C3 Refraktometrie C

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Physikalisch-chemisches Praktikum für Pharmazeuten
C3: Refraktometrie
C. Nachbereitungsteil (NACH der Versuchsdurchführung lesen!)
4. Physikalische Grundlagen
4.1 Brechung des Lichts
Elektromagnetische Wellen, zu denen auch das sichtbare Licht gehört, können sich in Medien ausbreiten. Die Art und Weise, wie dieses geschieht, wird durch die optischen Konstanten n (= Brechungsindex) und k (= Absorptionsindex) des Mediums bestimmt, die aber alles andere als konstant, sondern
eine Funktion der Wellenlänge des Lichts sind. Der Brechungsindex n ist ein Maß für die Ausbreitungsgeschwindigkeit c in einem Medium.
Fällt unpolarisiertes Licht unter dem Winkel α auf die
Grenzfläche zweier Medien mit unterschiedlichen
Brechungsindizes (und damit auch unterschiedlichen
Ausbreitungsgeschwindigkeiten), so wird im allgemeinen Fall nur ein Bruchteil des Lichts an der Grenzfläche reflektiert. Der Rest tritt unter einer Richtungsänderung in das andere Medium ein (Abb. 1). Hierbei
spricht man von Brechung, für die das Snellius‘sche
Brechungsgesetz gilt:
F (5)
Abb. 1: Brechung von Licht an der Grenzfläche zwischen zwei Medien mit
den Brechungsindizes n1 < n2.
sin α1 c1
n
=
= n2,1 = 2
sin α 2 c2
n1
Dabei sind α1,2 : Winkel zum Lot in dem Medium mit
dem relativen Brechungsindizes n1,2; c1,2: Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts im Medium 1 bzw. 2.
Für den Spezialfall, dass das Medium 1 das Vakuum bzw. in sehr guter Näherung die Luft ist, gilt:
F (6)
sin α 1 cVak.
=
=n
sin α 2
c2
(n: absoluter Brechungsindex),
da für Luft bzw. das Vakuum für den Brechungsindex gilt: nLuft ≈ nVak. = 1.
Das Medium mit dem größeren Brechungsindex (der kleineren Ausbreitungsgeschwindigkeit) nennt
man „optisch dichteres Medium“, dasjenige mit dem kleineren Brechungsindex (der größeren Ausbreitungsgeschwindigkeit) „optisch dünneres Medium“. Geht das Licht vom optisch dünneren zum optisch
dichteren Medium über, so wird das Licht zum Lot hin gebrochen, im umgekehrten Fall erfolgt die
Brechung vom Lot weg.
Ein weiterer Spezialfall, nämlich die Totalreflexion, liegt vor, wenn beim Übergang vom optisch dichteren ins dünnere Medium α2 größer als 90° wird (Abb. 2).
Der Einfallswinkel, bei dem dieses gerade geschieht,
nennt man Grenzwinkel der Totalreflexion αT . Er ist
gegeben durch
F (7)
sin α1 = sin α T =
n2
n1
Abb. 2: Totalreflexion (n1 < n2)
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So kann man beispielsweise den absoluten Brechungsindex n eines Mediums aus dem Grenzwinkel
der Totalreflexion bestimmen. Man lässt zu diesem Zweck auf eine ebene Grenzfläche des Mediums
Licht aus allen Richtungen einfallen und beobachtet den größten in dem Medium auftretenden Brechungswinkel α2,max.
4.2 Abbé-Refraktometer
Geräte zur Bestimmung von Brechungsindizes nennt man Refraktometer. Beim Abbé-Refraktometer
zur Messung des Brechungsindex von Flüssigkeiten benutzt man ein Doppelprisma, das aus zwei
rechtwinkligen Prismen (Beleuchtungsprisma P1 und Messprisma P2) aus schwerem Flintglas mit
hohem Brechungsindex besteht (Abb. 3).
Abb. 3: Funktionsweise eines Abbé-Refraktometers
Zwischen die beiden Prismen wird die zu untersuchende Flüssigkeit, deren Brechungsindex kleiner
sein muss als derjenige des Prismensglases, als planparalleler Film gebracht. Die Basis des Prismas P1
ist aufgerauht, so dass das Licht diffus, d. h. in alle Richtungen, die Flüssigkeit durchdringt. Beim
Übergang des Lichts in das Prisma P2 findet Brechung in das dichtere Medium statt. Demzufolge gibt
es einen maximalen Brechungswinkel αmax = αT (= Grenzwinkel der Totalreflexion), unter dem das
Licht das Prisma P2 durchdringt. Dieser gehört zum Einfallswinkel 90° parallel zur Basis des Prismas
P2 (angedeutet durch die dicken Pfeile in Abb. 3). Es entsteht also eine scharfe Begrenzung des Lichtbündels und damit eine durch das Okular des Abbé-Refraktometers beobachtbare Hell-Dunkel-Grenze.
