Mastitis-Metritis-Agalaktie (MMA) Wirtschaftliche Bedeutung Der Mastitis-Metritis-Agalaktie-Komplex ist klinisch durch einen starken Rückgang oder sogar das Versiegen der physiologischen Milchsekretion 24 bis 48 Stunden nach der Geburt gekennzeichnet. In der Regel ist die Hypo- oder Agalaktie der Sau von einem gestörten Allgemeinbefinden mit Fieber begleitet. Darüber hinaus liegt oft eine Mastitis vor, während eine Metritis eher selten diagnostiziert werden kann. Der Begriff MMA ist daher etwas irreführend. Andere Autoren bezeichnen diese Puerperalstörung daher als puerperale Septikämie und Toxämie (pST) oder aufgrund der Beteiligung der coliformen Bakterien in Analogie zum Rind als Coli-Mastitis. In der englischsprachigen Literatur findet sich auch häufig der Begriff post-partum dysgalactia syndrome (PPDS). Gerade in der Stallhaltung spielt dieser peripartale Krankheitskomplex mit 24,5 Prozent eine große Rolle. In anderen Erhebungen lag der Anteil dieser Puerperalerkrankungen zwischen 21,6 und 28,5 Prozent. In Problembeständen wird er sogar mit bis zu 80 Prozent angegeben. Neben der Erkrankung der Sau und den sich in der Regel daraus ergebenden späteren Konzeptionsstörungen, führt insbesondere die höhere peripartale Mortalitätsrate (4 Prozent) der Ferkel sowie die hohe Zahl der Kümmerer zu großen finanziellen Verlusten. Zu Todesfällen unter den Ferkeln kommt es in erster Linie durch Erdrücken der meist ohnehin schon geschwächten Ferkel. Durch Hypo- oder Agalaktie kommt es zu einem Verhungern der Ferkel. Eine ungenügende Kolostrumaufnahme kann zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit der Ferkel führen. Der hohe Infektionsdruck kann außerdem Durchfall verursachen. Ätiologie Der MMA-Komplex ist ein multifaktorielles Geschehen, für das bereits mehr als 30 ätiologische Ursachen beschrieben wurden und an dem Sauen allen Alters erkranken. Verantwortlich für die auftretende Mastitis und (Endo)Metritis sind coliforme Keime (gramnegativ), die jedoch prozentual in beiden Organen unterschiedlich häufig nachgewiesen werden. Außerdem sind stets Klebsiella pneumoniae und Staphylokokkus aureus sowie Staphylokokkus epidermidis Vetion.de Rehbrücker Weg 4 14165 Berlin www.vetion.de [email protected] 030 / 804 999 37 -1- nachweisbar. Verschiedene alpha-hämolysierende Streptokokkenstämme (grampositiv) können ebenfalls häufig isoliert werden. Seltener hingegen finden sich Mikrokokken und Arcanobacterium pyogenes. Während es sich bei der Mastitis stets um eine Mischinfektion handelt, wird die Metritis häufig auch durch eine Monoinfektion verursacht. Während das schlechte Allgemeinbefinden, das Fieber und die Mastitis von einigen Autoren für ein infektiöses Geschehen mit septikämischen Verlauf genitalen Ursprungs und hämatogener Ausbreitung gehalten wird, gehen andere Autoren von einer galaktogenen Infektion aus. In diesem Falle wäre das Fieber die Folge der Bildung endogener Pyrogene in der Milchdrüse. Diese Annahme wird von Experimenten gestützt, in denen sich durch parenterale oder intramammäre Applikation von Coli-Endotoxinen sowie galaktogene Infektionen eine Hypogalaktie sowie ein gestörtes Allgemeinbefinden mit Fieber bei Sauen hervorrufen ließ. Das typische Krankheitsbild konnte hingegen experimentell nicht durch eine intrauterine Infektion reproduziert werden. Neben einer hormonell bedingten MMA-Prädisposition, die sich auf den Nachweis von erhöhten Oestradiol- und Kortisolkonzentrationen bei gleichzeitig erniedrigten Prolaktin- und Thyroxinwerten bei Sauen mit MMA 48 Stunden post partum stützen, gilt alles als Risikofaktor, woraus ein großer Infektionsdruck und eine verlängerte Geburtsdauer resultiert. Ein schneller Geburtsablauf wirkt Puerperalstörungen