SS 2009 Chemische Übungen für Biologen (300030 UE, 4 Stunden, 8 ECTS) Chemische Übungen für Lehramt Biologie und Umweltkunde (300441 UE, 3 Stunden, 3 ECTS) Chemische Übungen für Lehramt Haushaltsökonomie und Ernährung (330045 UE, 3 Stunden, 3 ECTS) 2. Abschnitt: Kurstag 5 Praktischer Teil: Qualitative Organische Analyse 1. Herstellung eines Derivats - Phenylurethane von Alkoholen ............................... 2 2. Umkristallisieren .................................................................................................. 4 3. Die Verwendung des Vakuumexsikkators ........................................................... 5 Theorie 1. Herstellung von Derivaten ................................................................................... 7 2. Derivate von Alkoholen ....................................................................................... 7 a) Urethane ..................................................................................................... 7 b) 3,5-Dinitrobenzoate .................................................................................... 8 Fragen ........................................................................................................................... 9 2 Qualitative Organische Analyse Eine unbekannte organische Verbindung wird zunächst auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Substanzklasse hin untersucht, sei es durch chemische Testreaktionen oder spektroskopisch (siehe Arbeitstag 7). Zur weiteren Charakterisierung können feste Derivate (= „Abkömmlinge") hergestellt werden, d.h. die funktionellen Gruppen werden durch einfache, schnell durchführbare und in hoher Ausbeute ablaufende Reaktionen modifiziert. Feste Derivate werden deshalb bevorzugt, weil sie durch Umkristallisation einfach gereinigt werden können, bis ein Schmelzpunktsintervall von nicht mehr als 1 bis 3°C beobachtet wird. Der Literaturvergleich mit tabellierten Schmelzpunkten, ergänzt durch die physikalischen Parameter der ursprünglichen Verbindung erlaubt die genaue Identifizierung der organischen Verbindung (dieser Teil wird am Arbeitstag 6 durchgeführt). 1. Herstellung eines Derivats - Phenylurethane von Alkoholen Eine mögliche Derivatisierung für (zumeist flüssige) Alkohole ist die Bildung von festen Urethanen. Phenylisocyanat reagiert mit Alkohole beim Erhitzen unter Bildung von N-Phenylurethanen: Achtung: Alle verwendeten Glasgefäße (Eprouvetten, Erlenmeyerkolben, Pipetten, etc.) müssen trocken sein! Warum? (siehe Theorie) Reagenzien: Unbekannter Alkohol Phenylisocyanat Benzin (Petrol, Petroleum Benzin, Ligroin) Xn T+ F Benzin ist ein Kohlenwasserstoffgemisch, charakterisiert durch einen Siedepunktsbereich von 90 – 100°C. Es ist leicht entzündlich und Benzin – Luftgemische sind explosiv. Daher nicht mit offener Flamme arbeiten: Brand- und Explosionsgefahr! 3 Ausführung: 1 - 2 g (ca. 1 cm in der Eprouvette) des unbekannten Alkohols werden in einem trockenen Reagenzglas mit 2 mL Benzin verdünnt und mit 0,5 mL Phenylisocyanat versetzt. Phenylisocyanat ist sehr hygroskopisch, daher nach Entnahme das Vorratsgefäß sofort wieder verschließen! Die Eprouvette wird mit einem Wattebausch locker verschlossen. Unter gelegentlichem Schütteln wird das Reaktionsgemisch ca. 10 Minuten am Wasserbad auf 70°C erwärmt (nicht mit dem Teclubrenner). Dabei ist einerseits zu beachten, dass die Reaktionslösung zur Gänze in das Wasserbad eintaucht. Zum anderen soll das Wasserbad auch nicht wesentlich heißer sein, da ansonsten das Benzin verdampft. Vorsicht auch, dass kein Wasser in die Eprouvette gelangt! Man lässt auf Raumtemperatur kommen; danach kühlt man erforderlichenfalls mit einem Eisbad (= Eis und Wasser in einem mittelgroßen Becherglas). Das entstandene N-Phenylurethan ist in kaltem Benzin schwer löslich