Johann-Gerhard Fritsche, Anne Kött, Matthias Kracht, Heinz-Dieter Nesbor, Thomas Reischmann, Sven Rumohr, Inga Schlösser-Kluger Geologische Ergebnisse aus dem Projekt „Tiefe Erdwärmesonde Heubach“ Am 23.03.2011 wurde in Groß-Umstadt-Heubach mit den ersten projektbegleitenden flachen Bohrungen für ein vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft du Verbraucherschutz (HMUELV) gefördertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt der HEAG Südhessische Energie AG (HSE) zur Nutzung der Geothermie mit einer 700-900 m tiefen Erdwärmesonde begonnen. Das HLUG ist vom HMUELV mit der wissenschaftlich-geologischen Begleitung beauftragt. Das Pilotprojekt stellt nach Fertigstellung Ende 2011 die erste Nutzung der tiefen Geothermie in Hessen dar. Neben der tiefen Erdwärmesonde zum Heizen der Produktionsgebäude eines mittelständischen Industriebetriebes in Heubach sollen auch 8 Erdwärmesonden mit Tiefen von 82 bis 138 m zur Kühlung von Bürogebäuden verwendet werden. Mit der tiefen Bohrung wird voraussichtlich im Oktober 2011 begonnen. Zahlreiche Erdwärmesonden nutzen bereits den flacheren Untergrund mit Tiefen bis zu 250 m, größtenteils zur Beheizung von Privathäusern. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg wurden bisher mehr als derartiger 470 Anlagen in Betrieb genommen, in Hessen sind es insgesamt über 6.300. Innerhalb der Erdwärmesonden zirkuliert eine Wärmeträgerflüssigkeit (z.B. Wasser) in einem geschlossenen Kreislauf, die die im Untergrund gespeicherte Wärme aufnimmt. Mit Hilfe von Wärmepumpen wird die Wärme unter Einsatz von mechanischer oder thermischer Antriebsenergie von einem niedrigen Temperaturniveau auf ein zum Heizen und zur Warmwasserbereitung nutzbares Temperaturniveau angehoben (siehe auch Leitfaden „Erdwärmenutzung in Hessen“ (HLUG). Die bei der Nutzung der tiefen Geothermie möglichen Risiken werden durch den Einsatz einer tiefen Erdwärmesonde vermieden: Da keinerlei Grundwasser entnommen oder reinjiziert wird, wie dies bei hydrothermaler Nutzung der tiefen Erdwärme mit einer so genannten Dublette geschieht, sind Auswirkungen einer tiefen Erdwärmesonde auf das Grundwasser lediglich auf eine leichte Temperaturänderung in Bohrlochnähe beschränkt. Probleme mit der Förderung hoch mineralisierten Wassers aus großen Tiefen gibt es nicht. Das Risiko künstlich ausgelöster schwacher Erdbeben (induzierte Seismizität), dass bei hydrothermaler oder petrothermaler geothermischer Nutzung unter ungünstigen Umständen durch das Umpumpen großer Wassermengen zwischen Förder- und Injektionsbohrung gegeben sei kann, ist hier ausgeschlossen. In Heubach sollen Produktionshallen mit einer Fläche von ca. 6.000 m² sowie Büroräume mit einer Fläche von ca. 1.400 m² versorgt werden. Diese wurden mit einer Gebäudedämmung nach neuestem Standard errichtet (ca. 30 W/m² auf beheizter Fläche), mit einer Niedertemperatur-Deckenstrahlheizung ausgerüstet und unterschreiten nach Angaben der Betreiber die Vorgaben der EnEV 2007 um ca. 50%. Ziel ist es, eine Wärmeleistung von 130 - 140 kW bei einer Vorlauftemperatur von ca. 35 °C (davon durch die oberflächennahen Erdwärmesonden ca. 40 kW und die tiefe Erdwärmesonde ca. 90 kW) und eine Kühlleistung von 35 - 45 kW bei einer Vorlauftemperatur von ca. 17 °C zu erreichen. Zunächst wurden 8 flache Bohrungen zwischen 130 und 80 m abgeteuft und mit Doppel-U-Sonden ausgestattet, eine davon als Kernbohrung zur Vorerkundung der geologischen Verhältnisse. 