20. Mai 2016 Canis Pacalis Kompakt und informativ Ein Artikel von Hana Sanders. Konditionierte Schreckreize und generalisierte Hemmung in der Hundeerziehung eine kritische Betrachtung Als Schreckreiz bezeichnet man einen Reiz, der durch unvorhergesehenes Auftreten und unangenehme Stimulierung der auditiven oder taktilen Wahrnehmung eine leichte bis starke Angstreaktion hervorruft. In der Erziehung wird er dazu genutzt, Meideverhalten und situative wie generelle Hemmungen hevorzurufen, wodurch unerwünschtes Verhalten unterdrückt werden soll. Charakteristisch für Schreckreize sind laute, unnatürliche Geräusche oder unangenehme, fluchtauslösende taktile Reize. Bekannte Beispiele für Schreckreize sind Sprühhalsbänder, Elektroimpulsgeräte, Wurfketten, Wasserpistolen sowie sogenannte „Rütteldosen“. Die Konditionierung auf einen Schreckreiz erfolgt unmittelbar nach einer unerwünschten Handlung durch unankündigte Ausübung des Schrecks. Um eine Verknüpfung zum vorherigen Geschehen herzustellen, bedarf es mehrfacher Anwendung 1 20. Mai 2016 sowie in einigen Fällen einer Intensitätssteigerung, da die fehlende Ankündigung in vielen Fällen eine sofortige Verknüpfung mit der vorherigen Handlung verhindert. Neurobiologische Auswirkungen Schreckreize werde u.a. auch durch solche Wurfdisks gesetzt. Auch so genannte Wurfketten werden, ebenso wie mit Schrauben gefüllte Flaschen gerne mal in Richtung der Hunde geworfen um sie zu erschrecken. Durch einen Schreckreiz wird ein Notfallschaltkreis in Gang gesetzt, durch den ein sofortiger Flucht- oder Abwehrimpuls ausgelöst wird. Es treten Angstreaktionen auf und ein Meideverhalten, das der Überlebenssicherung dient, wird etabliert. Die autonomen und behavioralen Folgen sind abnehmende Salivation, ansteigender Herzschlag, veränderte Atemfrequenz, Erstarren, Grooming bis hin zu Defäkation, Magengeschwüren und Arrhythmien. Es wird eine Erwartungshaltung geschaffen, die zu erhöhter Geräuschempfindlichkeit bis hin zur Geräuschangst sowie zu einer erhöhten Wachsamkeit und einer ansteigenden Ausschüttung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin führt. Bei einer generalisierten Angst (zum Beispiel Schussangst an Silvester) kann es bereits einige Wochen und nach dem Auslöser sowie bei kleinsten Erinnerungen an den Auslöser zu der Ausschüttung von Katecholaminen kommen, die in erhöhter Dosis zu Herzrythmusstörungen führt. Durch die generelle Hemmung wird eine niedrige Bereitschaft zur explorativen Neugier (Erkundungsverhalten) gezeigt, die mit positiver Erregung einhergeht. Durch die verminderte Explorationsbereitschaft steigt die Wahrscheinlichkeit, in unbekannten Situationen mit Flucht und negativem Stress zu reagieren, anstatt eine neugierige Hinwendung zu zeigen. Eine erhöhte Empfindung von Angst unterdrückt leicht die Freude an Erkundung, Spiel, Nachahmung und Kreativität, wodurch auch die Fähigkeit zu selbstständigen Handlungen und individuellen Verhaltensmustern eingedämmt wird. Dem Erkundungsverhalten liegt eine generelle Appetenz zugrunde, die mit zunehmender Entwicklungshöhe an zeitlicher Ausdehnung und Bedeutung gewinnt. Durch eine verminderte Bereitschaft beziehungsweise eine Hemmung des Erkundungsverhaltens kann es zu Entwicklungsverzögerungen und -beeinträchtigungen kommen. 2 20. Mai 2016 Ebenfalls kann es zu unerwünschten Verknüpfung mit sekundären Außenreizen führen, durch die in einigen Fällen eine generalisierte Angststörung hervorgerufen werden kann. Alternativen und ihre Vorteile Als Alternative zur Erziehung über Meideverhalten sowie Hemmung kann jedes positiv basierte Training, das vollständig auf diese Methoden verzichtet, angesehen werden. Anstelle der Unterbrechung eines Verhaltens durch Schreckreize, Schmerzreize oder Sanktionieren wird erwünschtes Verhalten gefördert und unerwünschtes Verhalten im Idealfall gänzlich vermieden. Für die Verstärkung der erwünschten Verhaltensweisen kann belohnungs- und motivationsbasiertes Training genutzt werden, zum Beispiel über Bestätigung mit Spielzeug oder dadurch, der eigentlichen Motivation des Hundes, wie beispielsweise nach dem Absitzen zu einem Artgenossen Kontakt aufzunehmen, genutzt werden. Unerwünschtes Verhalten hat zur Folge, dass die Bestätigung ausbleibt oder dass ein Abbruch des Verhaltens erfolgt. Jedes unerwünschte Verhalten kann mit einem anderen Verhalten, das als Alternativverhalten dient, unterbrochen werden, indem dieses Verhalten in der konkreten Situation eingefordert und weiter bestärkt wird. Ein Alternativverhalten kann jedes zuverlässig abrufbare Signal sein (Futtersuche, „Platz“, „Aus“, Rückruf, Umorientierung), als Alternativverhalten sind grundsätzlich auch selbstbelohnende Verhaltensweisen besonders effektiv zu konditionieren (buddeln, spielen, schnüffeln). Bei einem positiven Training mit belohnungsbasiertem Verhaltensaufbau und Verhaltensabbruch besteht eine höhere Motivation des Hundes, mit dem Halter zu arbeiten und selbstständig Verhaltensalternativen zu etablieren, zudem wirkt sich ein solches Training positiv auf die Hund- HalterBeziehung aus und stärkt das Vertrauensverhältnis sowie das Wohlbefinden und Selbstwertgefühl des Hundes. 3 20. Mai 2016 Fazit Um eine normale, vollständige Entwicklung gewährleisten zu können und gesundheitiche sowie psychologische Schädigungen zu vermeiden, sollte generell auf Schreckreize sowie andere aversive Mittel und generalisierte Hemmungen verzichtet werden. Mögliche Alternativen sind belohnungsbasierte Verhaltensförderungen sowie positive Verstärkung erwünschter Verhaltensweisen, bei denen eine Hemmung bei der Ausführung unerwünschter, nicht lohnenswerter Verhaltensmuster auftritt. 4