und sollte daher als Feststoff ausfallen. Wenn kein Niederschlag ausfällt, kratzt man mit einem Glasstab an der Eprouvetteninnenwand, um die Kristallisation zu induzieren. Man saugt den Niederschlag über eine kleine Glasnutsche mit Hilfe der Absaugeprouvette und der Wasserstrahlpumpe ab (Wasserhahn der Pumpe zuerst öffnen und erst nach Trennung des Schlauchs von der Absaugeprouvette wieder schließen!). Filterpapier Glasnutsche Gummikonus Vakuumschlauch Absaugeprouvette Manche Niederschläge sind in der Reaktionsmischung nur in der Kälte beständig und lösen sich bei Raumtemperatur, speziell wenn der Schmelzpunkt des gebildeten Urethans niedrig ist. In diesem Fall muss die eiskalte Mischung möglichst rasch über eine vorher gekühlte Nutsche (→ Kühlschrank) abgesaugt werden. Nach ausreichender Trennung von der Mutterlauge sind die Kristalle dann meist auch bei Raumtemperatur beständig. Die abgenutschten Kristalle werden kurz auf der Nutsche trockengesaugt, anschließend aus Benzin umkristallisiert. Da die Urethane nicht wasserlöslich sind, ist die Reinigung der verwendeten Glasgeräte nur mit Aceton möglich. Sammeln Sie das Waschaceton in einem Becherglas und geben es dann in den entsprechend gekennzeichneten Kanister. 4 2. Umkristallisieren Verunreinigte Festsubstanzen, wie etwa ein als Derivat anfallender Niederschlag (verunreinigt durch Nebenprodukte, Reagentien, nicht umgesetztes Ausgangsmaterial, Lösungsmittel etc.), können durch Umkristallisieren gereinigt werden. Zum Umkristallisieren wird das Rohprodukt in möglichst wenig des angegebenen Lösungsmittels in der Siedehitze vollständig aufgelöst. Wenn nötig werden unlösliche Beimengungen heiß abfiltriert und verworfen. Durch langsames Abkühlen wird die Substanz zur Kristallisation gebracht. kleiner Glastrichter mit Filter Benzin ~ 5mL Benzin (bodenbedeckt) + Rohprodukt Heizplatte Das Lösen und Heißfiltrieren brennbarer Lösungen geschieht auf der Heizplatte entsprechend der obigen Abbildung. Das Rohprodukt wird aus der Nutsche in einen kleinen Erlenmeyerkolben transferiert und mit etwa 5 - 10 mL Benzin in der Hitze möglichst vollständig gelöst. Die tatsächlich benötigte Lösungsmittelmenge richtet sich natürlich nach der Menge an Rohprodukt. Beginnen Sie mit wenig Lösungsmittel und geben Sie solange portionsweise Benzin zu, bis gerade alles in der Siedehitze gelöst ist. Gleichzeitig steht ein zweiter Erlenmeyerkolben mit etwa 3 mL reinem Benzin und aufgesetztem kleinem Glastrichter mit (Falten-)Filter auf der Heizplatte. Durch den aufsteigenden Dampf des Lösungsmittels werden Trichter und Filter bis zur Siedetemperatur des Lösungsmittels erwärmt; ist das geschehen, so wird der Inhalt des ersten Erlenmeyerkolbens über Trichter und Filter in den zweiten filtriert. Das Filter kann vor Eingießen der Lösung befeuchtet werden. Das geschieht immer mit dem verwendeten Lösungsmittel, also in diesem Fall mit Benzin (nicht Wasser!). Vorsicht! Finger vor direktem Kontakt mit dem heißem Gefäß und den heißen Lösungsmitteldämpfen schützen! Dazu verwenden Sie am besten zwei kurze Stücke Schlauch, schneiden diese der Länge nach auf und klemmen sie auf die Spitze von Daumen und Zeigefinger. 5 Unerwünschter Diphenylharnstoff (entstanden warum?) ist in heißem Benzin unlöslich und kann durch Filtrieren in der Hitze abgetrennt werden. Aus der heiß filtrierten Lösung kristallisiert beim Erkalten das Urethan. Das Filtrat (d. i. die filtrierte Lösung) lässt man nun langsam erkalten, um Einschlüsse von Verunreinigungen und / oder Lösungsmittel in die Kristalle zu vermeiden. Stellen Sie den Kolben also zunächst nicht in kaltes Wasser oder Eis oder auf die kalte Labortischfläche, sondern erst, wenn der Kolbeninhalt Zimmertemperatur erreicht hat. Setzt das Kristallwachstum nicht ein, sorgt man für Kristallkeime: entweder durch Zusatz kleinster Mengen bereits gereinigter Kristalle („Animpfen") oder durch Kratzen mit einem Glasstab an der Gefäßinnenwand (Glasabrieb als Impfkristalle). Entstandene Kristalle werden wieder abgesaugt (Nutsche, Absaugeprouvette) und auf der Nutsche ca. 5 Minuten trockengesaugt. Die trockenen Kristalle werden in eine saubere und trockene Eprouvette überführt und zur Schmelzpunktsbestimmung (Arbeitstag 6) aufbewahrt. 