Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 1 F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren Inhaltsverzeichnis Thema Seite F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren 3 F50 Essstörungen 3 Einführung allgemein 3 Symptome 4 F50.0 Anorexia nervosa (Magersucht) 5 Einführung 5 Definition/ Allgemeines 7 Symptome 8 Anamnese/ Diagnostik 10 Differentialdiagnostik 11 Ursachen 12 Verlauf/ Prognose 15 Therapie 16 Sonstiges 17 F50.2 Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht) F51 18 Einführung 18 Definition/ Allgemeines 18 Symptome 19 Anamnese/ Diagnostik 21 Differentialdiagnostik 22 Ursachen 22 Verlauf/ Prognose 23 Therapie/ Sonstiges 23 Nichtorganische Schlafstörungen 24 Einführung/ Definition allgemein 24 Symptome 25 Anamnese/ Diagnostik 30 Differentialdiagnostik 31 Ursachen/ Verlauf/ Prognose 32 Therapie/ Sonstiges 33 entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 2 Inhaltsverzeichnis Thema F52 F53 F54 F55 Seite Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit 34 Einführung/ Definition allgemein 34 Symptome 34 Anamnese/ Diagnostik 37 Differentialdiagnostik 37 Ursachen 38 Verlauf/ Prognose 38 Therapie 39 Sonstiges 39 Psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, andernorts nicht klassifiziert 40 Einführung/ Definition allgemein 40 Symptome 40 Anamnese/ Diagnostik 42 Differentialdiagnostik 42 Ursachen 42 Verlauf/ Prognose 43 Therapie 43 Sonstiges 43 Psychische Faktoren und Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Krankheiten 44 Einführung/ Definition allgemein 44 Symptome 47 Anamnese/ Diagnostik 48 Differentialdiagnostik 48 Ursachen 49 Verlauf/ Prognose 49 Therapie 50 Sonstiges 50 Schädlicher Gebrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen 51 Einführung/ Definition allgemein 51 Symptome 51 Anamnese/ Diagnostik 52 Differentialdiagnostik 53 Ursachen/ Verlauf/ Prognose 53 Therapie/ Sonstiges 54 entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 3 F50 Essstörungen Einführung allgemein Die Essstörungen beschreiben ein von der Norm abweichendes Verhalten in Bezug auf den Umgang mit dem Essverhalten sowie begleitende Verhaltensauffälligkeiten und deren körperliche Folgen. Das Körpergewicht kann dabei erniedrigt, normal oder auch erhöht sein. Das normale Körpergewicht bezieht sich auf die Richtlinie des Body-Mass-Index (BMI ab 16. Lebensjahr: Gewicht in kg/ Körpergröße in m²), die sich auf ein dem Alter und der Größe angemessenes Gewicht bezieht. Im Einzelnen sind das: F50.0 Anorexia nervosa (Magersucht) F50.2 Bulimia nervosa (Ess-/ Brechsucht) F50.4 oder F50.9 Binge-Eating-Störung (periodische Fressanfälle/ Gelage) (E66) Adipositas (Fettsucht/ Fettleibigkeit) entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 4 Symptome Typische Symptome der Psychopathologie Veränderungen Bewusstsein –quantitativ - Bewusstsein –qualitativ - Orientierung - Auffassung/ Konzentration/ Gedächtnis - Zwänge/ Ängste/ Phobien Zwangsgedanken, Zwangshandlungen (Rituale, Waschzwang, Ordnungszwang, rigide Verhaltensmuster u. ä.), ausgeprägte Ängstlichkeit, soziale Phobie, Versagensängste, Angststörungen Denkstörungen –formal - Denkstörungen –inhaltlich - Sinnestäuschungen/ Halluzinationen - Ich-Störungen - Affektivität Ängstlich, depressiv (in der Anfangsphase häufig gehobene Stimmung) Antrieb/ Psychomotorik - Intelligenz - Vegetative Symptomatik Reduzierte Stoffwechselaktivität, Hypotonie Suizidalität Suizid in Raten (versteckter Suizid) Affinität zu Suchtverhalten. Gestörte Selbstwahrnehmung. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 5 F50.0 — Anorexia nervosa Einführung Die Anorexia nervosa (Magersucht) wird verstanden als eine bewusste Verweigerung, Kontrolle und Manipulation der für den Körper lebensnotwendigen Nahrungsaufnahme, mit dem Ziel der Reduzierung des Körpergewichts. "Anorexia nervosa" bedeutet nervlich bedingte Appetitlosigkeit. anorexie → an (griechisch) = un-, -los, -leer/ orexie (griechisch) = verlange etwas, Esslust, Verlangen nach Nahrung nervosa → nervosa (lateinisch) = die Nerven betreffend, nervlich bedingt, nervös Der Begriff "Anorexie" ist irreführend, er bedeutet "Appetitlosigkeit" und meint den Verlust des Nahrungstriebes, beispielsweise aufgrund körperlicher Erkrankungen. Er hat sich aber mit den Erweiterungen "hysterica" (erste Fallberichte 1868), "mentalis" (Synonym) bzw. "nervosa" (aktueller Fachbegriff lt. ICD-10) für das Krankheitsbild der "Magersucht" etabliert. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 6 Aktuelle Untersuchungsergebnisse Mitteilung vom 02.03.2011 der Homepage: „.SpringerMedizin.at“: „Aktuelle Daten zu Anorexia nervosa - Elterlicher Erziehungsstil und genetische Veranlagung sind wesentliche Faktoren für den Ausbruch einer Anorexia nervosa. Die Magersucht ist die schwerste Krankheit, die die Psychiatrie kennt. Ihre Mortalität ist doppelt so hoch wie jene der schweren depressiven Störung. Die Belastung, welche diese Krankheit für die Familien bedeutet, ist mit der bei schizophrenen Psychosen vergleichbar. Zu 95 Prozent sind jugendliche Mädchen und Frauen betroffen, etwa 100 bis 140 Neuerkrankte werden jährlich allein in Wien registriert. Psychosoziale Risikofaktoren, wie ein ungünstiger überkontrollierender, Autonomie gefährdender elterlicher Erziehungsstil, Missbrauch, belastende Lebensereignisse sowie soziale Isolation sind sehr gut in ihrer Relevanz für Magersucht belegt. Aus bisherigen Untersuchungen ist auch bekannt, dass besonders diejenigen Personen von schwerer Depression betroffen sind, bei denen neben starken psychosozialen Belastungen auch genetische Mutationen an der Promotorregion des Serotonin-Transportergens vorliegen. Andreas Karwautz von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der MedUni Wien verfolgte diesen Ansatz und integrierte die biologischen und psychosozialen Faktoren im Rahmen einer internationalen Multicenterstudie zur Magersucht. Dabei wies er die Wirksamkeit einer Interaktion, wie sie bereits für depressive Störungen bekannt ist (Caspi et al., 2003), auch für die Magersucht nach. Es zeigte sich, dass sich ein ungünstiger elterlicher Erziehungsstil in der Zeit bis zum Ausbruch der Erkrankung Anorexia nervosa nur dann ungünstig auswirkt, wenn eine Mutation der Promotorregion des Serotonintransporters vorliegt. Hochpotente psychosoziale Stressoren – wie belastende Lebensereignisse, interpersonelle Probleme oder körperbezogenen spöttische Kommentare wurden unabhängig von genetischen Aspekten als ursächlich relevant bestätigt. Der besonders stark ausgeprägte SS-Genotyp reagierte dabei im Vergleich zur schwächeren LS-Ausprägung überproportional stark auf belastende Ereignisse. Bei Studienteilnehmerinnen ohne diese Mutation zeigte sich kein steigendes Anorexie-Risiko aufgrund eines ungünstigen Erziehungsstils. Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 128 Schwesternpaare aus Wien, London und Barcelona untersucht, wobei jeweils eine Schwester gesund ist, bei der anderen eine Anorexia nervosa ausgebrochen ist. Länderspezifisch konnten keine Unterschiede beobachtet werden. Studienleiter Karwautz, der sich auf psychosoziale Risikoforschung bei jugendpsychiatrischen Störungen spezialisiert hat und sich 2002 in diesem Fachgebiet an der MedUni Wien habilitiert hat: „Wir konnten erstmals für Anorexia nervosa paradigmatisch zeigen, dass Erziehungsverhalten im Rahmen eines interaktionellen Modells aetiologisch für Anorexia nervosa wirksam ist. Das ist eine wichtige Erkenntnis für Therapie und Beratung.““ entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 7 Definition/ Allgemeines Daten und Fakten Betroffene Personen bundesweit - davon Frauen - davon Männer ca. ca. ca. Betroffene Altersgruppe - Durchschnittsalter überwiegend 15 - 35 Jahre 16 - 17 Jahre Prävalenz (seit Jahrzehnten relativ stabil) - davon in Risikogruppen (Ballettänzer, Modells, höhere Schulbildung) - davon Frauen zwischen 14 - 18 Jahren - Kinder aus sozial benachteiligten Familien ca. ca. ca. ca. Prognose - günstig, - ungünstig, 100.000 90.000 10.000 05, - 1,0 % bis 1,5 % 30 % 2:1 bei frühem Beginn vor dem 16. Lebensjahr bei schlechter sozialer Anpassung, psychischer Vorbelastung (Depression, bipolare Störung, Zwangsstörung, Persönlichkeitsstörung, Suchtproblematik) und Missbrauch von Substanzen, wie Abführmitteln, Appetitzüglern, Diuretika, Brechmitteln. Verlauf - Vollremission - Deutliche Besserung - Wenig Veränderung/ Chronifizierung - Tödlicher Verlauf (ca. ½ durch Suizid und ca. ½ durch Organversagen) ca. ca. ca. 40 % 30 % 20 % 10 % Diese Zusammenfassung der Daten begründet sich vorwiegend aus den folgenden Quellen aus den Jahren bis 2007: BzgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln Deutsches Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik, Aachen BFE Bundesfachverband Essstörungen e.V., München RKI Robert Koch-Institut, Berlin (KiGGs-Studien und -Erhebungen) ZB MED Deutsche Zentralbibliothek für Medizin, Köln Klassifikation des Körpergewichts mit Hilfe des BMI (Zur klinischen Einschätzung des Körpergewichts) BMI > 40 30 – 40 26 – 29 19 – 25 16 – 18 14 – 15 < 14 Klassifikation Hochgradiges Übergewicht Mittelgradiges Übergewicht Leichtes Übergewicht Normalgewicht Leichtes Untergewicht Mittleres Untergewicht Ausgeprägtes Untergewicht (Quelle: Christopher Ofenstein, Lehrbuch Heilpraktiker für Psychotherapie, Urban & Fischer, 1. Auflage 2010) entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 8 Symptome Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F) A. Gewichtsverlust oder bei Kindern fehlende Gewichtszunahme. Dies führt zu einem Körpergewicht von mindestens 15% unter dem normalen oder dem für das Alter und die Körpergröße erwarteten Gewicht (BMI ab 16. LJ: Gewicht in kg/ Körpergröße in m²). B. Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung von „fettmachenden“ Speisen. C. Selbstwahrnehmung als „zu fett“ verbunden mit einer sich aufdrängenden Furcht, zu dick zu werden. Die Betroffenen legen für sich selbst eine sehr niedrige Gewichtsschwelle fest. D. Umfassende endokrine Störung der Achse Hypothalamus-Hypophyse-Gonaden; sie manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhoe, bei Männern als Interessenverlust an Sexualität und Potenzverlust. Eine Ausnahme stellt das Persistieren vaginaler Blutungen bei anorektischen Frauen dar, die eine Hormonsubstitution erhalten (meist als kontrazeptive Medikation). E. Die Kriterien A. (Häufige Episoden von Fressattacken…) und B. Bulimia nervosa (F50.2) werden nicht erfüllt. (…unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen...) für eine Folgende Symptome bestätigen die Diagnose, sind aber nicht obligat: - selbstinduziertes Erbrechen, - selbstinduziertes Abführen, - übertriebene körperliche Aktivitäten, - Gebrauch von Appetitzüglern und/ oder Diuretika. Unterscheidung von 2 Typen von Anorektikern F50.00 – Anorexie ohne aktive Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (Restiktiver/ asketischer Typ): Kontrolle des Gewichtes über strikte Diäten, Fasten sowie übermäßige körperliche Aktivitäten, im wörtlichen Sinne von "sich einschränkend". F50.01 – Anorexie mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (Binge-Eating/ Purging Typ): Dieser Typ zeigt ambivalente Tendenzen. Die Bezeichnung Binge-Eating weist auf mögliche (Fr)Essanfälle hin. Ebenso finden sich hier die Beschleunigung und Förderung der Gewichtsabnahme unter missbräuchlicher Zuhilfenahme von Abführmitteln etc. sowie von selbstinduziertem Erbrechen. Der Begriff "purge" bedeutet: "reinigen, säubern, sich befreien, frei machen, von etwas säubern bzw. im medizinischen Sinne "abführen, entschlacken" oder auch "Abführmittel". entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 9 Diagnostische Kriterien aus somatischer Sicht Organsystem Auswirkungen Endokrines System (Stoffwechsel) Amenorrhoe (Frauen) Libido-/ Potenzverlust (Männer) Mögliche Hemmung oder Verzögerung pubertärer Entwicklungen (wenn Beginn vorher) Erhöhung der Wachstumshormone und des Kortisolspiegels (Störungen der Insulinsekretion) Absinken der Schilddrüsenhormonkonzentration Abbau von Hirngewebe, Muskelabbau, Osteoporose Haarausfall/ Lanugobehaarung Elektrolytverschiebungen (Hypokaläimie, Ödeme) Gastroinstestinaltrakt Verzögerte Magenentleerung Völlegefühl, Blähungen, Verstopfung (Obstipation) Blutbildung/ Blut Blutbildveränderungen (Anämie, Neutropenie, Thrompozytopenie) Herz-Kreislauf Veränderungen der Herzfrequenz/ Herzrhythmusstörungen Kreislaufbeschwerden, Durchblutungsstörungen, Blutdruckabfall, Abfall der Körpertemperatur Fallgeschichte Maria wird 17 Jahre alt. Sie ist schlank, sportlich und sozial integriert. Ihre schulischen Leistungen entsprechen ihrem jeweiligen Einsatz. Sie fühlt sich seit längerer Zeit deprimiert. Die familiäre Situation ist problembeladen, einschränkend und belastet sie sehr. Sie hat zwei gute Freundinnen, bei