4.3 Dielektrische Polarisation
Werden bestimmte Stoffe in ein elektrisches Feld gebracht, wird dieses Feld geschwächt. Ein Maß für
die Schwächung des elektrischen Feldes durch ein solches Dielektrikum ist die relative Dielektrizitätskonstante εr. Sie ist gleich dem Verhältnis der Feldstärke im Vakuum zu der in dem betreffenden Medium:
F (8)
r
EVakuum
εr = r
EMedium
Die Ursache für die Herabsetzung der elektrischen Feldstärke liegt in der Bildung elektrischer Dipole
im Dielektrikum. Das dadurch pro Volumeneinheit des Stoffes erzeugte Dipolmoment bezeichnet man
r
als dielektrische Polarisation P :
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F (9)
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r N r
P = ⋅m
V
r
N ist die Teilchenzahl, m das Dipolmoment eines Teilchens (siehe weiter unten) und V das Volumen.
Mit der Teilchenkonzentration (= Teilchenzahl pro Volumeneinheit) N =
F (10)
N
folgt:
V
r
r
P = N ⋅m
Für die Bildung von Dipolen gibt es mehrere Möglichkeiten:
1. Besteht der Stoff von vornherein aus polarisierten Molekülen, d. h. aus Molekülen, die aufgrund ihrer Struktur ein permanentes Dipolmoment haben (Beispiele: Wasser, Ammoniak),
richten sich die durch die Wärmebewegung normalerweise völlig regellos verteilten Moleküle
im elektrischen Feld teilweise nach den beiden Polen aus, d. h. sie orientieren sich im Feld.
Diese Erscheinung wird deshalb Orientierungspolarisation genannt.
2. Besteht der Stoff aus unpolaren Molekülen, d. h. aus Molekülen, die zunächst kein Dipolmoment besitzen, kann durch das elektrische Feld eine Verschiebung der positiven und negativen
Ladungsschwerpunkte erfolgen, so dass unter dem Einfluss des Feldes Dipole gebildet werden.
Dieser Vorgang wird daher Verschiebungspolarisation genannt.
Letzterer Punkt beinhaltet zwei Spezialfälle:
Wird der Dipol durch Verschiebung stärker oder schwächer ionisierter Atome oder Atomgruppen eines Moleküls gebildet, spricht man von Ionenpolarisation.
Bei der Elektronenpolarisation wird der Dipol dagegen durch eine Verschiebung der Elektronen innerhalb eines Atoms gebildet. Dieser Fall soll näher betrachtet werden:
4.4. Dipolmoment und Polarisierbarkeit
r
Durch ein elektrisches Feld E können die Schwerpunkte der elektrischen Ladungen eines Atoms (des
positiven Kerns und der negativ geladenen Elektronenhülle) so verlagert werden, dass sie nicht mehr
r
zusammenfallen. Das Atom wird dadurch zum elektrischen Dipol. Ist x der Abstand der beiden Ladungen q bzw. deren Schwerpunkte, so ist das Dipolmoment gegeben durch:
F (11)
r
r
m = q⋅x
Dieses Moment ist proportional zur angreifenden Feldstärke:
F (12)
r
r
m =α ⋅E
Der Proportionalitätsfaktor α, die sogenannte Polarisierbarkeit, ist charakteristisch für jedes Atom.
r
r
Anmerkung: Die elektrische Feldstärke E ist über die Kraft F auf eine elektrische Ladung q definiert:
F (13)
r
r
F = q⋅E
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Die Elektronenpolarisation erfolgt (wegen der geringen Masse der Elektronen) so schnell, dass sie
selbst dem hochfrequenten Wechselfeld einer Lichtwelle (ν ≈ 6 ·1014 1/s) folgen kann. Die Polarisation wird dabei durch den elektrischen Feldvektor des Lichts hervorgerufen. (Das Licht ist beschreibbar
durch eine elektromagnetische Welle, bei der ein elektrischer und ein magnetischer Feldvektor jeweils
senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingen.)