entgegen. Dauert die Geburt dagegen länger als 5-6 Stunden, ist vermehrt mit einer Endometritis puerperalis zu rechnen. Dabei wird für das Einwandern der Keime in den Uterus der verzögerte Schluss der Zervix verantwortlich gemacht. Haltung und Fütterung können sich negativ auf die Geburtsdauer auswirken. In Bezug auf die Haltung ist in diesem Zusammenhang die bewegungsarme Einzelstallung- oder Haltung ungünstiger als Gruppenhaltung. Bei der Gruppenhaltung verlaufen die Geburten in der Regel zügiger und es treten weniger Geburtsstockungen auf. Die Sauen sollten außerdem zum Zeitpunkt der Geburt nicht zu fett sein, weil es sonst zu einer Wehenschwäche kommen kann. Außerdem wirkt sich ein Rohfasermangel durch die sich daraus ergebende verlängerte Darmpassage negativ auf die Geburtsdauer aus. Darüber hinaus führt eine verlängerte Vetion.de Rehbrücker Weg 4 14165 Berlin www.vetion.de [email protected] 030 / 804 999 37 -2- Darmpassagen zu einer starken Vermehrung von Mikroorganismen im MagenDarm-Inhalt. Durch die Bildung von Endotoxinen (E. coli) werden die Tiere belastet. Das „Rein-Raus-Verfahren“ mit Zwischendesinfektion hat sich als prophylaktische Maßnahme hinsichtlich der Hygiene dabei am besten bewährt. Entgegen früherer Beobachtungen von Ploinat (1997), der sowohl in der Wurfgröße als auch einer verlängerten Trächtigkeitsdauer eine Prädisposition für MMA sah, konnten Heinritzi und Hagn (1999) einen Einfluss der Wurfzahl auf den Schweregrad der Erkrankung bei der Sau genauso wenig beobachten wie einen Einfluss der Wurfgröße auf die Erkrankungshäufigkeit. Darüber hinaus leiden Jungsauen häufiger an MMA, die zudem in der Regel auch höheres Fieber aufweisen. Die Autoren erklären diese Beobachtung mit einem schlechteren immunologischen Schutz der Jungsauen. Bei Altsauen kommt es dagegen vergleichsweise häufiger zur Ausbildung einer Mastitis. Wie Untersuchungen von Heinritzi und Hagn (1999) ergaben, lag das Durchschnittsalter der an MMA erkrankten Sauen bei drei Jahren. Plonait (1997) konnte dagegen bei mehrgebärenden und übergewichtigen Sauen eine Prädisposition für MMA beobachten. Klinik Das Kardinalsymptom der MMA ist die stark reduzierte Milchproduktion oder gar die Agalaktie 24 bis 48 Stunden post partum. Häufig ist die Hypo- bzw. Agalaktie mit einer Mastitis, Scheidenausfluss und fieberhaft gestörtem Allgemeinbefinden vergesellschaftet. Die Mastitis ist in der Regel akuter, katarrhalisch-eitriger, teilweise nekrotisierender Natur. Die (Endo)Metritis verläuft dagegen häufig subklinisch und kann schließlich chronisch werden, wodurch es später zu Konzeptionsstörungen kommen kann. Außerdem können gelegentlich noch eine erhöhte Atem- und Herzfrequenz, ZNSDepressionen, Inappetenz und Obstipation beobachtet werden. Die Mastitis ist zudem für die Sau insbesondere beim Saugakt schmerzhaft. Deshalb liegen betroffene Sauen meist in Brust-Bauch-Lage. Fehlen charakteristische Symptome der Metritis und Mastitis, ist die verringerte Milchproduktion jedoch durch die Unruhe der Ferkel zu erkennen. Vetion.de Rehbrücker Weg 4 14165 Berlin www.vetion.de [email protected] 030 / 804 999 37 -3- Therapie Sau Gilt die Diagnose MMA durch eine Hypo- oder Agalaktie mit gleichzeitigem Fieber und eventuell auch durch das Vorliegen einer Mastitis und Scheidenausfluss als gesichert, muss zügig eine Therapie eingeleitet werden. Oxytocin Die Gabe von Oxytocin ist bei der MMA die erste Maßnahme, um einen Milchabfluss zu schaffen und die toxinbildenden Erreger aus dem Gesäuge auszuschwemmen. Außerdem kann die Oxytocingabe in Kombination mit einem Analgetikum helfen, den Ferkeln das Saugen zu ermöglichen. Aufgrund der kurzen Halbwertzeit (6-7 Minuten) muss Oxytocin allerdings häufig verabreicht werden. Für die Sau ist die Applikation von Oxytocin im Abstand von jeweils 2-4 Stunden ungefährlich. Analgetika Aufgrund der Schmerzhaftigkeit der Mastitis, insbesondere beim Saugakt, sollten Entzündungshemmer mit analgetischer Wirkung gegeben werden. Dadurch kann u.U. die Versorgung der Ferkel mit Kolostrum resp. Milch sichergestellt werden. Außerdem wird einer dauerhaften Schädigung des Drüsengewebes entgegengewirkt. Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) haben neben der entzündungshemmenden und schmerzlindernde auch eine fiebersenkende Wirkung, wodurch das Allgemeinbefinden der Sau verbessert wird. Der Wirkstoff Metamizol ist u.a. für die Behandlung der MMA der Sau zugelassen und erfahrungsgemäß gut wirksam. Anstelle von NSAID können auch Kortikosteroide als Entzündungshemmer zum Einsatz kommen. Diese haben jedoch keine fiebersenkende Wirkung. Chemotherapie Für die Chemotherapie sollte aufgrund der gefundenen Erregervielfalt ein Breitbandantibiotikum gewählt werden, das sowohl gegen gramnegative als auch grampositive Erreger wirksam ist. Außerdem sollte bei der Verwendung des Antibiotikums stets die aktuelle Resistenzlage beachtet werden. Ist nach der Vetion.de Rehbrücker Weg 4 14165 Berlin www.vetion.de [email protected] 030 / 804 999 37 -4- systemischen Applikation des Antibiotikums innerhalb von 12 Stunden keine deutliche Besserung der Krankheitssymptome eingetreten, sollte ein anderer Wirkstoff abgewendet werden. Jedoch sind die Ferkelverluste um so größer, je länger der Milchmangel besteht. Gut geeignet zur Behandlung der MMA ist der Wirkstoff Cefquinom, ein Cephalosporin der 4. Generation. Dieser Wirkstoff ist in die Gruppe der ß-LactamAntibiotika einzuordnen und zeigt eine gute bakterizide Wirkung auf gramnegative sowie grampositive Keime. Resistenzen sind bislang kaum bekannt. Vergleichsstudien mit Enrofloxazin und Amoxicillin zeigten, dass die Heilungsrate, drei Tage nach der Behandlung, bei Cefquinom am größten war. Es mildert rasch die klinischen Symptome und ermöglicht eine schnelle Rückkehr zur normalen Futteraufnahme. Dadurch werden auch die Verluste im Ferkelbereich deutlich verringert. Ferkel Aufgrund des Milchmangels der Sau leiden die Ferkel an einem Energiemangel und sind evtl. dehydriert. Daher muss die MMA der Sau schnell und effektiv behandelt werden, um Milchproduktion und –abfluss wieder herzustellen und damit die Ernährung der Ferkel sicherzustellen. Vergleichsstudien mit den Wirkstoffen Cefquinom und Amoxicillin haben ergeben, dass die umgehende Behandlung der Sau mit Cefquinom die Anzahl überlebender Ferkel durchschnittlich um ein Ferkel pro Wurf erhöht. Prophylaxe Fütterung Der Fütterung kommt bei der MMA-Prophylaxe eine große Bedeutung zu. Zum einen sollte der Rauhfutteranteil genügend groß sein, um Obstipationen zu vermeiden, die wiederum eine längere Geburtsdauer zur Folge haben könnten. Außerdem kann eine zu rasche Umstellung des ballaststoffreichen und energiearmen Futters während der Trächtigkeit auf energiereiches Futter für die Laktationsphase zu Obstipationen führen. Zum anderen sollten die Sauen zum Geburtstermin nicht zu fett sein, da dies zu einer Wehenschwäche führen könnte. Vetion.de Rehbrücker Weg 4 14165 Berlin www.vetion.de [email protected] 030 / 804 999 37 -5- Haltung/Hygiene Besonderer Bedeutung bei der Prophylaxe der MMA kommt der Hygiene im Stall zu. Bevor die Sau am 110. Tag etwa in die Abferkelbox gebracht wird, sollte die Box gründlich gereinigt und desinfiziert worden sein. Galaktogenen Infektionen kann mit dem „Rein-Raus-Prinzip“ mit Zwischendesinfektion noch effektiver vorgebeugt werden. Vetion.de Rehbrücker Weg 4 14165 Berlin www.vetion.de [email protected] 030 / 804 999 37 -6-