alluviale Sedimente 1960 - 2000 1980 1500 - 1600 1540 Tone 1630 - 2600 1980 1300 - 2400 1700 Löß 1400 - 1930 1640 750 - 1600 1200 Schotter 170 - 2400 2000 1400 - 2200 1950 Sande 170 - 2300 2000 1400 - 1800 1600 Böden 120 - 2400 1920 100-200 1460 Sandsteine 1610 - 2760 2350 1600 - 2680 2240 Tonsteine 1770 - 3200 2400 1560 - 3200 2100 Kalksteine 1930 - 2900 2550 1740 - 2760 2110 Dolomite 2280 - 2900 2700 2040 - 2540 2300 (B) METAMORPHE GESTEINE Bereich Durchschnitt kg/m3 Quarzite 2500 - 2700 2600 Schiefer 2390 - 2900 2640 Granulite 2520 - 2730 2650 Phylitte 2680 - 2800 2740 Marmor 2600 - 2900 2750 Serpentinite 2400 - 3100 2780 Gneise 2590 - 3000 2800 Amphibolite 2900 - 3040 2960 Eklogite 3200 - 3540 3370 Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 4 (C) MAGMATITE Bereich Durchschnitt kg/m3 Obsidian 2200 - 2400 2300 Dazit 2350 - 2800 2580 Andesit 2400 - 2800 2610 Granit 2500 - 2810 2640 Granodiorit 2670 - 2790 2730 Basalt 2700 - 3300 2990 Gabbro 2700 - 3500 2030 Peridotit 2780 - 3370 3150 (D) NICHTMETALLE und ANDERE MATERIALIEN Bereich Durchschnitt kg/m3 Schnee --- 130 600 - 900 750 Seewasser 1010 - 1050 1030 Anthrazit - Kohle 1340 - 1800 1500 Steinsalz 2100 - 2600 2220 Gips 2200 - 2600 2350 Quarz 2500 - 2700 2650 Anhydrit 2900 - 3000 2930 Diamant --- 3520 4000 - 4900 4570 Erdöl Zirkon 4 Einheit In der Gravimetrie hat es sich eingebürgert, Schwerebeschleunigungen in ‘Gal’, zu Ehren von Galilei, anzugeben. Die angewandte Gravimetrie untersucht im allgemeinen Beschleunigungsdifferenzen im mGal-Bereich. Es gilt: 1 m/s2 = 100 Gal = 105 mGal = 108 :Gal . (7) Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 5 5 Instrumente Für relative Schweremessungen wurden in den letzten Jahrzehnten vor allem das Worden Master Gravity Meter mit einer Messgenauigkeit bei Feldmessungen von 0.02-0.04 mGal verwendet. Heutzutage sind die Gravimeter von LaCoste & Romberg (LCR), Typ G und D und zunehmend das Scintrex Gravimeter (Quarzfeder-Instrument) im Einsatz. Die LCR-G Gravimeter haben einen Messbereich von ca. 7000 mGal, d.h. sie können überall auf der Erde direkt eingesetzt werden. Die LCR-D Gravimeter verfügen dagegen nur über einen Messbereich von 200-300 mGal, so dass für Untersuchungsgebiete mit grösseren Schweredifferenzen der jeweilige Messbereich neu eingestellt werden muss. Die LCR- Gravimeter erreichen durch ihr hoch astasiertes Messsystem eine Feldmessgenauigkeit von ca. 10 :Gal (Torge, 1989). Die Angabe des Herstellers ist 2-5 :Gal. Gemessen werden die Differenzen des Absolutbetrages der Schwerebeschleunigung g; man spricht von “relativen Schweremessungen”. Da die von lokalen Dichteunterschieden resultierenden Änderungen )g klein sind gegenüber der ungestörten Schwerebeschleunigung g, ist die beobachtete Änderung des Betrages ungefähr gleich der Projektion von )g auf g. Daher sind Gravimeter so konstruiert, dass sie nur die z-Komponente des Störfeldes )g messen können. Für Absolutschweremessungen werden heute Fallapparate benutzt, in denen ein kleiner Probekörper (Prisma) durch eine evakuierte Röhre fällt. Mit hochentwickelten elektronischen Laser-Messapparaturen werden Fallzeit und zurückgelegter Weg simultan registriert und so eine Absolutbestimmung der Schwerebeschleunigung ermöglicht. Die Genauigkeit von Absolutmessungen liegt etwa bei der der Relativmessungen in der angewandten Gravimetrie, der experimentelle Aufwand zur absoluten Bestimmung von g ist jedoch um ein Vielfaches höher. Bei stationären, kontinuierlichen Schweremessungen, den Erdgezeitenregistrierungen, werden Genauigkeiten im Nano-Gal-Bereich erzielt. 