Die Ionenpolarisation und vor allem die Orientierungspolarisation erfolgen dagegen um Größenordnungen langsamer, so dass sichtbares Licht keine Polarisation hervorrufen kann, sondern erst elektromagnetische Strahlung geringerer Frequenz, d. h. größerer Wellenlänge (Infrarot).
4.5 Clausius-Mosotti-Beziehung
R. Clausius und O. F. Mosotti fanden einen Zusammenhang zwischen der Polarisierbarkeit α als mikroskopischer Größe und der makroskopisch messbaren relativen Dielektrizitätskonstanten ε r:
F (14)
N ⋅α εr −1
=
3⋅ε0 εr + 2
Dabei ist ε 0 = 8,8541878 · 10-12 As/Vm die Dielektrizitätskonstante des Vakuums und N die Teilchenkonzentration. Zwischen dem Brechungsindex n und der Dielektrizitätskonstante ε r besteht ein Zusammenhang, der als Maxwell’sche Relation bezeichnet wird:
F (15)
ε r = n2
Mit Hilfe dieser Beziehung erhält man aus F (14) einen Zusammenhang zwischen der Polarisierbarkeit
α und dem optischen Brechungsindex n (Lorentz-Lorenz‘sches Gesetz):
F (16)
N ⋅ α n2 − 1
=
3 ⋅ ε 0 n2 + 2
Dabei ist zu beachten, dass n frequenz- bzw. wellenlängenabhängig ist. Wegen der Trägheit der Orientierungspolarisation und der Ionenpolarisation erfasst man mit sichtbarem Licht nur die Elektronenpolarisation (siehe oben).
4.6 Molrefraktion
Die Molrefraktion ist definiert zu:
F (17)
RM =
N A ⋅α
3⋅ε0
Sie entspricht also bis auf den Vorfaktor 1/(3·ε 0) der Polarisierbarkeit eines Mols (α ist die Polarisierbarkeit eines Atoms). Formel F (16) nach α aufgelöst und in F (17) eingesetzt ergibt:
F (18)
RM =
N A n2 − 1
⋅
N n2 + 2
NA = Avogadrozahl (= Zahl der Teilchen pro Mol)
N = Teilchenkonzentration (= Zahl der Teilchen pro Volumeneinheit)
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Der Vorfaktor hat die Bedeutung eines Molvolumens VA:
F (19)
NA
N
VA =
Dieses Molvolumen kann andererseits geschrieben werden als:
F (20)
MA
VA =
ρ
MA ist die Molmasse (Masse eines Mols) und ρ die (Massen-)Dichte.
Somit ergibt sich aus Formel F (18) schließlich:
F (21)
RM =
M A n2 − 1
⋅
ρ n2 + 2
Die SI-Einheit von RM ist also 1 m³/mol.
4.7 Molrefraktion von Mischungen
Bei der Mischung von zwei (oder mehreren) Stoffen, deren Moleküle sich gegenseitig nicht beeinflussen, ergibt sich die mittlere Molrefraktion RM aus den Werten der Einzelkomponenten RM,1 und RM,2
zu:
F (22)
RM = f1 ⋅ RM ,1 + f 2 ⋅ RM , 2
f1 und f2 sind die jeweiligen relativen Teilchenzahlen
(Molenbrüche):
F (23)
f1 =
N1
N1 + N 2
und
f2 =
N2
N1 + N 2
Damit gilt natürlich: f1 + f2 = 1.
Mit dieser Beziehung folgt aus F (22):
F (24)
RM = (RM ,1 − RM , 2 ) ⋅ f1 + RM , 2 ,
d. h. es ergibt sich ein linearer Zusammenhang zwischen
RM und f1 (Abb. 4 für RM,1 > RM,2).
Abb. 4: Lineare Interpolation der Molrefraktion zwischen 0 < f1 < 1.
Für die mittlere Molrefraktion RM ergibt sich andererseits (aus dem Experiment):
F (25)
RM =
M A n2 − 1
⋅
ρ n2 + 2
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ρ ist die Dichte der Mischung, n deren Brechungsindex und M A die mittlere molare Masse:
F (26)
M A = f1 ⋅ M A,1 + f 2 ⋅ M A, 2
Die noch erforderlichen Werte f1 und f2 werden wie folgt berechnet: Aus F (19) und F (20) sowie
N = N ⋅ V folgt:
F (27)
N=
NA ⋅ ρ
⋅V
MA
Dies in F (23) eingesetzt, ergibt (NA = Konstante !):
F (28)
f1 =
1+
1
ρ 2 ⋅ V2 ⋅ M A,1
ρ1 ⋅ V1 ⋅ M A, 2
f2 ergibt sich dann aus f2 = 1 − f1.