denen alles besser zu laufen scheint. Diese Freundinnen sind noch schlanker als sie, ihnen scheint alles leichter von der Hand zu gehen, sie sind beliebt. Maria verbindet deren „Leichtigkeit“ im Leben mit deren „Schlanksein“. Maria beschließt, dass sie auch so leicht und beliebt sein will. An ihrem 17. Geburtstag plant Maria weniger zu essen. Von diesem Tag an zählt sie alle Kalorien, die sie zu sich nimmt. Sie ist sehr stolz darauf, dass es ihr konsequent gelingt abzunehmen. Ihre Professionalität in Bezug auf die gezielte Nahrungsaufnahme steigt täglich. Da sich bereits nach kurzer Zeit sichtbare Erfolge einstellen, lernt sie nun, ihr verändertes Essverhalten im Familienrahmen zu kaschieren. Nach gemeinsamen Familienessen, deren Volumen äußerer Kontrolle unterliegt, wird streng Diät gehalten, um die überschüssigen Kalorien schnell wieder loszuwerden. Maria beginnt, sich mehr zu bewegen, Anstrengungen zu suchen und sich mehr sportlich zu betätigen. Was der Sport nicht bewirken kann wird durch Abführmittel unterstützt. Erfolge, wie das langvermisste Stimmungshoch und Stolz stellen sich ein. Begleitet von dem Gefühl, etwas bewirken und ändern zu können. Die depressive Stimmung scheint besiegt. Die täglichen Belastungen und Herausforderungen erscheinen leichter, entfernter bzw. lösbarer. Sie hat das Gefühl, unantastbar zu sein. Das Zählen der Kalorien wird zum Zwang. Maria’s Gedanken kreisen zunehmend um die Nahrungsaufnahme. Die anfängliche Euphorie wird durch eine zunehmende körperliche Schwäche absorbiert. Die zwanghaften Gedanken nehmen zu und die Hoffnung paart sich mehr und mehr mit schwermütigen Stimmungen. Die ersten körperlichen Beschwerden, wie Ausbleiben der Regelblutung, Herzrasen, Blutdruckschwankungen, körperliche Schwäche und Verstopfung stellen sich ein. Trotz sichtbarer Gewichtsabnahme empfindet Maria sich als zu dick. Überall findet sie noch Fettpolster, die sie reduzieren möchte. Die körperlichen Beschwerden und das gesundheitliche Risiko blendet sie aus. Ihr angestrebtes Ziel hat sie noch nicht erreicht. Maria weicht Fragen, Bemühungen und Hilfsangeboten aus. Sie verleugnet die Brisanz ihrer Situation. Diagnose: F50.0 – Anorexia nervosa entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 10 Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche und Laboruntersuchungen, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie u.a.) Anamnesegespräch Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Feststellung BMI, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren Auffällig bei der Anorexia nervosa sowie anderen Essstörungen ist die ständige, teilweise sogar zwanghafte Beschäftigung mit dem Essen und dem Körper. Das Denken wird davon vollkommen eingenommen und bestimmt. Komorbiditäten (Begleitsymptome/-störungen) können sein beispielsweise und im weiteren Verlauf entwickelt: August 12 - depressive Verstimmungen - Zwangsgedanken/ Zwangshandlungen - Angststörungen/ soziale Phobie - Persönlichkeitsstörungen - wahnhafte Gedankenmuster - organische Störungen (Herzrhythmusstörungen, Hypokaliämie, Muskelschwund, Unfruchtbarkeit, Osteoporose, Unterzuckerung, Abfall der Körpertemperatur etc. bis zum möglichen Tod). geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 11 Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen 1. Andere Essstörungen, (wie Bulimia nervosa, Binge-Eating-Störung sowie weitere atypische und sonstige Essstörungen) 2. Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen (diverse Typen) 3. Affektive Störungen, wie Depression oder bipolare Störungen teilweise mit psychotischen Symptomen 4. Phobische Störungen, Angst-, Zwangs- oder Anpassungsstörungen 5. Suchtproblematik: Psychische bzw. Substanzmittelabhängigkeit 6. Organische Erkrankungen unterschiedlicher Genese (beispielsweise: Autoimmunerkrankungen, Virusinfektionen, Krebs, Hyperthyreose, u. v. m.) 7. Fasten In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die unter 1. - 6. aufgeführten Störungen durchaus als Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) in Erscheinung treten können. Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen aber im Vordergrund stehen und das gestörte Essverhalten eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. Abgrenzungen zu anderen Essstörungen 1. Die hervorzuhebenden Kriterien bei der Bulimia nervosa (Bulimie → Ochsenhunger) sind die Gier nach Nahrung sowie wiederholte Anfälle von Heißhunger und Essattacken. Dabei werden häufig innerhalb kürzester Zeit übermäßig große oder auch hochkalorische Mengen an Nahrung zugeführt. Die Folgen dieser (Fr)Essattacke werden anschließend schnellstmöglich durch selbstinduziertes Erbrechen "rückgängig" gemacht. Der anorektisch Erkrankte ist abweichend davon darauf bedacht, jegliche Zuführung von Nahrung, besonders hochkalorische Nahrung zu vermeiden. Der Wunsch das festgelegte niedrige Körpergewicht zu halten ist den beiden Störungen gemeinsam. 2. Die Binge-Eating-Störung (Binge → Gelage) ist gekennzeichnet durch das als unkontrolliert wahrgenommene Verschlingen großer Nahrungsmengen. Die Folgen dieser (Fr)Essattacken werden, anders als bei der Bulimia nervosa, nicht durch anschließende Maßnahmen, wie beispielsweise Erbrechen, verhindert. Erkrankte dieser Störung sind häufig, aber nicht zwingend, übergewichtig. 3. Die Orthorexia nervosa (Ortho → richtig, gesund) definiert sich durch das Verlangen nach möglichst gesunder Ernährung. Die krankhaften Muster beziehen sich auf die ständige Beschäftigung mit Nahrung und Ernährung, Schuldgefühle bei abweichendem Verhalten, zwanghafte Strukturen, ideologische Ideen und ein Gefühl der Überlegenheit mit dem Bedürfnis missionarischer Aktivitäten und Überzeugungsarbeit für die "richtige Ernährung". Erkrankte dieses Störungsbildes zeigen häufig starkes Untergewicht. Gemeinsam mit den Essstörungen zeigt dieses Verhaltensmuster die Bewältigung von Leidensdruck über ein außerhalb der Norm liegendes zwanghaftes Essverhalten. Dieses Störungsbild ist wissenschaftlich umstritten, es gibt bisher keine anerkannten diagnostischen Kriterien. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 12 Ursachen Laut ICD-10 sind die Ursachen der Anorexia nervosa (F50.0) noch unklar. Eine Interaktion soziokultureller und biologischer Faktoren oder auch unspezifischer psychologischer Mechanismen sowie die Vulnerabilität der Persönlichkeit werden als Gründe vermutet. Die Frage nach dem Ursprung, dem Auslöser bzw. entscheidenden Voraussetzungen der Genese ist nicht eindeutig zu klären, da selbst Geschwister unter denselben Entwicklungsbedingungen unterschiedlich reagieren. Es ist das Zusammenspiel vieler einzelner Faktoren. Abgesehen von den differenzierten wissenschaftlichen Ansätzen der Medizin, Psychologie und Soziologie bilden die Ergebnisse aller drei Fachbereiche in der Summe ein gemeinsames Störungsbild mit sich ergänzenden bzw. kausal verwobenen Symptomen. Wissenschaftliche Ansätze 1. Der psychoanalytische bzw. psychodynamische Ansatz setzt einen inneren Konflikt voraus, dessen Lösung aufgrund mangelnden individuellen bzw. familiären Krisenbewältigungsvermögens unmöglich scheint. Der Erkrankte erfährt eine innerpsychische, für ihn als unerträglich und ambivalent empfundene Belastung (= Konflikt), für die im Bewusstsein keine Ansätze oder Lösungsmöglichkeiten existieren. Der Konflikt verbleibt auf der unbewussten Ebene und wird zur "Entlastung" der Psyche extrahiert, verpackt und verdrängt (= Konversion). Er tritt anschließend im Gewand eines psychischen oder somatischen "Symptoms" in Erscheinung. Besonders der psychodynamische Ansatz beschreibt auf der Basis einer gestörten Persönlichkeitsentwicklung einen Zusammenhang zwischen Essstörungen sowie der Auseinandersetzung mit Vater und Mutter. Wobei diese Bindungen als gestört, angstbesetzt und zwanghaft beurteilt werden. Die Beurteilung der Bindungen beruht auf dem Konzept der Entwicklungsphasen nach Sigmund Freud. 2. Phase Bezug Entwicklung Störung Oral Mund Narziss Selbstliebe Erfahrung und Befriedigung durch Lutschen, Essen, Trinken Entdeckung des eigenen Körpers Hohe Forderungen an andere Niedrige Frustrationstoleranz Vermindertes Selbstvertrauen Anal Anus Defäkations-/ Sauberkeitserziehung. Erfahrung und Befriedigung durch Ausscheiden und Zurückhalten/ Hingabe und Kontrolle Ödipal Genitalien Erfahrung und Entdeckung von Gegengeschlechtlichkeit, Rivalitätsgefühlen, sexuellen Wünschen. Lernen, diese auszuhalten und zuzulassen, Identifizierung mit der Geschlechterrolle. Zwanghafte Persönlichkeit, Geiz, Überkontrolliertheit, Trennung zwischen Vorstellung und tatsächlichem Gefühl, Unterdrückung von Aggressionen Beziehungsunfähigkeit, Fixierung, sich nicht-lösen-können Der verhaltenstheoretische kognitive Ansatz geht davon aus, dass die Muster, die Dynamik und die Persönlichkeitsentwicklung des Erkrankten auf gestörte irrationale Denkprozesse zurückzuführen sind. Entsprechend einer "Konditionierung", wurden bestimmte Verhaltensweisen und Kognitionen, wie "wenndann"-Abstraktionen und -Übertreibungen (Beipiel: Ich bin (nur) attraktiv, wenn/ weil ich dünn bin; Wenn ich zunehme, kann ich keinen (nie mehr) Bikini tragen.) angeeignet und erlernt. Diese Muster sind häufig familiär vorgeprägt, erlernt und generationsübergreifend aktiv. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 13 3. Der soziologische Ansatz beschäftigt sich im Kontext der Magersucht beispielsweise mit dem kulturellen Schönheits-/ Schlankheits-/ Fitnessideal. Besonders das Figurideal der Frau bewegte sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zwischen "vollschlank" bis "jugendlich-schlank". Auch das männliche Schönheitsideal erfährt diese Schwankungen zwischen "Reife" und "Jugendlichkeit-Jüngling", blieb aber deutlich stabiler. Schlank sein steht für positiv bewertete Charaktereigenschaften, wie diszipliniert, sicher, klug, attraktiv, gesund, fit und schön. Diese Einstellung hat sich zum Ideal entwickelt. Unter Einbeziehung medizinischer Untersuchungen zur Persönlichkeit des Magersüchtigen weisen die Störungen auf ein ausgeprägt angepasstes Verhalten hin. Bei der Betrachtung dieser Charakteristika zeigt sich beispielsweise, dass von einer Frau im gesellschaftlichen Leben nach wie vor Zurückhaltung beim Ausleben von Gefühlen in der Öffentlichkeit erwartet wird. Aggressives und forderndes Verhalten ist verpönt und wird als "nicht weiblich" empfunden. So ließe sich beispielsweise das kontrollierte "auto"aggressive Verhalten erklären, das die Magersucht sehr stark prägt. Auch die Charakteristika des "sich Zurücknehmens", der "Bescheidenheit", des "sich Klein-machens" und des "nicht Wollen-wollens" finden hier ihren Ansatz. Der sich entwickelnde Mann soll zunehmend "typisch weibliche" Verhaltensweisen, wie Verständnis, Zurücknahme des Egos zugunsten der Familie und andere Einschränkungen zeigen und leben. Möglicherweise erklären diese gebremsten, aufgestauten, nicht ausgelebten Energien des Jungen in der Entwicklung zum Mann die Tendenz, mit "auto"aggressivem Verhalten zu reagieren. 3. Der systemische Ansatz geht davon aus, dass jedes Individuum Teil eines Systems ist und sich als dieses in Wechselwirkungen und Beziehungen mit anderen Systemen befindet. Eine Störung in einem System (Beispiel Familie) zeigt sich im gesamten System, aber auch bereits in den Teilen dieses Systems (erkrankte Person). Auslöser für Störungen können sein: Ereignisse, Krisen, ungeklärte Todesfälle, Konflikte etc. Es wird nach wiederkehrenden Mustern, Auffälligkeiten, und Gesetzmäßigkeiten innerhalb des Familiensystems sowie weiterer Systemen gesucht, zu denen der Erkrankte in Wechselwirkung steht. Die Erkrankung wird als ein sichtbares Zeichen einer Störung im System gedeutet. Interessantes aus der Forschung Ergänzend dazu gibt es neue Erkenntnisse aus der Forschung, die sich mit den an der Nahrungsaufnahme und verarbeitung beteiligten Hormonen und Botenstoffen beschäftigen. So wurde festgestellt, dass der Körper im Regelfall über das Hunger- und Sättigungsgefühl genau die Nahrungsmenge abfordert, die dem aktuellen Verbrauch entspricht. Reguliert wird dieser Mechanismus über Botenstoffe. Bestimmend für das Sättigungsgefühl ist das Hormon Leptin, das in den Fettzellen, in Relation zur verfügbaren Fettmenge, freigesetzt wird und so dem Hypothalamus diesen Zustand signalisiert. Das Hormon für das Hungergefühl ist das Ghrelin, dessen Spiegel vor den Mahlzeiten besonders hoch ist. Es wird im Magen gebildet und steigt bis zur Nahrungsaufnahme stetig an. Im Fastenzustand ist die Ghrelinausschüttung erhöht. Ebenfalls interessant ist, dass Ghrelin stimmungsaufhellend und anxiolytisch wirkt. Beobachtungen zeigen, dass sich Magersüchtige am Anfang der Nahrungsverweigerung euphorischer und weniger ängstlich fühlen, was das gestörte Verhalten bestärkt. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 14 Es lassen sich folgende Faktoren erkennen, die einen Einfluss auf die Entstehung der Magersucht haben können: Faktoren Biologisch Auswirkungen - Genetische Faktoren bei monozygoten Zwillingen. - Affektive Störungen und Alkoholismus in Familie. - Regulationsstörungen im Esszentrum. (Hypothalamus, Hormone, Neurotransmitter, Zytokine o. ä.). Individuell - Probleme bei der Ablösung von der Familie (Bindung). - Selbstwertproblematik, ausgeprägtes bzw. krankhaftes Anpassungsbedürfnis. - Gestörtes körperliches und psychisches Ich-Erleben. - Vorbestehende Körperschema-/ Gewichtsstörung. - Gestörte Ich-Funktionen, wie die Frustrationstoleranz, die Binnenwahrnehmung, die Außenwahrnehmung, die Impulssteuerung, die Affektsteuerung (= Selbstwahrnehmung). - Un(ter)entwickelte Krisenbewältigungsstrategien. Familiär - Verstrickung, Missbrauch, Ambivalente Bindungen, Abhängigkeit, Ohnmacht, Kontrollverlust, fehlende Grenzerfahrungen, Isolierung => Störungen in den Entwicklungsphasen nach Sigmund Freud. - Mangel an Konfliktlösungsmöglichkeiten. - Modellverhalten (Diäten, Fitness, Erscheinungsbild, Auftreten, Gewicht, Ernährung, Rituale, Zwangsmuster, Verhaltsmuster, Moralvorstellungen etc.). - Leistungs-/ Funktionsdruck und Anforderungen. Soziokulturell - Kulturelle und gesellschaftliche Werte, wie Schönheitsideale Mode, Vorbilder, Trends, Leistungsvorstellungen, Regeln. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 15 Verlauf/ Prognose Eine vollständige Heilung der Magersucht ist eher selten. Erfahrungsberichte weisen darauf hin, dass die Themen Essen, Figur, Gewicht, Ernährung auch bei erfolgreich therapierten Magersüchtigen weiterhin Begleiter im Alltag bleiben und ein völlig gesundes Essverhalten möglicherweise Erfolg großer Disziplin ist. Die Daten weisen ebenfalls darauf hin, dass sich die Häufigkeit der Erkrankung in der Gesamtbevölkerung über die Jahre kaum verändert hat. Lediglich die Anzahl der männlichen Erkrankten hat ein wenig zugenommen. Prognose für den Heilungsverlauf günstig ungünstig Erkrankung zwischen 14. und 16. Lebensjahr Erkrankung vor 11. Lebensjahr bzw. nach 18. Lebensjahr Mäßiges Untergewicht Starkes Untergewicht Therapiebeginn kurzfristig nach Beginn der Essstörung Therapiebeginn nach langem Bestehen der Essstörung Relativ ausgereifte Autonomie, die durch möglichen anfänglichen Widerstand (z. B. gegen Maßnahmen der Sonderernährung) zum Ausdruck gebracht wird, damit einer kurzfristigen Gewichtszunahme im Wege steht, langfristig allerdings einen günstigeren Verlauf hat Wenig ausgereifte Autonomie mit geringem Widerstand und möglicherweise schneller Gewichtszunahme, langfristig aber aufgrund fehlender Compliance ungünstigerem Verlauf Produktive und günstige Beziehung zwischen Klient und Therapeut (Compliance) Gering ausgeprägte oder fehlende Beziehung zwischen Klient und Therapeut Passende Therapieansätze. Als besonders erfolgreich hat sich die Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und interpersoneller Therapie erwiesen. Auch die integrativen Therapieansätze haben gute Prognosen. Mangelnde Compliance und Motivation des Erkrankten. Die Therapieansätze fruchten nicht, es findet keine Veränderung statt. Geringe Prämorbidität bzw. Komorbiditäten Erhöhte Prämorbidität, div. Komorbiditäten, psychische Vorbelastungen (Affektive Störungen, Zwangsstörungen, Substanzmittelmissbrauch, Verhaltensauffälligkeiten etc.) Es bleiben ca. 40 - 50 % der Betroffenen ein Leben lang essgestört. Bei ca. 20 - 30 % der Erkrankten entwickelt sich eine andere Form der Essstörung, wie beispielsweise die Bulimia nervosa, Orthorexia bzw. andere EssAuffälligkeiten. Bei ca. 10 - 20 % der anorektisch Betroffenen tritt eine Chronifizierung ein, die über Jahrzente lediglich geringe Veränderungen aufweist. Bedauerlicherweise enden schließlich ca. 10 - 15 % der Erkrankungen tödlich, wobei davon jeweils die Hälfte auf Suizid und Organversagen zurückzuführen sind (Austrocknung, Herz-/ Nieren-/ multiples Organversagen u. a.). Zwischen den Zeilen ist immer zu erkennen, dass zwei Faktoren für den Erfolg der Behandlung besonders wichtig sind. Zum Ersten die Persönlichkeit des Erkrankten und desweiteren die Zusammenarbeit und Beziehung zum Therapeuten, der Familie und dem Umfeld aus der Sicht des Betroffenen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 16 Therapie Die Ambulante Therapie Betreuung durch Beratungsstellen, niedergelassene psychologische Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie, Therapieeinrichtungen und Ärzte. Vorteile: - Aufenthalt im bekannten sozialen Umfeld, dadurch gute Möglichkeit der Einbeziehung der Familie und des sozialen Umfeldes. - Möglichkeit, Erlerntes direkt im Alltag umzusetzen. - Gleichzeitige Nutzung verschiedener selbstgewählter Therapieangebote und Erhaltung der selbstständigen Tagesplanung. - Geringere Behandlungskosten. Grenzen: - Akute bzw. bedrohliche organische Mangelzustände. - Akute Suizidgefahr. - Akute Abhängigkeit/ Suchtmittelmissbrauch. Ergänzend zu den kassenärztlich anerkannten Therapieverfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) bieten sich dem Heilpraktiker für Psychotherapie weitere vielfältige Therapieansätze, wie: - die klientenzentrierte, nicht-direktive Gesprächstherapie nach Rogers - die systemische Therapie - die Hypnotherapie (NLP) - die Gestalttherapie - die künstlerische Therapie (Malen, Musik, Tanz, Theater etc.) - die integrative Therapie - Familientherapie - Psychoedukation entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 17 Die stationäre Behandlung und Therapie: 1. Kurzzeittherapie: Bedingungen einiger Kliniken: Aufenthalt von ca. 6 - 8 Wochen Gewicht < 30% des normalen BMI 2. Langzeittherapie: Bedingungen einiger Kliniken: Aufenthalt von ca. 3 - 6 Monaten Gewicht < 50 % des normalen BMI 3. Teilstationäre Behandlung mit Aufenthalt in der Tagesklinik (tagsüber) sowie im gewohnten sozialen Umfeld (nachts) Vorteile: - Abstand zu gewohntem familiären und sozialen Umfeld. - Vorgegebene feste Tagesstruktur schafft Sicherheit und Möglichkeit der Konzentration auf innere Prozesse. - Schnelle Handlungsmöglichkeit bei akuter Lebensgefahr. - Bessere Möglichkeit der Beobachtung von Veränderungen. - Gezielte Interventionsmöglichkeiten bei Zwangs-, Abhängigkeits- Missbrauchs- bzw. Selbsttötungshandlungen. Grenzen: - Einflussnahme, Begleitung und Steuerung nach Abschluss des stationären Aufenthaltes. - Bestimmung des richtigen Zeitpunktes für den Übergang in die mögliche ambulante Betreuung. - Bei Behandlung unter Ausschluss des familiären Umfeldes wenig Möglichkeit der Einschätzung für den Langzeiterfolg der Therapie. - Hohe Behandlungskosten. Ergänzend finden in den Kliniken noch Therapien in Gruppen sowie Ernährungs- und Bewegungstherapien statt. „Bei Anorexia nervosa liegen keine überzeugenden Wirksamkeitsnachweise von Antidepressiva vor.“ (Kompendium der Psychiatrischen Pharmakologie, Otto Benkert, Hanns Hippius, Springer Medizin Verlag, 8. Auflage 2011) Sonstiges Film „Vincent will Meer“ – Deutsche Produktion entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 18 F50.2 — Bulimia nervosa Einführung Die Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht) ist häufiger vertreten als die Anorexia nervosa. Im Gegensatz zu den anorektischen Menschen sind Bulimiker eher normalgewichtig. Auch diese Störung entwickelt häufig eine Chronifizierung. Sie kann Betroffene den Rest ihres Lebens begleiten. Gemeinsam mit der Anorexia nervosa ist die zwanghafte Beschäftigung mit dem Essen, Kalorienzählen, Gewicht sowie der Ausdruck verborgener, nicht lösbar scheinender psychischer Probleme. "Bulimia nervosa" bedeutet nervlich bedingter Ochsenhunger. bulimie → (hyperorexie (griechisch) = Ochsenhunger hyper (griechisch) = über/ orexie (griechisch) = verlange etwas, Esslust, Verlangen nach Nahrung) nervosa → nervosa (lateinisch) = die Nerven betreffend, nervlich bedingt, nervös „Häufig lässt sich in der Anamnese eine frühere Episode einer Anorexia nervosa mit einem Interall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren nachweisen“ (Zitat: ICD-10, Kapitel V, F50.2 Bulimia nervosa) Definition/ Allgemeines Daten und Fakten Betroffene Personen bundesweit - davon Frauen - davon Männer ca. ca. ca. 600.000 90 – 95 % 5 – 10 % Betroffene Altersgruppe - Durchschnittsalter (Altersgipfel) - Weibliche Bevölkerung der Altersgrupe 18 – 35 Jahre - davon Frauen < 22 Jahre (Risikogruppe: Tänzer, Modells, Skispringer, Höhere Schulbildung) überwiegend 15 - 35 Jahre 20 - 30 Jahre ca. 2,5 % ca. 80 % Bei der ½ der Betroffenen liegt eine anorektische Bulimie vor → 1. Anorexie, anschließend → 2. Bulimie Verlauf - Deutliche Besserung - Geringe Besserung - Wenig Veränderung/ Chronifizierung - Tödlicher Verlauf ca. ca. ca. ca. 40 % 20 % 40 % 1-2% Diese Zusammenfassung der Daten zeigte teilweise erhebliche Abweichungen: BzgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln www.onmeda.de RKI Robert Koch-Institut, Berlin (KiGGs-Studien und -Erhebungen) entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 19 Symptome Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F) A. Häufige Episoden von Fressattacken/ Esstaumel (in einem Zeitraum von 3 Monaten mindestens 2x/ Woche) bei denen große Mengen an Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden. (Anmerkung: Kalorienzufuhr von bis zu 10.000 Kalorien pro Mahlzeit/ Attacke). B. Andauernde Beschäftigung mit dem Essen, eine unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen (craving). C. Die Patienten versuchen der Gewichtszunahme durch die Nahrung mit einer oder mehreren der folgenden Verhaltensweisen entgegenzusteuern: 1. Selbstinduziertes Erbrechen, 2. Missbrauch von Abführmitteln, 3. Zeitweilige Hungerperioden, 4. Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. Wenn die Bulimie bei Diabetikern auftritt, kann es zu einer Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen. D. Selbstwahrnehmung als „zu fett“, mit einer sich aufdrängenden Furcht, zu dick zu werden (was meist zu Untergewicht führt). Folgende Symptome bestätigen die Diagnose, sind aber nicht obligat: - selbstinduziertes Erbrechen, - selbstinduziertes Abführen, - übertriebene körperliche Aktivitäten, - Gebrauch von Appetitzüglern und/ oder Diuretika. Unterscheidung von 2 Typen von Bulimikern Non-Purging Typ: Kontrolle des Gewichtes zwischen den Essattacken über strikte Diäten, Fasten sowie übermäßige körperliche Aktivitäten, im wörtlichen Sinne von "sich einschränkend". Dieser Typ ist seltener. Purging Typ: Dieser Typ nutzt die Beschleunigung und Förderung der Gewichtsabnahme unter missbräuchlicher Zuhilfenahme von Abführmitteln etc. sowie von selbstinduziertem Erbrechen. Der Begriff "purge" bedeutet: "reinigen, säubern, sich befreien, frei machen, von etwas säubern bzw. im medizinischen Sinne "abführen, entschlacken" oder auch "Abführmittel". entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 20 Diagnostische Kriterien aus somatischer Sicht Organsystem Auswirkungen Endokrines System (Stoffwechsel) Speicheldrüsen-/ Ohrspeicheldrüsenentzündungen Entzündungen der Speiseröhre Veränderungen der Schilddrüsenhormonkonzentration Entzündungen der Bauchspeicheldrüse Diabetische Entgleisungen Elektrolytverschiebungen (Hypokaläimie, Ödeme) Gastroinstestinaltrakt Magenschleimhautentzündungen Magenerweiterung Völlegefühl, Blähungen, Verstopfung (Obstipation) Niereninsuffizienz Zähne Karies Herz-Kreislauf Veränderungen der Herzfrequenz/ Herzrhythmusstörungen Fallgeschichte Lena, 27 Jahre, alleinlebende Krankenpflegerin. Aktuelle Problematik: Lena steht nachts auf und geht in die Küche um zu essen. Sie hört erst nach 1 - 2 Stunden auf, wenn sie kein Essen mehr findet. Diese Essanfälle ziehen sich bereits über 6 Jahre, bis sie schließlich zum Hausarzt geht. Dieser überweist sie in eine Psychiatrische Poliklinik zur Behandlung der Depression, die aufgrund der Fressattacken entstanden war. Lenas Essanfällen geht ein Gefühl heftiger Spannung voraus. Sie fühlt sich danach entspannt, obwohl diese Attacken mit Scham und Verzweiflung verbunden sind. Die Häufigkeit der Essanfälle hatte im Vorjahr auf 2 – 3 x in der Woche zugenommen. Meist treten sie während der Nacht auf. Sie fühlt sich danach aufgebläht, es kommt aber nicht zum Erbrechen. Um sich Abhilfe zu verschaffen, nimmt sie große Mengen Laxativa ein. Ihr schwankendes Gewicht kann sie durch Fasten zwischen den Essanfällen in normalen Grenzen halten. Sie verachtet Übergewicht, obwohl sie selbst nie schlank war. Die Fressattacken lassen sie zunehmend verzweifeln und machen sie sehr unglücklich. Sie hat sogar bereits suizidale Handlungen durch eine Überdosis an Schlaftabletten, die sie gegen ihren unterbrochen Schlaf einnimmt, erwägt. Die Situation hat im Laufe der Zeit unkontrollierbare Ausmaße erreicht. Lena ist unzufrieden mit sich und der Situation und ihrem Leben. Sie war selten