3. Die Verwendung des Vakuumexsikkators Der Vakuumexsikkator dient zur Trocknung von Feststoffen nach dem Umkristallisieren, d.h. zum Entfernen von schwerflüchtigen Lösungsmitteln. Im Falle der obigen Urethansynthese ist er nicht notwendig, da Benzin als sehr leichtflüchtiges Lösungsmittel durch einfaches Luft durchsaugen durch die auf der Nutsche gesammelten Kristalle entfernt werden kann. Bei einem später durchzuführenden Versuch wird er allerdings benötig werden, daher wird er an dieser Stelle bereits kurz besprochen. Vakuumanschluß Substanz in Kristallisierschale Siebzwischenboden Trockenmittel Die Trocknung kann einmal durch den Einsatz von Trockenmitteln im Exsikkator erfolgen. Dies ist meist nur für die Trocknung wasserfeuchter Kristalle notwendig. Dabei wird das Trockenmittel (z.B. CaCl2, P2O5, H2SO4 conc., etc.) auf den Boden des Exsikkatortopfes gegeben (entweder direkt oder in einer Kristallisierschale). Das zu trocknende Produkt wird in einer Kristallisierschale auf den Siebzwischenboden des Exsikkators gestellt. Zusätzlich wird die Trocknung durch Anlegen von Unterdruck begünstigt, da dadurch die Verdampfung des Lösungsmittels beschleunigt wird. Das Evakuieren des Exsikkators erfolgt mittels der Wasserstrahlpumpe. Wenn keine Sicherungsfalle zwischen Exsikkator und Wasserstrahlpumpe eingebaut ist, besteht die Gefahr, dass bei Druckabfall im Wasserleitungssystem der im Exsikkator bereits vorliegende Unterdruck Wasser in den Exsikkator saugt. Exsikkatoren an der Wasserstrahlpumpe sollten daher nie unbeaufsichtigt bleiben. Sollte Wasser aus dem 6 Vakuumschlauch zurücksteigen, so sind zuerst der Exsikkatorhahn zu schließen und erst dann der Schlauch vom Hahn abzuziehen. Vollständige Evakuierung des Exsikkators erkennt man, wenn sich bei laufender Wasserstrahlpumpe beim Schließen und Wiederöffnen des Exsikkatorhahns das von der Wasserstrahlpumpe erzeugte Geräusch nicht mehr ändert. Man schließt dann den Hahn und zieht den Schlauch vom Exsikkator ab; erst dann kann man den Wasserhahn der Wasserstrahlpumpe schließen. Exsikkatoren bestehen aus dickwandigem Glas, das nicht erwärmt werden darf (das Gleiche gilt für Absaugflaschen), da ansonsten Spannungen im Glas entstehen, die beim Evakuieren zur Implosion führen können. Unter allen Umständen ist die Schutzbrille zu tragen! Der Unterdruck im Exsikkator bleibt eher erhalten, wenn die Schliffverbindungen (Topf/Deckel, Deckel/Hahnaufsatz, Hahnhülse/Hahnküken) mit Schlifffett geschmiert sind. Zuviel ist dabei schädlich; wenn Deckel und Topf mit zu viel Fett verklebt sind, kann das Öffnen des Exsikkators sehr schwierig werden. Das Belüften des Geräts muss vorsichtig erfolgen, da sonst der eindringende Luftstrom die Inhalte von Kristallisierschalen und das Trocknungsmittel durcheinanderwirbelt. Man hält ein kleines Stück Filterpapier mit einem Finger an das Einlassrohr und öffnet vorsichtig den Hahn. Die einströmende Luft saugt nach Wegnahme des Fingers das Filterpapier an und der Luftstrom wird gedrosselt. Nach Erreichen des Außendrucks im Exsikkator fällt das Papierstückchen ab. Vollständige Entfernung des Lösungsmittels erkennt man, wenn sich nach einer weiteren Trocknungsperiode das Gewicht der Substanz nicht mehr geändert hat (Gewichtskonstanz). Protokollieren Sie: Protokollieren Sie die Herstellung des Derivats in kurzen Worten in ihrem Laborjournal. Die genaue Identifizierung ihres unbekannten Alkohols erfolgt am Arbeitstag 6. 