5.1 Astasierung Die hohe Messgenauigkeit der LCR-Gravimeter beruht auf dem Prinzip des horizontalen Hebels mit schräger Gegenfeder (s. Bender, 1981; Torge, 1989). Diese Anordnung führt zu einer nichtlinearen Beziehung zwischen der Schwereänderung )g und dem Winkelausschlag )". Die Empfindlichkeit )" /)g lässt sich durch geeignete Wahl der Gerätekonstanten sowie einer Vorspannung der rückstellenden Feder um mehrere Grössenordnungen steigern. Man spricht von einem astasierten System. Die Eigenperiode des Systems wächst mit zunehmendem Astasierungsgrad und sie wäre unendlich groß bei einer vollständigen Astasierung. Die erwähnte Vorspannung wird durch die Verwendung von Metallfedern realisiert. Die dadurch entstehende termische Empfindlichkeit des Messsystems erfordert eine hohe Temperaturkonstanz. Durch die Astasierung sind LCR-Gravimeter zusätzlich extrem neigungsempfindlich. Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 6 5.2 Kalibrierung Die Kalibrierung von Gravimetern ermöglicht die Umrechnung von Zähleinheiten in Schwereeinheiten. Eine genäherte Kalibrierfunktion wird vom Hersteller angegeben. In diese Funktion gehen physikalische und geometrische Parameter des Sensorsystems sowie Parameter des Abgriffsystems ein. Sie kann aus nur einer linearen Komponente bestehen, aber auch aus einer Summe von linearem, nicht-linearen und periodischen Termen (periodisch aufgrund der Spindelumdrehungen). In den meisten Fällen ist diese Kalibrierfunktion zu ungenau, um sie ohne weiteres verwenden zu können. Labor- wie auch Felduntersuchungen können zur Bestimmung der Parameter der Kalibrierfunktion herangezogen werden. Laborverfahren umfassen die Simulation von Schwereänderungen und der Vergleich mit den Gravimeterablesungen. Feldmethoden machen Gebrauch von sogenannten Eichlinien mit bekannten Schwerewerten oder Schweredifferenzen. Derartige vertikale oder horizontale Eichlinien nutzen die Höhenabhängigkeit der Schwere, wobei der Luftdruckeffekt korrigiert werden muss. (s. Torge, 1989). Achtung: • Das Gravimeter ist eines der empfindlichsten Geräte in der terrestrischen Prospektion (Wert ca. 80.000,- i)! • Die Messungen sind mit äußerster Vorsicht und nur unter Anleitung des Betreuers vorzunehmen! • Das Instrument darf nie im entarretierten Zustand bewegt oder transportiert werden 6 Auswertung einer Schweremessung Um wirklich nur den Schwereeffekt der Dichteanomalie im Untergrund zu erhalten, müssen an den gemessenen Schweredaten einige Korrektionen und Reduktionen angebracht werden. Allgemein finden folgende Bestandteile der Schwere Berücksichtigung: Gezeiten-Korrektur: Gravimetergang-Korrektur (rein instrumentell): Gelände- oder topographische Korrektur: Bouguer-Plattenkorrektur: Niveau- oder Höhen-Korrektur: Normalschwere-Korrektur *gt *ggang *gtop *gbpl *gniv (0 Bei der Auswertung gravimetrischer Messungen wird fast immer nach der Geometrie und der Dichte der unbekannten geologischen Struktur gefragt. Die zu interpretierende Schwere soll nur noch diese Massenverteilung des Untergrundes widerspiegeln. Alle anderen Einflüsse müssen berechnet und von der gemessenen Schwere g abgezogen werden. Die Durchführung dieser Rechnung wird als Schwerekorrektur und das Ergebnis als Schwereanomalie bezeichnet. Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 7 6.1 Berechnung von Schwereanomalien Es gibt verschiedene Typen von Schwereanomalien, wobei die Bouguer-Anomalie (nach dem französischen Geodäten und Astronomen P. Bouguer, 1698-1757) in der Praxis die größte Bedeutung hat (Torge, 1989). Sie ist definiert als *gBA = ggem - *gniv - *gbpl + *gtop - (0 (8) Andere Anomalietypen sind die Freiluftanomalie oder die isostatische Anomalie (Bender, 1985; Militzer & Weber, 1984, S. 106-108). Sie sind in der physikalischen Geodäsie und der allgemeinen Geophysik von Bedeutung, werden aber teilweise auch im Rahmen der angewandten Geophysik untersucht. Sie sind u. a. im Zusammenhang mit Dichtebestimmungen aus Gravimetermessungen von Interesse. Die Freiluftanomalie ergibt sich, wenn in der Bouguer-Anomalie die topographische Korrektur und die Bouguer Plattenkorrektur nicht angebracht werden *gFA = ggem - *gniv - (0 (9) Im folgenden sollen die einzelnen Terme von Gleichung (8) näher erläutert werden (Abb.1). Abbildung 1 Korrektur eines gemessenen Schwerewertes bezüglich eines Bezugsniveaus. Die korrigierten Messwerte spiegeln nur noch die Dichtedifferenz D 1 - D 2 wider. • Gezeiten-Korrektur *gt Die Gezeitenwirkung entsteht hauptsächlich durch die Wechselwirkung der Massen von Sonne und Mond mit der Masse des Erdkörpers. Der Mond verursacht etwa 2/3 und die Sonne 1/3 des Gesamteffektes. Andere Himmelskörper sind im Rahmen der angewandten Gravimetrie vernachlässigbar. Da die Erde ein Körper mit endlicher Ausdehnung ist (die Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 8 Massen der genannten Himmelskörper können weiterhin als Punktmassen angesehen werden), treten an jedem Punkt der Erde entsprechend Gleichung (1) unterschiedliche Attraktionen von Mond und Sonne auf. Die Differenzen der Attraktionswirkung der Himmelskörper und der durch die Erdrotation verursachten Zentrifugalkraft werden als Gezeitenkräfte bezeichnet. Die Gezeiten nehmen maximal Amplituden von ±0.15 mGal an (Kertz, 1969, S.102-125; Wilhelm et al., 1997). • Gravimetergang-Korrektur *ggang Bei dem Gang eines Gravimeters handelt es sich um einen rein instrumentellen Effekt, dem Gang einer Uhr vergleichbar. Ein Gravimetergang kann z. B. durch Alterungsprozesse mechanischer Bauteile, äußere Temperatureinflüsse oder Erschütterungen des Messsystems erzeugt werden. Zur Eliminierung der Instrumentendrift aus den Schwerebeobachtungen werden sogenannte Basispunktmessungen verwendet, d. h. Wiederholungsmessungen an einem bestimmten Punkt. Die Gravimetergang-Korrektur wird stets nach der Gezeiten-Korrektur angebracht. In diesem Messpraktikum werden wir den Gravimetergang zur Übung manuell bestimmen, in der Praxis übernimmt dies selbstverständlich eine geeignete Software, da das manuelle Verfahren sehr zeitaufwändig ist. • Gelände- oder topographische Reduktion *gtop Hierbei werden alle sichtbaren Unregelmässigkeiten der Topographie in der Stationsumgebung in Schwerebeiträge umgerechnet und addiert. Der beobachtete Schwerewert ohne die Berücksichtigung der topographischen Reduktion ist stets zu klein. Sowohl Berge als auch Täler müssen in ihrer Schwerewirkung zum gemessenen Schwerewert addiert werden (warum?). Nach der Berechnung dieses Terms enthält die gemessene Schwere keine Anteile der stationsumgebenden Topographie mehr. Berechnet werden die topographischen Massen meistens mit einer Einheitsdichte