Kapitel 7 Kapitel 7 Elemente der modernen Physik Warum “moderne” Physik? Zwischen ca. 1880 und 1930 gab es eine Revolution im Verständnis der Natur! Viele Erkenntnisse aus der Zeit davor, die z.T. über Jahrhunderte Gültigkeit besaßen, mußten verworfen werden. Durch immer bessere Experimente wurden immer mehr rätselhafte Entdeckungen gemacht, u.a. fand man die Spektrallinien, deren Lage und Existenz niemand erklären konnte. Man fand, dass auch Teilchen wie z.B. Elektronen Wellencharakter haben und Wellen wie z.B. Licht Teilchencharakter besitzen! Die 1920iger Jahre werden von Wissenschaftshistorikern als die „goldenen Jahre der Physik“ bezeichnet. Niemals zuvor oder danach wurde die Physik dermaßen erweitert. Auch existierten niemals so viele Physiker als lebenden „Legenden“ nebeneinander Ein paar wichtige Stationen sind ... Kapitel 7 1885: Der schweizer Lehrer Johann Balmer findet eine einfache Formel, die die Lage einiger Spektrallinien im Wasserstofflicht beschreibt. 1900: Max Planck postuliert die Quantennatur des Lichts (Geburtsstunde der Quantenphysik) und findet das Plancksche Strahlungsgesetz. 1905 veröffentlichte Einstein (als 25jähriger Angestellter im Schweizer Patentamt!) 3 revolutionäre Arbeiten über die Analyse der Brownschen Bewegung, die spezielle Relativitätstheorie und den photoelektrischen Effekt (wofür er den Nobelpreis bekam) 1910-11: Der Neuseeländer Ernest Rutherford untersucht als Erster experimentell die interne Struktur von Atomen und findet, dass es einen positiv geladenen Atomkern gibt, der von einer „Hülle“ aus Elektronen umgeben ist. 1913: Der Däne Niels Bohr entwickelt ein Atommodell, das die Existenz von diskreten Energieniveaus im Atom postuliert. Er konnte damit Balmers Formel physikalisch erklären und somit die exakte Lage der Spektrallinien im Wasserstoffatom vorhersagen. 1914: Gustav Hertz und James Franck beweisen die Existenz von Energieniveaus im Quecksilberatom um 1924: Die Quantenmechanik wird von Heisenberg, Schrödinger, Born, Dirac und vielen anderen entwickelt und begründet unser heutiges Weltbild! Kapitel 7 Die Architekten der modernen Physik (Fifth Solvay Congress, Brussels, 1927) Back row L-R: A. Piccard; E. Henriot; P. Ehrenfest; E. Herzen;T. de Donder, E. Schrödinger; E. Verschaffelt; W. Pauli; W. Heisenberg; R.H. Fowler; L. Brillouin. Middle row L-R: P. Debye; M. Knudsen; W.L. Bragg; H.A.Kramers; P.Dirac; A.H. Compton; L. de Broglie; M. Born; N. Bohr. Front Row L-R: I. Langmuir; M. Planck; M. Curie; H.A. Lorentz; A. Einstein; P. Langevin; C. Guye; C.T.R. Wilson; O.W. Richardson. Kapitel 7 The lost photograph - The architects of modern physics. Kapitel 7 Heinricht Hertz 1887: Entdeckung des photoelektrischen Effekts (auch: äußerer Photoeffekt und lichtelektrischer Effekt) Beobachtung: Eine negativ geladene, geschmirgelte Zinkplatte verliert ihre Ladung, wenn man sie mit Ultraviolettlicht bestrahlt. Genauere Untersuchungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts ergaben, dass der Photoeffekt auch bei anderen Materialien auftritt, und zwar immer nur bei Verwendung von genügend kurzwelligem Licht. Zu jedem Stoff gibt es eine bestimmte Grenzwellenlänge, ab der man den Photoeffekt beobachtet. Rätselhaft erschien den Forschern vor allem die Tatsache, dass langwelliges Licht auch bei größter Intensität keine solche Wirkung hervorruft. Kapitel 7 Experiment Licht mit Frequenz f und Intensität A Spannung U Strommessung I Kapitel 7 1. Ergebniss I 2. Ergebnis I f = const Intensität 2A A = const f1 < f2 Intensität A f2 -U0 U Selbst bei U=0 fliesst ein (Photo-) Strom; ab einer bestimmten positiven Spannung geht der Strom in die Sättigung und ist proportional zur Intensität des Lichts Man muss eine Bremsspannung von –U0 anlegen, um den Strom zu unterbinden! Die Bremsspannung ist unabhängig von der Intensität! -U02 f1 -U01 Je größer die Frequenz des Lichts f, desto größer ist auch der Betrag der Bremsspannung U0 U Kapitel 7 3. Ergebnis U0 f Φ Der Betrag der Bremsspannung U0 ist proportional zur Frequenz f. Kapitel 7 Mikroskopische Erklärung: Das Licht „schlägt“ die Elektronen aus dem Metall heraus! Dabei wird Energie vom Licht auf die Elektronen übertragen. Ist die kinetische Energie der Elektronen groß genug, verlassen sie das Metall und laufen gegen die Bremsspannung an, bis sie die Anode treffen. Es fließt ein Strom. Zusammenhang zwischen maximaler kinetischer Energie der Elektronen und Bremsspannung Die Elektronen laufen gegen die Bremsspannung U0 an. Die Arbeit, die sie dabei leisten müssen, ist W = eU 0 und wird von der kinetischen Energie geliefert max Ekin 1 2 = mv = eU 0 2 Kapitel 7 Erwartung nach der klassischen Theorie Experimenteller Befund Je höher die Frequenz, um so weniger Elektronen werden ausgelöst. Erst oberhalb einer bestimmten Grenzfrequenz fGr werden überhaupt Elektronen ausgelöst. Die Energie der ausgelösten Elektronen sollte mit zunehmender Frequenz abnehmen Je höher die Frequenz des einfallenden Lichts, um so höher auch die Energie der ausgelösten Elektronen Die maximale Energie der ausgelösten Elektronen sollte mit der Intensität ansteigen. Die maximale Energie der ausgelösten Elektronen hängt von der Intensität überhaupt nicht ab (nur ihre Anzahl hängt davon ab). Unterhalb der Grenzfrequenz werden überhaupt keine Elektronen ausgelöst, selbst wenn man die Intensität stark erhöht. Bei geringer Intensität reicht die Energie nicht zum Auslösen der Elektronen aus. Man könnte argumentieren, dass die Energie sich im Lauf der Zeit "ansammelt". Dann würde man eine Zeitverzögerung bis zur Auslösung der ersten Elektronen erwarten. Eine Zeitverzögerung bis zum Auslösen der ersten Elektronen kann nicht festgestellt werden. Kapitel 7 Mikroskopische Erklärung im „Photonenbild“ Ein Photon, dass die Metalloberfläche erreicht, wird von einem Elektron nach einem „alles-oder-nichts“ Prinzip absorbiert, d.h. entweder es bekommt die gesamte Energie des Photons oder gar keine! Dies steht im krassen Gegensatz zum klassischen Bild, in dem kontinuierlich Energie vom Licht auf das Elektron übertragen werden kann! Kapitel 7 Funktioniert das Photonenbild, d.h. die Annahme Licht bestehe aus Teilchen auch zur Erklärung von Interferenzphänomenen? NEIN!!!! Es gibt keine Interferenz! Kapitel 7 Was ist Licht denn nun?? Interferenz (Wellenphänomen) Photoeffekt (Teilchenphänomen) Je nach Experiment zeigt sich die Wellenoder die Teilchennatur des Lichts! Kapitel 7 Welle-Teilchen-Dualismus Lösung dieses „logischen Konflikts“ durch das Konzept der Komplementarität von Niels Bohr (1928): In seinem Komplementaritätsprinzip formulierte Bohr die Einsicht, dass prinzipiell nicht zu versöhnende Eigenschaften ein und desselben physikalischen Objektes (wie Wellen- und Teilcheneigenschaften) sich auf der anderen Seite wechselseitig bedingen. D.h. wir benötigen beide Eigenschaften, um unser Modell von der Natur vollständig zu beschreiben, aber man benötigt niemals beide Eigenschaften, um eine Erscheinungsform zu beschreiben! M. C. Escher: Tag und Nacht Kapitel 7 Veranschaulichung des Welle-Teilchen-Dualismus