Pharmazeutische Chemie - Edoxaban Edoxaban (Lixiana®) Seit August 2015 ist mit Edoxaban (Lixiana®) (Strukturformel s. Abbildung 1) nun nach Dabigatranetexilat (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto® und Apixaban (Eliquis®) (s. auch Neue Arzneistoffe 2011)der vierte Vertreter der NOAKs (Nicht-Vitamin-K (oder Neue) orale Antikoagulanzien) auf dem deutschen Arzneimittelmarkt zugelassen. Da die NOAKs mittlerweile gar nicht mehr so neu sind, setzt sich auch immer mehr die Bezeichnung DOAKs für Direkte orale Antikoagulanzien durch. Genauso wie Rivaroxaban und Apixaban ist Edoxaban ein selektiver, direkter und reversibler Inhibitor des Faktor Xa. Demgegenüber ist Dabigatran, die Wirkform des Prodrugs Dabigatranetexilat, ein direkter, kompetitiver und reversibler ThrombinInhibitor. Die Indikationen sind für alle NOAKs gleich. Eine tabellarische Auflistung der bisher zugelassenen NOAKs findet sich in Tabelle 1. Abbildung 1 Arzneistoff FAM Markteinführung Wirkmechanismus Rivaroxaban Xarelto® 2008 Direkter, reversibler Faktor XaInhibitor Dabigatranetexilat Pradaxa® 2008 Prodrug, Direkter, reversibler ThrombinInhibitor Apixaban Eliquis® 2011 Direkter, reversibler Faktor XaInhibitor Edoxaban Lixiana® 2015 Direkter, reversibler Faktor XaInhibitor Tabelle 1: Indikationen Anwendung Prophylaxe Schlaganfälle und syst. Embolien, Therapie TVT, LE Prophylaxe rezidivierender TVT, LE 1x täglich oder 2x täglich, mit einer Mahlzeit Prophylaxe Schlaganfälle und syst. Embolien, Therapie TVT, LE Prophylaxe rezidivierender TVT, LE 2x täglich, unabhängig von den Mahlzeiten Prophylaxe Schlaganfälle und syst. Embolien, Therapie TVT, LE Prophylaxe rezidivierender TVT, LE 2x täglich, unbhängig von den Mahlzeiten Prophylaxe Schlaganfälle und syst. Embolien, Therapie TVT, LE Prophylaxe rezidivierender TVT, LE 1x täglich, unabhängig von den Mahlzeiten Vergleich der vier bislang in Deutschland zugelassenen NOAKs TVT: tiefe Venethrombose; LE: Lungenembolie 1 CA 10.9.2015 Pharmazeutische Chemie - Edoxaban Genauso wie die drei anderen NOAKs ist Edoxaban (Lixiana®) indiziert zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (NVAF) und mindestens einem Risikofaktor (z.B. Diabetes mellitus), zur Behandlung tiefer Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE), wobei initial ein parenterales Antikoagulans über mindestens fünf Tage eingesetzt wird, sowie zur Prophylaxe rezidivierender TVT und LE. Die Lixiana®-Filmtabletten werden einmal täglich, immer zur selben Uhrzeit mit oder ohne Nahrung eingenommen (Fachinformation Lixiana® 2015). Edoxaban als direkter Faktor-Xa-Inhibitor greift an einer entscheidenden Stelle, an der extrinsischer und intrinsischer Weg der Blutgerinnung zusammenlaufen, an. Der gemeinsame Blutgerinnungsweg beginnt damit, dass der Faktor X in dessen aktivierte Form, den Faktor Xa, überführt wird. Xa wiederum bildet nachfolgend mit dem Kofaktor Va in Anwesenheit von Ca2+ an einer Phospholipidmembran den Prothrombinasekomplex, der die Spaltung von Prothrombin zu Thrombin katalysiert. Thrombin seinerseits ist dann für die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen verantwortlich. Die herausragende Position des Faktor Xa innerhalb der Blutgerinnung wird deutlich, wenn man sieht, dass ein Faktor-Xa-Molekül 138 Moleküle Thrombin produzieren kann (s. Abbildung 2) (Müller 