Ausstellung in der Bayerischen Krebsgesellschaft 2010

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Ausstellung in der
Bayerischen Krebsgesellschaft 2010
Einleitung
Strukturen stellen zugleich Betrachtungsweise und Methodik für die Realität in den Bildern von Miki Früh
dar (*Definitionen im Anhang). Strukturen, wie sie als systemische Zusammenhänge vorkommen, und
Strukturen, die klar erkennbar und auf den ersten Blick erfahrbar sind. Es ist besonders die Schicht
darunter, die zu entdecken und aufzudecken, den Nährboden für seine Bilderwelten liefern. Das Alltägliche, aber meist Ungesehene tritt hiermit zu Tage. Dinge, Vorkommen, Verhaltensweisen gewinnen mit
diesem Ansatz, die Welt zu betrachten, ihre tiefere Bedeutung, erhalten einen neuen Kontext und legen
ein ganzes Netzwerk an Gedanken offen. Durch die Analyse der Strukturen, werden oft neue Symbole
gefunden und mit erweiterten Bedeutungen aufgeladen – sie werden Repräsentanten von neuen Zusammenhängen.
Anhand dieser Methodik stellt sich nun Miki Früh der Aufgabe, sich mit dem Thema Krebs auseinander zu
setzen.
Krebs – die Krankheit, die selten im 'normalen' und alltäglichen Leben Gesprächsstoff ist, hat mit schlimmen Leid zu tun, konfrontiert oft mit der Konsequenz Tod. Ganze (ferne|entlegene) Welten tun sich da auf:
Die eigene Scheu und Abwehr, sich dem Thema zu nähern wird Bildinhalt.
Die Herangehensweise
Da zerfallen Lebensentwürfe, werden Sinn- und Schicksalsfragen gestellt, Orientierung und Hilfe gesucht,
Verzweiflung, Resignation, aber auch neuer Mut wird gefasst, der Krankheit die Stirn geboten.
Zum Teil leise, introvertiert und zaghaft finden erste Versuche statt, sich darauf einzulassen und Bilder zu
finden – zum anderen schreit etwas stumm auf, will laut sein, nimmt sich dann aber wieder zurück. Ein
Hin- und her an Betrachtungsweisen entsteht, muss gebündelt werden, eine Aussage, ein Symbol
gefunden werden. Rücksicht und Vorsicht gehen einher – immer darauf blickend, keinen Erkrankten oder
Angehörigen belehren oder gar beleidigen zu wollen.
Die Desorientierung, der Schock, die Psyche werden symbolhaft, fast surreal als Bilder umgesetzt – das
Unsägliche nachempfunden. Ständig entschlüpft das Thema in einer Verzweigung von Bedeutungen.
Dann kristallisieren sich Bilder heraus, die einige Aspekte beleuchten aber längst nicht allen gerecht
werden können.
Was wirkt auf die Betroffenen von aussen her ein? Heilsversprechen und Hoffnung durch diverse Angebote und Institutionen: klassische Schulmedizin, Glaube, Gott, Esoterik, alternative Medizin etc. schaffen
ein Durcheinander an Informationen, müssen verarbeitet werden man mag sich die Frage stellen: "Wer hat
recht? Wie geht es weiter? Wegschieben, Wegschauen, Ignorieren, Flucht und Resignation als Verhaltensweise?
Der Mensch verhält sich unterschiedlich – genauso unterschiedlich, wie die Auswirkungen der verschiedenen Krebsarten auf das Weiterleben sind. Eine pauschale Abhandlung ist nicht möglich und dennoch
müsste allen eines gemein sein: Der Wunsch geliebt zu werden, sich fallen lassen zu können und aufgefangen und gerettet zu werden.
Ausstellung in der Bayerischen Krebsgesellschaft 2010 (Seite2/5)
Der Titel der Ausstellung "meta>fern" wurde gewählt, weil er ausdrückt, wie mit Worten und Bedeutungen
gerungen wird.
Metaphern sind im rhetorischen Sinne, vereinfacht gesagt, übertragene Bedeutungen einer Sache, die
entweder nicht direkt genannt wird, die als Wort derart negativ ist, dass ein anderes Bild gewählt wird,
oder eine Abstraktion durch eine andere Begriffswahl konkretisiert wird.
In dem Wortspiel aus der griechischen Vorsilbe 'meta' und 'fern' wird der Sinngehalt der Metapher selbst
zum Bild, wobei die ‚fälschliche‘ Schreibweise an Distanz denken lässt, für weit weg, weit hergeholt und
entrückt. Damit sind verschiedene Blickwinkel zum Ausdruck gebracht: aus der Ferne und mit Distanz
betrachtet und zugleich von hier aus, vom Jetzt IN die Ferne geblickt.