mit dem „Zylinderparadoxon“ Kapitel 7 Experimente zum Welle-Teilchen-Dualismus Doppelspaltexperiment mit einer sehr schwachen Lichtquelle, d.h. es werden wenige Photonen ausgesendet! Nachweis einzelner Photonen mit Hilfe eines Photomultiplier hinter dem Doppelspalt (basierend auf dem Photoeffekt, d.h. Manifestation der Teilchennatur von Licht) Man beobachtet eine statistische Verteilung der registrierten Photonen Sind genügend Photonen registriert worden so zeigt ihre Gesamtheit eine Verteilung, die einem Interferenzmuster entspricht, d.h. hier manifestiert sich die Wellennatur des Lichts! Theorie, die beide Eigenschaften gleichermaßen berücksichtigt: Quantenelektrodynamik (QED) von R. Feynman (ca. 1965) Kapitel 7 Ein weiteres Rätsel – Das Wasserstoffspektrum Johann Balmer untersuchte 1885 die vier Linien des Wasserstoffspektrums, die im sichtbaren Spektralbereich liegen; ihre Wellenlängen sind 410 nm, 434 nm, 486 nm und 656 nm. Er spielte mit diesen Zahlen und fand heraus, dass alle vier Wellenlängen durch folgende Beziehung dargestellt werden können: 1 1 = R 2 − 2 λ n 2 1 R ist die Rydberg-Konstante, mit dem Wert R = 1,097 ⋅107 m −1 n = 3,4,... Kapitel 7 Später fand man im unsichtbaren Teil des Spektrums weitere Linienserien, die sich auf dieselbe Weise mathematisch beschreiben ließen! Allgemein gilt: 1 1 1 = R 2 − 2 λ n m (m = 1) n = 2,3,4,... (m = 2) n = 3,4,5,... (m = 3) n = 4,5,6,... (m = 4) n = 5,6,7,... sowie die Pfund-Serie mit (m = 5) n = 6,7,8,... Kapitel 7 Niels Bohr nahm 1913 das Photonenkonzept (Photonen als Energiepakete, die nur nach dem „alles-oder-nichts-Prinzip“ wechselwirken können) und postulierte: Das Linienspektrum ergibt sich aus Photonen, die mit einer für das Element spezifischen Energie emittiert werden! Während der Emission ändert sich die Energie des Atoms um den Betrag, den das Photon mit sich trägt. Folge: Das Atom besitzt nur ganz bestimmte Energiewerte, die sog. Energieniveaus! Es kann keine Werte besitzen, die zwischen diesen Energieniveaus liegen! Ein Atom kann Übergänge zwischen diesen Energieniveaus erfahren und dabei Photonen aussenden. Aufgrund der Energieerhaltung muss dann gelten: Anfangszustand (initial) E Photon = ∆E Atom ⇔ hf = Ei − E f Endzustand (final) Kapitel 7 hc Wegen E = h f = sind die λ Energieniveaus der BalmerSerie: 1 hcR hcR 1 E = hcR 2 − 2 = 2 − 2 n 2 n 2 e Woh r ie d n me m o k E iv n e i nerg ?? s u ea Kapitel 7 Etwa zur gleichen Zeit, zu der Bohr die Idee der Energieniveaus brachte, fand Ernest Rutherford 1910 experimentell: Atome besitzen einen winzigen, kompakten positiv geladenen Atomkern, der nur 0,0000000001% des Atomvolumens, aber 99,95% der Masse ausmacht! D.h. das Atom ist im wesentlichen leer! Kapitel 7 Was hält die negativ gelandenen Elektronen in einem Abstand von etwa 10-10 m vom positiv geladenen Atomkern? Es muß eine „Gegenkraft“ zur elektrostatischen Anziehung geben! Rutherford schlug vor, dass die Elektronen sich um den Atomkern wie Planeten um die Sonne bewegen! Problem damit: Im Rahmen einer klassischen Betrachtung sendet beschleunigte Ladung kontinuierlich elektromagnetische Strahlung aus und verliert Energie. Kapitel 7 Folge: Elektronen würden auf einer Spiralbahn in kürzester Zeit in den Kern fallen, d.h. es kann demnach keine Atome geben! (Außerdem gäbe es kein Linienspektrum!) Strahlungsleistung einer Ladung e mit Beschleunigung a P= e2 6πε 0 c 3 a Kapitel 7 Zur Lösung des Problems machte Bohr einen revolutionären Vorschlag: In einem Atom bewegen sich die Elektronen auf bestimmten kreisförmigen Bahnen ohne Strahlung auszusenden! Strahlung wird nur dann ausgesendet, wenn die Elektronen zwischen diesen Bahnen wechseln! Bohr entwickelte aus seinen Postulaten sein Atommodell vom Wasserstoffatom und konnte als Erster die Energieniveaus, die Lage der Spektrallinien im Wasserstoffspektrum und vor allem die Rydberg-Konstante berechnen! Kapitel 7 Kapitel 7 Die Revolution geht weiter! 