krank und im Berufsleben unauffällig, allerdings werden erste gesundheitliche Probleme erkennbar, wie Entzündungen der Speiseröhre und Karies. Entwicklung: Lena wuchs behütet und unauffällig auf. Ihr Selbstbewusstsein ist niedrig, sie ist häufig besorgt und empfindlich gegenüber Kritik. Stets war uns ist sie bemüht allen Erwartungen zu genügen. Sie war verliebt, hat aber den Schritt in eine Partnerschaft nicht gewagt, da sie Ablehnung fürchtete und möglicherweise auch Angst vor einer sexuellen Beziehung hatte. Da ihr gesellschaftliches Auftreten durch Schüchternheit, Nervosität und Bindungsangst geprägt ist, hat sie nur wenige engere Freunde. Diagnostik: Lena tritt schweigsam und zurückhaltend auf. Sie wirkt etwas depressiv, und weint, während sie ihre Geschichte erzählt. Sie empfindet sich als zu dick. Diese Einstellung wirkt wie eine Obsession, sie ist davon nicht abzubringen. Lena hat seit 1 Jahr wöchentlich mindestens 2 Episoden exzessiven Essens. Sie ist nicht in der Lage diese Anfälle zu kontrollieren. Ihr sichtbares Normalgewicht erhält sie sich durch die Einnahme von Abführmitteln und gelegentliches Hungern. Bei der Patientin liegen somit die Kriterien für eine Bulimia nervosa vor → F50.2. Die depressiven Symptome (depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Suizidgedanken) reichen nicht für die Kriterien einer depressiven Episode. Die Symptome der Beziehungsunfähigkeit, Kritikempfindlichkeit, Mangel an Selbstwert und Ängstlichkeit lassen an eine ergänzende Diagnose einer ängstlich (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung denken. Diagnose: F50.3 – Bulimia nervosa + F60.6 - Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 21 Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche und Laboruntersuchungen, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie u.a.) Anamnesegespräch Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Feststellung BMI, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren Komorbiditäten (Begleitsymptome/-störungen) können sein beispielsweise und im weiteren Verlauf entwickelt: August 12 - depressive Verstimmungen - Zwangsgedanken/ Zwangshandlungen - Angststörungen/ soziale Phobie - Persönlichkeitsstörungen - wahnhafte Gedankenmuster - organische Störungen (Herzrhythmusstörungen, Hypokaliämie, Muskelschwund, Unfruchtbarkeit, Osteoporose, Diabetes, etc. bis zum möglichen Tod). geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 22 Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen: 1. Andere Essstörungen, (wie Anorexia nervosa, Binge-Eating-Störung sowie weitere atypische und sonstige Essstörungen) 2. Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen (diverse Typen) 3. Affektive Störungen, wie Depression oder bipolare Störungen teilweise mit psychotischen Symptomen 4. Phobische Störungen, Angst-, Zwangs- oder Anpassungsstörungen 5. Suchtproblematik: Psychische bzw. Substanzmittelabhängigkeit 6. Organische Erkrankungen unterschiedlicher Genese (beispielsweise: Autoimmunerkrankungen, Virusinfektionen, Krebs, Hyperthyreose, u. v. m.) 7. Fasten In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die unter 1. - 6. aufgeführten Störungen durchaus als Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) in Erscheinung treten können. Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen aber im Vordergrund stehen und das gestörte Essverhalten eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. Ursachen Bei der Entstehung der Bulimie spielen diverse Faktoren eine Rolle. Als Ursachen werden Überforderung, Konflikte (familiär, schulisch, beruflich), Stress, Ängste und ein vermindertes Selbstwertgefühl diskutiert. Wie bei der Anorexia nervosa beinhaltet dieses Störungsbild ein Zusammenwirken von psychologischen, soziologischen und genetischen Faktoren. Die wissenschaftlichen Ansätze zur Untersuchung der Bulimie entsprechen im Wesentlichen den Ansätzen der Anorexie. Entgegen dem Magersüchtigen ist der Bulimiker nicht fähig, die kontinuierliche Nahrungsbeschränkung durchzuhalten. Seine Bemühungen werden durch wiederkehrende (Fr-)Essanfälle unterbrochen. Diese Unfähigkeit beschämt den Bulimiker sehr und verschlimmert die Depressionen und Selbstzweifel. Um das unkontrollierte EssEreignis rückgängig zu machen, werden große Anstrengungen (Erbrechen, schädlicher Gebrauch von Substanzen u.v.m.) unternommen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 23 Verlauf/ Prognose Die Prognosen entsprechen im Wesentlichen den Prognosen der Anorexia nervosa. Ein Unterschied ist zu finden in der niedrigeren Letalität der Bulimie. Dafür ist ihr Verlauf häufig über einen längeren Zeitraum, versteckter und latent in Episoden mit nahezu störungsfreien Intervallen. Therapie Die Therapieansätze entsprechen im Wesentlichen den Therapiekonzepten der Anorexia nervosa „Bei Bulimia nervosa ist eine Wirksamkeit von mehreren Antidepressiva gezeigt. Fluoxetin ist zugelassen“ (Kompendium der Psychiatrischen Pharmakologie, Otto Benkert, Hanns Hippius, Springer Medizin Verlag, 8. Auflage 2011) Therapie der 1. Wahl (SSRI) Fluoxetin (Akutbehandlung und Rezidivprophylaxe – 24 Monate zur Erhaltung) Weitere Psychopharmaka Amitriptylin, Imipramin, Fluvoxamin, Ondasetron, Topiramat u. a. Allerdings !! Gabe von Psychopharmaka immer im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans mit psychotherapeutischen Interventionen/ Psychoedkukation. Sonstiges entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 24 F51 Nichtorganische Schlafstörungen Einführung/ Definition allgemein Bei einer Schlafstörung (In- oder Hyposomnie) handelt es sich um die Beeinträchtigung des Schlafes, die verschiedene Gründe haben kann. Sie kann inneren (organisch, psychisch) oder äußeren Ursprungs sein. Aufgrund der fehlenden Erholsamkeit des Schlafes nimmt die Leistungsfähigkeit bei wiederholten Störungen ab. Der Leidensdruck nimmt zu und der fehlende Ausgleich durch den Schlaf kann sogar zum Auftreten von körperlichen Störungen führen. Ursächlich ist eine Schlafstörung Folge bzw. Symptom (Komorbidität) einer körperlichen oder psychischen Erkrankung. Folglich kann eine Schlafstörung als eigenständiges Krankheitsbild nur nach differentialdiagnostischem Ausschluss anderer Erkrankungen bzw. Ursachen, wie organische Störungen, Gebrauch von psychotropen Substanzen, Medikamenten oder psychischen Störungen diagnostiziert werden. Die anderweitigen Ursachen werden in einer umfassenden Klassifikation von Schlafstörungen (International Classification of Sleep Disorders) beschrieben. Wird die Schlafstörung als Hauptbeschwerde und eigenständiges Zustandsbild diagnostiziert, wird sie immer um weitere dazugehörende Störungen, die die Psychopathologie bzw. die Pathophysiologie beschreiben, ergänzt. Die hier aufgeführten Schlafstörungen basieren ausschließlich auf emotionalen Ursachen, nicht auf körperlichen Störungen. Daten und Fakten Bezogen auf die Bevölkerung Ausgeprägte Schlafstörungen (westliche Industrieländer) - Davon tagsüber müde/ eingeschränkte Leistungsfähigkeit (→ Behandlung angezeigt) ca. ca. 20 – 30 % 15 % Schlechte Schlafgewohnheiten (besonders Heranwachsende) Schlafphasensyndrom - verzögertes, zu spätes Einschlafen Schlafphasensyndrom - vorverlegtes, zu frühes Einschlafen ca. ca. ca. 2% 0,1 % 1% ca. 0,5 % Entwicklung erhebliche Leidensdrucks aufgrund der Schlafstörung (Erwachsene) ca. 5% Schlafstörung psychiatrischer Genese - Davon durch Stress ausgelöst (akut/ kurzfristig – bevorzugt ältere Personen/ Frauen) - Psychophysiologisch erlernte Schlafstörung - Pseudoinsomnie (Schlafwahrnehmungsstörung: ca. 5 % aller Schlafgestörten berichten über schlechten Schlaf entgegen widersprechender Untersuchungsergebnisse) ca. ca. ca. 1/3 20 % 1–2% Lebenslange/ idiopathische Insomnie ohne bekannte Ursache (Kinder + junge Erwachsene) < Letale familiäre Insomnie (autosomal dominate Vererbung → Veränderungen im Gehirn) < 1 Mio. Personen Parasomnien (Auffälligkeiten während des Schlafes) - Gehäuft im Kindesalter - Schenk-Syndrom (Bewegungen im Schlaf, die dem Traum entsprechen) (bei 90 % der älteren Menschen > 60 Jahre (davon 90 % Männer)) entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 1% Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 25 Die normalen Schlafstadien einer Nacht. Deutlich zu erkennen ist, dass bei einem normalen Ablauf mehrfach sowohl die tiefste Schlafphase (IV) als auch der Wachzustand (-) erreicht werden. (Quelle: Wikipedia) Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin hält in ihrer AWMF-Leitlinie fest, dass es keine verbindliche zeitliche Norm für die Menge an Schlaf gibt, die erforderlich ist, eine Erholsamkeit zu gewährleisten. Die meisten Menschen würden die Schlafmenge aus eigener Erfahrung kennen. So gibt es auch keine allgemeingültigen Normierungen für den Ablauf des Schlafes und seine Schlafphasen. Symptome F51.0 Nichtorganische Insomnie F51.1 Nichtorganische Hypersomnie Schlaf-Wach-Rhythmus Exzessive Schläfrigkeit + Schlafattacken Tagsüber Nachts -allgemein -1. Drittel - 2. Hälfte Einschlafen Durchschlafen Erwachen Schlafqualität Schlafquantität Schlafdauer Leidensdruck Alltägliche Funktionsfähigkeit Ursachen (organisch/ psychotrope Substanzen/ Medikamente) Ursachen (psychisch/ somatisch) Dauer/ Auftreten Hinweis/ Besonderheiten F51.2 Nichtorganische Störung SchlafWach-Rhythmus Mangel an Synchronizität zu gesellschaftlichem Rhythmus Hypersomnie Schlaflosigkeit gestört gestört frühmorgendlich Verlängerte Übergangszeit (Schlaftrunkenheit) ungenügend unbefriedigend ungenügend deutlich gestört hoch angemessen deutlich gestört unbefriedigend deutlich gestört nein nein nein Häufiges Symptom bei psych./ somatischen Störungen Psychische Störungen Min. 3x/ Woche während min. 1 Monat Fast täglich min. 1 Monat oder in wiederkehrenden Perioden Fast täglich min. 1 Monat oder wiederholt während kürzerer Zeiträume Fehlen von NarkolepsieSymptomen, wie affektiver/ muskulärer Tonusverlust hypnagoge Halluzinationen Fehlen von Symptomen einer klinisch. Schlafapnoe entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 26 F51.3 Schlafwandeln Somnambulismus F51.4 Pavor nocturnus F51.5 Albträume (Angstträume) Schlaf-Wach-Rhythmus Tagsüber Nachts Die Episoden können zu jeder Zeit der Schlafperiode erfolgen, typischerweise È (2. Hälfte) -allgemein Schlafwandlerische Periode -1. Drittel Wiederholte Episoden während einer Nacht für (2 oder mehr; Bis zu 30 Mind. Dauer) Wiederholte Episoden von Erwachen mit Panikschrei, Angst, Herzklopfen, schneller Atmung, vegetativer Übererregung (2 oder mehr; bis zu 10 Min. Dauer) Aufwachen mit detaillierter Erinnerung an heftige Angstträume, die das Leben/ die Sicherheit/ das Selbstwertgefühl bedrohen - 2. Hälfte (Entwicklung von Angst vor weiteren Episoden/ Einschlafangst) Einschlafen Durchschlafen Erwachen Amnesie für diese Episode Herabgesetzt (nach wiederholten Episoden) Schlafqualität Schlafquantität Schlafdauer Leidensdruck Alltägliche Funktionsfähigkeit Ursachen (organisch/ psychotrope Substanzen/ Medikamente Ursachen (psychisch/ somatisch) Dauer/ Auftreten Hinweis/ Besonderheiten Zunehmend (nach wiederholten Episoden) deutlich nein nein nein > 4x/ Jahr Während der Episode veränderte Bewusst-seinslage, verminderte Reaktivität, starrer Gesichtsaudruck, schwer aufweckbar Mögliches Symptom bei psych./ somatischen Störungen > 4x/ Jahr Betroffen reagieren nicht auf Beruhigungen Dritter. Es folgen Desorientiertheit und perseverierende Bewegungen. Die Erinnerung an das Geschehene ist begrenzt. > 4x/ Jahr Nach dem Aufwachen rasch orientiert und wach. Das Traumerleben sowie die Störung des Schlafes verursachen Leidensdruck. Klassifikation der Schlafstörungen Dyssomnien Parasomnien Andere F51.0 F51.1 F51.2 F51.3 F51.4 F51.5 F51.8 F51.9 Nichtorganische Insomnie Nichtorganische Hypersomnie Nichtorganische Störung des Schlaf-wach-Rhythmus Somnambulismus (Schlafwandeln) Pavor nocturnus Alpträume/ Angstträume Andere nichtorganische Schlafstörungen Nicht näher bezeichnete nichtorganische Schlafstörungen Quelle: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie, K. Lieb, S. Frauenknecht, S. Brunnhuber, Urban & Fischer, 6. Auflage 2008, 1. Nachdruck 2009 entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 27 Typische Symptome der Psychopathologie Veränderungen (möglich, je nach Schweregrad) Bewusstsein –quantitativ Schläfrig Bewusstsein –qualitativ (Wahrnehmungsverschiebungen aufgrund von Schlafmangel) Orientierung - Auffassung/ Konzentration/ Gedächtnis Je nach Müdigkeit Einschränkungen in den Gedächtnis-, Konzentrations- und Auffassungsleistungen Zwänge/ Ängste/ Phobien Erhöhte Ängstlichkeit Denkstörungen –formal Denkverlangsamung, Gedankenabreißen, Umständliches Denken Denkstörungen –inhaltlich (Wahnwahrnehmung, Wahnidee, Wahnstimmung) Sinnestäuschungen/ Halluzinationen - Ich-Störungen - Affektivität Ängstlich, depressiv, gereizt Antrieb/ Psychomotorik Geminderter Antrieb, ruhelos Intelligenz - Vegetative Symptomatik Suizidalität Kopfschmerzen, Herz-Kreislaufbeschwerden, Blutdruckschwankungen, Stoffwechselstörungen, Anfälligkeit gegenüber Infekten) (Bei sehr schweren Verläufen oder aufgrund von Schlafmittelmissbrauch/ -abhängigkeit erhöht) Wirkungen/ Symptome von Schlafmangel/ -entzug sind: - Fehlende Erholung durch den Schlaf Herabgesetzte Aufmerksamkeit, Leistungsminderung Erhöhte Reizbarkeit, Angst, Ruhelosigkeit Müdigkeit außerhalb der Schlafzeiten, Schläfrigkeit Antriebsminderung Organische Störungen (Endokrines System, Herz-Kreislaufsystem, Nervensystem, Immunsystem etc. È) Klinische Erscheinungen: (Quelle: Wikipedia) entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 28 Diagnostische Kriterien (Gründe für Schlafstörungen) aus somatischer Sicht Organsystem Auswirkungen Endokrines System (Stoffwechsel) Hyperthyreose Verschiebungen in der Hormonproduktion (Tumore, Medikamente, Substanzen) Gastroinstestinaltrakt (+ Inneres) Gastroösophagealer Reflux Chronische Magen-/ Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Krebs u. a.) Lebererrankungen (Hepatitis u. a.) Nierenerkrankungen (Nephritis u. a.) Kardiovaskuläres System Nächtliche Angina pectoris Herz-Rhythmus-Störungen Hypertonie Neuronales System Schmerzen (diverse Formen) Restless-Legs-Syndrom (Parästhesien, Dysästhesien) Immunsystem Autoimmunerkrankungen Infektionen Postoperativ Eingriffe im Gehirn (Entfernen der zirkardianen Drüse) Intensives subjektives Gefühl von Leidensdruck. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 29 Fallgeschichte: Frau Smith ist verheiratet, hat 2 Kinder, ist 47 Jahre alt. Aktuelle Problematik: Frau Smith klagt über zunehmende Einschlafschwierigkeiten und Müdigkeit tagsüber. Diese Schwierigkeiten bestehen bereits mehrere Jahre, haben sich allerdings in der letzten Zeit so sehr verschlimmert, dass Frau Smith ihren Beruf aufgeben musste. Sie berichtet, das sie seit der Jugend entsprechende Probleme habe und Schwierigkeiten aufzustehen, um rechtzeitig in die Schule zu gehen. Sie gewöhnte sich an spät ins Bett zu gehen und Sorgen verschlechterten die Einschlafschwierigkeiten immer. Da ihr Partner Schichtarbeit hatte, wurde ihr Schlafverhalten zunehmend gestört. Die Insomnie verschlechterten sich zunehmend, als private Schicksalsschläge auftraten. Frau Smith pflegte dann zwischen 23:30 – 01:30 Uhr ins Bett zu gehen, lag dann aber noch lange wach, da es ihr nicht gelang abzuschalten. Sie fühlte sich heiß, die Haut juckte und sie ging 8 – 9 x pro Nacht auf die Toilette. Nachdem sie dann endlich eingeschlafen war, schlief sie sehr gut, hatte allerdings wieder Probleme bei Aufstehen um 07:30 Uhr. Sie war dann tagsüber müde und nickte sogar ab und zu ein. Sie gab schließlich ihre Arbeit auf, fühlte sich aber trotz längeren Schlafens bis 09:00 Uhr müde und schläfrig. Behandlungen, wie Yoga, Hypnotherapie, Entspannungsverfahren, Benzodiazepine sowie der Verzicht auf Kaffe und Alkohol zeigten nicht den gewünschten Erfolg. Eine kurze Anwendung von Zopiclon zeigte Wirkung, wurde aber auf Anraten des Arztes nach kurzer Zeit wieder abgesetzt. Frau Smith zog in ein eigenes Schlafzimmer, um nicht mehr durch ihren Partner gestört zu werden. Entwicklung: Frau Smith kommt aus einfachen Verhältnissen, besuchte die weiterführende Schule, machte eine Ausbildung und arbeitete anschließend als Sachbearbeiterin. Sie heiratete jung, litt aber sehr unter der Untreue und Trunksucht ihres Mannes. Nach ihrer Scheidung heiratete sie erneut und bekam 2 Kinder, die aktuell 12 und 15 Jahre alt sind. Die Ehe verläuft harmonisch. Frau Smith erklärt, dass sie überwiegend gesund sei, lediglich gelegentlich Nacken- und Rückenschmerzen habe, keine Medikamente nehme, nur gelegentlich Alkohol trinke und von keinen psychischen Störungen in der Familiengeschichte wisse. Diagnostik: Frau Smith erscheint ansprechend gekleidet, sie wirkt verspannt, ihre Stimmung scheint ausgeglichen, es finden sich keine psychopathologischen sowie körperlichen Auffälligkeiten. Frau Smith wirkt offen und gesprächsbereit. Diagnose: Die Einschlafprobleme bestehen bereits sehr lange und führen regelmäßig zu Schläfrigkeit am Tage. Da weder körperliche oder psychische Störungen noch der Gebrauch psychotroper Substanzen vorhanden sind handelt es sich hier um eine nichtorganische Insomnie zu → F51.0. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 30 Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche Untersuchungen, Laboruntersuchungen, ggfs. Schlafüberwachung/ -labor, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Pneumologie u.a.) Anamnesegespräch*) Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren *)Schlafanamnese: Systematische Befragung - Schlafgewohnheiten, -besonderheiten, abendlichen Essgewohnheiten, Aktivitäten vor dem Schlafen, Einschlafrituale etc. - Fremdanamnese: Atmung, Schnarchen, periodische (un-)willkürliche Bewegungen - Physikalische Faktoren: Raumtemperatur, Geräuschentwicklung (auch Schnarchen des Partners), Helligkeit etc. - Physiologische Faktoren: Wechselnde Schlafzeiten (Schichtarbeit), Tagesschläfrigkeit etc. - Psychologische Faktoren: Belastungen, Stress, Life events, Traumata - Psychiatrische Faktoren: Vorliegen psychischer Störungen (Depressionen, Angststörungen etc.) - Pharmakologische Faktoren: Genussmitte-l/ Substanzmittelmissbrauch, Einnahme zur falschen Zeit, Medikamente Komorbiditäten (Begleitsymptome/-störungen) können sein: beispielsweise entwickelt: August 12 - Organische Störungen - Affektive Störungen, Antriebsstörung - Angststörungen, Persönlichkeitsveränderungen - Konzentrations- und Gedächtnisstörungen geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 31 Weitere Kriterien zur Beurteilung: Primäre/ idiopathische Schlafstörung Ursachen für die Schlafstörung sind nicht erkennbar Sekundäre Schlafstörungen Ursachen für die Schlafstörung sind erkennbar und liegen nicht primär beim Schlaf, sondern bei einer anderen Störung Extrinsische Störungen Ursachen liegen außerhalb des Körpers (beispielsweise der schädliche Gebrauch von Substanzen, Schlafmangel, Umwelteinflüsse etc.) Intrinsische Störungen Organische und psychische Syndrome und Störungen Testverfahren: Frankfurter Aufmerksamkeits-Inventar Oxford-Sleep-Resistance-Test D2-Test Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen 1. Organische Erkrankungen/ (Ein- und Durch-)Schlafstörungen, Narkolepsie, Epilepsie, Schmerzsyndrome 2. Schlafstörungen aufgrund schädlichen Gebrauchs toxischer oder psychotroper Substanzen 3. Schlafstörungen aufgrund von Medikamenteneinnahme 4. Schlafstörungen als Begleitung affektiver Störungen mit oder ohne psychotische Symptome 5. Schlafstörungen als Begleitung neurotischer-, Belastungs- und somatoformer Störungen Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen im Vordergrund stehen und die Schlafstörung eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 32 Ursachen Die Ursachen von Schlafstörungen sind sehr vielfältig. Ihre Hauptursachen sind organische Störungen, der Gebrauch und Missbrauch von Substanzen bzw. Medikamenten und psychische Störungen. Individuelle Krisen, Life events, belastende Situationen können auch mit Störungen des Schlafes, des Schlafverhaltens, der Schlafqualität bzw. der Schlafquantität einhergehen. Auch wenn die Zuordnung zu keinem Ereignis möglich scheint, sind die auftretenden Schlafstörungen häufig Komorbiditäten neurotischer Störungen, Belastungs-/ Anpassungs- oder affektiver Störungen. Die wichtigsten Ursachen im Überblick: 1. Organische Erkrankungen (Veränderter Hormonhaushalt, Schmerzen, Restless-Leg-Syndrom etc.) 2. Schädlichen Gebrauchs toxischer oder psychotroper Substanzen (Alkohol, Amphetamine, Schlafmittel etc.) 3. Psychische Störungen (Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Belastungsstörungen etc.) 3. Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus (Schichtarbeit, ständiges Reisen unterschiedlicher Zeitzonen etc.) 4. Schlechte Schlafbedingungen (Lärm, Helligkeit, Unruhe etc.) Verlauf/ Prognose Der Verlauf und die Prognose der Schlafstörung sind unterschiedlich und hängen von den Ursachen, den Möglichkeiten sowie dem Vermögen des Betroffenen ab, die Situation zu beeinflussen und an erforderlichen Veränderungen mitzuwirken. Je nach Störungsbild kann eine Therapie mit Medikamenten, Psychotherapie, Entspannungstechniken oder sogar eine Kombination verschiedener Verfahren sinnvoll sein. Desweiteren spielt die Dauer der Erkrankung eine Rolle. Besteht die Schlafstörung schon sehr lange und wurden bereits unterschiedliche Behandlungen durchgeführt, wird eine mögliche Heilung mehr Zeit in Anspruch nehmen. Möglicher Schlafmittelmissbrauch macht die notwendige Therapie aufwändiger und umfangreicher. Bei sekundären Schlafstörungen hängt der Erfolg maßgeblich vom Therapieerfolg der Primärerkrankung ab. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 33 Therapie Ergänzend zu den kassenärztlich anerkannten Therapieverfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) bieten sich dem Heilpraktiker für Psychotherapie weitere vielfältige Therapieansätze, wie: - die integrative Therapie - die klientenzentrierte, nicht-direktive Gesprächstherapie nach Rogers - die systemische Therapie - die Hypnotherapie (NLP) - die Gestalttherapie - die künstlerische Therapie (Malen, Musik, Tanz, Theater etc.) - Entspannungsverfahren: Autogenes Training, Muskelentspannung nach Jacobsen etc. - Psychoedukation Weitere Behandlungsansätze in Kliniken: - Die Wachtherapie (Schlafentzug) Partieller (Schlafentzug in der 2. Nachthälfte) und vollständiger Schlafentzug mit möglicher anschließender Schlafphasenvorverlegung. Ergebnis: Messbare Verbesserung der Stimmung. Diese Therapie gehört zu den Standardbehandlungen in der stationären Behandlung von depressiven Störungen. Sie wirkt ausgleichend auf den Acetylcholin und Serotoninhaushalt im Gehirn. - Die medikamentöse Therapie Gabe von Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antihistaminika, Hypnotika (Mittel zum Einschlafen und Durchschlafen), Benzodiazepine etc. - Die Lichttherapie (beeinflusst den Zirkadianen-Rhythmus) - Eine Kombination aus einer Psychotherapie (bevorzugt die kognitive Verhaltenstherapie) mit Unterstützung durch Medikamente sowie der Wach- bzw. Lichttherapie Sonstiges entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 34 F52 Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit Einführung/ Definition allgemein Bei den sexuellen Funktionsstörungen handelt es sich um: - Störungen der sexuellen Appetenz, also dem Mangel oder sogar Verlust des sexuellen Verlangens (Anhedonie) - Störungen der sexuellen Erregung, also einer Veränderung der genitalen Reaktion (Erektionsstörungen, Impotenz, vaginale Sekretionsstörungen) - Störungen der Orgasmusfähigkeit (Anorgasmie), die durch das Fehlen oder Auftreten des Orgasmus ohne/ nach dem Geschlechtsverkehr gekennzeichnet sind Symptome Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F) G1 Die Betroffenen sind nicht in der Lage, eine sexuelle Beziehung so zu gestalten, wie sie möchten. G2 Die Funktionsstörung tritt häufig auf, kann aber bei einigen Gelegenheiten auch fehlen. G3 Die Funktionsstörung besteht seit mindestens 6 Monaten. G4 Die Störung ist nicht auf eine andere psychische oder Verhaltensstörung der ICD-10, auf körperliche Störungen (wie eine endokrine Störung) oder auf eine medikamentöse Behandlung zurückzuführen. Anmerkung: Jede Form der Funktionsstörung kann nach Schwere und Häufigkeit beurteilt werden. Mehrere Arten von Funktionsstörungen können nebeneinander bestehen. Grundproblem Kriterien für sexuelle Funktionsstörungen Andere Begriffe entwickelt: August 12 F52.0 F52.1 F52.2 Mangel/ Verlust von sexuellem Verlangen Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung Sexuelle Aversion, aufgrund von Furcht/ Angst oder Mangel an sexueller Befriedigung trotz funktionierender Abläufe Versagen genitaler Reaktionen Verlust des sexuellen Verlangens erfüllt Frigidität Sexuelle Hypoaktivität (Mann) Fehlende oder ungenügende Erektion (Frau) Versagen der genitalen Reaktionen erfüllt erfüllt (sexuelle) Anhedonie (Mann) Erektionsstörung (Frau) Psychogene Impotenz Störungen der sexuellen Erregung geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 35 F52.3 Grundproblem Kriterien für sexuelle Funktionsstörungen Andere Begriffe Ejaculatio praecox (Frau) Fehlender Orgasmus oder späteres Auftreten der Orgasmusstörung (Mann) Orgasmus nur im Schlaf Orgasmus nur ohne Partner Orgasmus ohne Geschlechtsverkehr Vorzeitige, zu frühe Ejakulation Ejakulation kann nicht herausgezögert werden Ursache ist keine lange Abstinenz erfüllt erfüllt (Mann/ Frau) Gehemmter Orgasmus Psychogene Anorgasmie F52.6 Grundproblem Kriterien für sexuelle Funktionsstörungen Andere Begriffe F52.4 Orgasmusstörung F52.5 Nichtorganischer