von 2670 kg m-3. Fehler, die dadurch entstehen, dass die realen Gesteinsdichten andere Werte haben, muss man in Kauf nehmen. Um eine hinreichend genaue topographische Reduktion zu erhalten, kann es erforderlich sein, parallel zur Schweremessung die lokale Topographie im Bereich des Messpunktes mit geodätischen Instrumenten (Telemeter, Gefällmesser, Ni-2, usw.) zu erfassen. In diesem Praktikum werden wir die topographische Korrektur der Einfachheit halber vernachlässigen. • Bouguer-Plattenkorrektur *gbpl Dabei wird die Schwerewirkung der Gesteinsplatte zwischen dem Beobachtungspunkt und dem Bezugsniveau berücksichtigt. Um vergleichbare Werte zu erhalten, wird in der Regel eine Standarddichte D von 2670 kg/m3 verwendet. Der Schwereeffekt einer ebenen Bouguer-Platte lässt sich näherungsweise wie folgt berechnen: *gbpl = 2 B G D d [mGal] , (10) Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 9 wenn die Dichte in g/cm3 und die Dicke d der Platte in Meter gegeben ist. G ist wieder die Gravitationskonstante (6.67 A 10 -11 kg-1 m3 s-2) Die bis hierher reduzierte gemessene Schwere enthält im wesentlichen nur noch zwei Anteile: einen normalen Anteil, der durch den gesamten Erdkörper im Sinne einer Standarderde hervorgerufen wird und einen anomalen, der die Massenverteilung im Untergrund beschreibt. Nach der Berechnung der Terme *gtop und *gbpl enthalten die reduzierten Schweredaten nur noch solche Anteile, die sie auch enthalten würde, wenn die Station in einer Höhe Hs über dem Bezugsniveau HB `in der freien Luft' liegen würde. Diese Reduktion wird daher auch als Freiluft-Reduktion bezeichnet. Da nur die anomale Komponente von Interesse ist, wird der normale Anteil mit den folgenden beiden Korrekturen eliminiert: • Normalschwere (0 In der Theorie der Schwerekraft und Figur der Erde wird gezeigt, dass sich die Normalschwere des Erdellipsoids durch eine einfache Schwereformel darstellen lässt. (0 = (e (1 + $ sin2 N - $1 sin2 (2 N)) (12) Dabei bezeichnen (e: Schwerebeschleunigung am Äquator = 9.780 327 m s-2 N: geographische Breite $: ((p - (e) / (e = 5.3024 A 10-3 $1 : -1/8 f 2 + 5/8 f m = 5.8 A 10-6 f: Erdabplattung 1 : 298.257 m: Verhältnis Zentrifugalbeschleunigung zu Schwerebeschleunigung am Äquator • Niveau- oder Höhen-Korrektur *gniv Um die Höhenabhängigkeit der Normalschwere (, also den Effekt der unterschiedlichen Höhen Hs der einzelnen Stationen zu berücksichtigen, wird diese Korrektur vorgenommen. Sie sorgt dafür, dass (0 (der Normalschwere in der Höhe 0) zu (HS (der Normalschwere in der Höhe Hs) korrigiert wird. Es gilt *gniv = Mg / Mh (Hs - HB) (11) mit Mg / Mh . -0.3086 mGal / m (Normaler Vertikalgradient der Schwere) Hs: Stationshöhe in m HB: Bezugshöhe in m. Beispiel: Für das Institut für Geowissenschaften in Kiel mit einer geographischen Breite von N = 54.3399/ und einer Höhe von 30 m über NN ergibt sich nach der Schwereformel des Geodätischen Referenzsystems von 1980: (0 = 981450.64 mGal. (30 = 981441.38 mGal. Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 10 Werden alle Terme einzeln berechnet und für jede Messstation gemäß Gleichung (8) aufaddiert, erhalten wir das Ergebnis, die Bouguer-Anomalie *gBA. Anschaulich kann das Ergebnis einer Bouguer-Reduktionsrechnung wie folgt gedeutet werden: Vorausgesetzt, dass die Reduktionsdichten richtig gewählt wurden, enthält die reduzierte Schwere nur noch Anteile, die von der Massenverteilung unterhalb des Bezugsniveaus herrühren. 