1924: Der französische Aristokrat Prinz Louis de Broglie (wird „de broy“ ausgesprochen!) macht einen revolutionären Vorschlag: „Die Natur liebt Symmetrie! Licht ist in seiner Natur dualistisch: In einigen Situationen verhält es sich wie eine Welle, in anderen wie ein Teilchen. Wenn die Natur vollkommen symmetrisch ist, sollte dies für ALLE Teilchen, d.h. für Materie allgemein gelten!“ Mit anderen Worten: Teilchen, die als Wellen in Erscheinung treten, müssen ebenso eine Wellenlänge und eine Frequenz haben! Kapitel 7 De Broglie Materiewellen 1. Ausgangspunkt: Impuls des Photons: p = hf h = c λ 2. Der Impuls eines Teilchens ist (im nicht-relativistischen Bereich): p = mv Gleichsetzen(!) ergibt: mv = Teilcheneigenschaft h λ Welleneigenschaft Daraus ergeben sich unmittelbar die (de Broglie) Wellenlänge und Frequenz des Teilchens: λ= h mv und f = mvc h Kapitel 7 De Broglie Materiewellen Experimenteller Nachweis zur Wellennatur von Elektronen durch Clinton Davisson und Lester Germer (Bell Telephone Laboratories) bereits 1927! Kurze Zeit später gelang der Nachweis ihrer Wellennatur bei Neutronen und Protonen … und im Jahre 2001 sogar bei C60 (Fullerenen) und C70! Kapitel 7 Materiewellen und das Bohrsche Atommodell de Broglie: „Elektronen besitzen Wellennatur!“ Bohr: „Elektronen bewegen sich auf strahlungsfreien Bahnen!“ Frage: Gibt es da einen Zusammenhang? Wie kann man eine Welle auf eine geschlossene Bahn abbilden? Da die Bahn eine bestimmte Länge (Umfang) besitzt, muß die Welle genau darauf „passen“, d.h. ihre Wellenlänge muß mit dem Umfang „kompatibel sein“! Dieselbe Forderung gab es bereits hinsichtlich stehender Wellen! Fazit: Die Welle muß konstruktiv mit sich selbst interferieren! Frage: Wie bekommt man eine stehende Welle „um den Atomkern herum“? Kapitel 7 Kapitel 7 Die Bedingung hierfür ist: U Kreis = n ⋅ λ ⇔ 2πr = n ⋅ λ Mit Hilfe der de Broglie Wellenlänge ergibt sich sofort: mvr = nh d.h. die von Bohr geforderte Quantenbedingung! Eine bemerkenswerte Ableitung! Danach ergibt sich die Quantenbedingung ganz automatisch aus der Welleneigenschaft des Elektrons! Kapitel 7 Destruktive Interferenz würde zur Auslöschung der Welle führen! Wie bekannt (Seminaraufgabe) transportiert eine stehende Welle keine Energie! Da keine Energie transportiert wird, sind die Bahnen der Elektronen im Bohrschen Modell strahlungsfrei! Kapitel 7 Konsequenzen aus dem Welle-Teilchen-Dualismus: Man kann mit auch bei Teilchen Beugungseffekte beobachten! Beugungsexperiment an einem Kristall Röntgenlicht Elektronen Kapitel 7 Beugung von Elektronen am Spalt Bedingung: Spaltbreite a ist viel größer als die Wellenlänge der Elektronen! Beugungsmuster auf dem Detektor Elektronenstrahl Spalt Zeit Kapitel 7 Ergebnis: ∆p y ⋅ a ≥ h Achtung: Auf der rechten Seite der Gleichung steht eine Konstante! Damit das Produkt auf der linken Seite konstant bleibt, muß die Unsicherheit in der Impulsbestimmung der Elektronen größer werden, wenn die Unsicherheit in der Positionsbestimmung kleiner wird (d.h. die Spaltbreite verkleinert wird!) die Unsicherheit in der Positionsbestimmung der Elektronen größer werden, wenn die