1 Die nutzbare Energiemenge einer tiefen Erdwärmesonde hängt in erster Linie von der Temperatur (geothermischer Gradient) des Untergrundes ab. Weitere wichtige Parameter sind geologische und thermische Eigenschaften des Untergrundes, insbesondere Wärmeleitfähigkeit, Grundwasserführung und hydraulische Durchlässigkeit. In einer der flachen Bohrungen wird ein so genannter Thermal Response Test zur Bestimmung thermischer Untergrundparameter durchgeführt werden. Eine 90 m tiefe Bohrung wurde, vom HLUG finanziert, komplett als Kernbohrung abgeteuft, um anhand der gewonnen Gesteinsproben und von Messungen im Bohrloch Daten über den Untergrund zu gewinnen. Die Daten gehen in eine numerische Modellierung des Untergrundes ein, mit der die endgültige Dimensionierung der Erdwärmesonde in der tiefen Bohrung erfolgt. Die richtige Bemessung von Erdwärmesonden ist Voraussetzung für ihren technischen und wirtschaftlichen Erfolg. Eine zu geringe Dimensionierung kann zu erheblichen Problemen im Betrieb sowie zu überhöhten Betriebskosten führen; eine Überdimensionierung führt zu erhöhten Investitionskosten. In Deutschland sind bislang nur wenige tiefe Erdwärmesonden in Bau oder Betrieb, so z.B. in Aachen oder in Arnsberg, in der Schweiz in Weggis (Vierwaldstättersee) und in Zürich. Diese über 2000 m tiefen Anlagen wurden mit erheblichem baulichen Aufwand mit Tiefbohrgeräten, wie sie u.a. auch in der Erdölindustrie Verwendung finden, niedergebracht. In Heubach soll hingegen eine „nur“ 700 m – 900 m tiefe Sonde gebaut werden. Vorteil einer solchen „mitteltiefen Sonde“ gegenüber flacheren Systemen ist einerseits die höhere Jahrearbeitszahl der Anlage (> 5, d.h. mit dem Einsatz der Energie von 1/5 Strom werden 5/5 Wärmeenergie erzeugt) aufgrund einer hohen Quelltemperatur und der sehr geringe Platzbedarf durch nur eine Bohrung. Im Vergleich zu den bislang üblichen tiefen Erdwärmesonden wirken sich andererseits der Einsatz einer mobilen Bohranlage mittlerer Größe (herkömmliche Brunnenbohranlage) zur Niederbringung der Bohrung und der geringere Bohrdurchmesser günstig auf die Bohrkosten aus. In dem Projekt soll auch die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere geologische und bauliche Situationen geprüft werden, z.B. für platzsparende Wärmegewinnung im innerstädtischen Bereich. Es soll eine koaxiale Sonde, bestehend aus einem Innen- und Außenrohr, verbaut werden. Dieser Sondentyp nutzt den zur Verfügung stehenden Bohrungsquerschnitt optimal. Auch hier zirkuliert das Wärmeträgermedium in einem geschlossenen Kreislauf, allerdings zwischen einem Außenrohr aus Stahl, in dem sich das Wärmeträgermedium auf dem Weg nach unten erwärmt und einem davon thermisch isolierten Innenrohr aus GfK, in dem das warme Wasser hochsteigt. Geologie, Petrographie, Tektonik und geothermische Parameter Heubach befindet sich im nordöstlichen Bereich des kristallinen Teils des Böllsteiner Odenwalds, der durch die Otzberg-Zone vom Bergsträßer Odenwald im Westen getrennt ist. Dieser besteht aus einem nach NNE abtauchenden, sattelförmigen Kernbereich (Orthogneis-Kern aus Granodiorit- und Granitgneisen mit eingeschalteten Metagabbros und Amphiboliten), der von der sogenannten „Schieferhülle“ umgeben ist, die überwiegend aus Metasedimenten wie Biotit- und Hornblendegneisen, Glimmerschiefern und Quarziten sowie Amphiboliten mit einer Gesamtmächtigkeit von mehr als 600 m besteht. Wie die stark verwitterten Aufschlüsse im Ortsbereich Heubach sowie die Gesteinsproben der Kernbohrung zeigen, stehen im Untergrund v.a. Gneise (Augengneise) an, die gelegentlich von härteren pegmatitischen Ganggesteinen durchzogen werden. Die Bohrpunkte liegen im Tal des Pferdsbachs. Hier steht zunächst eine 10-11 m mächtige quartäre Überdeckung aus Tonen, (Löß-) Lehmen und Sanden mit Kiesen (Bachschottern) sowie Hangschutt an. Im Liegenden folgen Augengneise, die im oberen Bereich bis zu einer Tiefe von