7 Theorie 1. Herstellung von Derivaten Die Herstellung von festen Derivaten zur Charakterisierung von unbekannten organischen Verbindungen ist ein wesentlicher Teil der qualitativen organischen Analyse. Unter Ausnutzung der spezifischen Reaktivitäten der unterschiedlichen funktionellen Gruppen werden geeignete Umwandlungen durchgeführt, d.h. vorhandene funktionelle Gruppen werden in andere überführt oder neue Funktionalitäten werden ins Molekül eingeführt. Zusammen mit den physikalischen und chemischen Eigenschaften der zu bestimmenden Probe sollen die Schmelzpunkte der Derivate einen weiteren eindeutigen Beweis für die Identifizierung liefern. Folgende Anforderungen sind an die Derivatisierungsreaktionen zu stellen: • Die Reaktion soll schnell und einfach durchführbar sein. • Die Synthese soll im Zuge einer eindeutigen Reaktion ablaufen, möglichst ohne Nebenprodukte. Wenn Nebenprodukte entstehen, müssen diese leicht erkennbar und abtrennbar sein. • Die Reaktion soll mit hohen Ausbeuten ablaufen. • Die Derivate sollen leicht isolierbar sein. • Weiters sollen sie leicht zu reinigen sein. • Der Schmelzpunkt der Derivate soll exakt bestimmbar sein und sollte in einem Bereich zwischen 50 und 250°C liegen. 2. Derivate von Alkoholen a) Urethane Alkohole werden beim Erhitzen mit Isocyanaten zu Urethanen umgesetzt: Urethane sind die Ester der selbst nicht stabilen Carbamidsäuren, der Monoamide der Kohlensäure: An Stickstoff gebundene Carboxylgruppen spalten meist sofort CO2 ab. Neben den Estern (den Urethanen) sind auch die Salze der Carbaminsäuren stabil, die Carbamate. Für die Charakterisierung von Alkoholen werden hauptsächlich kristalline N-Arylurethane hergestellt, ausgehend von den Phenyl- oder p-Nitrophenyl- oder 4-Biphenyloder α-Naphthylisocyanaten: 8 Vorsicht! Alle Isocyanate sind sehr hygroskopisch und reagieren dabei mit Wasser zu den entsprechenden Harnstoffen, den Diamiden der Kohlensäure. Aus Phenylisocyanat entsteht der Diphenylharnstoff (Fp: 238°C). Daher muss für die Derivatisierung mit trockenen Gefäßen und wasserfreien Alkoholen gearbeitet werden. Ansonsten wird nicht nur Reagenz für eine unerwünschte Reaktion verbraucht, größere Mengen der gebildeten Harnstoffe lassen sich nur sehr aufwendig durch Umkristallisation abtrennen. Ihre Schmelzpunkte sind zumeist deutlich höher als die der gewünschten Urethane, z.B. der Diphenylharnstoff schmilzt bei 238°C. Die Urethane haben auch große technische Bedeutung auf dem Kunststoffsektor. Aus Diisocyanaten entstehen mit Glykolen Polyurethane, z.B. Führt man die Polymerisierung so durch, dass gleichzeitig die Isocyanatgruppen mit H2O unter CO2-Entwicklung reagieren, so werden Polyurethan-Schaumstoffe gebildet. b) 3,5-Dinitrobenzoate Eine zweite Möglichkeit der Derivatisierung von Alkoholen ist die Bildung von kristallinen Estern von aromatischen Carbonsäuren, wie z.B. 3,5-Dinitrobenzoate ausgehend von 3,5-Dinitrobenzoesäurechlorid: 9 Fragen 1. Warum ist es vielfach notwendig, zur Identifizierung von organischen Substanzen ihre Derivate heranzuziehen? 2. Erstellen sie die Reaktionsgleichung für die Umsetzung von Cyclohexanol mit Phenylisocyanat. Warum muss diese Reaktion unter Wasserausschluss durchgeführt werden? 3. Methylisocyanat wird mit 95% wässrigem Ethanol umgesetzt. Welche Produkte entstehen? 4. Bei der Herstellung von Derivaten zur Charakterisierung organischer Verbindungen müssen welche Punkte beachtet werden? 5. Welche Produkte entstehen bei der Umsetzung von Phenylisocyanat mit Methanol bzw. bei der Umsetzung von Methylisocyanat mit Phenol, und welche, wenn beide Reaktionen nicht unter Wasserausschluss durchgeführt werden? 6. Welche Trockenmittel werden zur Trocknung von wasserfeuchten Kristallen verwendet?