Elektrolytische-Verfahren-zur-sekundaeren

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Auszug aus
5/2005
Elektrolytische Verfahren zur sekundären Trinkwasserdesinfektion
Unterschiede und
Gemeinsamkeiten
Auf dem 5. Würzburger Medizintechnik Kongress im vergangenen
Jahr wurden elektrolytische Verfahren zur mikrobiologischen Trinkwasserdesinfektion in der Hausinstallation vorgestellt und diskutiert. Bei den Verfahren handelte
es sich um die anodische Oxidation
und die elektrochemische Aktivierung oder Elektrodiaphragmalyse.
Beide Verfahren sind bereits auf
dem Markt und befinden sich zurzeit beim DVGW (Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches
e. V.) im Anhörungsverfahren
(W229, ,Neue Desinfektionsmittel
und -verfahren’, das erste Hearing
fand am 10./11. Februar 2005 in
Bonn statt). Im Folgenden wird erläutert, wie sich die beiden Verfahren im Vergleich darstellen.
Dr. rer. nat. Kurt Kaehn, EURITIM
F
ür das Einsatzgebiet TW-Desinfektion sind diese Verfahren relativ
neu und ihr Verständnis erfordert
ein gewisses Maß an elektrophysikalischen und chemischen Kenntnissen.
So tun sich vor allem Betreiber, aber
auch Gesundheitsämter mit einer Beurteilung noch schwer. Leider haben
in der Vergangenheit auch die Hersteller von Anlagen, die nach dem
Prinzip der elektrochemischen Aktivierung arbeiten, wenig zur Aufklärung beigetragen. Offensichtlich
wurde befürchtet, damit der Konkurrenz einen zu tiefen Einblick in
das eigene Know-how zu geben.
Tatsächlich hat dieses Verhalten in
Fachkreisen aber Ablehnung und
Skepsis hervorgerufen.
Die Darstellung der Besonderheiten
beider Verfahren und die Unterschiede zwischen Anlagen unterschiedlicher Hersteller sollen zur Versachlichung der Diskussion kurz dargestellt werden. Die Verfahren werden
im Folgenden als anodische Oxidation und elektrochemische
Aktivierung bezeichnet. Der Begriff Elektrodiaphragmalyse ist
irreführend und sollte nicht mehr
verwendet werden. Er ist in der
chemischen Industrie seit über
100 Jahren belegt und bezeichnet
ein spezielles Produktionsverfahren,
bei dem durch Elektrolyse von Salz
die chemischen Grundstoffe Chlorgas
und Alkalilauge hergestellt werden.
Unterschiede bestehen
Die anodische Oxidation und die
elektrochemische Aktivierung sind
Verfahren, die aus Kochsalz und
Trinkwasser letztlich hypochlorige
Säure (HOCl) zur TW-Desinfektion
produzieren. Die wesentlichen verfahrenstechnischen Unterschiede
zwischen anodischer Oxidation und
elektrochemischer Aktivierung sind
in der Tabelle zusammengestellt.
Bei der anodischen Oxidation wird
hypochlorige Säure, das eigentliche
mikrobiozide Agens, über das Zwischenprodukt Chlorgas gebildet.
Chlorgas (Cl2) entsteht durch Oxidation (Entzug von Elektronen) von
Chloridanionen (Cl-) an der Anode
[1]. Das gelöste Chlorgas reagiert mit
Wassermolekülen weiter zu hypochloriger Säure und Salzsäure [2].
[1] 2 Cl– → Cl2 + 2e
[2] Cl2 + H2O → HOCl + HCl
Nicht entferntes Wasserstoffgas1 und
die Bildung von Salzsäure machen
das behandelte Trinkwasser korrosiv.
Dieser Umstand ist besonders bei
Werkstoffen (Rohre, Fittings etc.) aus
nichtrostendem und feuerverzinktem
Stahl zu beachten (Edelstähle mit
niedrigem Molybdängehalt beziehungsweise Verzinkung im Schmelztauchverfahren).
BILD: FBMT/KTM
Der Trinkwasserdesinfektion müssen sich
Krankenhäuser mit viel Umsicht widmen.
Die Diskussion um einzelne Verfahren schafft
die Basis für höchste Hygiene in der Praxis.