6.2 Vertikalgradient der Schwere Der Vertikalgradient der Schwere ergibt sich, wenn die Ableitung der Schwere nach der Höhe gebildet wird: Mg / Mh. Wie die Schwere unterliegt er Änderungen, die auf DichteInhomogenitäten zurückzuführen sind. Als Mittelwert wird tatsächlich die theoretische Abnahme der Normalschwere mit der Höhe -0.3086 mGal/m (siehe Gleichung 11) beobachtet. Bislang gibt es kein Instrument, mit dem man unter Feldbedingungen den Vertikalgradienten VG schnell und genau messen kann. Aus diesem Grund wird von der folgenden Formel ausgegangen, in der der exakte Ausdruck Mg / Mh durch den Differenzenquotienten )g / )h ersetzt wird VG . (go - gu) / (ho - hu) = )g / )h mit (13) go, gu: Schwerewerte im oberen und unteren Messniveau ho, hu: Höhe des oberen und unteren Messniveaus. Beide Messstationen liegen vertikal übereinander. Die benötigte Differenz )h hängt von der Genauigkeit des verwendeten Gravimeters ab. So würde ein )h $ 1.6m bei Verwendung eines :Gal-Gravimeters (z. B. dem vom LaCoste & Romberg) genügen, um reproduzierbare Vertikalgradientenmessungen zu erhalten. Um ein qualitativ gleichwertiges Ergebnis bei einem Gravimeter mit geringerer Messgenauigkeit zu bekommen, muss )h größer gewählt werden. 6.3 Abschätzung gravimetrischer Quellkörper Für einfache Elementarkörper wie die Kugel oder eine unendlich ausdehnte, horizontale Massenlinie, als Approximation eines liegenden Zylinders, lässt sich sofort aus der Halbwertsbreite einer gemessenen Anomalie die Tiefe oder die Masse des gravimetrischen Quellkörpers abschätzen. Die entsprechend einfachen Gleichungen finden sich bei Militzer & Weber (1984) und bei Jung (1961). Hier seien nur einige Faustregeln genannt: • Die Punktmassentiefe (Kugel) ist gleich 2/3 der Halbwertsbreite der Anomalie • Die Tiefe einer Linienmasse (horizontaler Zylinder) ist gleich der halben Halbwertsbreite der Anomalie 7 Modellrechnungen Die Bouguer-Anomalie lässt sich für einige zweidimensionale (2D) Elementarkörper Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 11 sehr einfach berechnen (s. Telford et al., S.57-77). Eine allgemeine Berechnungsmethode für 2D-Körper mit beliebiger Geometrie wurde von Talwani et al. (1959) vorgestellt. Danach berechnet sich die Schwerewirkung g2D des als Polygonzug mit n-Eckpunkten dargestellten Körpers nach (Abb. 2) (14) (15) Abbildung 2 Zur Berechnung eines Polygonzuges mit dem Talwani-Algorithmus. Durch systematische Variation der Geometrie (Anzahl und Lage der Eckpunkte des Polygons) sowie der Dichte des Modellkörpers und seiner Umgebung wird das Modell soweit verändert, bis die berechnete Anomalie g2D mit der beobachteten BouguerAnomalie )gBA möglichst gut übereinstimmt. Eine geologische Struktur ist nach Jung (1961) dann als zweidimensional anzusehen, wenn ihre Länge etwa das drei- bis vierfache der Breite beträgt. Nur in diesem Fall und unter Berücksichtigung anderer geophysikalischer Randbedingungen ist eine 2DModellierung berechtigt. Ist die Voraussetzung nicht erfüllt, muss dreidimensional modelliert werden (Götze, 1984; Götze & Lahmeyer, 1988). Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 12 8 Literatur Bender, F., 1985: Angewandte Geowissenschaften.- Bd. II, S.1-52, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart Berckhemer, H., 1990: Grundlagen der Geophysik. - Wiss. Buchges., Darmstadt Blakely, R.J., 1995: Potential Theory in Gravity and Magnetic Applications. Cambridge University Press. Götze, H.