Unsicherheit in der Impulsbestimmung kleiner wird (d.h. der Spalt muß vergrößert werden, damit das Beugungsmuster „zusammenrückt“!) Dies ist ein fundamentales „Dilemma“, dass durch die Kombination von Teilchen- und Welleneigenschaften entstanden ist! Kapitel 7 Was bedeutet das für unser Weltbild?? Man muß die Vorstellung der Newtonschen Mechanik aufgeben, nach der man mit 100%iger Bestimmtheit Vorhersagen über die Bewegung eines Teilchens machen kann! Nach den Erkenntnissen zum Welle-Teilchen-Dualismus kann nämlich nicht der Ort x und die Geschwindigkeit bzw. der Impuls p eines Teilchens gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden, statt dessen hat man mit einer Streuung um den Betrag ∆x bzw. ∆p zu rechnen! Generalisierung des Spaltexperiments führt zu einem fundamentalen Prinzip*: Die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation ∆p ⋅ ∆x ≥ h *Dieses Prinzip ist ein Naturgesetz und kann nicht durch clevere Experimente ausgehebelt werden! Kapitel 7 Der 23jährige Werner Heisenberg 1924 Zeitschrift für Physik, 43 (1927), 172-198 Kapitel 7 Kapitel 7 Warum ist den Wissenschaftlern die Unbestimmtheitsrelation nicht schon eher aufgefallen?? Sie ist nur für mikroskopische Phänomene relevant! Darum kommen Sie auch mit diesem neuen Wissen mit dem Auto immer noch dort an, wo Sie hinwollen … ABER: Für die Beschreibung physikalischer Phänomene auf mikroskopischer Ebene ergibt sich eine „unbehagliche“ Einschränkung: Man kann nur noch Wahrscheinlichkeitssaussagen treffen! Wie kommt man zu Wahrscheinlichkeitsaussagen? Man gibt die Vorstellung von massiven (und damit präzise lokalisierbaren) Teilchen vollständig auf! Statt dessen verwendet man zur Beschreibung nur noch das Wellenbild! Ein Teilchen wird nur noch durch eine abstrakte(!) Wellenfunktion beschrieben: Ψ ( x, y , z , t ) Kapitel 7 Was bedeutet nun diese Wellenfunktion? Wie kann man daraus physikalische Größen bestimmen? Interessanterweise kam die Interpretation der Wellenfunktion erst nachdem man sie als mathematisches Hilfsmittel eingeführt hatte! Der Deutsche Max Born präsentierte 1926 die korrekte Interpretation der Wellenfunktion Ψ (von ihm stammt zudem der Begriff „Quantenmechanik“!) Kapitel 7 Der Wert | Ψ ( x, y , z , t ) | dV entspricht der Wahrscheinlichkeit, das Teilchen in einem Volumen dV um den Ort (x,y,z) zur Zeit t zu finden. Diese Interpretation erfordert, dass die Wellenfunktion normiert ist, d.h. dass | Ψ ( x, y, z , t ) |2 dV = 1 2 ∫∫∫ ℜ3 ist! D.h. die Wahrscheinlichkeit das Teilchen irgendwo anzutreffen ist 1 (es kann nicht aus dem Universum verschwinden!) Kapitel 7 Quantenmechanik Ich mag sie nicht, und es tut mir leid, jemals etwas damit zu tun gehabt zu haben.- Erwin Schrödinger Diejenigen, die nicht schockiert sind, wenn sie zum ersten mal mit Quantenmechanik zu tun haben, haben sie nicht verstanden. - Niels Henrik David Bohr Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott mit Würfeln spielt! - Albert Einstein Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass niemand Quantenmechanik versteht. (I think it is safe to say that no one understands quantum mechanics.) - Richard Feynman Die Feststellung, dass die gegenwärtigen Wandlungen unseres Wertsystems viele Wissenschaftszweige beeinflussen werden, mag jene überraschen, die an eine objektive, wertfreie Wissenschaft glauben; sie ist jedoch eine der wichtigen Implikationen der Neuen Physik. Heisenbergs Beiträge zur Quantentheorie, (...) führen eindeutig zu der Erkenntnis, dass das klassische Ideal wissenschaftlicher