4.8 Ionenrefraktion / Atomrefraktion
Die (gewichtete) Additivität der Molrefraktionen bei Mischungen gilt sinngemäß auch für Moleküle.
Bei Verbindungen, die aus Ionen aufgebaut sind, ergibt sich die Molrefraktion aus der Summe der
Ionenrefraktionen, z. B. für NaCl: RM ,NaCl = RM , Na + + RM ,Cl − .
Die Ionenrefraktionen nehmen, bei gleicher Anzahl von Außenelektronen, stark mit der Kernladung ab,
da eine Vergrößerung der Kernladungszahl eine Festigung der Bindung der Elektronen und damit eine
Herabsetzung der Polarisierbarkeit zur Folge hat.
Beispiele (Werte für RM,Ion in cm³/mol):
Ne
Na+
Mg++
0,24 Ar
0,10 K+
0,06 Ca++
0,99
0,48
0,33
Bei unpolaren oder schwach polaren Verbindungen, wie z. B. bei organischen Molekülen, setzt sich
die Molrefraktion der Verbindung additiv aus den Atomrefraktionen der einzelnen Atome zusammen.
Dabei sind jedoch die Atomrefraktionen der Atome im Molekül gegenüber denen der neutralen Atome
leicht verändert.
Beispiele (Werte für RM,Atom in cm³/mol):
C
H
Cl
2,418
1,100
5,967
Die Werte für ein bestimmtes Atom können je nach Bindungszustand sehr unterschiedlich sein, z. B.
für Sauerstoff (Werte für RM,Sauerstoff in cm³/mol):
Hydroxyl-Sauerstoff
Ether-Sauerstoff
Carboxyl-Sauerstoff
H−O−
≡C−O−C≡
O=C=
14
1,525
1,643
2,211
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Ähnliches gilt z. B. auch für die verschiedenen Bindungsarten des Stickstoffs. Für Doppel- und Dreifachbindungen des Kohlenstoffs ist noch eine Bindungsrefraktion von 1,733 bzw. 2,398 hinzuzufügen.
Ferner ergibt sich bei Vorliegen konjugierter Doppelbindungen eine Differenz zwischen theoretischem
und experimentell ermitteltem Wert, die sog. Exaltation. Aus diesen Tatsachen folgt, dass die experimentelle Bestimmung der Molrefraktion aus dem Brechungsindex ein wichtiges Hilfsmittel zur Strukturaufklärung (z.B. organischer Moleküle) sein kann. Vor allem die Frage, ob isolierte oder konjugierte Doppelbindungen vorliegen, lässt sich auf diese Weise leicht beantworten.
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5. Aufgaben
Versuchen Sie, die folgenden Aufgaben zu beantworten, und diskutieren Sie Ihre Lösungsvorschläge
mit Ihrem Assistenten im Kolloquium.
5.1
Die Skizze zeigt den Verlauf eines Lichtstrahls beim Übergang von einem Medium mit dem
Brechungsindex n1 in ein Medium mit dem Brechungsindex n2. Wie ist das Brechungsgesetz
zu formulieren?
(A)
(B)
(C)
(D)
(E)
5.2
sin β n1
=
sin δ n2
sin α n1
=
sin γ n2
sin β n2
=
sin δ
n1
sin α n2
=
sin β n1
sin α n2
=
sin δ n1
Welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie zu?
Legt man an eine Substanz (Dielektrikum) ein elektrisches Feld an, so können folgende Effekte beobachtet werden:
5.3
(1)
In einem Dielektrikum kann durch entgegengesetzt gerichtete Verlagerung positiver
und negativer Ionen eine ionische Verschiebungspolarisation auftreten.
(2)
In einem Dielektrikum entsteht durch Verschiebung der Elektronenhüllen relativ zu
den Atomkernen eine elektronische Verschiebungspolarisation.
(3)
In jedem Dielektrikum tritt eine Orientierungspolarisation auf.
(A)
nur (3)
(B)
nur (1) und (2)
(C)
nur (1) und (3)
(D)
nur (2) und (3)
(E)
(1) bis (3) (alle)
Welcher Stoff zeigt dielektrische Orientierungspolarisation?
(A)
CO2
(B)
CH4
(C)
O2
(D)
H2O
(E)
He
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