Ästhetik trifft Erfindergeist „Romantic“ für Hartman Outdoor Products. MM: Herr Schrofer, betrachten Sie Ihre Entwürfe als typisch niederländisch? Frans Schrofer: Ich empfinde mein Design-Verständnis sogar als ausgesprochen niederländisch – insofern, dass ich immer versuche, sowohl den Komfort, die Eleganz als auch den Umgang mit verfügbaren Ressourcen noch weiter zu optimieren. Verglichen mit Deutschland oder auch Italien, ist Holland ein sehr junges, kleines und dicht besiedeltes Land. Da neben unserem Lebensraum auch unsere Ressourcen begrenzt sind, sind wir gezwungen, kreative Lösungen zu finden und über den Tellerrand zu blicken, um unser Potenzial auszuschöpfen. Wenn ich in anderen Ländern und Kulturen unterwegs bin, empfinde ich es immer besonders faszinierend, wie großzügig die Menschen dort mit Raum und wie sie mit ihren regionalen Materialien und handwerklichen sowie industriellen Möglichkeiten umgehen. Einiges davon versuche ich in meine eigene Arbeitsweise einfließen zu lassen. Design aus den Niederlanden gilt gemeinhin als eigenwillig, experimentell und humorvoll. Aber es geht auch anders – wie Frans Schrofer beweist. Der Spross einer niederländischen Künstlerfamilie hat sich in den 80ern zunächst ein profundes technisches Wissen angeeignet und sich anschließend auch der schönen Form zugewandt. Seither bringt er dieses Know-how als Industriedesigner unter einen Hut. Das Ergebnis: Elegant-skulpturale Polster- und Outdoor-Möbel sowie Wohnaccessoires, die oftmals noch mehr zu bieten haben, als es auf den ersten Blick scheint. „OlympiQ“ für Safretti. Fotos: 2 Design & Produkt MÖBELMARKT 09 / 2012 MM: Ihre Referenzliste liest sich wie das Who-is-who der internationalen Polstermöbelszene. Gibt es einen Unterschied in der Zusammenarbeit mit deutschen, niederländischen oder auch italienischen Unternehmen? Schrofer: Ich schätze die Deutschen für ihr technisches Verständnis und ihre Innovationskraft. Die Italiener dagegen zeichnen sich durch eine besondere Attitüde und ihre positive Einstellung gegenüber Herausforderungen aus. Und dann sind da natürlich noch die Niederländer, die Experimenten und Neuem gegenüber immer aufgeschlossen sind und Dinge wagen, die andere noch scheuen. Insofern gibt es tatsächlich bestimmte kulturelle Unterschiede, die auch das Design in einem Land prägen. Wir haben beispielsweise registriert, dass sich der Geschmack der deutschen Konsumenten mit der Globalisierung verändert. Die jüngeren Generationen sind offener, mischen gerne unterschiedliche Stile und gehen nicht immer nur auf Nummer sicher. Dadurch wird ihr Einrichtungsstil spielerischer, sinnlicher und internationaler. MM: Neben Polstermöbeln für den Wohnbereich ist Ihr zweites großes Standbein der Entwurf von OutdoorMöbeln. Worauf kommt es Ihnen hierbei besonders an? MÖBELMARKT 09 / 2012 Schrofer: In den späten 90er-Jahren schlug ich einen neuen Weg der Gestaltung ein, indem ich die Grenzen zwischen dem Innen- und dem Außenbereich aufgebrochen und den gleichen Designanspruch, den wir seit langem an unser Interieur stellen, auch auf Outdoor-Möbel übertragen habe. Das gelang mir durch die Kombination unterschiedlicher Materialien. Inzwischen hat sich daraus ein völlig neuer Industriezweig entwickelt. MM: Sie haben an der renommierten Designakademie Eindhoven studiert, die als Schmiede für vielversprechende Talente gilt. Was haben Sie von dort mitgenommen? Schrofer: Nach meiner vorhergehenden Ausbildung in den Bereichen Automechanik, Elektrotechnik und Maschinenbauwesen hat die Designakademie meinen Background komplettiert – hinzu kam ein Verständnis für Marketing, Materialien, Farben, Designpsychologie, Formgebung und unterschiedliche Herstellungsprozesse. Wenn ich nun für einen Kunden tätig werde, kann ich auf dieses facettenreiche Spektrum zurückgreifen, in das auch ein Verständnis für Ethnologie und sogar moderne Kunst oder Architektur einfließt. Zudem beziehe ich Fragen nach Materialpreisen, Produktionskosten, qualifizierten Arbeitskräften sowie zum Zeitpunkt der Markteinführung und der Logistik bereits in meinen Gestaltungsprozess ein. Wie sich gezeigt hat, ist dieser Erfahrungsschatz sehr hilfreich für meine Kunden. MM: Wenn Sie Ihren Werdegang seit