Objektivität nicht mehr aufrechterhalten werden kann. - Fritjof Capra Kapitel 7 Grundlagen der Quantenmechanik Berechnung von Ψ ( x, y, z , t ) und damit | Ψ ( x, y, z , t ) |2 dV mit Hilfe der Schrödinger-Gleichung ĤΨ = EΨ mit dem Hamiltonoperator 2 ˆ p Hˆ = + U ( x, y , z ) 2m und dem Impulsoperator ∂∂x h ∂ ) h p = ∇ = ∂y i i∂ ∂z Raster-Tunnel-Mikroskop Aufnahme einer Kupferoberfläche. Die „Erhebungen“ an jedem Punkt zeigen die dortige Elektronendichte. Der Kreis besteht aus einem „Wall“ von 48 Eisenatomen. Die Elektronen im Innern bilden das Muster einer stehenden Welle! Kapitel 7 Ein quantenmechanisches Meerschweinchen … Für das Wasserstoffatom ist die Wellenfunktion Ψ als Lösung der Schrödinger-Gleichung exakt berechenbar! Formulierung in Kugelkoordinaten: Hierbei ist µ≈me die Masse des Elektrons Kapitel 7 Lösung (nach etwas umfangreicher Rechnung): mit und Bohrsches Atommodell!! Für die drei Quantenzahlen gilt: Kapitel 7 Es ergeben sich Sätze von Quantenzahlen, die die Elektronenzustände beschreiben Kapitel Berechnet man die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für diese Elektronenzustände, so ergeben sich die sogenannten Orbitale Kapitel 7 Fazit: Das Bohrsche Modell konnte das Prinzip der Energiequantisierung und eine „grobe“ Zuordung von Elektronenübergängen zur Lage von Spektrallinien beschreiben. Mit Hilfe der Quantentheorie des Wasserstoffatoms konnten ausnahmslos ALLE meßbaren Erscheinungen beschrieben werden (insbesondere die sog. Feinstruktur der Spektrallinien und die Einflüsse von elektrischen und magnetischen Feldern. Hierfür benötigt man die zusätzlichen Quantenzahlen, die sich erst durch die quantenmechanische Rechnung ergaben)! Mit Hilfe der Quantentheorie können prinzipiell ALLE Atome, Moleküle sowie Festkörper quantitativ exakt beschrieben werden, wodurch sie zur leistungsfähigsten Theorie überhaupt geworden ist. Allerdings ist die Berechnung in den meisten Fällen sehr aufwendig und kann nur noch mit Hilfe von Näherungen und leistungsfähigen Computer durchgeführt werden. Kapitel 7 Beispiel: Quantenmechanische Berechnung der magnetischen Eigenschaften vom Keplerat-Molekül {Mo72Fe30}* nach dem sog. Heisenberg-Modell erfordert die Diagonalisierung einer Matrix der Dimension 630=221073919720733357899776≈½NA (bislang nicht möglich!) *A. Müller et al., Angew. Chem. 1999 Kapitel 7 Konzeptionelle und philosophische Probleme der Quantenmechanik Bislang konnte keine Vorhersage der Quantenmechanik experimentell falsifiziert werden! Trotz dieser Erfolge gibt es konzeptionelle Probleme, die Schwierigkeiten bereiten ... 1. Determinismus Die Quantenmechanik ist eine indeterministische Theorie, d.h. es gibt physikalische Messungen, deren Ergebnis nicht eindeutig festgelegt ist durch den Zustand des Systems vor der Messung (so wie es klassisch der Fall wäre!). Es lassen sich nur die Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen möglichen Ergebnisse angeben. Kapitel 7 2. Lokalität Die Quantenmechanik ist eine nicht-lokale Theorie, d.h. Manipulationen des Zustands eines Quantenobjekts (z.B. durch eine Messung) können Einfluß auf den Zustand eines zweiten Objekts haben, das beliebig weit entfernt vom ersten ist (sog. Fernwirkung)! Beispiel: Anwendungen(!): Teleportation, Quantencomputer Kapitel 7 3. Theorien verborgener Parameter Ziel: Bewahrung von Determinismus und Lokalität durch Entwicklung einer „erweiterten“ Quantenmechanik, die nicht-messbare (verborgene) Parameter besitzt und damit die „spukhaften“ Korrelationen erklären kann. Bislang konnte