2003, Ma 2007, Toschi und Lettino 2011, Yeh et al. 2012). Abbildung 2: Die Rolle des Faktor Xa innerhalb der Blugerinnung und Angriffspunkte der verschiedenen NOAKs Im Gegensatz zu den Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Phenprocoumon), die an zahlreichen Stellen der Gerinnungskaskade wirken, sind die direkten Faktor-XaInhibitoren wie Edoxaban in ihrer Hemmwirkung spezifisch für den Faktor Xa. Der Faktor Xa gehört wie andere Gerinnungsfaktoren auch (z.B. Thrombin, Plasmin, Faktor VIIa, Faktor IXa) zur Klasse der Serinproteasen. Wie Rivaroxaban und Apixaban ist Edoxaban ein peptidomimetischer Inhibitor, der im aktiven Zentrum die Bindungstaschen S1 bis S4 besetzt. Vom Apixaban im Komplex mit dem Faktor Xa existiert z.B. eine Kristallstruktur, die die Bindungsverhältnisse bestätigt (Wong et al. 2011). Rivaroxaban und Apixaban enthalten keine basischen und protonierbaren funktionellen Gruppen. Das ist beim Edoxaban anders. Der neue Inhibitor enthält z.B. als P4-Element ein Dihydrothiazolopyridin mit einem basischen tertiären Amin (s. 2 CA 10.9.2015 Pharmazeutische Chemie - Edoxaban Abbildung 3). Rivaroxaban und Apixaban enthalten als P4-Elemente einen Oxomorpholinophenyl-Rest (Rivaroxaban) bzw. einen Oxopiperidinophenyl-Rest (Apixaban) und weisen somit untereinander eine gewisse Ähnlichkeit auf (Perzborn 2010, Wong et al. 2011). Als P1-Element enthält das neue Edoxaban einen Chloropyridin-Ring, wobei das Chlor-Atom wahrscheinlich dieselbe spezifische Wechselwirkung mit dem aromatischen Ring von Tyr228 des Faktor Xa zeigt wie das Chlor innerhalb des Chlorothiophens beim Rivaroxaban (Zhang et al. 2009). Edoxaban enthält am zentralen Cyclohexan drei chirale C-Atome (1S, 2R, 4S). Rivaroxaban enthält ein Chiralitätszentrum, Apixaban ist achiral. Abbildung 3: Strukturvergleich der drei direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Faktor-Xa-Inhibitoren besitzen einen schnellen Wirkungseintritt. Beim Edoxaban werden maximale Plasmakonzentrationen ein bis zwei Stunden nach Resorption erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt 62% (vgl. Apixaban 50%; Rivaroxaban 80-100%). Die Eliminationshalbwertszeit von 10 bis 14 Stunden erlaubt eine einmal tägliche Gabe. Edoxaban wird nur zu einem sehr geringen Anteil über CYP3A4/5 metabolisiert (<10%). Dementsprechend ist die Gefahr für Arzneimittelinteraktionen 3 CA 10.9.2015 Pharmazeutische Chemie - Edoxaban in diesem Bereich relativ gering.. Der aktive Hauptmetabolit wird unter Katalyse der Carboxylesterase 1 durch hydrolytische Spaltung gebildet. Genauso wie Rivaroxaban und Apixaban ist Edoxaban ein Substrat für den Efflux-Transporter pGlykoprotein (p-GP) (Toschi und Lettino 2011, Yeh et al. 2012, Lip und Agnelli 2014, Fachinformation Lixiana® 2015). Literatur: Fachinformation Lixiana® 2015, Daiichi Sankyo Europe GmbH Lipr, G.Y. und Agnelli, G. Eur Heart J 2014, 35, 1844 Ma, Q. Br J Clin Pharmacol 2007, 64, 263 Müller, M.M. Dissertation Max-Planck-Institut für Biochemie Martinsried/ Technische Universität München 2003 Perzborn, E. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2010, 30, 376 Toschi, V. und Lettino, M. Br J Clin Pharmacol 2011, 72, 563 Wong, P.C. et al. J Thromb Thrombolysis 2011, 31, 478 Yeh, C.H. et al. Circ Res 2012, 111, 1069 Zhang, D. et al. Bioorg Med Chem Lett 2009, 19, 2179 4 CA 10.9.2015