-J., 1984: über den Einsatz interaktiver Computerergraphik im Rahmen 3-dimensionaler Interpretationstechniken in der Gravimetrie und Magnetik. - Habilitationsschrift am Institut für Geophysik der TU Clausthal. Götze, H.-J. & B. Lahmeyer, 1988: Application of three-dimensional interactive modeling in gravity and magnetics. - Geophysics, 53, 1096-1108. Graf, A., 1967: Gravimetrische Instrumente und Methoden.- Handbuch der Vermessungskunde, Band Va, Stuttgart Grant, F.S. und West, G.F., 1965: Interpretation theory in applied geophysics.- New York, McGraw Hill Haalck, H., 1953: Lehrbuch der angewandten Geophysik.- Teil I, Gebrüder Bornträger, Berlin Jacobshagen, V., J. Arndt, H.-J. Götze, D. Mertmann und C. Wallfass, 2000: Einführung in die geologischen Wissenschaften. 187 Zeichnungen, 55 Formeln, 33 Tabellen und 432 Seiten. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. Jung, K., 1961: Schwerkraftverfahren in der angewandten Geophysik.- Akad. Verlagsgesellschaft Geest u. Portig Kertz, W., 1969: Einführung in die Geophysik I.- BI Hochschultaschenbücher, Band 275. Militzer, H. und Weber, F., 1984: Angewandte Geophysik, Band I: Gravimetrie und Magnetik.- Springer Verlag, Wien, New York. Sagitov, M.U., 1971: Gravitationskonstante, Masse und mittlere Dichte der Erde.- Vermessungstechnik 19, S. 59-63, VEB Verlag für Bauwesen, Berlin Schön, J., 1983: Petrophysik: physikalische Eigenschaften von Gesteinen und Mineralen.Akademie-Verlag, Berlin Talwani, M., Worzel, J.L. und Landisman, M., 1959: Rapid gravity computations for twodimensional bodies with applications to the Mendocino submarine fracture zone.- J. Geophys. Res., 64. S. 49-59 Telford, W.M., Geldart, L.P., Sheriff, R.E. und Keys, D.A., 1976: Applied Geophysics.- Cambridge University Press. Torge, W., 1989: Gravimetry.- Walter de Gruyter Verlag, Berlin Wilhelm, H., Zürn, W. und Wenzel, H.-G., 1997: Tidal Phenomena.- Lecture Notes in Science, 66, Springer-Verlag, Berlin Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 13 Aufgabenstellung und Durchführung des Praktikumsversuchs Gravimetrie Aufnahme eines Schwereprofils zur Bestimmung der Dichtestruktur. Der in der Realität stets unbekannte “Untergrund” wird in diesem Versuch durch eine bekannte Struktur ersetzt, indem über einer 6 Meter hohen Brücke das Massendefizit des Straßeneinschnitts bestimmt wird. Der Versuch beinhaltet die gravimetrischen Messungen und deren Bearbeitung und Korrektur, sowie eine Modellierung und Diskussion der Ergebnisse. Für diesen Praktikumsversuch benötigen Sie: Für die Feldmessungen (Teil A) eine Armbanduhr, Gravimeter (LCR G 874), Kalibriertabelle (im Anhang A), Gezeitentabelle für den Messtag, Feldbuch (Protokollblatt), Taschenrechner und ein Maßband Für die Auswertung (Teil B) Taschenrechner, Millimeterpapier und Geodreieck. Experimenteller Teil (erster Versuchstag, Teil A) 1. Nehmen Sie nach Anleitung des Betreuers die gravimetrischen Messungen auf der Eisenbahnbrücke hinter dem Institutsgebäude vor. Messen Sie jeweils einen Punkt ca. 30 Meter links und rechts der Brücke, und einen Punkt zentral auf der Brücke. Falls Sie noch genügend Zeit haben, verdichten Sie dieses Profil mit zwei weiteren Punkten, um die Form der Anomalie besser bestimmen zu können. 