keine solche Theorie entwickelt werden! Man kann sogar beweisen, dass eine Theorie, die mit verborgenen Parametern arbeitet widersprüchlich zu den Vorhersagen der Quantenmechanik ist (Der Beweis stammt von J.S. Bell aus dem Jahre 1965)! Kapitel 7 4. Theorien des Messprozesses Der Zustand eines beliebigen quantenmechanischen Systems wird durch seine Wellenfunktion Ψ beschrieben. Diese Wellenfunktion ist eine Superposition (Überlagerung) von sog. Eigenzuständen φn. Führt man an diesem System eine Messung durch, so ändert sich sein Zustand. Die Wellenfunktion Ψ wird hierbei auf genau einem Eigenzustand φn reduziert, der das Meßergebnis darstellt (wird manchmal auch theatralisch als „Kollaps der Wellenfunktion“ bezeichnet). Hauptproblem: Wann findet diese Reduktion statt? Nur, wenn beobachtet wird? Kapitel 7 Schrödingers Katze (Gedanken(!)-)Experiment: Katze in einem verschlossenem Kasten. Ebenfalls darin ein Mechanismus, der die Katze tötet, wenn ein zufälliges Ereignis eintritt. Eine Messung bedeutet für den Experimentator, dass er die Kiste nach einer Zeit öffnet. Dann ist die Katze entweder tot oder lebendig, je nachdem ob das zufällige Ereignis eingetreten ist oder nicht. Kapitel 7 In Analogie zur Quantenmechanik ist die Wellenfunktion der Katze vor der Messung eine Superposition aus den Zuständen tot und lebendig (da man nicht sagen kann, ob das zufällige Ereignis eingetreten ist oder nicht!). Nach Öffnen des Kastens ist der Zustand der Katze eindeutig festgelegt: Welch absurde Situation: Ist die Katze tatsächlich vorher weder tot noch lebendig? Ist die Wellenfunktion im Augenblick des Beobachtens kollabiert oder bei Auslösen der Apparatur oder wann?? Kapitel 7 Die Bedeutung dieser Fragen ist bis heute hoch aktuell! Es gibt verschiedene Interpretationen zum Messprozess und zum Kollaps der Wellenfunktion Kopenhagener Interpretation von Bohr und Mitarbeitern: Es ist unmöglich das quantenmechanische System von der Messapparatur zu trennen (damit läßt sich der Kollaps vollständig vermeiden, allerdings bleibt die Frage offen, ob wir makroskopische Objekte einschließlich Messapparaturen durch Wellenfunktionen beschreiben können, oder ob wir dafür eine vollständig andere Theorie benötigen!) Das sich teilende Universum (Hugh Everett 1957): Der Kollaps der Wellenfunktion findet gar nicht statt! Das Universum endet nicht in einem von vielen möglichen Zuständen als Ergebnis einer Messung, sondern alle möglichen Ergebnisse passieren wirklich! Diese Universen existieren parallel, aber können nicht wechselwirken! Damit muss man sich das Universum als sich kontinuierlich teilend vorstellen! Diese Interpretation ist verlockend, da sie eindeutig deterministisch ist, allerdings wird sie nur von wenigen Wissenschaftlern akzeptiert (sie ist wenig ökonomisch!) Kapitel 7 5. Das Problem der Realität und des Bewußtseins Eine fundamentale Frage jeder Theorie des physikalischen Universums ist die nach der Natur dessen, was wirklich existiert! In der Quantenmechanik hat die Wellenfunktion keine direkte physikalische Bedeutung, sondern ist eine theoretische Konstruktion. Wenn sie nicht physikalisch ist, was existiert denn dann wirklich? Mögliche Antworten kommen aus der philosophischen Richtung des Subjektivismus (nur Sinneseindrücke sind Realität!) oder des Positivismus (die Frage ist sinnlos! Existenz und Nicht-Existenz liegen außerhalb unserer Sinneseindrücke und können damit nicht verifiziert werden. Schönes Beispiel ist der Film „Matrix“!) Kann die Quantentheorie Bewußtsein erklären??