Bildbeschreibungen
Weil sich Miki Früh als Bilder- und nicht als Wortmensch versteht, kann und will er seine Bilder nicht bis
letzte Detail deuten. Den Betrachter an die Hand nehmen ja, aber ihm genügend Freiraum für eigene
Interpretationen lassen, trotz der Komplexität des Themas. Dies erfolgt nun nicht in wohlformulierten
Bildbeschreibungen, sondern in Stichpunkten zu den einzelnen Bildern, die wie geistige Haftnotizen bei
der Nachvollziehbarkeit der Motive helfen sollen. Weil zum einen mehrere Bedeutungsebenen komprimiert
auf ein Symbol projeziert werden, zum anderen, weil sie stark verschlüsselt sind…
Acryl auf Leinwand:
Im Keller, 100 x 80 cm
archivierte Erfahrungen und Erinnerungen; weggeräumt und verstaut; ist etwas in den Schachteln drin –
und wenn ja was? aufgeräumte Ansammlung, sortierte Eigenschaften; eine Burg von verschachtelten
Gedanken und Gefühlen. Eine einzelne Kiste ausgelagert (fern); Sinnbild für Vielheit einer
Art/Gattung/Sorte – Unterschiedlichkeit und Parallelen; verborgen im Keller, angestaubt, wenig beachtet,
zur Seite geräumt...
Barrieren, 100 x 80 cm
Erinnerungen, die verborgen sind, keinen Zugang bieten; die eigenen Grenzen UND äusseren Grenzen;
das tut man nicht; das will ich nicht wissen. Die Angst, die Scheu in das 'Dahinter' zu blicken. Die Irritation, die Unmöglichkeit zu erkennen. Barrikade, Blockade. Grenzen können nicht ausgelotet werden. Ein
Wirrwarr an moralischen Restriktionen?
Harte Schale, 80 x 60 cm
aussen hart, innen weich…, zurückgezogen, Schutz, Panzer, wehrhaft. Geöffnet, verletzlich. Verkrustung,
fester Standort/Standpunkt...
3Rot, 100 x 80 cm
Gefahr, Liebe, Angst: Rot intuitiv zugeordnet (gebräuchlich?): alle sind sie rot, aber verschieden und
können sich gegenseitig beeinflussen; einwirken, verändern, drohen, Widerstand bieten, retten, schützen
– konkret und abstrakt in Ihrer gegenseitigen Wechselwirkung. Liebe heilt, schützt, bewahrt, gibt Halt.
Aber auch Flusslandschaft: eingebettet, dahinfließend und begrenzt. Ursprung und Ziel, über die Ufer
tretend und versiegend…
Ausstellung in der Bayerischen Krebsgesellschaft 2010 (Seite3/5)
Labyrinth, 100 x 80 cm
Wer steckt da drin? Wie komme ich heraus? – Will ich da bleiben? – Ist das schön?
Ziel, Weg, Verirrung – wer hilft hinaus? Verlust von Werten – Neuorientierung. Das Labyrinth an sich:
Verschiedene Gänge/Optionen, durch Informationen und Angebote (Medizin, klassich und komplementär.
Glaube, Esoterik, Gott usw.), verloren, ausgeliefert...
Mittelwert, 100 x 80 cm
Was sagt schon die Statistik über das Befinden des einzelnen aus? Verlauf, Fieberkurve, Genesung,
Gemütszustand, Börse > Spekulation, Statistik… der Mittelwert des Befindens – die Wahrheit wird zum
Mittelwert...
Oberfläche, 80 x 60 cm
Scheinbar erkennbar. Reisst die äussere Hülle, gibt sie weitere Schichten frei. Tiefer Einblick; Formen
wollen erkannt werden und lösen sich wieder auf. Kein konkretes Motiv, kaum etwas Erkennbares: Das
Auge will suchen, erkennen, aber es geht um den Prozess des Hinsehens: unter die Oberfläche. Tiefgründig, oder nur weitere Oberflächen? Aufplatzen, reissen. Information - Prozess - Struktur.
Halt, 80 x 60 cm
Halt geben, aufhalten, am Abgrund. Verzweiflung, Verwundung. Der gute Rat: Stütze oder Stolpern? Hilfe,
Kraft, Macht, Gewicht. Abbröckeln, Sorge, Ungewissheit oder doch Schutz?
Aufstand, 80 x 60 cm
Metamorphose, Wandel. Neubildung, Keimen, Prozess!
Ambivalenz:
a) Kraft, Welle, Zerstörung
b) los- und herauslösen, aufstehen > Hoffnung
Acryl auf Karton:
Dreieinigkeit, 42 x 20 cm
Spirittualistät, Mystik, Erklärungsmodelle von Welt auf einfache Formel gebracht. Bedeutung und Interpretierbarkeit. Naturgesetze? > Neuschaffung und Übernahme von Bedeutung.