etwa 16 m grusig verwittert sind und dann allmählich in festes Gestein übergehen. Dies ließ sich auch in Vorerkundungen durch geoelektrische Messungen des HLUG nachweisen. In tieferen Bereichen ist das Auftreten von Glimmerschiefern und 2 Amphibolen möglich. In der weiteren Umgebung von Heubach (östlich und westlich) wird das kristalline Grundgebirge von jüngeren Sedimenten (Rotliegend, Zechstein, Unterer Buntsandstein) überlagert. Die Geothermische Tiefenstufe liegt nach Auswertung der Temperaturmessungen an der 90 m tiefen gekernten Vorbohrung bei dem durchschnittlichen Wert von 3 °C/100 m. Im Vorfeld des Projekts bereits durchgeführte Messungen der Wärmeleitfähigkeit von kristallinen Gesteinen aus dem Odenwald ergaben für Granite Werte zwischen 2,1 – 2,5 W/mK, für Granodiorite zwischen 2,1-3,9 W/mK und für Gneise und Amphibole zwischen 2,1 – 3,4 W/mK. Diese wurden durch Messungen an neuen Proben aus der Kernbohrung ergänzt und haben sich bestätigt. Hydrogeologie Der geplante Standort der Erdwärmesondenanlage liegt im Bereich der Zone IIIA (Weitere Schutzzone) des festgesetzten Trinkwasserschutzgebietes für die Brunnen der Stadt Groß-Umstadt. Es liegt damit im Einzugsgebiet der Brunnen, dem Gebiet, in dem Niederschlag in den Untergrund versickert und nach Erreichen des Grundwasserleiters den Brunnen zuströmen kann. Es wird daher gemäß Leitfaden „Erdwärmenutzung in Hessen“ hinsichtlich des Grundwasserschutzes bei Erdwärmesondenbohrungen als wasserwirtschaftlich ungünstiges Gebiet eingestuft. Die unmittelbar östlich angrenzende Wasserschutzzone III B wird als „wasserwirtschaftlich günstig“ eingestuft und bedarf daher keiner Beurteilung. In dieser Weiteren Schutzzone sind in den vergangenen Jahren bereits mehrere Erdwärmesonden nach Erstellung einer hydrogeologischen Beurteilung durch das HLUG ohne Einflüsse auf die Brunnen errichtet worden. Auch für den Projektstandort wurde eine hydrogeologische Stellungnahme erstellt. Eine Beeinträchtigung der Trinkwassergewinnungsanlagen wird nicht erwartet und es wird den Bohrarbeiten und der Installation von Erdwärmesonden unter speziellen Auflagen zugestimmt. Hierzu zählt u.a. der Einbau einer Schutzverrohrung in den oberen grundwasserführenden Bereichen der Bohrung bis auf das anstehende Festgestein, um einen qualitativen oder quantitativen Einfluss der Bohrarbeiten auf das Grundwasser auszuschließen. Oberflächennah bilden die quartären Lockergesteinsablagerungen (Sande und Kiese), unterbrochen von schlecht durchlässigen Schluffen und Tonen, einen gering mächtigen Porengrundwasserleiter, der das oberste Grundwasserstockwerk darstellt. Davon durch eine sehr gering durchlässige Ton/Schluff-Schicht mit Torf und Holzresten getrennt, stellt pleistozäner Hangschutt, vornehmlich aus Geröllen des im Osten anstehenden Buntsandsteins zusammen mit der stark grusig verwitterten Zersatzzone des Gneises einen zweiten (Poren-) Grundwasserleiter dar. Die unverwitterten kristallinen Gesteine bzw. Gneise darunter sind im Allgemeinen wenig wasserdurchlässig und bilden einen nur gering ergiebigen Kluftgrundwasserleiter. Mit starkem Wasserzustrom ist dort nicht zu rechnen. Bei den seit 28.03.2011 abgeteuften flachen Erdwärmesondenbohrungen wurden jedoch bereits vereinzelt Klüfte im Gneis angetroffen. Quellfähige Schichten (z.B. mit einem Anteil von Anhydrit oder Tonmineralen), die zu Untergrundbewegungen (Senkungen und Hebungen) führen könnten oder artesisch gespanntes Grundwasser unter hohem Druck sind schon vor Beginn der Bohrarbeiten ausgeschlossen worden. Dieses auf die Kenntnis der allgemeinen geologischen Situation im größeren Umfeld gegründete Urteil hat sich bei den Bohrungen bestätigt. 3