Anlagen nach dem Prinzip der elektrochemischen Aktivierung bestehen
aus zwei hydraulisch getrennten
Teilen: der Produktionsanlage und
der Dosiereinrichtung. In der Produktionsanlage wird zunächst aus
Trinkwasser (meist vollentsalzt) und
Kochsalz (meist reines Siedesalz)
eine gesättigte Sole in eine Vorlage
produziert. Eine Pumpe mit Mischventil verdünnt die Sole mit (VE)
Trinkwasser auf einen Salzgehalt von
0,5 bis 3 Prozent und fördert sie in
die Elektrolysekammern.
Die anodische Fraktion (Anolyt)
wird in einem Vorratsgefäß (zehn
bis 100 Liter) gesammelt, die kathodische Fraktion (Katholyt) wird verworfen. Die Dosiereinrichtung taucht
mit einer Lanze in den Anolytvorrats1
2
3
In der Spannungsreihe, in der die
Metalle von links nach rechts nach
zunehmender Elektronenbindekraft angeordnet sind, steht der
Wasserstoff rechts von Zink,
Chrom, Eisen, Nickel und Blei, das
heißt, er kann diese Metalle oxidieren.
Die dauerhafte Beschichtung von
Titan ist Hochtechnologie.
Den
physikalisch-theoretischen
Hintergrund liefert die Fundamental Field Theory von I. L. Gerlovin.
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pn verlag
TABELLE: VERFASSER
behälter ein und befördert mittels
einer Dosierpumpe das Anolyt zur
Injektionsstelle im Leitungsrohr. Das
Mischungsverhältnis mit dem fließenden Trinkwasser ist dabei 1:300
bis 1:1.000. Die Ansteuerung der
Dosierpumpe erfolgt entweder
über einen Kontaktwasserzähler oder
über eine Aktivchlor-Messzelle. Die
Zudosierung kann in den Kalt- und/
oder Warmwasserstrang erfolgen.
Die Bildung der hypochlorigen
Säure erfolgt bei der elektrochemischen Aktivierung im Anodenraum
durch Reaktion von Chlor- und
Hydroxylradikalen [3].
[3] Cl● + OH● → HOCl
Voraussetzung dafür ist ein neutraler pH-Wert im Anodenraum. Es entsteht Chlorgas, wenn saures Anolyt
produziert und nach dem Verlassen
der Elektrodenkammer mit basischem
Katholyt nur neutralisiert wird.
Die Ansteuerung der Elektrolysekammern, deren Bauart sowie die
Materialqualitäten sind entscheidend für die Zusammensetzung des
Anolyts (jeder Hersteller/Vertreiber
verwendet eine eigene Bezeichnungen für sein Anolyt).
Es existieren röhrenförmige (radiales elektrisches Feld) und flache
(homogenes elektrisches Feld) Elektrolysekammern. In ersteren kann
die Anode innen oder außen angeordnet sein. Die Elektroden sind
aus Edelstahl oder Titan gefertigt,
es gibt sie beschichtet (Metalloxide) oder unbeschichtet2.
Das ionenselektive, dünne Diaphragma besteht meist aus seltenen
Einbauort der Elektroden
Schutz der Elektroden
vor Verkalkung
an den Elektroden
entstehende Reaktionsprodukte
Bildung der hypochlorigen Säure
Wasserstoffgas
(entsteht an Kathode)
Wirkung der Desinfektion
Deklaration der
Inhaltsstoffe
Mischmetalloxiden der fünften und
sechsten chemischen Periode und ist
von wesentlicher Bedeutung für den
Produktionsprozess. Weiter werden
die Elektrolysekammern von den
unterschiedlichen Herstellern (inzwischen sind gut ein halbes Dutzend
im deutschen Markt tätig) unterschiedlich hydraulisch angesteuert.
Der Strom verdünnter Sole wird
entweder geteilt und parallel dem
Anoden- und Kathodenraum zugeführt oder durchläuft komplett
entweder zuerst den Anoden- oder
Kathodenraum. Je nach Prozesssteuerung wird im Kathodenraum
mehr oder weniger Wasserstoffgas
produziert. Es muss separat abgeführt werden oder kann im
Anolytvorratsbehälter ausgasen.