dem Abschluss in Eindhoven Revue passieren lassen: Welche waren die größten Herausforderungen? Schrofer: Ich bin von meiner Natur her eher ein bescheidener Mensch. Deshalb muss ich auch härter arbeiten und lauter trommeln, um den Menschen mitzuteilen, wer Frans Schrofer ist und wofür Studio Schrofer steht. Fast alle meine Arbeiten sind in Kooperation mit starken Marken entstanden. Deshalb wissen die Menschen, die meine Produkte kaufen, oftmals nicht, welcher Gestalter dahintersteckt. Einige Konsumenten legen jedoch großen Wert auf einen bekannten Namen hinter einem Produkt. Meine Hoffung ist es, dass ich dieser Herausforderung mittels Social Media begegnen kann. MM: Gab es dafür einen bestimmten Wendepunkt in Ihrer Karriere? Schrofer: 1996 markierte ein Jahr, in dem ich gleich mehrere Kulturschocks erlebte. Leolux stellte erstmalig eine Kollektion von mir einem internationalen Publikum vor, was mir plötzlich die Bedeutung von Branding, Marketing und unterschiedlichen Lifestyle-Ansprüchen in den einzelnen Ländern vor Augen führte. Zudem führte mich mein Weg nach Asien, wo ich auf einen Schlag zahlreiche Möglichkeiten für eine OutdoorMöbel-Kollektion entdeckte. Ich kam mir vor wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das alles ausprobieren und unterschiedlichste Dinge miteinander kombinieren kann. Diese Erfahrung hat tatsächlich eine völlig neue kreative Energie in mir freigesetzt und meinen Horizont erweitert. MM: Ihnen wird auch ein ausgeprägtes technisches Verständnis nachgesagt. Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages auch ein Auto zu entwerfen? Schrofer: Für mich ist es von essentieller Bedeutung, die Bedürfnisse der Gesellschaft zu kennen, sie mit techni- zu stellen und Innovationen durch neue Technologien zu ermöglichen. Übung macht den Meister. Innovation erreicht man, indem man über den Tellerrand hinausblickt. MM: Wir leben in einer Zeit, in der es Produkte im Überfluss gibt. Wo sehen Sie noch Bedarf für Neues? Schrofer: Einerseits brauchen wir weniger Produkte, dafür mehr Intelligenz und Qualität. Produkte von emotionalem Wert und Inhalt, die die Handwerkskunst würdigen – egal ob sie alt oder neu sind, von Hand oder mit Maschinen, hierzulande oder in anderen Regionen hergestellt. Andererseits ist der Bedarf an immer neuen Objekten ungebrochen, weil unser Hunger nach Konsum schlichtweg unstillbar ist. In diesem Widerspruch bewegen wir uns als Designer ständig und fragen uns „Brauchen wir überhaupt neue Produkte?“. MM: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Sache im Designbusiness zu verändern, welche wäre das? Schrofer: Mir liegen der Austausch und das Verständnis zwischen DesignIndustrie und Design-Ausbildungsstät- „Moebius“ für Becker Formholz. schen Entwicklungen zusammenzubringen und daraus Produkte entstehen zu lassen, die möglichst lange von Nutzen sind. Ein Auto entwerfen? Wenn es darum geht, die Mobilität voranzubringen – sagen wir mit einer neuen Form eines Fahrrads –, daran hätte ich mehr Interesse. Meine Feuerstelle „OlympiQ“ beispielsweise basiert auf einer hocheffizienten Brennholz-Technologie, die für indische und afrikanische Haushalte entwickelt wurde. Ich habe sie an das moderne, westliche Design adaptiert und damit einen multifunktionalen Grill und Kamin entwickelt, der auf das gesamte Jahr gerechnet Tonnen an Holz spart. Wir beobachten permanent andere Industriezweige wie die Verpackungs-, Licht- oder Kofferindustrie, um unsere Kreativität auf eine noch breitere Basis ten am Herzen. Seit viele Hersteller mit ihrer Produktion in Niedriglohn-Länder abgewandert sind, geht dieser Brauch jedoch zunehmend verloren. Das schadet unserer eigenen Tradition der Kunstfertigkeit. Indem man junge Studenten an entsprechende Fragestellungen heranführt, wächst das Verständnis für die tatsächlichen Herausforderungen der Industrie. Die Studenten müssen verstehen, dass Design ein Zusammenspiel unterschiedlicher Disziplinen ist – inklusive Management, Vertrieb, Techniker, Handwerker und Logistik. Schließlich bedienst du als Gestalter die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Industrie, nicht deine eigenen. MM: Herr Schrofer, ich danke Ihnen für das Interview! sf Design & Produkt 3