2. Fertigen Sie eine Lageskizze für jeden Messpunkt an. 3. Führen Sie an allen Messpunkten nacheinander Wiederholungsmessungen durch, um ein Gefühl für die erreichbare Ablesegenauigkeit zu bekommen. Beobachten Sie den Einfluss von Bodenunruhe, Wind, Horizontierung des Gravimeters und Gerätegang. 4. Rechnen Sie direkt nach der Messung den jeweiligen Skalenwert in mGal um. Der Gebrauch der Kalibriertabelle wird Ihnen vom Betreuer erklärt: Messwert (mGal) = {Ablesung (Skt) - Counter Reading} * Factor for Interval + Value in mGal 5. Bringen Sie die Gezeitenkorrektur, die Sie der Gezeitentabelle entnehmen, an den Messwert an. 6. Tragen Sie alle Messgrößen und weitere Angaben zur Messung in das Messformular ein. Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 14 Auswerteteil (zweiter Versuchstag, Teil B) Korrektur der Instrumentendrift: Tragen Sie für jeden Messpunkt die gemessenen Schwerewerte über der Messzeit auf Millimeterpapier auf(!! gleicher Maßstab für jeden Messpunkt !!). Bestimmen Sie dann die Gangkurve des Gravimeters, indem Sie die mittlere zeitliche Änderung der Ablesung an jeder Messstation bestimmen. Berechnen Sie an jeder Messstation den Mittelwert Ihrer Messungen. Berechnung der Bougueranomalie: Bestimmen Sie die Reduktionswerte an jeder Station, und berechnen Sie die Bougueranomalie, vernachlässigen Sie hierbei die Topographische Reduktion. Verwenden Sie als Bezugsniveau 0 Meter, und als Reduktionsdichte den Wert 2000 kg/m3 (Sande, Schotter). Die absolute Schwere am Basispunkt: 981450.027 mGal Die Koordinaten der Messstationen: Länge 10/ 7.150' Breite 54/ 20.406' Höhe 30.00 m B: Länge 10/ 7.148' Breite 54// 20.379' Höhe 30.00 m C: Länge 10/ 7.147' Breite 54/ 20.347' Höhe 30.00 m Stellen Sie Ihre Messungen grafisch als Profil dar, und diskutieren Sie das Ergebnis. Geben Sie jetzt Ihre Messungen in den Computer ein, und verwenden Sie das Programm DbGrav, um die Bougueranomalie zu berechnen. Vergleichen Sie beide Ergebnisse, und diskutieren Sie eventuelle Abweichungen. A: Interpretation: Interpretieren Sie Ihre Messergebnisse, indem Sie ein simples Modell erstellen. Verwenden Sie hierzu ein Java-Applet, das Sie im Internet finden: http://www.geophysik.uni-kiel.de/~sabine/Institut/ModellSchwere2D.htm Stellen Sie unten links im Appletfenster das Szenaruio “Local Brifge” ein. Beobachten und diskutieren Sie den Verlauf der modellierten Schwere bei unterschiedlicher Geometrie und Dichte des Untergrundes. Vergleichen Sie die modellierte Schwere mit Ihren gemessenen Werten. Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie Anhang A - Kalibriertabelle (Skalenfaktor) des Gravimeters G 874 15 Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie Anhang B Formular für Punktskizzen 16 Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie Anhang C Formular für Schweremessungen 17 Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 18 Anhang D Gezeitentabelle 0.150 26.04.2006 03.05.2006 0.100 17.05.2006 0.050 24.05.2006 31.05.2006 0.000 19 :3 0 18 :3 0 17 :3 0 16 :3 0 15 :3 0 14 :3 0 13 :3 0 12 :3 0 11 :3 0 10 :3 0 -0.050 07.06.2006 9: 30 8: 30 Gezeiten (mGal) 10.05.2006 14.06.2006 21.06.2006 28.06.2006 -0.100 05.07.2006 12.07.2006 -0.150 Zeit Geophysikalische Feldmessungen für Anfänger - Versuch Gravimetrie 19 für o rgan is OHP che Ch emie 4 Anhang E Punktskizze des Schwereanschlusspunktes Instit ut Chemie OHP 5 Säule Messpunkt OHP3 Parkplatz Otto-Hahn-Platz (OHP) Max -Eyt h-St ra ße (40 cm von der Säule entfernt)