Auch die Strömungsgeschwindigkeiten und Kontaktzeiten mit den
Elektroden haben entscheidenden
Einfluss auf die Anolytqualität. Die
elektrische Arbeit W [4], die an der
verdünnten Sole im elektrischen
Feld verrichtet wird, ist abhängig
von der Klemmspannung, der Stromstärke und den Kontaktzeiten.
[4] W = U × I × t
Geschwindigkeiten und Kontaktzeiten beeinflussen das Ergebnis
Da die Stromstärke den Schwankungen der Ionenkonzentration
folgt, muss elektronisch ein hoher
Aufwand betrieben werden, um
die elektrische Arbeit W und damit den Energieeintrag in die
anodische Oxidation
in einem Bypass der TW-Leitung
(Kaltwasserstrang)
periodische Umpolung
gelangen direkt ins TW und werden
stromabwärts miteinander vermischt
bei Mischung der Reaktionsprodukte
entsteht Chlorgas, das mit Wasser
hypochlorige Säure und Salzsäure
bildet
Vorrichtung zum Sammeln
und Abführen notwendig
systemisch
die ins TW abgegebenen Stoffe
können im Betrieb nicht bestimmt
werden, es muss das Verfahren als
solches zugelassen sein
elektrochemische Aktivierung
in einer separaten Produktions
anlage
regelmäßige Spülung und
Entkalkung, Verwendung von VEWasser und reinem Kochsalz
bleiben durch ein Diaphragma
zwischen den Elektroden
getrennt
an der Anode wird direkt hypochlorige Säure erzeugt und als
anodische Fraktion (Anolyt) zur
TW-Desinfektion verwendet
kann im Anolyt-Vorratsbehälter
ausgasen
systemisch
die chemischen Inhaltsstoffe des
Anolyts können bestimmt werden, auch während des Betriebs
lassen sich jederzeit Proben aus
dem Vorratsbehälter ziehen
Vergleich der anodische Oxidation und elektrochemische Aktivierung: Beim DVGW hat es bereits
ein erstes Anhörungsverfahren über die Vor- und Nachteile der beiden Methoden gegeben.
verdünnte Sole konstant zu halten.
Durch Störungen im Prozessablauf
ändert sich die elektrische Arbeit W
und beeinflusst damit die Zusammensetzung des Anolyts. So kann zum
Beispiel eine Drosselung der Flussgeschwindigkeit (gleich verlängerte
Kontaktzeit) durch Ablagerungen an
den Elektroden zu einem Abfall des
pH-Werts im Anolyt und zur Bildung
von Chlorgas und Salzsäure führen.
Anolyt sollte die Elektrolysekammer
immer neutral (pH-Wert 7,0 ± 0,5)
verlassen, weil ein saures Milieu
generell die Bildung von Chlorgas
fördert. Chlorgas wird auch gebildet,
wenn das Diaphragma, zum Beispiel
durch Druckschläge, gebrochen ist.
Es kommt dann wie bei der anodischen Oxidation zu einer Vermischung von Anolyt und Katholyt.
Die mikrobiozide Wirkung von
Anolyt ist um ein Vielfaches größer,
als die Wirkung von einfacher hypochloriger Säure vergleichbarer Konzentration. Warum? Die geleistete
elektrische Arbeit W steckt nicht vollständig in den chemischen Reaktionsprozessen und in der freigesetzten
Wärme. Ein Teil wird in Form von
innerer potenzieller Energie in den
Molekülen der Lösung gespeichert
und senkt so deren Aktivierungsenergie für chemische Reaktionen3.
Die große Anzahl der Prozessparameter mit Einfluss auf die Zusammensetzung des Anolyts macht
deutlich, dass Anolyt nicht gleich
Anolyt ist. Vom Hersteller ist daher
eine chemische Analyse seines Anolyts vorzulegen. Falls die Konstanz
des Anolyts nicht anderweitig sichergestellt ist, sollte diese Analyse bei
installierten Anlagen in Abständen
überprüft werden. Diese Forderungen sind auch im Sinne des Verbraucherschutzes zu stellen. Trinkwasser
ist ein Lebensmittel und fällt unter
das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz LMBG. ■
Kontakt
EURITIM GmbH
Dr. rer. nat. Kurt Kaehn
Steinbühlstraße 7, 35578 Wetzlar
Tel.: 0 64 41 / 4 47 85-10
Fax: 0 64 41 / 4 47 85-19
[email protected]
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