Vaginismus Spasmus der perivaginalen Muskulatur, der eine Immissio des Penis verhindert/ unangenehm macht Es gab nie normale Reaktion oder Störung trat nach Periode normaler sexueller Reaktion auf erfüllt Psychogener Vaginismus F52.7 F52.8 Nichtorganische Dyspareunie Gesteigertes sexuelles Verlangen Sonstige sexuelle Funktionsstörungen (nichtorganisch) (Frau) Schmerzen am Introitus der Vagina während ges. GV oder nur beim tiefen Eindringen des Penis Die Störung ist nicht Folge eines Vaginismus (Mann) Schmerzen/ Beschwerden während der sexuellen Reaktion Die Beschwerden sind nicht durch körperliche Faktoren verursacht (Für diese Kategorie werden keine Vorschläge für Kriterien gemacht. Untersuchern wird empfohlen, selbst Kriterien zu entwerfen) (Für diese Kategorie werden keine Vorschläge für Kriterien gemacht. Untersuchern wird empfohlen, selbst Kriterien zu entwerfen) Nymphomanie Satyriasis Psychogene Dysmenorrhoe erfüllt Psychogene Dyspareunie Sexuelle Funktionsstörungen – Übersicht Appetenz Erregung Orgasmus Schmerz Entspannung Frau Mann Minderung sexuellen Verlangens (Libido), sexuelle Aversion. Ekel, Ängste, Frigidität → F52.0 Lubrikationsstörung, Hypersekretion → F52.1 Anorgasmie → F52.3 Schmerzhafte Kohabitation (Dyspareunie, Vaginismus) → F52.5 Nachorgastische Gereiztheit, Schlafstörungen, Weinanfälle, innere Unruhe → F52.9 Minderung sexuellen Verlangens (Libido), sexuelle Aversion. Ekel, Ängste, Frigidität → F52.0 Erektionsstörung, Priapismus → F52.2 Ejaculatio praecox → F52.4 E.Tarda, Ejaculatio ohne Orgasmus → F52.11 Schmerzhafte Kohabitation (Dyspareunie, Vaginismus) → F52.5 Nachorgastische Gereiztheit, Schlafstörungen, Weinanfälle, innere Unruhe → F52.9 Quelle: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie, K. Lieb, S. Frauenknecht, S. Brunnhuber, Urban & Fischer, 6. Auflage 2008, 1. Nachdruck 2009 entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 36 Diagnostische Kriterien aus somatischer Sicht Organsystem Auswirkungen Endokrines System (Stoffwechsel) Diabetes Hypophysenerkrankungen Schilddrüsenerkrankungen (Hyperthyreose) Östrogenmangel (Frau) Testosteronmangel (Mann) Kardiovaskulär Herzerkrankungen Arteriosklerose Gefäßveränderungen im Genitalbereich Entzündungen Dyspareunie Schmerzsyndrome aufgrund von Entzündungen Tumore Mit Auswirkungen auf die Hypophyse Im Genitalbereich Neurologisch Bandscheibenvorfälle Polyneuropathie Multiple Sklerose Medikamente/ Substanzen Fallgeschichte: Samira, seit 19 Jahren verheiratet, 39 Jahre, 1 Tochter Aktuelle Problematik: Samira berichtet über ihre "Unfähigkeit, irgendetwas zu fühlen" während des Sexualverkehrs mit ihrem Mann. Diese Schwierigkeiten begannen bereits vor 19 Jahren. Sie kommt auf Anraten ihres Mannes in die Poliklinik. Zu Beginn der Ehe wurde ihr Mangel an Empfindungen und das Ausbleiben des Orgasmus auf ihre Schüchternheit zurückgeführt. Nachdem sich die Symptome nicht legten suchten ihr Mann und sie diverse Heiler auf, deren Therapien aber leider keine Veränderung brachten. Ihr Mann beschreibt sie als abweisend und unempfindlich. Samira erinnert sich an eine kurze Zeitspanne, in der sie sich weniger freudlos fühlte. Sie hatte ihren Mann verlassen und forderte die Scheidung. Nachdem ihr Mann ihr drohte und ihr die Tochter wegnehmen wollte, kehrte sie zu ihm zurück. Da ihr Mann sehr enttäuscht von ihrem Mangel an Gefühlen war, zwang der sie zum Geschlechtsverkehr oder schlug sie. Im Laufe des Gespräches stellte sich heraus, dass Samira ihren Mann nur heiratete, weil der Mann den sie liebte eine andere Frau heiratete. Heimlich lebte sie ihre Phantasien in Form von Masturbation aus, in denen sie einen Orgasmus erleben konnte. Entwicklung: Samira kommt aus einer kinderreichen Familie, mit drei Söhnen und drei Mädchen. Sie besuchte die Schule, machte eine Ausbildung und arbeite anschließend in ihrem gelernten Beruf. Sie war gern unterwegs, extrovertiert und hatte viele Freunde. Mit 18 Jahren verliebte sie sich in einen Mann, der sie aber verließ. Samira fühlte sich verletzt und beleidigend und beschloss aus Trotz dem nächsten Vorschlag zur Eheschließung zu folgen. Das war ihr Mann. Diagnostik: Die psychopathologischen Untersuchungen von Samira sowie ihres Mannes ergaben, dass Samira keine positiven Gefühle für ihren Mann entwickeln konnte/ wollte. Jegliche Vorschläge seinerseits lehnte sie ab. In den gemeinsamen Sitzungen zeigte sich zunehmend, dass sie die Lösung aller Probleme in der Scheidung sah und sie unternahm jegliche Anstrengungen, den Therapeuten zur entsprechenden Aussage gegenüber ihrem Mann zu bewegen. Diagnose: Samira kam mit einer Orgasmusstörung, die lange besteht und die sich direkt auf ihren Ehemann bezieht. Ihre Intension zur therapeutischen Beratung ist getragen vom Bedürfnis nach Empfehlung zur Scheidung von professioneller Seite und nicht durch den Wunsch nach therapeutischer Behandlung. Die Diagnose lautet: F52.3 Orgasmusstörung entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 37 Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche und Laboruntersuchungen, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie, Gynäkologie, Urologie u.a.) Anamnesegespräch Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren Komorbiditäten (Begleitsymptome/-störungen) können sein beispielsweise - depressive Verstimmungen - Angststörungen/ soziale Phobie - Persönlichkeitsstörungen - Suchterkrankungen Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen 1. Affektive Störungen, wie Depression oder bipolare Störungen teilweise mit psychotischen Symptomen 2. Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen (diverse Typen) 3. Phobische Störungen, Angst-, Zwangs- oder Anpassungsstörungen 4. Suchtproblematik: Psychische bzw. Substanzmittelabhängigkeit 5. Organische Erkrankungen unterschiedlicher Genese Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen im Vordergrund stehen und das gestörte Verhalten eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 38 Ursachen Bei der Entstehung sexueller Funktionsstörungen sind lt. ICD-10 meist psychologische und somatische Prozesse beteiligt. Für die in diesem Kapitel aufgeführten Funktionsstörungen können folgende psychische Faktoren ursächlich auslösend sein: - Probleme der Persönlichkeit oder des Verhaltens - Familiäre Belastungen/ Probleme in der Partnerschaft/ Erziehung - Berufliche Belastungen/ (sexueller) Leistungsdruck/ Stress - Traumatische/ belastende (sexuelle) Erfahrungen Wird für die Entwicklung der „normalen Sexualität“ von dem Entwicklungsmodell nach Sigmund Freud ausgegangen, ließen sich folgende Phasen der Erregung aufführen: Phase Bezug Entwicklung Oral (1. Lebensjahr) Mund Lust bei der Nahrungsaufnahme, beim Einverleiben, beim Versorgtwerden Anal (2.-3. Lebensjahr) Anus Subjektive Kontrolle der Ausscheidungsfunktion, des Loslassens, der Abgrenzung Phallisch-ödipal (4.-6. Lebensjahr) Latenz (7.-12. Lebensjahr) Genitalien Erleben der Geschlechterunterschiede, des Werbens, der Konkurrenz Abnahme sexuellen Interesses Zunahme an Umweltaktivitäten, an sensomotorischen Fertigkeiten Verlauf/ Prognose Für die organisch bedingten sexuellen Dysfunktionen besteht nach dem Wegfall der Ursache eine gute Prognose für die Heilung. Mögliche verbleibende psychische Faktoren können durch eine entsprechende Psychotherapie behandelt werden. Der Erfolg einer Psychotherapie für die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit hängt von der Persönlichkeit des Betroffenen, seiner Fähigkeit und Bereitschaft zur (Zusammen-)Arbeit, seinem familiären und sozialen Umfeld sowie der Beziehung zum Therapeuten ab. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 39 Therapie Folgende Therapieansätze haben sich in für entsprechende Funktionsstörungen als erfolgreich gezeigt: - Paartherapie nach William Howell Masters und Virginia Johnson mit therapeutischen Gesprächen, praktischen Verhaltensübungen, Austausch der Erfahrungen aus den Übungen sowie gemeinsame Bearbeitung der Probleme - Sensualitätstraining bei Erektionsstörungen bzw. Vaginismus mit Übungen zum Wiedererlangen sensueller Erfahrungen mit dem Partner unter Ausschluss von Leistungsdruck - Teasing- und Squeeze-Technik bei Ejaculatio praecox mit Trainingsübungen zur Verlängerung der Erregung und zum Erlangen der Kontrolle über den Vorgang der Ejakulation - Hegarstifte bei Vaginismus mit Übungen anhand von Metallstiften, die eine normale Reaktion der Vagina fördern bzw. wiederherstellen sollen Ergänzend zu den kassenärztlich anerkannten Therapieverfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) bieten sich dem Heilpraktiker für Psychotherapie weitere vielfältige Therapieansätze, wie: - die klientenzentrierte, nicht-direktive Gesprächstherapie nach Rogers - die integrative Therapie - die systemische Therapie - die Hypnotherapie (NLP) - die Gestalttherapie - Paartherapie auf Basis lerntheoretischer Übungen Sonstiges entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 40 F53 Psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett, andernorts nicht klassifiziert Einführung/ Definition allgemein Kommentar lt. ICD-10 „Die Aufnahme dieser Kategorie geschah in Anerkennung der großen praktischen Probleme in vielen Entwicklungsländern, denn dort sind detaillierte Informationen über viele Fälle der Wochenbettstörungen praktisch unmöglich zu erhalten. Jedoch auch ohne ausreichende Einzelheiten für die Diagnosestellung, häufiger eine affektive Störung, seltener eine Schizophrenie, ist dennoch in der Regel genügend bekannt, um zumindest die Diagnose einer leichten (F53.0) oder schweren (F53.1) Störung zu stellen. Diese Unterteilung ist für die Abschätzung der Arbeitsbelastung nützlich und auch für planerische Entscheidungen über die Einrichtung von Gesundheitsdiensten.“ Die Feststellung, dass während des Wochenbetts 10x häufiger psychische Störungen (überwiegend depressive Episoden, seltener schizophrene oder schizoaffektive Episoden) auftreten als während der übrigen Lebenszeit der Frau, gab Anlass zu dieser Klassifikation. Sollte diese Form der Depression einmal aufgetreten sein ist das Risiko erhöht, nach weiteren Geburten ebenfalls wieder zu erkranken. Symptome Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F) Psychische Störung, - die im Zusammenhang mit dem Wochenbett klassifiziert wird, - deren Beginn innerhalb von 6 Wochen nach der Geburt ist, - weil spezielle klinische Aspekte vorliegen (Geburt), - weil die Klassifikation an anderer Stelle unangemessen erscheint. F53.0 Leichte psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, andernorts nicht klassifiziert Nicht näher bezeichnete postnatale/ postpartale Depression F53.1 Schwere psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, andernorts nicht klassifiziert Nicht näher bezeichnete Puerperalpsychose Diagnostische Kriterien aus somatischer Sicht Diese Kriterien entsprechen den Kriterien der depressiven Episoden (→ F32) bzw. der schizophrenen Störungen (→ F20) mit dem Unterschied, dass sie hier einem auslösenden Faktor zugeordnet werden kann und von einem Abklingen der Störung ausgegangen wird. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 41 Typische Symptome der Psychopathologie Veränderungen (je nach Schweregrad) Bewusstsein –quantitativ - Bewusstsein –qualitativ Bewusstseinseinengung möglich Orientierung - Auffassung/ Konzentration/ Gedächtnis Verlangsamt Zwänge/ Ängste/ Phobien Wahrscheinlich Denkstörungen –formal Denkstörungen –inhaltlich Konzentrations-/ Aufmerksamkeitsstörungen, eingeengtes Denken, Grübeln, verlangsamtes Denken bis zur Denkhemmung, einfallslos, Wortfindungsstörungen. Selbstvorwürfe, vermindertes Selbstwertgefühl/ -vertrauen, Schuldgefühle, Wahnideen (Verarmungs-/ Versündigungswahn, hypochondrische -/ nihilistische Wahnideen) Sinnestäuschungen/ Halluzinationen - Ich-Störungen - Affektivität Antrieb/ Psychomotorik Intelligenz Vegetative Symptomatik Suizidalität entwickelt: August 12 Depressive Stimmung, empfindungslos, freudlos, hoffnungslos, schwermütig, traurig, bedrückt, ängstlich, verschlossen, schuldig, besorgt, interessenlos, verzweifelt Antrieb gehemmt oder fehlt (bis zum Stupor), initiativlos, entscheidungslos und müde. Mimik, Gestik, Bewegungen, Reaktionen verlangsamt, wie eingefroren. Antriebshemmung morgens am stärksten ausgeprägt. Mangelnde Leistungsfähigkeit, Schweregefühl, Energielosigkeit. In Sonderfällen findet sich eine starke innere Unruhe und Rastlosigkeit (Agitiertheit), in sich in ziellosen Aktivitäten äußert. Schlaf- und Durchschlafstörungen mit frühem Erwachen (Störung des zirkadianen Rhythmus). Appetitlos (unbehandelt häufig deutliche Gewichtsabnahme), Libidoverlust, fehlende Menstruation, Magen-Darm-Probleme, hohe Schmerzempfindlichkeit, Erhöht ! (Suizidgedanken, Suizidhandlungen mit Schweregrad der depressiven Stimmung zunehmend wahrscheinlich) geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 42 Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche und Laboruntersuchungen, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie, Gynäkologie u.a.) Anamnesegespräch Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen Bereits vor der Geburt diagnostizierte, behandelte Störungen, wie 1. Affektive Störungen, wie Depression oder bipolare Störungen teilweise mit psychotischen Symptomen 3. Phobische Störungen, Angst-, Zwangs- oder Anpassungsstörungen 4. Suchtproblematik: Psychische bzw. Substanzmittelabhängigkeit 5. Organische Erkrankungen unterschiedlicher Genese die entsprechende Symptome aufweisen. Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen im Vordergrund stehen und das gestörte Verhalten eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. Ursachen Ursachen können sein - Hormonolle Veränderungen aufgrund des Geburtsvorgangs - Aufkommende Ängste, Sorgen, Gefühl der Überforderung oder Schuldgefühle - Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen - Probleme in der Partnerschaft entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 43 Verlauf/ Prognose Die Prognose der psychischen Erkrankungen nach der Geburt ist sehr gut. Auch wenn die Zeit für die Betroffene leidvoll und langwierig erscheint, klingen die Symptome bei nahezu 100 % wieder ab. Für den erfolgreichen Verlauf scheinen eine professionelle Unterstützung und Psychoedukation entscheidend. Therapie Ergänzend zu den kassenärztlich anerkannten Therapieverfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) bieten sich dem Heilpraktiker für Psychotherapie weitere vielfältige Therapieansätze, wie: - die klientenzentrierte, nicht-direktive Gesprächstherapie nach Rogers - die integrative Therapie - die systemische Therapie - die Hypnotherapie (NLP) - die Gestalttherapie - Einzel-/ Paartherapie auf Basis lerntheoretischer Übungen - Psychoedukation Sonstiges entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 44 F54 Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen Einführung/ Definition allgemein Kommentar lt. ICD-10 „Diese Kategorie sollte verwendet werden, um psychische Faktoren und Verhaltenseinflüsse zu erfassen, die eine wesentliche Rolle in der Ätiologie und im Verlauf körperlicher Erkrankungen spielen, … Die sich hierbei ergebenden psychischen Störungen sind meist leicht, oft langanhaltend (…) und rechtfertigen nicht die Zuordnung zu einer der anderen Störungen des Kapitels V.“ „In den seltenen Fällen, in denen eine psychische Störung wahrscheinlich eine körperliche Erkrankung verursacht hat, soll ein zweiter zusätzlicher Kode für die psychische Störung verwendet werden.“ Psychosomatik – Die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche Die Krankheitslehre der Psychosomatik beschäftigt sich mit den Einflüssen psychischer Faktoren auf somatisches Geschehen bzw. Auswirkungen somatischer Faktoren auf psychische Prozesse. So kann beispielsweise eine psychische Erregung, die nicht adäquat verarbeitet werden kann, ein somatisches Symptom (vegetative Neurose) ausbilden (Leib-Seele-Problem). Auf der Basis der Konversionsstörungen von Sigmund Freund wurde durch Georg Groddeck das physische Symptom als Ausdrucksmittel des verdrängten und unterdrückten ES beschrieben. Dieer psychoanalytische Erklärungsansatz wurde beispielsweise durch Franz Alexander, Alexander Mitscherlich bis heute weiterentwickelt. Er bildet einen Zweig der psychosomatischen Medizin. Andere tiefenpsychologisch orientiert Schulen entwickelten den Ansatz auf Basis des Stressmodells weiter, der sich heute in Form der Psycho(neuro)immunologie wissenschaftlich zunehmender Bedeutung erfreut. Das Konzept der Balint-Gruppe (Michael Balint) findet in diesem Bereich verbreitet Anwendung. Interessantes aus der Wissenschaft Thema Herz und Psyche 1 Ausschnitt aus Der Spiegel, Wissen, Mein Herz, Nr. 3/ 2012 – Kapitel 4, Seele und Herz, Siamesische Zwillinge, Eva-Maria Schnurr „…Wer seelisch ohnehin schon weit unten ist, wer in einer schwierigen Beziehung leidet, sozial benachteiligt lebt oder im Job unfair behandelt wird, der erleidet sehr viel wahrscheinlicher einen Infarkt als ein unbekümmerter Optimist, der wer auf Wolken durch Leben schreitet. Vor allem Depressionen rückten in den vergangenen Jahren in den Fokus der Forscher. Erschrocken stellen Wissenschaftler fest, dass schwer Depressive ein doppelt so hohes Risiko für einen Herzinfarkt haben wie Gesunde. Und sie realisieren, dass die Route zwischen Herz und Gefühlszentrum im Gehirn in beide Richtungen verläuft: Herzkranke leben ebenfalls deutlich kürzer, wen ihre Stimmung gedrückt ist oder sie Angst haben… Besonders tückisch ist, dass derzeit niemand so recht weiß, was die beste Behandlung für die Betroffenen ist. Denn bisher gibt es nur Vermutungen darüber, wie genau Herz und Psyche miteinander in Verbindung stehen… entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 45 >Vitale Erschöpfung< heißt dieser Zustand (Anmerkung: Zustand der völligen Kraftlosigkeit mit dem Gefühl, dass etwas nicht den Maastricher Wissenschaftler in den achtziger Jahren erstmals als eine Art >Knick in der Lebenslinie< beschrieben. Ziemlich genau ein halbes Jahr vor einem Infarkt sinkt bei vielen Patienten die Stimmung, macht lähmende Antriebslosigkeit jeden Schritt zur Qual. Die Symptome seien ähnlich wie bei einem Burnout, sagt der Münchner Wissenschaftler Ladwig, häufig fühlten die Patienten sich, als sei ihre Batterie leer. stimmt), Der Epidemiologe hält diese düsteren Vorzeichen für ein Indiz, dass depressive Verstimmungen bei Herzkranken eine andere Ausprägung der Krankheit darstellen als bei körperlich Gesunden. >Beim klinischen Bild einer Depression bei Herzkranken fehlen oft Schuld- und Versagensgefühle. Dafür stehen eher Erschöpfungssymptome im Vordergrund<, meint Ladwig. Diese Art der Stimmungstrübung könnte direkt mit den Krankheitsprozessen im Körper zu tun haben. Gemeinsame Wurzel für Depressionen wie koronare Herzkrankheit scheint längerfristiger Stress zu sein. Der Körper gerät in Daueralarm, schüttet Botenstoffe wie Adrenalin und Cortisol aus. Diese bringen die Balance im autonomen Nervensystem durcheinander, das Blutdruck und Herzschlag reguliert. Ein messbares Zeichen dieses Ungleichgewichts ist die verringerte Variabilität der Herzfrequenz, die der Mediziner Jordan bei seinen Patienten aufzeichnet. Auch im Immunsystem richtet chronischer Stress Schäden an: Der Körper reagiert mit einer leichten, aber andauernden Entzündungsreaktion und schwemmt entsprechende Botenstoffe ins Blut. De aber stehen im Verdacht, Arteriosklerose – umgangssprachlich Arterienverkalkung – zu verursachen oder zu verschlimmern und so die Gefäße bedrohlich zu verengen. Umgekehrt manipulieren solche Entzündungsmarker auch das Gemüt: Sie verursachen gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit und Erschöpfung – verblüffend ähnlich den körperlichen Symptomen einer Depression. Weil bei Herzschwäche oder einem Herzinfarkt jede Menge dieser schlappmachenden Botenstoffe im Körper zirkulieren, könnte das erklären, warum bei vielen Herzpatienten der Lebensmut sinkt. Auch bestimmte Genvarianten stehen im Verdacht, die Anfälligkeit sowohl für Depressionen als auch für Herzprobleme zu erhöhen. Und nicht zuletzt hängen offenbar Misshandlungen oder Vernachlässigungen in der Kindheit wie ein Damoklesschwert über dem weiteren Leben… >Eine klassische Psychotherapie brauchen zum Glück die wenigsten Herzpatienten mit depressiven Verstimmungen<, meint auch der Münchner Epidemiologe Ladwig. Wichtiger seien entlastende Gespräche und psychosoziale Unterstützung, etwa durch Sport, Stressmanagement und Austausch mit anderen Kranken…“ Thema Herz und Psyche 2 Ausschnitt aus Der Spiegel, Wissen, Mein Herz, Nr. 3/ 2012 – Kapitel 4, Seele und Herz, Die Tintenfischfalle, Catalina Schröder „… Diagnose: gebrochenes Herz. Die Krankheit mit dem kitschigen Namen kann tödlich sein. Beim Broken-Heart-Syndrom schüttet der Körper eine Überdosis Adrenalin und andere Stresshormone aus, die Herzkranzgefäße verengen sich und das Blut zirkuliert nicht mehr richtig. Die Pateinten bekommen kaum noch Luft, fühlen sich schwach und haben Schmerzen im Brustkorb, Symptome, wie sie für einen Herzinfarkt typisch sind… >Diese Patienten leiden unter einer schweren emotionalen Belastung<, erklärt Nienaber (Christoph Nienaber, >Das kann etwas Positives sein, beispielsweise ein Lottogewinn. In der Regel ist es aber ein negatives Erlebnis: Ein Angehöriger ist plötzlich gestorben, sie haben miterlebt wie jemand fast ertrunken ist, oder sie wurden überfallen<. Direktor der Kardiologie an der Uni-Klinik Rostock). In der Regel sind es Frauen, die unter dem Broken-Heart-Syndrom leiden. Nur in seltenen Fällen wird die Krankheit auch bei Männern diagnostiziert. >Die Frauen haben die Wechseljahre hinter sich und sind zwischen 50 und Ende 70, wenn sie erkranken<, erklärt Nienaber…>Eine Theorie lautet, dass der weibliche Körper nach den Wechseljahren besonders stark auf Stresshormone reagiert<, sagt Nienaber. >Bewiesen ist das bislang nicht<. Mediziner nennen das Broken-Heart-Syndrom auch Stress-Kardiomyopathie oder Tako-Tsubo – Tintenfischfalle. Dieser Begriff stammt von japanischen Ärzten. Sie diagnostizierten die Krankheit erstmals Anfang der neunziger Jahre und fanden, dass die linke Herzkammer ihrer Patientinnen einer Tintenfischfalle ähnlich sieht: einem runden Krug mit einem kurzen Hals.“ entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 46 Thema Herz und Psyche 3 Ausschnitt aus Der Spiegel, Wissen, Mein Herz, Nr. 3/ 2012 – Kapitel 4, Seele und Herz, Lebe in der Idylle, Eva-Maria Schnurr „…Es ist die Quintessenz zahlreicher Forschungsarbeiten der vergangenen Jahre: Ein Musterleben aus dem Heile-Welt-Katalog ist einfach gut für jedes Herz. Eine Zumutung, angesichts der Fährnisse einer modernen Existenz? Vielleicht. Aber auch eine Chance. Denn Liebe und Freundschaft, soziale Unterstützung und Optimismus wiegen offenbar Sünden wie ungesunde Ernährung und Übergewicht zumindest ein Stück weit auf. Komisch, dachten sich Ärzte, als sie im Jahr 1961 Daten des Sterberegisters aus dem Örtchen Roseto, gelegen im Osten des US-Bundesstaates Pennsylvania, zu Gesicht bekamen: Verglichen mit den nur wenige Kilometer entfernten Nachbarorten starben in Roseto halb so viele Einwohner an Herzinfarkt. Auch Arterienverkalkung bekamen sie viel seltener, obwohl sie kein Stück gesünder lebten als ihre Nachbarn:… Sozialwissenschaftler und Ärzte um Stewart Wolf und John Bruhn von der Universität Oklahoma begannen, nach den entscheidenden Unterschieden zwischen Roseto und seinen Nachbarorten zu fahnden… Genetische Besonderheiten konnten sie bald ausschließen. Aber sie nahmen eine andere Spur auf: Roseto war 1882 von italienischen Auswanderern gegründet worden. Zwar hatten die Bewohner ihre Ernährung im Laufe der Jahre an die neue Heimat angepasst. Doch ansonsten pflegten sie weiter die alten Bräuche: Fast in jedem Haus lebten die Familien in drei Generationen zusammen. 