KW33/Titan Prof. Dr. Rüdiger Beckhaus

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KW33/Titan
Prof. Dr. Rüdiger Beckhaus
Name und Eigenschaften
Im Jahre 1791 berichtete der Geistliche William Gregor (1761-1817) über das neue Element Titan als Bestandteil
im schwarzen Sand von Cornwall (Eisensand, Ilmenit, FeTiO3). Kurze Zeit später (1795) bestätigen Arbeiten des
deutschen Apothekers und Chemikers Martin Heinrich Klaproth (1743-1817) die Existenz des neuen Elementes.
Beide Entdecker dürften aber „nur“ titanangereicherte Oxide erhalten haben. Die Namensgebung unter Bezug
zum griechischen Göttergeschlecht der Titanen, welche als Kinder von Uranos (Himmel) und Gaia (Erde) sich mit
den Göttern des Olymps (Zeus) einen mehrjährigen erbitterten Kampf lieferten, darf als symptomatisch für die
Widerspenstigkeit der Entdeckungsgeschichte gewertet werden. So gelang die Reindarstellung des Elementes
Titan erst 1831 durch Justus von Liebig. Erste handhabbare Mengen des Elementes Titan standen ab 1910 durch
Arbeiten von Methew Hunter (1878-1961) zur Verfügung. Dabei ist Titan kein seltenes Element. Mit einem Anteil
von 0.63 % am Aufbau der Erdkruste ist es sogar fünf- bis zehnmal häufiger als Chlor oder Schwefel. Es mangelt
hingegen an ausgeprägten Lagerstätten.
Titan als Werkstoff
Das Element Titan eröffnet in der 3. Periode, folgend auf die Elemente Kalium, Calcium und Scandium, den
Reigen der wertvollen Materialien. Mit dem Kroll-Verfahren steht ein großtechnisches Verfahren zur
Titangewinnung zur Verfügung. Dabei wird Titantetrachlorid mittels Magnesium bei Temperaturen von 800-900°C
zum Metall reduziert. Titanmetall erweist sich als ausgesprochen beständig und biokompatibel. Daraus ergeben
sich vielfältige Anwendungen im medizinischen Bereich (Implantate, Verschraubungen). Die Festigkeit von Titan
entspricht der von Stahl, wobei die deutlich geringere Dichte (4.5 gcm-3) Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt
zur Folge hat. Gepaart mit der Korrosionsbeständigkeit werden nahezu vollständige Verkleidungen aus
Titanmetall oftmals für repräsentative Bauwerke genutzt, so z. B. für die neue Oper in Peking (China) oder das
Guggenheimmuseum in Bilbao (Spanien).
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Abbildung 1: Die stilisierte Figur steht als Symbol für die „Titanen“ der griechischen Mythologie.
Titanverbindungen
Die Chemie des Titans gleicht schon einem Perpetuum Mobile. Alles dreht sich um das Titantetrachlorid (TiCl4,
Kp: 136.5 °C), eine farblose stark hydrolyseempfindliche Flüssigkeit (Abbildung 2). Dieses wird benötigt, um das
wichtigste Weißpigment TiO2(Chlorverfahren), aber auch Titanmetall (Kroll-Verfahren) und eine unübersehbare
Anzahl an Folgeprodukten zu gewinnen. Der Kreis schließt sich, wenn man bedenkt, dass TiCl4 wiederum durch
Chlorierung von Titandioxid in Gegenwart von Kohle gewonnen wird. In Abbildung 2 sind weitere ausgewählte
Verbindungen des Titans zusammengestellt. Das Titantetrakisdimethyltitanamid als honiggelbe Flüssigkeit steht
für eine Reihe an Titanverbindungen, die sich nutzbringend in katalytischen Reaktionen (Hydroaminierung,
Hydroaminoalkylierung), aber auch zur Erzeugung von Titannitriden für Werkstoffe oder Halbleiterschichten
einsetzen lassen. Die große Kunst des Chemikers besteht darin, die Substitutionsmuster der Titanverbindungen
den jeweiligen Anwendungen anzupassen. Das rote, wohlkristalline Titanocendichlorid (Cp2TiCl2) steht
stellvertretend für die Breite der metallorganischen Verbindungen des Titans. Keine Verbindungsklasse ist
intensiver untersucht als die der Cyclopentadienylkomplexe, vorzugsweise der frühen Übergangsmetalle. Dabei
kommt dem Cp-Liganden meist nur eine Zuschauerfunktion zu, um optimale sterische und elektronische
Eigenschaften des Titanzentrums für metallorganische Folgereaktionen steuern zu können. Die Armbanduhr
symbolisiert die vielfältigen Einzugsgebiete von Titanmetall aufgrund seiner nicht vorhandenen allergenen
Eigenschaften, besonders im Vergleich zu nickelhaltigen Legierungen.
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Abbildung 2: Titan und ausgewählte Verbindungen – Rutil – Titantetrachlorid – Titantetrakisdimethylamid –
Titanocendichlorid (Cp2TiCl2) – Armbanduhr aus Titanmetall (von links nach rechts)
Den Startschuss zur Entwicklung der metallorganischen Chemie des Titans gab die Entdeckung der
Ziegler/Natta-Katalysatoren zur Erzeugung von Polyolefinen bei Normaldruck.[1] Zunächst galt es, die Prinzipien
im Verhalten der Metall-Kohlenstoff-σ-Bindung zu ergründen und zu verstehen. Die Kenntnisse über die
Notwendigkeit oder die Vermeidung von α- oder β-H-Eliminierungsreaktionen in Kombination mit immer
trickreicheren Ligandensystemen bescheren uns einen immer weiter wachsenden Baukasten für vielfältige
Anwendungen. So haben wir auch die Chemie von Organotitanverbindungen in den unterschiedlichsten
Oxidationsstufen schätzen gelernt. So kennen wir Organotitanverbindungen in klassischen aber auch recht
ungewöhnlichen Oxidationsstufen. Zur Klasse der letztgenannten Verbindungen zählen die
Tris(bipyridin)titankomplexe Ti(bipy)3und Li[Ti(bipy)3] mit dem Titan in den formalen Oxidationsstufen 0 und -1.[2]
Die wohl ungewöhnlichste Oxidationsstufe -2 liegt in dem präparativ zugänglichen Hexacarbonyltitant [Ti(CO)6]2oder auch dem homoleptischen Anthracenkomplex [Ti(η4-C14H10)3]2- vor.[3] Die Bis(η6-aren)titan(0) Komplexe
weckten in den Hochzeiten der Metallatomdampftechnik große Erwartungen und werden sicherlich durch die
inzwischen verfügbaren reduktiven Darstellungsverfahren eine Folgechemie eröffnen.[4] Die metallorganische
Chemie des Titans in der Oxidationsstufe +2 ist ganz wesentlich durch das Rosenthal-Reagenz Cp2Ti{η2C2(SiMe3)2} geprägt.[5] Die präparativ gut zugänglichen Bis(η5,η1-pentafulven)titankomplexe schöpfen aus dem
„frustrierten“ Charakter des nucleophilen Cexo-Zentrums eine besondere Reaktivität.[6] Diese resultiert einerseits
aus der erfolgten Umpolung des freien Liganden, andererseits aus dem Ausbleiben einer kinetischen
Hemmung[7] wie im Petasis Reagenz Cp2TiMe2.[8]
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