Antibiotikaresistenz Irene Vogel Spitalapothekerin FPH [email protected] Deklaration Interessenkonflikte Finanzielle oder Eigentümerinteressen: nein Tätigkeiten für die pharmazeutische Industrie und andere Firmen des Gesundheitssystems: nein Drittmittel / Spenden: nein Persönliche Beziehungen: nein Sonstige Mitgliedschaften: nein 2 Agenda • • • • Fallbeispiel Antibiotikaresistenzen Abhilfe? Diskussion 3 Lernziele Kennen der - Resistenzproblematik - eigenen Möglichkeiten zur Verhinderung / Minimierung der Resistenzbildung 4 Ein aktueller Fall aus Schaffhausen Frau BK, 40 Jahre alt Hospitalisation wegen Ulcus cruris (beide Unterschenkel und Ferse) bei postthrombotischen Syndrom (ED 2011) - Plötzlich: Entwicklung septisches Zustandsbild Status nach Pneumonie Hepatits B und C Fokussuche! 5 Mikrobiologie - Blutkulturen aus ZVK und peripher Wundabstiche (bereits bei Spitaleintritt erfolgt) 6 Pseudomonas aeruginosa 7 Antibiotische Therapiemöglichkeit? Keine (mehr)!! als einzige Substanz wäre Colistin noch sensibel, dieses in der Schweiz wegen gravierender Nebenwirkungen (nephrotoxisch, neurotoxisch) seit 80er Jahren nur noch zur Inhalation zugelassen… 8 Was uns dieses Fallbeispiel lehrt… „It is time to close the book on infectious diseases“ “The war against infectious diseases has been won“ William H. Stewart, US Surgeon General, 1967 9 AMR = Antimicrobial Resistance www.his.org.uk 10 Geschätzte Anzahl Todesfälle im Jahr 2050 11 Aktuelle Situation in Europa Multiresistente Keime: - E.coli - K. pneumoniae - Enterococcus faecium - Pseudomonas aeruginosa - MRSA Konsequenzen - Verlängerte Krankheitsdauer / 2.5 Mio zusätzliche Spitaltage - 1,6 Mia Euro zusätzliche Kosten pro Jahr - 600 Mio Tage Verlust an Produktivität https://www.gov.uk/government/publications/health-matters-antimicrobial-resistance 12 Situation Schweiz Keine Statistik vorhanden! SwissNoso schätzt - 70‘000 spitalbedingte Infektionsfälle - davon ca. 2‘000 Todesfälle, ein Teil durch resistente Keime verursacht - Mehrkosten ca. 240 Mio CHF / Jahr http://www.swissnoso.ch/de/swissnoso 13 14 www.welt.de/wirtschaft/article142110146/Antibiotika-Resistenz-die-Superseuche-der-Zukunft.html 15 Die heutigen Probleme (I) - 2013 Zunehmende Resistenzen (Bsp. Klebsiella pneumoniae) 2014 http://ecdc.europa.eu/en/healthtopics/antimicrobial_resistance/database/ Pages/map_reports.aspx 16 Die heutigen Probleme (II) - Zunehmende Resistenzen (Bsp. Klebsiella pneumoniae) Kaum neue Antibiotika in den letzten Jahren 17 Die heutigen Probleme (III) - Zunehmende Resistenzen Kaum neue Antibiotika in den letzten Jahren (fast) leere Pipeline Datengrundlage: 2016 http://www.pewtrusts.org/en/multimedia/data-visualizations/2016/the-critical-need-for-new-antibiotics 18 Definition Antibiotikaresistenz - Ein Mikroorganismus hat die Fähigkeit erlangt, sich der wachstumshemmenden oder bakteriziden Wirkung einer antimikrobiellen Substanz zu widersetzen. - Eine Resistenz besteht dann, wenn die minimale Hemmkonzentration (MHK) eines Antibiotikums höher liegt als die erreichbare Serumkonzentration beim Patienten. - Diese Fähigkeit kann natürlich (intrinsic oder primär) oder erworben sein (acquired oder sekundär). Antibiotika verlieren ihre Wirkung! 19 Warum kommt es zur Resistenzbildung? (I) A.Fleming 1945 «Die Zeit wird kommen, in der Penicillin von jedermann in Geschäften gekauft werden kann. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Unwissende das Penicillin in zu niedrigen Dosen verwendet. Indem er die Mikroben nun nicht-tödlichen Mengen aussetzt, macht er sie resistent». Alexander Fleming; Rede anlässlich der Nobelpreisverleihung 1945 http://immunblog.wissen-und-schreiben.de/?p=653 20 Wie kommt es zur Resistenzbildung? Selektionsdruck durch Antibiotikaeinsatz - Genetische Mutation - Übertragung der Resistenz von einem Bakterium auf andere Bakterientypen (Voraussetzung: Das Vorhandensein von resistenten Erregern und von übertragbaren Resistenzgenen) www.bmg.bund.de/themen/praevention/krankenhausinfektionen/antibiotika-resistenzstrategie.html 21 Resistenzmechanismen: genetische Mutation - Reduktion der Antibiotikakonzentration intrazellulär Inaktivierung des Antibiotikums Veränderung der Antibiotika-Zielstruktur Fauler J, Präv Gesundheitsf 2014, 9:159-165 22 Resistenzmechanismen: Übertragung Resistenz www.fda.gov/AnimalVeterinary/SafetyHealth/AntimicrobialResistance/default.htm 23 Mögliche Verläufe Therapieversagen Therapieversagen Therapie erfolgreich sensible Bakterien www.nature.com/naturechemicalbiology resistente Bakterien Antibiotikatherapie 24 Risiko zu sterben bei inadäquater Therapie Adequate therapy: mortality 5.6 % Inadequate therapy: mortality 40.7 % BSI: Blood stream infection Tumbarello M., Antimicrob Agents Chemother. 2010; 54: 4085–4091 25 Teufelskreis Resistenzen ↑ Selektionsdruck ↑ Problem: Die Entwicklung neuer Antibiotika konnte mit der Entstehung neuer Resistenzmechanismen nicht Schritt halten… Infektionen mit resistenten Keimen ↑ breitere Initialtherapie nötig 26 Bsp. Deutschland: steigender Anteil Reserve-AB 27 Die Frage ist nicht ob Resistenzen auftreten, sondern wann Bassetti M., Langenbecks Arch Surg 2015, 400: 153-165 28 aktuelle Strategie? 29 Abhilfe? 30 Heutige Strategie: die drei «P» Prevent Preserve Promote • Menschen vor Infektionen schützen • Antibiotika bewahren, die wir zur Verfügung haben • neue Antibiotika und • bessere Diagnostik entwickeln Beitrag der Wundexpertin / des Wundexperten? 31 «Prevent»: Menschen vor Infektionen schützen - korrekte Hygienemassnahmen - Händedesinfektion - Isolationsmassnahmen - Persönliche Hygiene - Impfungen - «Immunsystem stärken» Bildquelle: Kampf G, Springer Verlag 2002 32 «Preserve»: Antibiotika erhalten / bewahren 1. Reduktion des Gebrauchs von Antibiotika 2. gezielter Einsatz / korrekte Anwendung 3. Möglichst keine lokalen Antibiotika einsetzen… 33 Reduktion des Gebrauchs von Antibiotika Fakt ist: Antibiotikaresistenz ist die Summe des gesamten Antibiotikaverbrauchs! Hollis A, NEJM 2013; 369: 2474-76 www.p-e-g.org/archiv_tmp/jahrestagung_22/lectures/Wagenlehner.pdf 34 Korrekter Einsatz Antibiotika wirken nur bei bakteriellen Infektionen! Aufklärung der Bevölkerung dringend nötig.. Epp Astrid, BFR Forum: Antibiotika-Resistenzen 35 2011 Richtige Einnahme - Empfohlener Abstand zu Mahlzeiten einhalten - Tages-Zeiten beachten (Bsp. 3x täglich = alle 8 Std) Liste aus PharManuel 2013 36 Korrekte Therapiedauer? Schwierige Frage… grundsätzlich: so kurz wie möglich, so lang wie nötig Die Therapiedauer hängt u.a. ab - Angaben in Leitlinien - Art und Schweregrad des Infektes - klinischen Ansprechen des Patienten - Erreger - subjektiven Urteil des behandelnden Arztes 37 verordnete Therapiedauer Muss eingehalten werden! - ggf. beim Arzt nachfragen - Schulung! Umfrage im Jahr 2012 bei 500 Personen in Deutschland.. www.produktundmarkt.de/unternehmen/news/einnahme-von-antibiotika-juengerebrechen-die-therapie-eher-ab.htm 38 39 Beispiel Frankreich Verkaufsstopp seit 2007 in Frankreich für Spezialitäten, die • mehrere Antibiotika oder • Neomycin oder • Antibiotikum + Steroid enthalten! 40 Fallbeispiel: Patientin hatte Kathetersepsis! S. aureus in den Blutkulturen Therapie mit Flucloxacillin KEINE antibiotische Therapie der Keime, welche die Wunden kolonisieren! 41 Zusammenfassung - Resistenzsituation bedenklich! Beitrag der Wundexperten äusserst wichtig - Gute Hygiene - Korrekte Aufklärung resp. Instruktion der Patienten - Möglichst auf lokale Antibiotika verzichten 42