95 Prozent der Einwohner engagierten sich in Vereinen fast alle besuchten regelmäßig die katholische Messe. Und als wären das noch nicht idyllisch genug, gab es auch so gut wie keine Kriminalität, und niemand war auf Sozialhilfe angewiesen. Zwar kannte auch Roseto soziale Unterschiede, doch niemand protzte mit seinem Reichtum; den Wissenschaftlern fiel auf, dass sie in ihren Interviews wohlhabende und ärmere Bewohner kaum voneinander unterscheiden konnten. Man half sich und feierte oft und viel gemeinsam. …Das Leben war konform und vorhersagbar… Doch vermutlich waren es genau diese unaufgeregte Stabilität der Gemeinschaft, der enge Familienzusammenhalt und die soziale Unterstützung, die die Menschen so gesund hielten… Die plausibelste Vermutung hat mit Stress zu tun: Wer in einem wenig wettbewerbsorientierten Umfeld lebt, in dem die Menschen sich gegenseitig unterstützen, wo keiner isoliert ist und niemand fürchten muss die Dinge nicht mehr im Griff zu haben, der hat wahrscheinlich kaum mit dauerhaft negativem Stress zu tun. Denn der schädigt auf verschiedene Weise die Pumpe…“ entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 47 Die „holy seven“ nach Franz Alexander (Anmerkung: Dieser Ansatz wurde wissenschaftlich bereits teilweise widerlegt. So ist heute beispielsweise der Einfluss der „Heliobacter pylori“ als Auslöser für Magengeschwüre entlarvt. Für die entzündlichen Darmerkrankungen zeigen sich auch verstärkt toxische Substanzen als Auslöser und bei der rheumatoiden Arthritis wird häufig von einer Sekundärerkrankung gesprochen, die auf eine nicht ausgeheilte, latent wirkende somatische Primärerkrankung hinweist.) Folgende psychosomatische Krankheitsbilder fasste Franz Alexander als primär somatische Reaktionen auf konflikthaftes Erleben bzw. eine psychische Dauerspannung zusammen: - Asthma bronchiale (Atopischer Formenkreis) - Neurodermitis (Atopischer Formenkreis) → Atemnot aufgrund verengter entzündeter Atemwege in der Lunge (allergisch, berufs-/ arzneimittel-/ infekt-/ belastungsbedingt) → Brennende, juckende, nässende, blasenbildende Entzündungen betroffener Hautstellen (bevorzugt Gesicht, Ellenbeugen, Kniekehlen, Hände). Auch endogenes Ekzem, atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis genannt. Gehört mit dem allergischen Asthma bronchiale, der Rhinitis allergica (Heuschnupfen) und der allergischen Konjunktivitis (Bindehautentzündung) zum atopischen Formenkreis (=ungewöhnlich überempfindliche Reaktion auf eigentlich harmlose Umwelteinflüsse). - Hyperthyreose → Zunehmende Hormonsekretion der Schilddrüse (Morbus Basedow, Schilddrüsenautonomie) - Essentielle Hypertonie → Primärer Bluthochdruck, bei dem keine körperliche Ursache als Auslöser festgestellt werden kann - Ulcus duodeni Ulcus ventriculi → Zwölffingerdarmgeschwür → Magengeschwür - Colitis ulcerosa → Chronisch entzündlich geschwürige Dickdarmerkrankung mit häufigen blutig-schleimigen Stuhlentleerungen täglich (Autoimmunerkrankung). Ebenfalls zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) gehört der Morbus Crohn (Erkrankung des gesamten Darms). - Rheumatoide Arthritis → Das gesamte System (Körper) betreffende entzündliche Erkrankung. Diese aggressive Autoimmunerkrankung kann über entzündliche Prozesse vom Kopf, bis zum Fuß diverse Organe und Organsysteme befallen und sogar zerstören (Sklerodermie, Lupus, Psoriasis, Vaskulitis, Pneumonie u. v. m.). Symptome Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F) Psychische Faktoren und Verhaltenseinflüsse, die körperliche Störungen bewirken bzw. eine wesentliche Rolle für die Entstehung und den Verlauf der Erkrankung spielen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 48 Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche und Laboruntersuchungen, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie, Gynäkologie u.a.) Anamnesegespräch Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen 1. Affektive Störungen, wie Depression oder bipolare Störungen teilweise mit psychotischen Symptomen 3. Phobische Störungen, Angst-, Zwangs- oder Anpassungsstörungen 4. Somatoforme, dissoziative und andere neurotische Störungen 5. Suchtproblematik: Psychische bzw. Substanzmittelabhängigkeit 6. Organische Erkrankungen unterschiedlicher Genese die entsprechende Symptome aufweisen. Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen im Vordergrund stehen und das gestörte Verhalten eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 49 Ursachen Unterschiedliche Ansätze und Störungsmuster werden und wurden diskutiert. Ansatz Konversionsmodell Begründer Sigmund Freud Spezifitätsthese Franz Alexander Lerntheorien Diverse Stresstheorie Psychoneuroimmunologie Diverse Schwerpunkt Das körperliche Symptom ist das Ergebnis eines verdrängten unbewussten Konfliktes, der nicht gelöst werden konnte. Das Symptom hat einen Symbolcharakter und verrät so, welcher Konflikt verborgen wird. Die Suche nach dem Konflikt, das Bewusstwerden und dessen Auflösung erzeugt Heilung. Beispiel: Jemand hat Schnupfen, er hat die Nase voll von… Es gibt einen Zusammenhang zwischen psychischem Konflikt und körperlichem Vorgang. Dieser drückt sich in dysfunktionalen Gewohnheiten, Körperhaltungen bzw. im affektiven Verhalten aus. Orale Bedürfnisse zeigen sich über den Magen, anale Wünsche zeigen sich über den Darm, Ambivalenzkonflikte führen zu Asthma. Beispiel: Der unerfüllte Wunsch nach Versorgung wird zum Magengeschwür Lern- und Konditionierungsvorgänge bilden die Basis für unser Verhalten. Werden in Situationen der Überforderung bestimmte Verhaltensmuster erlernt, können sich diese später als unpassend für andere Situationen darstellen. Diese Muster können als Verhaltensauffälligkeiten bzw. als eine erlernte Hilflosigkeit zu zunehmenden Problemen führen. Situationen, die Stress erzeugen wirken über Hormone, das vegetative Nervensystem, Muskelkontraktionen etc. direkt auf den Körper und seine Organsysteme. Diese Abläufe erzeugen im Körper kurzfristig bzw. bei häufigen Wieder-holungen stetig pathologische Reaktionen, die sich zu einem krankhaften Geschehen entwickeln können. Jeder Ansatz bemüht sich um entsprechende wissenschaftliche Beweisführung. Allerdings zeigt sich auch hier zunehmend, dass das Geschehen multifaktoriell ist. Eine einfache Ursache ist nicht zu finden. Es zeigt sich immer deutlicher, dass eine Mischung der aufgeführten Ansätze mit vielen weiteren Theorien, soziokulturellen Einflüssen, genetischen Faktoren und individuellen Dispositionen Auslöser und Motoren dieser Erkrankungen sind. Die Psycho(neuro)immunologie hat erste wissenschaftlich überprüfte Ergebnisse zum Ablauf der körperlichen Prozesse, die diese Erkrankungen auslösen und erhalten. Verlauf/ Prognose Unter medikamentöser Begleitung der somatischen Störungsbilder kann der chronische Verlauf der Erkrankung bis ins hohe Alter meist weitestgehend reguliert werden. Nicht zu unterschätzen sind die stetigen Begleiterscheinungen, -symptome, Schmerzen, Nebenwirkungen der Medikamente und die psychischen Anspannungen als tägliche Begleiter im Alltag. Die Dauertherapie bzw. die andauernden Entzündungen kosten die Erkrankten viel Kraft. Der berufliche Wettbewerb um Leistung, Ausdauer, Stress, Konzentration und Performance kann über einen langen Zeitraum zusätzlich ermüdend sein. Von Familienmitgliedern wird, wie bei vielen anderen Erkrankungen auch, Unterstützung, Verständnis. Geduld, Kompromissbereitschaft und Zuspruch benötigt. Achtung ! Aus therapeutischer Sicht ist schwer zu unterscheiden, ob mögliche psychische Symptome Ursache oder Folge der Erkrankung sind. Viele Betroffene eignen sich sogenannte Copingstrategien an, um ihren Alltag in Familie und Beruf erfolgreich meistern zu können. Diese Strategien können für Außenstehende unverständlich und störend erscheinen. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 50 Therapie Ergänzend zu den kassenärztlich anerkannten Therapieverfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) bieten sich dem Heilpraktiker für Psychotherapie weitere vielfältige Therapieansätze, wie: - die klientenzentrierte, nicht-direktive Gesprächstherapie nach Rogers - die integrative Therapie - die systemische Therapie - die Hypnotherapie (NLP) - die Gestalttherapie - Einzel-/ Paartherapie auf Basis lerntheoretischer Übungen - Psychoedukation Sonstiges entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 51 F55 Schädlicher Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen Einführung/ Definition allgemein Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der missbräuchlichen Verwendung von Medikamenten und Naturheilmitteln. Dabei handelt es sich um Substanzen, die teilweise mit und teilweise ohne ärztliche Verordnung erhältlich sind, aber keine körperliche Abhängigkeit erzeugen. Symptome Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F) Eine große Zahl von Medikamenten und Naturheilmitteln können missbräuchlich angewendet werden. Die wichtigsten Gruppen sind: 1. Psychotrope Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen, z. B. Antidepressiva, 2. Laxantien, 3. Analgetika, die ohne ärztliche Verordnung erworben werden können, z. B. Acetylsalicylsäure und Paracetamol Der anhaltende Gebrauch dieser Substanzen ist oft mit unnötigen Kontakten mit medizinischen und anderen Hilfseinrichtungen verbunden und manchmal von schädlichen körperlichen Auswirkungen der Substanzen begleitet. Versuche, dem Gebrauch dieser Substanzen entgegenzusteuern oder ihn zu verbieten, stoßen oft auf Widerstand. Bei Laxantien und Analgetika führt der Missbrauch trotz Warnungen davor zu körperlichen Schäden; oder trotz der Entwicklung derselben wird der schädliche Gebrauch fortgesetzt. So können Nierenfunktions- oder Elektrolytstörungen auftreten. Obwohl die betreffende Person ein starkes Verlangen nach der Substanz hat, entwickeln sich keine Abhängigkeits- bzw. Entzugssymptome wie bei den unter F10 – F19 klassifizierten Substanzen. Ausschluss: Missbrauch abhängigkeitserzeugender psychotroper Substanzen (F10 – F19) Bei den Substanzen kann es sich handeln um: - Antidepressiva Laxantien Analgetika (Schmerzmittel, die nicht unter den psychotropen Substanzen (F1) erwähnt sind Antacida Vitamine, Spurenelemente etc. Steroide und Hormone (auch Melatonin) Pflanzen und Naturheilmittel Sonstige nichtabhängigkeitserzeugende Substanzen (wie Diuretika) Nicht näher bezeichnete Substanzen entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 52 Fallgeschichte: Marlene, 60 Jahre, verwitwet, 3 Kinder Aktuelle Problematik: Marlene erzählt bei Ihrem Termin in der Klinik, sie nehme täglich Laxantien und andere unterschiedliche Tabletten für ihre Verdauung. Ihre Kinder empfinden ihren Konsum als exzessiv und schichten ihre Mutter in die Klinik. Marlene bestätigt die Einnahme, hält diese aber nicht für schädlich oder für ein Problem. Sie ist eher von dem Nutzen überzeugt, da sie diese Medikamente bereits seit über 20 Jahren einnimmt, wegen ihrer Verstopfung. Allerdings war die beste Wirkung am Anfang vor 20 Jahren. Entgegen der Meinung ihrer Kinder streitet Marlene mögliche Suchtmerkmale ihres Konsums ab, auch wenn sie nicht mit der Einnahme aufhören kann. Entwicklung: Marlene kommt aus einer Großfamilie der Mittelschicht und arbeitet als Professorin. Sie wirkt aufgeschlossen, fürsorglich, freundlich und glücklich. Körperliche Erkrankungen liegen und lagen nicht vor. Diagnostik: Marlene ist gut gekleidet, wirkt gepflegt und fröhlich. Die Gespräche zum aktuellen Thema nimmt sie auf die leichte Schulter, sie folgt dem Wunsch ihrer besorgten Kinder, die sie damit beruhigen will. Die Psychopathologie weist keine Störungen auf. Der im Gespräch formulierten Unterlassung des Laxantienkonsums will sie nicht zustimmen. Diagnose: Trotz fehlender körperlicher Abhängigkeit bzw. Entzugssymptomatik beim Gebrauch von Laxantien spricht der Widerstand zum Einstellen der Einnahme für eine psychische Abhängigkeit und sollte entsprechend diagnostiziert werden. Die Diagnose lautet hier: F55.1 – Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit erzeugen - Laxanzien Anamnese/ Diagnostik Methode Fachbereich Inhalt Anamnese(gespräch) Ärzte (fachübergreifend) Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome (Körperliche und Laboruntersuchungen, Psychopathologie) Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie, Kardiologie, Gastroenterologie, u.a.) Anamnesegespräch Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Untersuchung Psychischer Symptome (Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte) Auswertung Ärzte (fachübergreifend) Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten Psychotherapeut (Dipl./ HPP) Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome, Auffälligkeiten, Komorbiditäten Differentialdiagnostik entwickelt: August 12 Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 53 Differentialdiagnostik Abzugrenzende Erkrankungen/ Störungen 1. Affektive Störungen, wie Depression oder bipolare Störungen teilweise mit psychotischen Symptomen 3. Phobische Störungen, Angst-, Zwangs- oder Anpassungsstörungen 4. Somatoforme, dissoziative und andere neurotische Störungen 5. Suchtproblematik: Psychische bzw. Substanzmittelabhängigkeit 6. Persönlichkeitsstörungen 7. Organische Erkrankungen unterschiedlicher Genese die entsprechende Symptome aufweisen. Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen im Vordergrund stehen und das gestörte Verhalten eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen. Ursachen Hinter dem Missbrauch von nichtabhängigkeitserzeugender Substanzen, der im Alltag meist auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, verstecken sich multikausale Gründe. Möglicherweise ist das schädliche Verhalten nicht so stark ausgeprägt, dass eine Diagnose für ein anderes Störungsbild gerechtfertigt wäre. Verlauf/ Prognose Die dauerhafte Anwendung von Substanzen führt langfristig zu erheblichen körperlichen Schäden. Ein Ausstieg aus diesem psychischen Dilemma ist nur möglich, wenn der Erkrankte eine Behandlung zulässt und die Therapie als Chance zur Verhaltensänderung nutzt. entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3 Klinische Psychiatrie nach ICD-10 Seite 54 Therapie Ergänzend zu den kassenärztlich anerkannten Therapieverfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) bieten sich dem Heilpraktiker für Psychotherapie weitere vielfältige Therapieansätze, wie: - die klientenzentrierte, nicht-direktive Gesprächstherapie nach Rogers - Psychoedukation/ Therapie auf Basis lerntheoretischer Übungen - die integrative Therapie - die systemische Therapie - die Hypnotherapie (NLP) - die Gestalttherapie Sonstiges entwickelt: August 12 geprüft: 16. Mai. 2014 Revision: 1.3