Aussprengtechniken:
307 Informationsstruktur I 50 x 70
308 Informationsstruktur II 50 x 70
309 Informationsstruktur III, Buntstift 50 x 70
Information - Prozess - Struktur. Abbildungen verschiedener Informationskanäle. Reine Strukturen, ohne
Wertung. Kanäle, die keine Bedeutung preis geben, Bahnen, Schienen, Gewebe, Netzwerk: Potential!
Information: Wissen, Resultat 'Handeln'.
Ohne Information, kein Prozess.
Ausstellung in der Bayerischen Krebsgesellschaft 2010 (Seite4/5)
301 Nicht Bäume sehen 100 x 70
302 Bäume vor Wald 100 x 70
305 Bäume, Wald sehen 50 x 70
Zu viele Informationen/Gefühle? – Kein Erkennen, nur das Erkennen der Bäume oder des Waldes? Keine
Sicht dahinter, nur schwarz, orientierungslos, im Wald, verlaufen…
u.a.
…weitere Deutungen müssen/sollen offen gelassen werden: Der Intuition, der eigenen Sichtweise,
eigenen Erfahrungen, der Lust am Tüfteln an der Nachvollziehbarkeit, dem Entschlüsseln der erzeugten
Metapher.
Ausstellung in der Bayerischen Krebsgesellschaft 2010 (Seite5/5)
*Definitionen:
Generelle These
Strukturen an sich... Der ursprünglich schnell in sein Skizzenbuch dahingeschriebene Gedanke, gewonnen aus der Beobachtung und Wahr-Nehmung des Umfeldes, aber auch durch die Beschäftigung mit
Meta-Physik, dass eine Entität* dort endet, wo eine andere beginnt, war die Zündung, der mentale
Urknall, für einen neuen Blickwinkel.
Miki Früh:
Strukturen bilden Gegenstände: atomar, zellulär, konstruktiv...
Strukturen bestehen aus der Anordnung von Dingen
Strukturen bedeuten Beschaffenheit, Oberfläche, Eigenschaft
Strukturen sind die Mütter von Mustern und die Väter von Formen
Strukturen sind aber auch losgelöst von der stofflichen Welt und im übertragenen Sinne zu finden: in der
Gesellschaft, Politik, Logik, etc.
Aus Strukturen bilden sich Verhaltensmuster heraus – der Einzelne unter Vielen.
Strukturen bedeuten Regeln, Orientierung, zugleich aber auch Einengung und Determination.
Farbe an sich ist ein Urenkel einer Struktur: Der physikalischen Welle.
Wellen an sich sind Struktur, eine spezifische Welle ist ein Muster. Die Struktur der Welle per se ist also die
Gesamtheit aller Wellenmuster. Farbe ist Licht, Licht ist Welle.
So viel zur Grundlage und zum Verständnis der Arbeiten von Früh. Die weitere Ausarbeitung des
Themas "Struktur" in bildhafter und textlicher Form stellt seine zukünftige Aufgabe dar...!
*: Entität (neulat. entitas von lat. ens, seiend) ist in der Philosophie ein ontologischer ** Sammelbegriff für
alles Existierende. So gehören Gegenstände, Eigenschaften, Prozesse usw. zur Klasse der Entitäten.
Traditionell bezeichnet der Ausdruck
Entität das unspezifizierte Dasein von etwas, im Gegensatz zu Quidditas, dem allgemeinen, und Haecceitas, dem individuellen Sosein von etwas. (aus Wikipedia)
**: Die Ontologie (aus dem Griechischen ὄν on als Partizip zu εἶναι einai „sein“ und aus λόγος logos „Lehre“, „Wort“) ist eine Disziplin der theoretischen Philosophie. In der Ontologie geht es einerseits um
Grundstrukturen der Realität.
Dieser Gegenstandsbereich ist weitgehend derselbe, der nach traditioneller Terminologie "allgemeine
Metaphysik" genannt wurde. Spezielle Gegenstandsbereiche betreffende Fragen sind zum Beispiel „Was
ist der Mensch?“, „Gibt es einen Gott?“ oder „Hat die Welt einen Anfang?“. Diese Themen fielen nach
traditioneller Stoffgliederung in den Bereich „spezielle Metaphysik“.
Bei einigen traditionellen Herangehensweisen steht der Begriff des Seins im Vordergrund.
Allgemeiner fällt unter den Gegenstandsbereich der Ontologie eine Systematik grundlegender Typen von
Entitäten (Gegenstände, Eigenschaften, Prozesse) und ihrer strukturellen Beziehungen.
meta (μετά): mit, mitten, zeitl.: nach, übertr.: über, hinter, neben
> Metabolismus, Metabolit, Metadaten, Metaebene, Metaethik, Metagenese, Metager, Metainformation,
Metakognition, Metakommunikation, Metamodell, Metamorph, Metamorphose, Metaphase, Metapher,
Metaphysik, Metasomatose, Metasprache, Metastase, Metatheorie, Metathese (aus Wikipedia)
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